38.6. Jaeho

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Jaeho wusste nicht ganz recht, wie er diese Frage beantworten sollte. Sie überforderte ihn, wie viele Dinge im Moment. Chori dachte wohl, dass er sie nicht verstanden hatte, was auch nicht so unrealistisch war, denn der Lärm den die Panik über die Explosion an Bord ausgelöst hatte, machte es schwierig zu kommunizieren. Und nun fingen Gamis und Lennon auch noch damit an, auf die Xiphias zu feuern, die nach der Explosion arg Schlagseite erlitten hatte und dazu verdammt war, sich bis zu ihrer Versenkung im Kreis zu drehen, da ihr Steuerruder zerstört worden war. Matrosen stürmten an ihnen vorbei, Jaemi wurde fast von einem jentyponischen Seesoldaten niedergerannt. Doch zum Glück war das Chaos an Bord so groß, dass niemand darüber nachdachte, ob die drei camonischen Musiker, nicht in Wirklichkeit verdeckte Lituolier sein und hinter dem ganzen Angriff stecken könnten.

Man hielt sie sogar für äußerst hilfsbereit, als man sie dabei beobachtete, wie sie Mirayn von Nowkrust eben in seine Kajüte brachten. Dabei war der ilazische Diplomat fast nicht ansprechbar. Chori hielt ihn noch bei Bewusstsein, doch durch ihre Macht war er wie ein Schlafwandler in einer irrealen Welt gefangen, ohne viel von der Außenwelt mitzubekommen. >Die Manengrunder haben diesen Angriff inszenieret, um Euch gefangen zu nehmen.< redete sie ihm ein, während sie die Tür zu seiner Kajüte aufstieß und ihn an die Hand nahm >Wir sind hier, um Euch zu retten.<
Die Maid des Verstandes besaß gruselige Fähigkeiten, dachte Jaeho da, als er von Jaemi in den Raum geschoben wurde und er war froh, dass Chori auf ihrer Seite stand.

Sie verschlossen die Tür fest hinter sich, dann wandte sich die Königin mit der selben Frage wieder an ihn >Ich habe vor, Mirayn zu Jaetru zu bringen. Auf die Königin Chori. Was hältst du davon?<

Der machtbesessene Jaetru, unbeaufsichtigt dafür verantwortlich, dass der ilazische Chefdiplomat sicher wieder zurück an Land kommt. Was konnte da schon schief gehen?

Doch nein, Jaeho wollte nicht so negativ denken >Ich bin davon überzeugt, dass sich Jaetru dem Ernst der Lage bewusst ist. Der Plan wurde schließlich zuvor mit ihm abgesprochen!< Jaeho versuchte überzeugt zu klingen, doch er wusste nicht, ob ihm dies gelang.

Jaemi stand am Fenster >Ich sehe Daiv, Choyon und Chothan auftauchen! Lehni hilft ihnen gerade zurück in ihr Beiboot und Baharah ist nun auch aufgetaucht!<
Sie beobachteten, wie eine Fontäne an kochendem Wasser an ihrem Fenster vorbei, nach oben schoss und wohl Daiv und die anderen davor bewahren sollte, vom Deck der Xiphias aus unter Feuer genommen zu werden.

Die amphibischen Fähigkeiten der Chorr waren auch außergewöhnlich. Daiv und seine Leute waren bis zum Ruder unter die Xiphias getaucht und hatten die Bombe angebracht. Dann hatten sie auf den richtigen Augenblick gewartet, um zu zünden und sich dann noch in Sicherheit bringen können. Auch darüber dass die Chorr auf ihrer Seite standen, war Jaeho sehr froh.

>Ausgezeichnet!< Chori stürzte nun auch zum Fenster >Alles verläuft nach Plan! ich werde mit Baharah zusammen den Diplomanden jetzt auf die Königin Chori bringen. Dann werde ich euch holen kommen!<
Die Geschwister aus Vijen sahen einander stumm an. Sie wussten, dass Baharah sie nicht alle tragen konnte. Doch eine weitere Person würde gewiss kein Problem sein und beiden war unwohl dabei, daran zu denken, ihr Geschwisterchen auf einem Schiff warten zu lassen, das unter Beschuss stand. Sie wollten den jeweils anderen dazu drängen, die Gelegenheit zu nutzen und mit Chori mitzufliegen, doch sie wussten auch beide, dass dieses Flehen unnütz war.

Die Königin war sich auch dieser Lage bewusst und sie ahnte schon, dass sie eine Diskussion unterbinden musste >Ich verspreche, dass ich für euch beide zurück kommen werde!< versicherte sie und öffnete das Fenster >Baharah!<
Der Drache erhob sich aus den Wellen und versuchte sich an das offene Fenster zu krallen, damit sie auf seinen Rücken klettern konnten. Dabei wehrte er immer noch den Beschuss von jentyponischen Seesoldaten über ihnen ab.
>Den Göttern sei Dank für diesen Drachen.< murmelte Jaeho und ließ den Blick durch den Raum streichen, um eine geeignete Methode zu finden, um den Raum zu versperren. Doch leider musste auch auf dem größten Schiff der Welt Platz gespart werden und so gab es neben einer Hängematte, auch nur eine kleine Kommode, die sie wohl an seinem Rollstuhl nicht vorbei schieben hätten können, da die Kajüte viel länger als breit war. An der Tür befand sich nur ein kleiner Schieberiegel, den Jaemi bereits pflichtbewusst einrasten hatte lassen.

Chori winkte ihnen zum Abschied >Haltet die Stellung! Passt auf euch auf!< dann hob Baharah mit ihr und dem schlaftrunkenen Ilazier ab.

Somit waren die Geschwister alleine und die Realität holte sie plötzlich ein.
>Das ist Wahnsinn! All das ist Wahnsinn!< erklärte Jaemi mit zitternder Stimme und Jaeho zog sie zu sich >Bleib lieber vom Fenster weg, bis Chori zurück kommt. Nicht, dass eine Kanonenkugel dich erwischt.<

Sie wussten beide, dass diese Vorsichtsmaßnahme völlig nutzlos war. Sollte eine Kanonenkugel ihre Kajüte treffen, war es egal, wie weit sie vom Fenster entfernt standen. Jaemi ergriff Jaehos Hände und sie stellten sich darauf ein, mit zugekniffenen Augen, auf Choris baldige Rückkehr zu hoffen.

Die Xiphias stöhnte auf, jedes Mal, wenn sie getroffen wurde und auch die Fehltreffer machten ein beunruhigendes Geräusch, wenn sie durch die Luft pfiffen. Es wurden immer mehr Geschütze, als sich die lituolische Flotte aus dem leichten Nebel schälte und die Jagd ihrerseits eröffnete. Doch wirklich beängstigend klang es, wenn die Xiphias eine volle Breitseite, aus ihren Kanonen, ihren Gegnern entgegen schleuderte. Dann zuckten die Geschwister zusammen und fragten sich, warum das Schiff nicht bereits von der Wucht ihrer eigenen Kanonen zerrissen worden war.

Fast hätten sie durch den ganzen Lärm nicht bemerkt, wie jemand plötzlich an ihrer Tür hantierte, doch als die Tür mit Gewalt aufgerissen wurde, realisierten die beiden schnell, dass sie entdeckt worden waren.

Jaeho stieß Jaemi hinter die Hängematte und zog seinen Dolch aus einer Tasche an seinem Rollstuhl, dazu bereit, diesen gegen jeden Eindringling einzusetzen. Doch er stutzte einen Moment lang, als er zwei jentyponische Matrosen erblickte. Der eine hielt sich den Bauch, die Uniform war dort mit Blut befleckt und er wurde von dem kleineren der beiden gestützt, der seine frei Hand beschwichtigend in die Luft hielt. Während seiner Stunden auf der Bühne, in denen er für die Besatzung und die hohen Gäste der Xiphias hatte spielen müssen, hatte Jaeho viel Gelegenheit dazu gehabt, die jentyponischen Uniformen zu studieren. Irgend etwas war sehr komisch an diesen beiden Gestalten, auch wenn er nicht genau wusste, was ihn im Detail an der Art störte, wie sie ihre Kleidung trugen, sagte ihm doch etwas unterbewusst, dass da jemand nicht darauf geachtet hatte, völlig authentisch zu sein.

>Bitte, wir wollen nur überleben.< sagte der Kleinere in der Gemeinsprache und brachte seinen Kameraden in die Kajüte. Jaeho hielt seinen Dolch jedoch noch immer drohend wurfbreit >Der Kerl gehört ins Lazarett. Das hier ist eine Zivilisten Kajüte.< antwortete er in der Gemeinsprache. Noch ein komisches Detail. Warum gingen sie nicht in ihr Lazarett, wenn einer von ihnen verwundet war?
>Man sucht nach uns. Wir müssen uns verstecken, genau wie ihr.< versicherte der Kleinere und half dem Größeren, sich auf den Boden zu setzen.
>Aber sicher nicht hier! Verschwindet, ich weiß sehr gut mit diesem Dolch umzugehen. Unterschätzt mich nicht.<
>Das weiß ich doch. Ihr seid schließlich ein Mitglied der Weißen Klingen.< antwortete der Kleinere und öffnete die Uniform seines keuchenden Freundes, um sich die Wunde anzusehen >Ihr habt doch gewiss etwas Vash-Blut bei Euch, Fürst von Vijen?< nun sprach der Fremde in perfektem Pheen.

Jaeho zog die Augenbrauen zusammen, während sich der Verwundete versuchte zu wehren >Nein. Kein blödes Vash-Blut mehr!< auch er jammerte in Pheen.
>Ihr seid Manengrunder?<
>Nicht ausschließlich.< antwortete der Fremde und blickte zu Jaeho auf >Bitte, mein Freund hier hat mich gerettet. Ich darf ihn nicht sterben lassen.<

Da rührte sich der Verwundete und griff in seine Tasche. Jaeho wollte seinen Dolch schon werfen, doch es kam nur ein Blatt Papyrus zum Vorschein >Wir ergeben uns.< hauchte der Verwundete und hielt Jaeho das Blatt mit zitternder Hand hin >Das wird uns doch wohl gestattet sein?<

Es handelte sich dabei um eine Propagandaschrift, die man in den letzten Wochen entlang der gesamten Front abgeworfen hatte, um die Manengrunder zum Desertieren zu bewegen. Sie versprach gute Behandlung und Schutz durch die Lituolier.
>Nehmt zumindest Findirck Juvi mit, wenn ihr flieht. Er kann für all das nichts.< fügte der Verwundete schwach hinzu und sein Freund schüttelte den Kopf >Wir werden zusammen entkommen!<

>Ihr seid Findrick Enmehn und Aden Dennen.< schlussfolgerte Jaemi richtig und bekam einen angewiderten Gesichtsausdruck >Diese Garantie, die Ihr da in der Hand habt, gilt für einfache Soldaten, die nur ihre Befehle befolgt haben! Doch Ihr seid Inszenator dieses ganzen Krieges. Ihr könnt doch nicht von uns verlangen, einfach einer Kapitulation zuzustimmen und Euch in Sicherheit zu bringen! Was wenn Ihr uns hintergeht?<
>Ich ergebe mich.< presste Aden hervor >Und hier steht, dass jeder Soldat der desertiert, von den Lituoliern in Sorgfalt aufgenommen wird. Das hat Jaeartheon geschrieben, habe ich recht? Sagt mir, dass es seine Zeilen sind.<

>Habt ihr meinem Meister Gnade gestattet?< flüsterte Jaeho und war sich erst jetzt der Wut bewusst, die in seiner Brust geschlummert hatte. Er fuhr lauter fort, auch wenn er das nicht vor gehabt hatte >Jaesore von Hamir! Ihr habt ihn getötet. Und Gnaeo den T auch. Außerdem solltet Ihr Euch vorsehen, Jaeartheon

Die Herrscher Lituoliens - zwei Idioten schreiben GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt