Da stand Melana nun, die tapfere Generälin. Ein Paradebeispiel für die jentyponische Infanterie, mit ihrem Ehrensäbel, den sie sich vor Jahren in der Schlacht von Ypers verdient hatte und einem Stapel an Plänen, die ihnen einen Ausweg aus der aktuellen verzwickten Situation versprachen. Doch die Soldatin Mandachel Yuchva, die sich ihrer Befehlshaberin in den Weg gestellt hatte, dieses hagere, zarte Ding, verlangte von ihr, das alles zur Seite zu legen, um den schmutzigen Zettel an sich zu nehmen, den ihr die junge Frau hin hielt. Die Götter hätten ihr besser eine dritte Hand wachsen lassen sollen, scherzte Melana verbittert, noch ohne sich der Tragweite dieses Zettels bewusst zu sein.
Eigentlich hatte sie wichtigeres zu tun. Zumindest dachte sie das in diesem Moment noch.
Sie waren zusammen mit den Manengrundern bereits seit Wochen vor der Stadt Panareen gestanden. Melana war nicht von Anfang an dabei gewesen, sie war gerufen worden, als General Faranca, nach zahlreichen Rückschlägen, dazu aufgefordert worden war, zurück zu treten. Dadurch hatte Melana endlich die älteste Stadt der Jae zu Gesicht bekommen können und dabei hatte sich ein Lebenstraum für sie erfüllt. Sie war gerufen worden, um die Schale der uralten Dame endlich zu knacken, denn man wusste, dass Melana ein Paradebeispiel für die jentyponische Widerstandskraft und deren berüchtigten Einfallsreichtum war. Und mit Großadmiral Kilee Leiq, hatte sie sich auch von Anfang an gut verstanden, auch wenn die Manengrunder ihrer Meinung nach, eigentlich nur als Liebhaber taugten.
Das galt natürlich nicht für Kilee Leiq, der im Gegenteil, ein ausgezeichneter Soldat war, doch auf keinen Fall mehr zum Liebhaber geeignet schien.
Deshalb hatte es sie auch überrascht, dass er den Rückzug von Panareen vorgeschlagen hatte. Es stimmte schon, gegen Ende der Belagerung, hatte die lange Zeit vor Panareen, eine deutliche Schneise in ihre Reihen geschlagen und das war genau so zu spüren gewesen, wie der Widerwille der Soldaten, weiter vor Panareen zu lagern und sich der Seuche auszusetzen. Doch Melana galt nicht um sonst als Problemlöserin. Sie hatte die Situation natürlich als das gigantische Potential gesehen, das sich aus der neuen Lage ergeben hatte. Mussten ihre Soldaten, am Beginn der Belagerung noch, mit Schaufeln und Metzgermessern bewaffnet in die Schlacht ziehen, da es nicht genug Ausrüstung für jeden der Kämpfer gegeben hatte, waren sie nun dazu in der Lage gewesen, die freie Auswahl zu haben, da die Toten ihre Säbel und Pfeile schließlich nicht mehr brauchten.
Dies hatte Kilee Leiq jedoch nicht überzeugt.Sie hatte den, bei der Flucht schwer Verwundeten, kurz vor dem Abflug der Manengrunder über den Ahnemorn, noch einmal gesprochen. Eigentlich hatte sie vor gehabt, ihn zu fragen, ob es das wert gewesen war, denn nun hatten sie nicht nur die Chance vergeben, Panareen einzunehmen, sondern waren auch noch weit zurück gedrängt worden. Die lituolische Gegenoffensive war erstaunlich erfolgreich gewesen, das hatte wohl sogar ihre Gegner überrascht und Melana vermutete noch immer, dass dies an der fehlenden Entschlossenheit der Manengrundern lag.
>Ihr seid jung und versteht das vielleicht noch nicht.< hatte Kilee Leiq geantwortet und es war für Melana unmöglich gewesen, noch Kritik an dem alten Mann zu üben. Er war so schwach und bleich auf seiner Pritsche gelegen, der aufgerissene Rücken mit dem kläglichen Rest an Verbandsmaterial, das sie noch hatten, notdürftig versorgt.>Ich verstehe die jungen Leute auch manchmal nicht mehr. Aber Ihr kennt das Leben eines Soldaten, wenn man aufbricht um zu erobern oder verteidigen oder auszukundschaften oder zu sichern. Man ist vorbereitet und entschlossen und hat nur das Ziel vor Augen. Doch irgend wie entgleitet es einem manchmal. Wie ein Schmetterling, den man nicht mehr einfangen kann. Und man wünscht sich, dass man dieses Unterfangen, doch niemals begonnen hätte.< Melana hatte dem folgen können, aber sah keinen Grund dazu, sich nun über solche Dinge, die man nicht mehr ändern konnte, noch zu grämen.
>Dieser Krieg war ein Fehler.< Damit hatte Kilee Leiq etwas ausgesprochen, was sich zwar alle dachten, doch sich niemand traute, offen zu sagen. Wie könnte man auch? Die Monarchen hatten das Schicksal der Soldaten bestimmt, der Großpriester hatte verkündet, dass dieser Krieg der Wille der Götter war. Doch nach den Schrecken, die man bei der Belagerung von Panareen erlebt hatte, waren all diese Punkte nicht mehr so klar wie noch zu Beginn des Krieges. War es ein Fehler gewesen, loszuziehen?
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Die Herrscher Lituoliens - zwei Idioten schreiben Geschichte
FantasyDer große Kontinent Peruna erstreckt sich von dem tropischen Regenwald Ahnahns, über die glühende Wüste Nemuraq, bis zum kalten Bergland in Manengrund. Er hat bereits viele Konflikte kommen und gehen gesehen und oft trennen die beiden Konfliktpartei...