38.3. Goradin

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Goradin starrte auf den langsam untergehenden Mond und kratzte sich unbehaglich fühlend an der Nase. Das waren alles keine guten Zeichen. Im Palast waren die Kerzen noch nicht gelöscht worden, das konnte er von der Straßenecke aus sehen, an der er stand und aus dem Kriegsministerium waren vor etwa einer Stunde, dubiose Gestalten geschlichen. Vielleicht zu einer geheimen Besprechung mit dem König?
Findrick hätte bereits bei Sonnenuntergang hier erscheinen sollen, was jedoch bis jetzt noch nicht passiert war.

Seit Tagen schon, hatte Goradin versucht mit dem König zu sprechen um die Konspiration mit den Ilaziern aufzudecken, doch er war nicht vorgelassen worden. Den König hatte man in den letzten Tagen auffällig gut abgeschottet, so dass sich Goradin, auf inoffiziellem Dienstweg, an den Stabschef von Staatssekritär Sir Avester von Manengrund gewandt hatte. Also an den Onkel des Königs. Doch auch die nächste Verwandtschaft des Monarchen, war nicht vor den Thron gelassen worden und so war Avester ebenfalls daran interessiert, herauszufinden was da los war.

Wenigstens diese Verabredung klappte. Der Stabschef hatte einen seiner Männer geschickt und dieser näherte sich nun unauffällig der Straßenecke.
Goradin war der Deckname Mokko genannt worden und so wartete er, bis sich der Mann auch so vorstellte, bevor er selbst irgend etwas sagte.
>Gut, seid gegrüßt.< meinte er knapp und versuchte zu verbergen, dass ihn die Gestalt von Mokko recht unglücklich machte. Er hatte sich einen hageren, unscheinbaren Burschen gewünscht, doch Mokko wäre wohl siegreich aus einem Ringkampf zwischen ihm selbst und Kaukus Leiq hervor gegangen. Nun, typisch für Stabschefs, die nur Augen für die Sicherheit ihrer Schützlinge hatten, dachte sich Goradin und versuchte das Beste daraus zu machen.

Mokko schien nichts von der düsteren Stimmung von Goradin zu bemerken. Er strahlte freundlich >Melde mich zum Dienst. Ich habe den Auftrag Euch dabei zu assistieren, in den Palast zu gelangen und ein Sichtkontrolle des Königs vorzunehmen.<
>Sichtkontrolle?< Goradin schmunzelte fast.
>Ja. Wir sollen überprüfen, wie es dem König geht.<
Nun schmunzelte Goradin tatsächlich >Das habe ich schon verstanden. Wie werdet Ihr mich in den Palast bringen?<
>Ich habe die Erlaubnis, Euch die geheimen Wege in den Palast zu zeigen.<
Goradins Augenbrauen schossen nach oben, als er über geheime Wege in den Palast hörte >Das wird aber auch Zeit, dass der Geheimdienstchef von so etwas hört!<

Mokko kratzte sich am Kinn >Ich bin mir nicht sicher, warum Euch diese Information bis jetzt vorenthalten worden war. Eure Vorgängerin und Lehrerin hatte diese Wege noch gekannt. Doch ich vermute, dass es der Königsfamilie schon damals ein Dorn im Auge gewesen war. Der Geheimdienst soll andere Leute ausspionieren, aber nicht die Familie Manengrund.<
>Das leuchtet ein.< versuchte Goradin unverbindlich zu antworten, auch wenn er sich einen halben Moment lang ärgerte.
Mokko lächelte entschuldigend >Doch wenn die Wege für Euch geheim geblieben sind, dann können wir zumindest davon ausgehen, dass sie auch niemand anderer kennt.<
Auch dem musste Goradin zustimmen >Na dann, folge ich Euch vorsichtig.<

Eine wie Mauerwerk angemalte Holztür, wurde Goradin von Mokko gezeigt, die man nicht entdeckt hätte, wüsste man nicht, wonach man suchte. Ein Blick nach oben zu den Fenstern des Palastes zeigte, dass die Wachen, die man aufgestellt hatte, auch nichts von der Tür wussten, denn diese schenkten der abgelegenen Ecke, keinerlei Beachtung. Vielleicht lag dies auch daran, dass man einen Angriff von der Straße oder dem Himmel aus, eher zu erwarten hatte, als dass sich zwei Gestalten mühsam durch den Garten kämpften.
>Erstaunlich.< murmelte Goradin vor sich hin, während sich Mokko richtig ins Zeug legen musste, um die klemmende Tür zu öffnen. Sand und Staub knirschten ungesund, als der andere Manengrunder kräftig anzog.
>Sehr gut.<

Die entblößte Öffnung zeigte eine Wendeltreppe, die wohl bis zum ersten Turm führte. >Können wir auch in andere Stockwerke?<
>Auf jeder Halbebene geht ein Schacht weg, von dem aus man in die wichtigsten Räume spähen kann. Thronsaal, Salon, Kartenraum. Nur die Privatgemächer des Königs, sind aus Sicherheitsgründen nicht mit diesem System vernetzt.<

Goradin pfiff beeindruckt durch die Zähne. Das war in der Tat eine außergewöhnliche Nachricht und ein Wunder, dass ihnen all das noch nie aufgefallen war. Er folgte Mokko also mit einer gewissen Neugierde durch die getarnte Tür.

In Situationen wie diesen, versuchte er sich gedanklich immer von dem unangenehmen Gefühl abzulenken, das ihn bei Außenmissionen beschlich. Er war eher der Schreibtischstratege, als ein richtiger Außenagent, doch leider war solch eine Angelegenheit Chefsache und so ging er beim Aufstieg über die hölzerne Wendeltreppe, Zeile für Zeile die Strophen seines Lieblingsliedes durch. Er hatte eine Orchesteraufführung davon einmal in Camo gehört. Vor dem Krieg natürlich und er hatte keine Sekunde der langen und teuren Reise dort hin bereut. Nun hämmerte sein Herz aber schneller als der Takt des Liedes und sein Mund fühlte sich zu trocken an, um zu singen. Selbst wenn er in solch einer Situation singen hätte dürfen.

Als sein schnaufender Atem jedoch den Takt seines stummen Liedes durcheinander brachte, widmete er sich lieber dem Text, den er dem König vortragen wollte. >Eure Majestät, ich muss dringend mit Euch reden,...< weiter war er noch nicht wirklich gekommen. Wie sollte er dem König klar machen, dass die Admiräle, die ihn jetzt seit Tagen bereits abschotteten, ihn hintergehen wollten? Er hatte Beweise dafür, doch würden diese ausreichen? Wie viele Lügen hatte die Gegenseite dem König bereits erzählt? Wie hatten sie überhaupt so schnell Zugang zu ihm bekommen und ihn von allem gemäßigten Stimmen isoliert?
Goradin musste wohl undiplomatisch sein, er würde seine Beweise auf den Tisch legen und auf eine direkte Konfrontation beharren. Mokko wäre sicherlich dabei behilflich, den König auch aus dem Palast zu schmuggeln, sollte es nicht anders gehen. Sie waren sich schließloch alle einig, dass der Junge bei seinem Onkel besser aufgehoben war. Man musste jedoch versuchen, einen Militärputsch zu verhindern. Würde man den König raus holen, könnten die Admiräle der Gegenseite den Palast für sich beanspruchen und womöglich die Macht an sich reißen. Das wäre wahrscheinlich zu verhindern, wenn man den Jungen dazu bringen könnte, der Palastwache zu befehlen, die Admiräle fest zu nehmen, während Goradin ihn hinaus schaffte.

All das hatte er bereits geplant gehabt, es brachte ihn jedoch nicht bei der Frage weiter, wie er den König von all den Betrügerein überzeugen sollte. Die Palastwache könnte genau so gut Goradin abführen und dann würden diese Admiräle freie Hand dabei haben, Arewen weiter zu manipulieren.

Seine beste Strategie war es, dem König die Hintergründe der Manipulation vor zu legen. Wenn er verständlich machen könnte, warum man versuchte die Kontrolle unrechtmäßig zu übernehmen, wäre es vielleicht leichter für Arewen zu glauben, dass solch ein Verrat gerade passierte.


Goradin hatte Beweise dafür, dass die Einberufungszahlen in Nareen nicht stimmten, sodass weniger Soldaten aus diesem Fürstentum an die Front geschickt wurden. Natürlich war der Fürst eben dieses Fürstentums kein anderer als Erik, der praktischerweise auch für die Rekrutierung von Soldaten verantwortlich war. Gleichzeitig wurde auch die zivile Bevölkerung von Nareen bewaffnet. Das wirkte alles so, als wollte sich Erik eine Privatarmee aufbauen, um langfristig die Macht zu übernehmen und dafür brauchte er wohl die Hilfe der Ilazier. Den Konspirateuren war nur recht, wenn das Land ausblutete, denn dann hatte der König weniger Soldaten und Soldatinnen für seine eigene Verteidigung. Deshalb die fatalen Entscheidungen, deshalb das ganze Leid. Und deshalb wurde der König gerade von Militärs belagert und dazu gedrängt, mehr falsche Entscheidungen zu treffen.
>Bei uns geht es schon zu, wie bei den Jae.< wollte er dem König sagen und er befand diesen Vergleich als sehr passend, doch soweit sollte es nicht kommen.

Sie kamen schließlich schnaufend zu einem Abgang, der sie von der Treppe zu einer Kammer vor dem Thronsaal brachte. Der mannshohe Raum lag etwas versetzt zum Thronsaal, sodass die Oberkante der Kammer, an den Boden des Saals anschloss und den Blick in dessen Inneres, durch dezente Schlitze in der vergoldeten Bodenleiste, frei gab. Also konnte Goradin, auf Zehenspitzen stehend, in den Raum vor sich spähen.

Goradin hielt den Atem an, als er den ersten Blick riskierte. Der Raum war hell erleuchtet und so konnte er erkennen, dass alle üblichen verdächtigen anwesend waren. Naranden, Bastee, Korya, Fidelin, mit all ihren Untergebenen. Und sie alle standen um den König, wiesen aufgeregt zum offenen Fenster, das in den Innenhof hinaus blicken ließ. Wie einen kleinen Vogel, versuchten sie ihn zu animieren, doch dort hin zu hüpfen, während der König völlig übernächtig und verwirrt zwischen den Militärs hin und her blickte. Sie klopften auf das Fensterbrett, mit strahlenden Gesichtern und versicherten >Natürlich könnt Ihr fliegen, Eure Hoheit. Ihr könntet über den Anhemorn hinweg fegen und zu der lituolischen Königin gelangen. Dort könntet Ihr der hohen Chorr raten, dass sie doch aufgeben möge.<

Goradin wurde blass, während sich seine Gedanken nicht ordnen lassen wollten, doch Mokko regte sich neben ihm, alarmierte >Was bei allen Unterwelten machen die da?< entfuhr es ihm und er sprang auf, lief drei Stufen höher und fand dort wohl eine versteckte Tür, die in den Thronsaal führte. Sie war von den Blicken der Beteiligten wohl durch ein Gemälde oder sonst einem Trick verborgen worden, doch jetzt bemerkten sie alle, dass sie beobachtet worden waren. Denn Mokko stürmte mit gezogenem Schwert in den Raum und brüllte wie ein Bär den Konspirateuren zu >Lasst

Die Herrscher Lituoliens - zwei Idioten schreiben GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt