38.5. Aden

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Als man die Tür aufstieß, um sie alle in einen winzigen Raum unter Deck zu bringen, in dem sie sich ungestört unterhalten konnten, flackerten die Kerzen darin für einen kurzen Moment gespenstisch. Es handelte sich dabei um die Gemächer der Offiziere, Messe genannt, doch das wusste Aden nicht. Er verstand nichts von all diesen Dingen, kannte sich weder unter Deck eines Schiffs aus, noch mochte er dessen Schwanken, sein Knarzen und den Umstand, dass eben diese Kerzen in besonders hohe Gläser gestellt werden musste, um einen Brand an Bord zu vermeiden.
Welche normal denkende Person, würde freiwillig auf die Idee kommen, sich selbst in die Gefahr zu bringen, jeden Moment in die Tiefen des Sanantiks gezogen werden zu können?

Er versuchte seine Angst in Wut umzuleiten. All das hier war doch verrückt. Sie hätten eigentlich schon längst in Adlerhorsten sein sollen, um dort Kilee Leiq abzuliefern und den König zu sprechen. Doch er war hier ohne ersichtlichen Grund her gelockt worden und seine Kameraden vor ihm, bauten sich nun zu einer erbosten Front gegen ihn auf. Er hatte wohl seinen Teil bei diesem Schauspiel nicht richtig gespielt.

Erik stand direkt neben der Kerze und massierte sich den Nasenrücken >Aden.< sagte er in gefährlich leisem Ton und blickte dann auf >Du bist wirklich unberechenbar.<
>Das sagst gerade du über mich? Was im Namen der Götter machen wir hier? Wo ist Kilee Leiq? Wo sind wir eigentlich? Ist das ein jentyponisches Schiff?<
Desinteressiert wirkend, fing Erik damit an, seine Schutzbrillen zu putzen >Kilee Leiq ist wahrscheinlich bereits tot.< meinte er und hauchte auf die Gläser.

Eine kratzende Trockenheit machte sich in Adens Mund breit, für ihn ergab nichts mehr Sinn. Man hätte ihn fragen können, wie sein Name lautete, oder wo er wohnte, er hätte sich gerade nicht sicher genug gefühlt, diese Fragen zu beantworten. Denn irgend etwas musste doch mit seinem Kopf nicht stimmen, sonst würde er hier keine Antworten halluzinieren.

Erik betrachtete seine Schutzbrillen im Schein der Kerze >Aden. Es wird Zeit dazu, dich aufzuklären, das sehe ich ja ein. Vor allem, da die anderen aus Adlerhorsten bald auftauchen werden und uns Nachrichten aus der Hauptstadt bringen.<
>Die anderen?< stammelte Aden, doch ihm wurde nicht gleich geantwortet. Ein Soldat packte ihn von hinten, ein anderer Schob einen Sessel zurecht, sodass er darauf nieder gedrückt wurde und sich vor Erik hinsetzen musste. Das Kerzenlicht flackerte über seine Wangen.
>Lasst mich!<

>Ich habe dir schon mehrfach gesagt, dass ich einer deiner Förderer bin. Das bin ich auch schon immer gewesen. Auch jetzt will ich dich an meinem Plan Teil haben lassen, Aden. Ich weiß, dass du das zu schätzen verstehen wirst, schließlich bist du deinem Göttlichen in beindruckender Weise treu.< Erik setzte sich ihm gegenüber, vielleicht um seine Angebote noch auf Augenhöhe zu machen, doch Aden spürte, dass es bald nicht mehr bei einem Angebot bleiben würde.

Er versuchte sich los zu reißen, doch die Soldaten hinter ihm, hielten ihn davon zurück, aufzustehen.
>Ganz ruhig. Hör mir erst zu.< Erik legte eine Hand auf Adens Schulter und beugte sich viel zu nahe >Ich habe dich nicht belogen, als ich dir von der Aussichtslosigkeit erzählt habe, die diesen Kontinent plagt. Wir müssen uns einer Großmacht anschließen, sonst sind wir verloren! Und diese Großmacht sind die Ilazier.<
>Bist du als Kind gegen einen Baum geflogen, oder was stimmt sonst nicht mir dir?< entfuhr es da Aden >Willst du mir damit sagen, dass du hinter dem Rücken des Königs, ein Treffen mit den Ilaziern eingefädelt hast?<

Die Piloten, alle Moskitos wie Aden nun endlich bemerkte, lächelten einander dreckig an und Erik kicherte selbstbewusst >Ich habe hinter dem Rücken aller gehandelt! Oder glaubst du, dass ich dem Großpriester tatsächlich mehr Macht geben werde, auch wenn ich ihm das für seine Hilfe versprochen habe? Er soll froh sein, dass er von der Straße aufgelesen wurde. Das ist ihm Lohn genug. Und Naranden und Bastee? Deine Erzfeinde? Die habe ich gegen dich aufgestachelt. Damit ich dein Vertrauen gewinnen konnte.<
>Was?<
>Doch es soll dir nicht zum Schaden sein, Aden! Es hatte alles nur den Zweck, dass du heute hier bei uns sitzt. Denn ich betrüge auch Bastee und Naranden. Sie werden keinen Anteil an unseren Plänen mehr haben. Ich brauche sie nicht mehr. Aber dir biete ich meine Zusammenarbeit an! Die Ilazier werden sich Peruna einverleiben, ob wir uns wehren oder nicht. Doch sie brauchen Gouverneure in den einzelnen Ländern Perunas. Leute die sich auskennen. Solch einen Posten haben sie mir angeboten. Und ich bin willens dir deinen kleinen Gefühlsausbruch vorhin zu verzeihen und reiche dir die Hand. Regiere mit mir das Reich der Manengrunder, als der Herold der Ilazier. Das ist es doch, was du schon immer wolltest!<

>Du begehst gerade Hochverrat gegen den König und möchtest, dass ich dir dabei helfe?< Adens Magen verkrampfte >Das würde alles zunichte machen, was ich mir aufgebaut habe!<
Erik seufzte >Es ist bereits alles zunichte gemacht, was du dir aufgebaut hast. Der König ist tot. Deine einzige Chance ist es, mit mir zu regieren, oder ebenso unter zu gehen, wie die alten Tage dieses Kontinents.<
Tot?

Ein Hauch von Widerstand brannte noch in Adens Innerem. Er konnte all dem nicht glauben, das hätte ihn sonst in die größte Fassungslosigkeit seines Lebens gestürzt >Wenn du doch alle hintergehst, wie soll ich dir dann glauben? Warum solltest du ein elternloses Kind umbringen? Du lügst!<
>Du kennst mich jetzt schon lange genug, Aden. Du weißt doch, dass ich keine halben Sachen mache!<

Erst dachte Aden, dass er sein wild schlagendes Herz bis in seinen Kopf hinein hörte, doch dann war es tatsächlich ein Matrose gewesen, der an die Tür der Offiziersmesse geklopft hatte, um weitere manengrunder Piloten herein zu lassen, die gerade gelandet waren.

Er musste sich zwingen aufzusehen und von ihrer Präsenz Kenntnis zu nehmen, doch dann sah Aden, um wen es sich dabei handelte. Es waren tatsächlich Bastee, Naranden und einige ihrer Männer. Hinter ihnen, etwas versteckt, stand noch eine kleinere Gestalt mit einem Leinensack über dem Kopf.

>Da ich mir schon dachte, dass du Schwierigkeiten machen wirst, habe ich vorgesorgt.< erklärte Erik und stand auf, um zu Bastee und Naranden zu schreiten.
>Was macht der denn hier?< fragte da Naranden und wies mit dem Kinn und einem angewiderten Gesichtsausdruck auf Aden hin.
Erik ignorierte die Frage und wollte stattdessen wissen >Ist alles erledigt? Der König ist tot?<
Bastee schaltete sich nun ein >Ja. Wir haben es durchgezogen. Unsere Männer halten den Palast besetzt. Doch Avester hat Wind von der Sache bekommen.<

>Gut.< Erik machte wieder einen Schritt zurück, um seinen Männern Platz zu machen, die plötzlich an ihm vorbei strömten, als sie die Antwort vernommen hatten.

>Danke für eure Mithilfe.< fügte er hinzu und sah den Moskitos dabei zu, wie diese ihre Säbel zückten und sich über die entsetzen Bastee, Naranden und auch über ihre Männer hermachten.

Hatte Aden zuvor noch an Eriks entschlossener Skrupellosigkeit gezweifelt, konnte er sich nun nicht mehr vor der Wahrheit verschließen, als die leblosen Körper der anderen manengrunder Piloten zu Boden fielen. Nur die kleine Gestalt, mit dem Sack über den Kopf, war verschont geblieben und sie wurde nun in das Licht der Kerze gezerrt.
>Siehst du, was ich alles für dich mache? Erkennst du jetzt, wie wichtig du für mich bist, Aden?< fragte Erik theatralisch, der das Ganze wohl für eine Opernaufführung hielt.

Bei der Nennung von Adens Namen Wimmerte die kleine Gestalt leise und Aden bekam es mit der größten Angst zu tun, ohne auch nur einem einzigen seiner Sinne trauen zu können. Nichts ergab mehr Sinn für ihn.

Die Gestalt wurde vor Erik geführt und dieser zog den Stoffsack von deren Kopf. Zum Vorschein kam ein gefesselter und geknebelter Priester.
>Findrick Juvi!< Aden versuchte wieder auf die Beine zu kommen, doch er und Fin, der Tränen der Angst in den Augen hatte, wurden beide von den Moskitos fest gehalten.

>Oh du hast einen Fehler gemacht, Erik von Nareen!< fluchte Aden und wand sich in seinem Sitz >Lass uns sofort los!<
>Ich merke schon, dass ich jetzt dein wachsames Ohr habe.< spottete Erik >Ich wünschte nur, dass du mich einmal mit solch einer Leidenschaft lieben würdest.<
Er seufzte erneut und lächelte gutmütig >Da du gerade einem sehr erregten Gemütszustand verfallen bist, versuche ich es dir einfach zu erklären, damit man mir nicht vorwerfen kann, dass ich dir nicht eine faire Wahl gegeben hätte. Also egal was die Jentyponier oder die restlichen manengrunder Putschisten glauben, dieser Krieg hat nur den einen Zweck verfolgt: Peruna zu schwächen, um den Ilaziern den Einmarsch zu ermöglichen. Der König der Manengrunder ist tot. Die Ilazier sind heute hier, um von uns eine Antwort auf die Frage zu bekommen, ob wir ihre Gouverneure sein wollen. Ich brauche dein Geld, also wenn du ablehnst, Aden Dennen, dann muss dein Priester sterben.<

Aden konnte sich gar nicht mehr auf Erik konzentrieren. Er beobachtete nur, wie sich Findricks Brust in schweren, panischen Atemzügen hob und senkte.

Dann explodierte die Bombe. Die Xiphias schwankte scharf zur Seite und Aden wurde aus seinem Sessel geworfen.


Die Herrscher Lituoliens - zwei Idioten schreiben GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt