Stockender Atem - 37.1. Goradin

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Seufzend entzündete Goradin eine Laterne in dem finsteren Raum. Das Licht durchdrang die Dunkelheit nur unzureichend, schließlich war das Zimmer so groß wie ein Lesesaal. Doch sein Gesprächspartner sollte sich so ungemütlich fühlen, wie sich das Goradin selbst auch tat und so hatten all seine Vorbereitungen auch Methode.

Die Fester blieben aus Sicherheitsgründen geschlossen und ließen die Geräusche der Nacht nicht hinein und vielleicht noch wichtiger, auch alles, was in dem Raum besprochen wurde, nicht nach draußen. Da sein Gesprächspartner noch nicht angekommen war, blieb es somit also totenstill und nur das Scharren der Samtsessel, auf dem steinernen Boden, hallte von den Wänden als Goradin diese liebevoll zurecht rückte.

Eine wohlbekannte Mischung aus Aufregung und Unbehagen machte sich in ihm breit. Verhöre waren für ihn immer ein besonderer Anlass, um in sich zu gehen, an seine Familie und sein Reich zu denken, seine Konzentration zu bündeln und die Müdigkeit der Nacht abzuschütteln. Er konnte bei jedem Gespräch so viel entdecken und verändern und so potentiell sogar den Krieg gewinnen. Gleichzeitig gefiel ihm manchmal gar nicht was er da hörte. Oft ging es nämlich darum, schlechte Nachrichten zu verifizieren, oder einem armen Kerl dabei zu zusehen, wie sich dieser sein eigenes Verderbnis spann.

Denn Lügen, das hatte ihm seine alte Lehrerin beigebracht, hinterließen immer eine Spur.

Er setzte sich und spähte nach draußen. Die Gebäude ragten über ihm empor, so wie sie das in Adlerhorsten immer zu tun schienen und so konnte er den Stand des Mondes nicht abschätzen, doch er vermutete, dass sich seine Mitarbeiter bald hier einfinden und seinen Gast mit sich mit bringen würden. Zumindest verschaffte ihm die Wartezeit etwas Abstand zu seinem Neugeborenen und dessen unregelmäßigen Schlafrhythmus. Lund hieß der Kleine und so hatte Goradin und seine Frau, nun zwei Mädchen und zwei Burschen zu Hause liegen. Geplant war noch eine größere Kinderschar, doch dafür musste nun etwas Geld verdient werden.

Es klopfte gegen das Holz der schweren Tür und Goradin stand höflich auf, als sich diese öffnete. Seine Mitarbeiter, unter schweren Kapuzen in dieser besonders heißen Spätsommernacht schwitzend, waren kaum zu erkennen und sie brachten eine kleine Gestalt mit sich, die ebenso verhüllt war, um sie vor den Augen der neugierigen Bevölkerung Adlerhorstens zu schützen. Dies war nun sein lang ersehnter Gast.

Er wies seine Mitarbeiter dazu an, die Gestalt auf den zurecht gerückten Sessel zu setzen und er nahm auf der anderen Seite des Tisches Platz. Nur die Laterne stand zwischen ihnen. Dann nickte er und als der Gestalt die Kapuze vom Kopf gezogen wurde, fühlte Goradin bereits, wie sich eine schlechte Nachricht anbahnte.

>Findrick Enmehn.< hörte er sich wie aus weiter Ferne sagen und der Priester kniff die Augen gegen das plötzliche Licht der Laterne zusammen. Er hob die gefesselten Hände vor sein Gesicht, um die Strahlen noch weiter abzuwehren, doch war dabei nur wenig erfolgreich.
Er lächelte verkrampft >Goradin Casso.<

Goradin ließ sich in seinem Sessel zurück fallen und zuckte einmal heftig mit der Nase, sodass seine Sommersprossen tanzten, um sein Gesicht wieder unter Kontrolle zu bringen. Er musste seine Muskeln daran erinnern, nicht überrascht auszusehen. Dann räusperte er sich >Ich denke, du weißt, warum du hier bist.<
>Weil du eine Segnung für deinen Sohn brauchst?< fragte Findrick gelassen, doch Goradin durchschaute dieses Spiel >Das war keine gute Antwort. Vielleicht hätte ich es akzeptieren können, wenn du gesagt hättest, dass auch du im Stadtarchiv gewesen bist, um den Eindringling zu fangen.<
>Gut, kann ich meine Antwort noch ändern?<

Goradin sah ernst drein >Ich gebe dir eine faire Chance, um mir zu erklären, was du mitten in der Nacht im Stadtarchiv getrieben hast.<
>Ich habe eine Affäre mit einem der Wächter. Um nicht gesehen zu werden, hatte ich versucht, nach unserem Treffen durch das Archiv raus zu kommen.< behauptete Findrick und zuckte mit den Schultern.

Lügen hatten immer eine Spur. Er blickte seinen Mitarbeiter an und dieser ließ die Papiere auf den Tisch fallen, die man bei Findrick gefunden hatte.

Als Goradin diese durch schaute, lehnte sich der Priester zurück und sah dabei aus, wie ein jugendlicher Bengel, den der Schulleiter als Delinquent aufgegriffen hatte >Weißt du Goradin Juvi, solche wie du einer bist, sind mir die unliebsten. Nicht weil ich dich nicht mag. Sondern weil du glücklich verheiratet bist. Meine üblichen Spielerein wirken bei dir nicht.<
>Da hast du recht.< kommentierte Goradin und wusste genau, dass Findrick ihn versuchte in ein Gespräch zu verwickeln, damit er die Papiere nicht überfliegen konnte >Ich bin nicht so verzweifelt wie Aden.<

Grundstückseinträge? Listen von Eigentümern und Mietern. Ein alter Stadtplan. Das sah für Goradin nicht danach aus, als würde jemand den Lituoliern Informationen übermitteln wollen, sondern eher, als wäre jemand daran interessiert, Versicherungsraub zu begehen. >Der Herr interessiert sich wohl dafür, eine Immobilie zu erwerben?<
>Gut, du hast mich erwischt. Aden möchte, dass ich einen Grund umwidme, damit er nach dem Krieg seine blöde Bäckerei eröffnen kann.<
Goradin seufzte >Findrick. Warum lügst du? Wir wissen beide, dass sich Aden nicht davor schämt, selbst mit der lächerlichsten Kleinigkeit, direkt zum König zu gehen.<
Findrick blieb selbstsicher >Der König hatte bereits abgelehnt. Deshalb der illegale Umweg. Also, wenn du mich jetzt wegen einer Verwaltungsstrafe anzeigen willst, dann bitte.<

Nachprüfbar, dachte sich Goradin automatisch, doch eigentlich wollte er sich mit all diesen Tricks nicht mehr wirklich befassen. Er war müde und wollte diese ganze unangenehme Sache endlich hinter sich bringen. Er griff neben sich und zog ein Tablett in den Schein der Laterne. Eine Kanne, zwei Tassen und ein Kästchen standen auf der vergoldeten Platte und Goradin schenkte sich großzügig aus der Kanne ein. Er spürte Findricks angespannten Blick dabei auf ihm, doch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Dann lächelte er und sah auf >Frindrick. Willst du auch etwas Kakao?<
>Kakao?< der Priester lehnte sich nach vorne und hatte ein böse amüsiertes Lächeln auf den Lippen >Wie kommt man im Manengrunderreich an Kakao?<

Nun lächelte auch Goradin siegessicher, doch versuchte sich sonst nichts anmerken zu lassen >Das hat mir Aden aus den besetzten ahnahnischen Gebieten geschickt. Als Geschenk zur Geburt unseres Sohnes. Hier.< er reichte Findrick das Kästchen >Riech mal an den Bohnen, wenn du schon nicht mit trinken willst.<
>Danke ich-<
>Riech daran.< insistierte Goradin etwas strenger, doch noch immer nicht böse. Soweit, dass er sich wirklich provoziert fühlte, würde er es nie kommen lassen.

Zögernd und etwas umständlich, durch die gefesselten Hände, öffnete Findrick das Kästchen und Goradin konnte auf dessen Gesicht genau beobachten, wann der Priester die versteckte Nachricht, zwischen den Bohnen entdeckt hatte.

'Jemand in Adlerhorsten versucht mich zu sabotieren. Mich und die ganze Flotte. Auch Emon ist dadurch in Gefahr.' stand dort geschrieben und Goradin war höchst interessiert an Findricks Reaktion. >Ich vermute, dass du dir vorstellen kannst, wie ernst ich dieses Geschenk nehme.<
>Es ist ein sehr interessantes Geschenk.< kommentierte Findrick und schloss das Kästchen wieder. Schuldbewusst sah der Priester dabei nicht aus.

Goradin war klar, dass man ihn unterschätzte. Man dachte in der manengrunder Gesellschaft, dass er Ilee geheiratet hatte, nur weil sie die Tochter seiner Lehrerin gewesen war. Die Lehrerin, die zuvor als Flügelmeisterin, das Informationsmagistrat geleitet und somit auch für den Geheimdienst gearbeitet hatte. Und dann war ihr Schwiegersohn zu ihrem Nachfolger gemacht worden, als sie krank geworden war, um die Abteilung in der Familie zu halten.

Doch es war anders herum der Fall gewesen. Seine alte Lehrerin, hatte eine Qualität in Goradin gesehen, die ihm zuvor selbst nicht bekannt gewesen war. Sie hatte ihn ausgebildet und dann gefördert, zu ihrem Nachfolger ernannt und dann war er ihrer Tochter begegnet. Und auch Ilee hatte, den Göttern sein Dank, eine Qualität in ihm gesehen, die sie als wertvoll erachtet hatte.

Man hielt ihn für unfähig, da er nicht durch Schläge, Folter oder Drohungen an Informationen kam. Er verringerte seine Erfolgschancen nicht durch erpresste Geständnisse, oder erlogene Begnadigungen.

Er saß und hörte zu.

Das hatte er bei den Jae so gemacht, das würde er nun auch bei Findrick so tun.

Der Priester blickte sich um und sah die Mitarbeiter von Goradin missbilligend an. Unruhig rutschte er auf seinem Sessel hin und her und ertrug die angespannte Stille wohl nur wenig. Es kam also nicht überraschend, als Findrick wieder das Wort ergriff >Ich weiß nicht, ob deine Untergebenen hier, der Geschichten über die Geburt deines Kindes nicht schon überdrüssig sind. Ich denke, wir können besser reden, wenn man uns alleine lassen würde.<
Für einen Moment legte Goradin den Kopf zu Seite. Doch die Gefahr, dass sich Findrick befreien konnte und er dem Flügelmeister entweder etwas antat und dann floh, oder sich einfach so aus dem Staub machen könnte, war eher gering.
Er nickte also und seine Mitarbeiter verließen den Raum.

Still rührte Goradin in seinem Kakao, während Findrick in die Flammen der Laterne starrte. Dann hielt der Priester abermals das Schweigen im Raum nicht mehr aus >Der Göttliche der Leere ist auf Peruna für die Aufdeckungen der Wahrheit zuständig. Er führt zur richtigen Erkenntnis, wenn man ihn darum bittet. Bei allen Völkern ist das so, außer bei den Chorr. Ihre Nirin-Abstammung ist es zu verdanken, dass sie das Licht der Sonnengöttlichen zur Erkenntnis führt. Sie beten nicht zum Göttlichen der Leere und-<
>Findrick.< Goradin legte den Löffel beiseite >Wie du gesehen hast,

Die Herrscher Lituoliens - zwei Idioten schreiben GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt