19.4. Saravo

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Mit einem schrillen Schrei, klappte die junge Adlerdame ihre Flügel eng an ihren Körper und ließ sich damit einige Meter tief nach unten fallen. Dann spannte sie ihre gigantischen Schwingen wieder auf und schraubte sich locker und gleichmäßig weiter nach unten, einer Punktlandung entgegen. Saravos lange Haare flatterten dabei im eisigen Bergwind und seine Wangen glühten rot vor Kälte und Aufregung. Sein Herz klopfte weiterhin wild nach diesem aufregenden Ritt durch die Lüfte und mit einem irren Lächeln, glitt er aus dem Sattel und kam laut auf dem Steinboden des Balkons auf.

Er verweilte jedoch nur einen kleinen Moment, um Berghexe anzubinden, dann folgte er dem Verlangen seines pumpenden Herzens und riss die Balkontür ungestüm auf und wurde sogleich von den kühlen Schatten des Gebäudes verschluckt. Seine Beine trugen ihn flink und mit hallenden Schritten durch das Labyrinth aus langen Gängen. Er wusste jedoch genau, welche Treppen er überspringen konnte, an welchen Mauern er sich abfedern musste, um schneller um eine Ecke zu gelangen und welche Abzweigung ihn ohne Umwege zu dem Hauptausgang des Kriegsministeriums führte. Mit einem Großvater, in Ministerwürden und einem Vater, der Großadmiral war, hatte er das Gebäude in seiner Kindheit bereits als Spielplatz kennen gelernt und genoss dadurch noch immer die Vorteile, über all die Abkürzungen zu wissen.

So erreichte er den Hauptausgang auch um einiges schneller als sein Kontrahent und stemmte sich mit seiner vollen Muskelmasse dagegen, um die Tür zu öffnen und wieder ins Freie zu treten. Stolpernd und lachend riss er die Arme in die Luft und hörte mit Vergnügen Jappas Urteil, dass er, Saravo Leiq, der Gewinner dieses kleinen Wettrennens war.

Ihr Chronist und Stückmeister kam von der Straße aus, die Stufen zu ihm herauf, zum Haupteingang des Ministeriums und klopfte Saravo anerkennend auf die Schulter >Das war Wahnsinn!<
Doch er wurde nur einen Augenblick später in seinen Lobesworten von Kaukus Leiq unterbrochen, der sich mit ernster Mine an seinen jüngeren Bruder wendete und Jappa durch seine alleinige Präsenz verdrängte. Er hatte das weiße Lilienschwert ergriffen, das Saravo vor dem Wettstreit achtlos an die Tür des Ministeriums gelehnt hatte und drückte es dem jungen Piloten, nun wieder mit Nachdruck in die Hand. Dann widmete er sich mit einem Seufzen, Saravos Aussehen.

Der Jüngere ließ ihn gewähren, als Kakus erst Uniformhemd und Jacke zurecht zupfte und dann versuchte die Schmetterlinge zu verscheuchen, die sich träge und trunken an den ersten Sonnenstrahlen des frühen Morgens, auf Saravos Schultern nieder gelassen hatten, auch wenn beide Leiq Brüder ganz genau wussten, dass diese Versuche sinnlos waren. Peinlich berührt hatte Saravo in der Vergangenheit schon oft probiert gehabt seinen Geruch zu überdecken, doch er blieb Jahr ein Jahr aus für Insekten seltsam anziehend, auch wenn niemand so genau wusste, warum.

Auch wenn er sich mittlerweile mit den penetranten Schmetterlingsbesuchen abgefunden hatte, gab es noch immer genug andere Gründe, um unangenehm berührt, den Blick von Kaukus, während dieser Prozedur, zu meiden. Zu diesem Zwecke bot sich im Normalfall sein weißes Lilienschwert an, das er nun wieder in Händen hielt. Die ersten Tage, nachdem er es verliehen bekommen hatte, war es ihm nicht möglich gewesen, die Augen von den wunderschönen Gravuren, dem elegant gefaltetem Blatt und der scharfen Spitze zu nehmen. Diese Nächte, in denen er sich nicht daran sattsehen hatte können, fühlten sich jetzt jedoch an, als würden sie Jahre zurück liegen.

Er ignorierte das bekannte Gewicht in seinen Händen also, wich den stählernen Augen von Kaukus aus und sah lieber zum Himmel, während sein älterer Bruder ihn respektabler modelierte. Da kam Emon Casso als Ablenkung gerade richtig, als dieser nun ebenfalls keuchend durch den Eingang des Ministeriums kam und sich lachend an Saravo abstützte. >Meine Güte!< begrüßte er den Sanitäter ebenso grinsend und schaffte es sich kurz von der Mutterhenne zu lösen, die Kaukus Leiq genannt wurde >Ihr beide wart ja pfeilschnell! Beim Looping hättet ihr uns fast abgehängt!<
Emon kam langsam wieder zu Atem und grinste breit, doch schüttelte dann den Kopf >Nett von dir das zu sagen, Saravo! Aber Fiesel ist noch zu jung, um mit euch mithalten zu können und ich bin ein schlechterer Pilot als du. Trotzdem war das der größte Spaß, den ich seit Jahren hatte!<

Die Herrscher Lituoliens - zwei Idioten schreiben GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt