Das erste Geweih eines jungen Hirschen - 23.1. Artheon

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Artheron konnte die Diener und Soldaten seines Entführers durch die Tür der kleinen Kammer reden hören. Seine Wange brannte noch immer wenn er die Haut beim Sprechen oder Weinen anspannte, auch wenn bereits zwei oder drei Wochen seit seiner 'Bestrafung' veganen waren, aber ganz verheilt war die tiefe Brandwunde weder physisch, noch psychisch. Er war bis jetzt nicht dazu in der Lage gewesen, sich in einem Spiegel zu betrachten, er erahnte nur, was passiert war, wenn er mit zitternden Fingerspitzen, die vernarbte Haut entlang fuhr. Sie hatten einen Adler auf sein Gesicht gebrannt und so würde er sich nie wieder unverdeckt in Lituoliens höheren Kreisen blicken lassen können.

Doch auch wenn er allen Grund dazu hatte, wegen seinem verunstalteten Gesicht zu trauern, war doch das Gerede von draußen, die Ursache seiner großen Bekümmertheit. Sie rätselt dort, stritten sich jetzt sogar, weil manch ein Wächter meinte zu wissen, dass Artheon ein Mädchen war und andere waren davon überzeugt, er sei ein Bursche. Am liebsten würde er sich unter seinem Bett verstecken wollen, hätte er denn mehr als nur eine Matte zum Schlafen. Es war eines der leidigsten Themen für ihn, seit dem er seinen Müttern und damit der Welt, offenbart hatte, dass er sich der gesellschaftlichen Rolle eines Mannes zugehörig fühlte. Diese Tatsache brachte kaum Ablehnung, doch fast in allen Fällen Verwirrung, wenn er sich nicht selbst vorstellen konnte. Denn egal ob er seine Brust zurück band, bis ihm das Atmen schwer viel, oder er abmagerte, um die weiblichen Kurven zu verlieren, er würde es doch nie ändern können, dass er klein und schmächtig war, seine Stimme zu hoch und sein Becken zu breit.

Und die Leute darüber aufzuklären, wenn sie sich schon ein Urteil gebildet hatten, war für ihn das schlimmste Märtyrertum. Er wollte nicht über seine Identität sprechen, wollte sich nicht erklären müssen und sein Gegenüber mit seinen Irrglauben konfrontieren. Er wünschte, dass es für alle genau so klar wäre, wie für ihn, dass er Artheon, ein Mann war. Ohne Erklärungen, Drama oder Verwirrung.
Denn alle die er aufklären hatte müssen, waren für ihn ein potentielles Risiko. Nicht dass sie ihm etwas antun würden, im Gegenteil! Er musste sich jedoch immer fragen, ob sie ihn dann aus Überzeugung als Man ansahen, oder als Mitleid. War er in ihren Augen Mann, oder ein kleines verwirrtes Mädchen, das nicht wusste was sie tat und wie sie auf andere wirkte?

Und die Männer da draußen, diskutierten nicht nur lautstark über etwas sehr Intimes in Artheons Leben, sondern sie waren auch noch Manengrunder. Manengrunder, in deren Gewalt er sich befand und mit denen er sich schon grundsätzlich nicht anlegen wollte. Es war einfach noch unangenehmer für ihn Gefangener zu sein, als es ohne hin schon war. Er hatte keine Privatsphäre, seine Bandagen mussten immer wieder gewaschen werden, bald würde er um Hygieneprodukte fragen müssen, um seine Menstruation zu überstehen. So konnte er nicht überzeugend sein. Er war klein, still, konfliktscheu, blutete und war in seiner Kindheit als Mädchen erzogen worden. Damit fiel er aus dem Rahmen.

Jaeran Juvi fiel auch aus dem Rahmen. Er war ein Mann der es liebte zu Stricken, duftende Bäder zu nehmen, sanft zu sprechen und Massagen zu praktizieren. Doch niemand war jemals auf die Idee gekommen, ihn für ein Mädchen zu halten. Er war so sicher in seiner Identität, die Leute akzeptierten ihn einfach. Natürlich half seine Statur dabei, doch Artheon würde seine Statur nicht ändern können.

Er seufzte tief und fragte sich, ob er hier jemals wieder heraus kommen würde. Zuhause hätte er sich wenigstens verkriechen können. Er hätte sich mit Leuten umgeben können, die wussten wie es um ihn stand und wenigstens so taten, als würden sie auf seiner Seite stehen. Doch hier war er umringt von Gegnern und er hatte nicht einmal mehr eine Aufgabe, um sich daran festzuhalten.

Eigentlich gab es keinen Grund noch am Morgen von seiner Matte aufzustehen, er war eine Schande für seine Familie und eine Gefahr für seinen Vash. Sohn zweier Edelfrauen, Anwalt, Detektiv, Soldat, Spion, Deserteur, Gefangener, Latrienenputzer, Agent, Gefangener, Gebranntmarkter, Gefahr für sein Königreich.
Was sollte nun aus seinem Leben werden? Sollte er hier warten, bis der Krieg zu Ende war? Als Aden Dennens Eigentum gekennzeichnet, für sein Leben gestraft, schließlich würde man ihn so nie wieder in einen Gerichtsaal lassen, oder ihm überhaupt auch nur bei einem Treffen auf der Straße vertrauen. Man würde sofort fragen woher er die Narbe hatte und jeder wüsste dann, dass er daran Schuld gewesen war, dass Lituolien einen Nachteil erlitten hatte, wie dieser auch immer aussehen mochte. Er hoffte, dass sich die Königin, auf keinen Handel für sein Leben einlassen würde, sie kannte ihn nicht einmal, auch Jaenun kannte ihn nicht wirklich. So könnte er die Sache vielleicht abmildern, doch die Chancen standen dafür nicht sehr hoch.

Die Herrscher Lituoliens - zwei Idioten schreiben GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt