39.3. Jaenun

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Jaenun starrte das Loch an, das der gigantische Adler in den Palast der Zwölfsternstadt geschlagen hatte. Er konnte durch das Loch den dunklen, wolkenverhangenen Himmel draußen sehen, doch mehr auch nicht, schließlich befand er sich auf dem höchsten Baum im Umkreis und unter ihm war, von diesem Winkel aus, nur ein Meer aus Blättern zu erkennen. Doch er wusste, dass sich da unten die Bürger Lituoliens befanden, zumindest alle, die überlebt hatten. Er hätte es ihnen nicht übel nehmen können, wären sie während dem Krieg nach Westen geflohen, oder hätten sich einheitlich den Manengrundern und Jentyponiern ergeben, schließlich war Leib und Leben bis jetzt bedroht gewesen. Doch sie hatten sich dazu entschlossen, als Königreich zu überleben und waren geblieben um zu kämpfen. Manchen war es recht gewesen, dass Chori und Jaenun sie angeführt hatten, andere hatten bessere Ideen gehabt und waren geblieben, um die Kämpfe auf den rechten Weg zu führen. Diese Unterscheidung spielte nun keine Rolle mehr, denn trotz Strapazen und Verlust, war ihr Königreich durch die Anstrengungen ihres Volkes bestehen geblieben.

Waren die Chorr, die T, die Sasanlier und die Jae besser, tüchtiger oder mutiger als andere Völker? Machte dieser Sieg sie nun überlegen? Natürlich nicht! Sie waren wie jedes andere Volk, kein Sieg würde sie davor bewahren, wieder in kriegerischer Auseinandersetzung auf die Probe gestellt zu werden.

Im Obergeschoss des Stiegenhaus nisteten Vögel und die kleinen Küken piepsten in die stille des Abends hinein, bis man ganz nahe an ihre Brutstätte heran gekommen war. Dann erst duckten sie sich und wurden völlig still. Man musste den Wiederaufbau des Palastes an manchen Stellen verzögern, bis die Kleinen flügge geworden waren, sonst hätten die Vögel keine Chance mehr herauszukommen und würden verhungern.

Die tropisch warme Luft ebbte langsam herein und umhüllte ihn wie ein alter Freund, von dem er aber nicht umarmt werden hatte wollen. Gewohnt unangenehm und schwül. Doch es war auch gut wieder hier in Ahnahn zu sein, das fühlte er besonders, da sein Aufenthalt hier, sich als viel zu kurz gestalten sollte. Für den nächsten Morgen stand bereits schon wieder eine Kutsche bereit, die ihn in das neutrale Atonien führen würde, wo für ihn alles angefangen hatte. Dort galt es die Friedensverträge zwischen Lituolien und seinen beiden Widersachern zu unterschreiben und dies müsste dieses ganze Schlamassel endlich beenden.

Natürlich waren die Texte bereits von den Diplomaten aller beteiligten Nationen vorformuliert worden, Silwan und Jaemi hatten bestimmt hervorragende Arbeit geleistet, dennoch war er nervös, denn obwohl man die Texte bereits verfasst hatte, blieb die bedeutende Aufgabe der Vergebung, noch immer für ihn übrig. Wie könnte jemand anderer diesen Akt leisten, hatte man ihn rhetorisch gefragt, denn er hatte nicht getötet, er hatte nicht gehasst. Er musste nun Frieden schließen und wieder mit dem Rest dieser Rasselbande an einem Tisch sitzen.

Um ihn herum wurde es dunkler, er hatte so lange ins Nichts gestarrt, dass die Sonne, die aus den Wolken noch hier und da hervor geblitzt hatte, vor seinen Augen im Dschungel ertrunken war. Nun begann draußen ein Platzregen und die Küken japsten erschrocken beim plötzlichen Donnergrollen.

Ob sich Chori in ihrer Schlafkammer befand und durch den Regen und Donner aufgewacht war? Vielleicht sollte Jaenun die günstige Gelegenheit nutzen, um mit ihr ein Gespräch zu suchen, denn er sehnte sich so und so danach mit ihr zu sprechen. Dafür war einfach schon immer zu wenig Zeit gewesen und nun sollte er schon wieder am Morgen abreisen. Das konnte doch nicht so weiter gehen, also verließ er das dröhnende Stiegenhaus und machte sich zur königlichen Kammer auf.

Doch natürlich war er wieder zu optimistisch gewesen, denn Chori hatte noch nicht einmal versucht zu schlafen und war deshalb nicht in ihrem Bett zu finden. Auch die restliche Kammer war so leer, wie ihr Alltag nach der Anspannung des Krieges. Zu viel Platz, der zu viel Zeit schuf, die eine Gelegenheit dazu bot, sich genügend Sorgen zu machen, was den Schlaf nicht zuließen. Jetzt da nicht mehr jede Sekunde zählte und auch nicht mehr nur von Augenblick zu Augenblick geplant werden musste, blieben die Augenblicke belanglos und wurden zum unerträglichen Warten.

Die Herrscher Lituoliens - zwei Idioten schreiben GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt