Michael hob beschwichtigend die Hände und trat einen Schritt zurück. "Ähm...entschuldige. Ich wusste nicht, dass..."
Gina unterbrach ihn. "Du weißt gar nichts! Tauchst einfach auf, bringst alles durcheinander, mischt dich in meine Familie ein und denkst wir wären jetzt auch noch Freunde oder was?!"
Gina schossen die Tränen aus den Augen und auch Elisa, die von dem plötzlichen emotionalen Ausbruch ihrer Mama komplett überfordert schien, begann zu weinen.Michael stand die Verwirrung ins Gesicht geschrieben. Er verstand nichts mehr. "Gina, was ist denn los mit dir? Wir haben uns doch nur unterhalten, ich will mich nicht in deine Familie einmischen, ich versteh gerade dein Problem nicht. Es ist doch alles gut."
Vehement schüttelte Gina den Kopf. "Nichts ist gut, Michael. Gar nichts. Du hast doch überhaupt keine Ahnung von was du redest. Du lebst in deiner perfekten Welt und hast keine Ahnung was echte Probleme sind!"
Elisa schaute nur zwischen Michael und ihrer Mama hin und her. Sie konnte die Situation nicht einschätzen und kuschelte sich dicht an Bruce, der die veränderte Atmosphäre auch spürte.
Obwohl er innerlich vor Wut kochte, versuchte Michael so ruhig wie möglich zu bleiben. Ginas Worte hatten ihn tief getroffen. Es machte ihn traurig, dass sie allen Anschein nach genau so über ihn dachte wie viele andere. Dass er keine Sorgen und Probleme hatte, nur weil er bekannt war und mehr Geld hatte als andere. Aber auch wenn dies sein Leben war, das er bewusst ausgewählt hatte und durchaus viele Vorteile dadurch hatte, er musste sich privat sehr einschränken und hatte in manchen Wochen überhaupt kein existentes Privatleben mehr.
Ein spontaner Restaurantbesuch artete schnell mal aus und wurde zu einer Massenselfiestunde. In den Öffis wurde er fast immer erkannt, genauso wie in der Stadt oder im Kino. Er musste sein Leben beinah minutiös planen wenn er außer Haus war. Aber das war ihm gerade egal. Viel mehr beschäftigte ihn die Frage, wieso Gina schon wieder, wie im Musikgeschäft, die Fassung verloren zu haben schien. Sie schien irgendein Problem damit zu haben, andere Menschen näher zu lassen. Auch wenn ihn der Grund interessiere wusste Michael, dass ihm das definitiv nicht zu stand, danach zu fragen.
"Alles klar. Dann ist es wohl besser, wenn ich jetzt gehe. Ich fand es trotzdem schön, euch wieder getroffen zu haben, auch wenn ich deine Reaktion gerade absolut nicht verstehen kann." Michael ging zu Bruce, der immer noch von Elisa umklammert wurde und band ihn los.
"Elisa, ich weiß, dass Bruce und du jetzt dicke Freunde seid, aber wir müssen jetzt los. Aber es war schön, dich wiederzusehen. Und immer fleißig Ukulele üben! Wenn du mal in der Grundschule ein Konzert gibst, dann komme ich, ok?"
Elisa liefen noch ein paar Tränen übers Gesicht, als sie Bruce losließ. "Ich mag dich, Michi! Und Bruce auch!"
Mit einem großen Lächeln verabschiedete sich Michael von Elisa. "Ich mag dich auch. Und deine Mama auch, auch wenn ich nicht weiß, warum sie mir gerade böse ist."
Mit Bruce an der Leine ging er an Gina vorbei und verabschiedete sich. Die hatte noch immer einen komplett ausdruckslosen Gesichtsausdruck und schien völlig in sich gekehrt. Michael konnte nur den Kopf schütteln. Er verstand es einfach nicht. Wieso war Gina nur so abweisend? Wenn sie nicht umarmt werden wollte, hätte sie einfach nur Nein sagen müssen. Aber sie hatte ja eben völlig die Fassung verloren! Da musste etwas anderes dahinter stecken...
In Gedanken versunken ging er mit Bruce den Wanderweg wieder zurück, von dem er gekommen war, in Gedanken bei Gina und der kleinen Elisa, die mit ihrer kindlichen und unbefangenen Art einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterließ.
Nachdem sich Gina wieder gefangen hatte, versuchte sie Elisa zu beruhigen. Nach dem Motto: Retten, was zu retten ist. Schweigend und mit deutlich gedrückter Stimmung traten wenig später dann auch Gina und Elisa den Heimweg an. Gina war schockiert über sich selbst. Das war jetzt der zweite Ausraster vor Michael. Wäre sie in einer anderen Situation, wäre Michael definitiv ein Mann, der in Beuteschema passen würde. Dunkele, gut gestylte Haare, ein hübsch geformtes Gesicht, ein sehr sympatisches Auftreten und wahnsinnig schöne und markante Augen...nur war er ein bisschen klein. Aber das war Andreas ja auch.
Andreas. Stopp! Verglich sie Michael etwa gerade mit ihrem toten Mann?! Reagierte sie etwas deshalb so sensibel? Weil sie es nicht zulassen wollte, einen Mann näher zu lassen, körperlich und emotional? Weil sie immer noch trauerte und nicht damit klar kam, dass das Leben weitergehen musste, auch ohne Andreas?
Sie beschloss ihren Vater um Rat zu fragen, der ja Psychologe war und der seit Andreas Tod immer ihr erster Ansprechparter war. Sie war eben schon immer ein Papakind. Also beschloss sie, morgen mit Elisa zu Oma und Opa nach Oberau zu fahren, da freute sich Elisa bestimmt, vor allem nach dem Schock heute.
"Du Maus", suchte Gina das Gespräch zu ihrer Tochter als sie wieder zuhause waren, "was hältst du davon, wenn wir morgen zu Oma und Opa fahren?"
"Au jaaa, Mama! Da freu ich mich!"
Gina war erleichtert. Dann konnte sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Elisa freute sich, wenn sie ihre Großeltern wieder sah und sie konnte das Gespräch mit ihrem Vater suchen. Das war nach dem Chaos heute dringend nötig.
"Du Mama? Können wir Michi und Bruce morgen wieder treffen? Weil Bruce und ich sind jetzt beste Freunde und ich mag Michael auch echt gern und er uns auch."
"Elisa, ich glaube so gemein wie ich heute zu Michael war mag er mich nicht mehr. Und ich weiß auch nicht wie wir die beiden wieder treffen sollten. Ich hab ja keine Nummer von ihm oder den Wohnort."
"Das ist aber schade, Mama. Die beiden sind soo nett. Und der Michael ist dir nicht böse. Das hat er gesagt."
"Was hat er dir gesagt?"
"Naja, dass er uns gern hat. Auch wenn er nicht versteht, wieso du böse mit ihm warst. Wieso warst du eigentlich so komisch?"
Wenn sie das doch selbst wüsste... "Ich weiß es nicht, Elisa. Aber irgendwie war mir das zu viel in dem Moment. Da werde ich mit dem Opa morgen mal reden, der kann da helfen."
"Hmm okey. Darf ich jetzt meine Kinderserie anshauen?"
Für Elisa war das Thema beendet und sie schaute sich gemeinsam mit Gina die tägliche Kinderserie an. Auch das Ins-Bett-Gehen gestaltete sich an diesem Abend sehr schwierig. Elisa strotzte nur so vor Energie, obwohl sie so lange draußen waren und konnte gar nicht mehr aufhören von Michael und vor allem von Bruce zu schwärmen.
Nach über einer Stunde lag Elisa endlich ruhig im Bett und war gerade am Einschlafen. "Gute Nacht Elisa." Gina hörte nur ein leises murmeln von Elisa, dann war sie eingeschlafen.
Gina setzte sich mit einem Glas Wein vor den Fernseher und grübelte über den heutigen Tag.
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Have faith in the dark - MPK
FanfictionZeitlicher Beginn: September 2021 Eine Geschichte über Gina und ihre kleine Tochter Elisa, die nach dem Verlust eines geliebten Menschen langsam wieder ins Leben zurückfinden müssen. Michael Patrick Kelly, der seine freie Zeit nach den Arbeiten am...