11 - Ein Gespräch mit Tiefgang

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"Na komm, mach schon auf Elisa". Gina hatte mit ihrer Tochter abgesprochen, sich immer erst die Erlaubnis zu holen, wenn sie die Haustüre öffnete. Genauso wie Elisa sich immer rückversicherte, dass Gina in der Nähe war, wenn Fremde sie ansprachen, wie Michael damals im Musikgeschäft.

"Omaaaa! Opaaaa!", schrie Elisa und warf sich in die Arme ihrer Großeltern. Aufgeregt erzählte sie von ihrem neuen besten Freund Bruce.

"Kommt, wir gehen erstmal rein", schlug Gina vor nachdem auch sie ihre Eltern begrüßt hatte. Elisa war bereits in ihr Zimmer geflitzt und holte ihr selbstgemaltes Bild, das sie ihren Großeltern schenken wollte.

"Schaut mal Opa und Oma! Das hab ich gemalt. Ich hab gestern nämlich geträumt, dass ich in der Schule mit meiner Ukulele spiele und dann die ganze Schule zuhört. Und das da ist Mama".
Elisa deutete auf eines ihrer gemalten Strichmännchen.
"Und das da bist du Opa mit deinem Bart, und das ist Oma. Und da oben auf der Wolke ist der Papa, der kann zwar nicht auf der Erde zuschauen aber der ist ja im Himmel und schaut dann eben von seiner Wolke aus mit zu. Weil da bin ich mir ganz sicher, dass er sich das anschaut, wenn ich was vorspiele. Hmm...das wars...oh nein, stopp. Also da sitzt noch Michael, weil er hat gestern gesagt, dass er kommt, wenn ich mein erstes Mal vor Leuten spiele. Und da ist noch Bruce, das ist mein neuer bester Freund und der Hund vom Michael."

Stille erfüllte das Wohnzimmer. Gina war wieder in ihrer Trauer gefangen, da ihre Tochter sie gerade wieder schmerzlich an den Tod von Andreas erinnerte. Und Ginas Großeltern hielten den Atem an, da sie einerseits wussten, dass dieses Thema Gina verständlicherweise sehr nahe ging, andererseits aber auch selbst so erfriffen waren, dass sie nicht wussten, was sie antworten sollten.

"Gefällt euch das Bild nicht?", murmelte Elisa leise und mit traurigem Gesicht vor sich hin.

Gina erwachte aus ihrer Starre. "Maus, komm mal her zu mir!", forderte sie ihre kleine Tochter auf und nahm sie in die Arme.
"Das hast du super gemalt, also wirklich ganz ganz toll! Ich freue mich wirklich! Und Oma und Opa sich auch. Aber weißt du...manchmal ist das nicht so einfach wenn ich an deinen Papa erinnert werde. Andi und ich haben ja geheiratet, das weißt du ja, und wir haben und ganz ganz doll geliebt. Und ich bin dann oft traurig, wenn ich an deinen Papa denke, weil er jetzt ja nicht mehr bei uns ist. Verstehst du mich?"

Mit Tränen in den Augen versuchte Gina ihrer Tochter kindgerecht Einblick in ihre momentane Gefühlswelt zu geben.

"Ich glaub schon, Mama. Du hast den Papa ja auch viel länger gekannt als ich da vermisst du ihr gaanz fest. Ich vermisse den Papa ja auch, weil ich jetzt keinen mehr habe der mit mir im Winter die kleine Eis Rodelbahn baut oder mit mir mit Schlamm im Garten kocht."

Fest drückte sie sich an Gina und leise Schluchtzer entwichen ihr. Nachdem auch Ginas Mama Rosi und ihr Vater Martin sagten, dass Elisa da ein ganz tolles Bild gemalt hatte, nutzte Martin die Chance, mit Gina unter vier Augen zu sprechen. Rosi beschäftigte in der Zwischenzeit Elisa und bereitete die Knödelmasse fürs Mittagessen vor.

Kaum hatten sie die Tür zu Ginas Büro geschlossen, konnte sich Gina nicht mehr halten und viel ihrem Vater Martin in die Arme, der ihr minutenlang beruhigend über den Rücken strich.

"Gina, ich bin da. Lass es einfach mal alles raus."
Beide setzten sich auf die kleine Couch und begannen zu reden.

"Gina ich bin echt stolz auf dich!" Das war der Satz, den Gina in diesem Moment überhaupt nicht erwartet hätte. Was? Warum? Ich bin Moment komplett neben der Spur, wie sollst du da Stolz auf mich sein?"

"Gina. Jetzt mal nicht immer gleich den Teufel an die Wand. Jetzt schau dir mal an was du in diesem Jahr schon alles geschafft hast. Mittlerweile arbeitest du wieder, kümmerst dich um deine Tochter, schmeißt den Haushalt, hast sogar Peter wieder besucht, das erste Mal seit Andis Tod und lässt endlich deine Gefühle und deine Trauer zu. Und hast sogar Elisa die Wahrheit erzählt. Das ist gut, Gina! Sieh nicht alles so negativ."

Have faith in the dark - MPKWo Geschichten leben. Entdecke jetzt