"Und was ist jetzt die Regel, Michi? Darf ich Bruce jetzt auch mal an der Leine halten?", fragte Elisa ungeduldig nach, als Michael mit Bruce an der Leine neben ihr und Gina ging.
"Na gut, Elisa. Hör zu. Eines ist ganz wichtig: Wenn du Bruce an der Leine hältst und er dann zieht oder auf einmal losrennen sollte, dann lässt du die Leine sofort los, okey? Bruce ist nämlich so stark, den kannst du nicht halten. Einfach die Leine loslassen, sonst verletzt du dich."
"Ok, aber dann rennt Bruce doch weg, oder? Wenn ich die Leine loslasse..."
"Ja klar rennt er dann erstmal frei herum, aber Bruce hört ja gut auf mich und kommt dann wieder zurück. Wenn wir wo gehen, wo wir schon öfter Gassi gegangen sind, dann lasse ich ihn auch mal frei und ohne Leine herumrennen. Wenn ich ihn dann rufe, kommt er wieder. Mach dir da also keine Gedanken, Elisa."
"Okey, wenn du das sagst...aber darf ich jetzt die Leine halten? Bitteee!", bettelte Elisa.
Nach einem kurzen Blick zu Gina, um sicherzugehen, dass sie auch einverstanden war, nickte Michael und gab Elisa die Hundeleine in die Hand. Wie ein perfekt eingespieltes Team gingen Elisa und Bruce nach wenigen Minuten nebeneinander und Gina's kleine Tochter hatte die größte Freude daran, immer mal wieder ein paar Meter mit Bruce zusammen loszurennen und dann wieder auf die Erwachsenen zu warten.
Währenddessen sprach Gina noch einmal den Streit mit ihrer Tochter vom Vormittag an, der ihr immer noch schwer im Magen lag.
"Danke, dass du heute da warst. Für mich aber vor allem für Elisa. Das hat den Tag gerettet.""Noch einmal, Gina: Ich hab das echt gerne gemacht, dafür musst du dich nicht bedanken. Und ich freue mich, dass ihr das klären konntet. Aber bitte hör auf, dir selbst vorzuspielen, dass du die perfekte Mutter sein musst und dann, wenn etwas mal nicht so läuft wie gedacht, du gleich so schlecht über dich denkst und dir einredest, eine schlechte Mutter zu sein. Zum letzten Mal: Das bist du nicht." Michael lächelte Gina an, um deutlich zu machen, dass er diesen Hinweis nicht böse meinte, sondern Gina einfach nur sagen wollte, dass sie nicht so negativ über sich denken sollte.
Gina nickte nur stumm und die beiden gingen nebeneinander her bis Gina plötzlich anhielt und Michael ernst ansah.
"Besuchst du uns, weil du dich verpflichtet fühlst? Bin ich eine Last für dich mit meinen Selbstzweifeln und Macken?"Michael musste sich zurückhalten, um nicht mit den Augen zu rollen. Solche Fragen nervten ihn unvorstellbar. Menschen, die die ständige Bestätigung brauchten, um ihr Selbstwertgefühl wieder zu pushen. Aber er wusste, dass Gina das nicht mit Absicht tat, sondern wirklich an sich zweifelte. In den letzten Wochen durfte er immer wieder mal hinter Ginas dicke Mauern schauen, die sie seit dem Tod ihres Mannes errichtet hatte. So stark Gina immer tat, Michael wusste mittlerweile, dass sie das nicht immer war.
Seufzend legte er ihr einen Arm um die Schulter und zog sie näher zu sich.
"Gina, wie oft soll ich dir noch erklären, dass ich gerne Zeit mit euch verbringe? Freiwillig, in meiner free time wo ich auch den ganzen Tag schlafen oder nichts tun könnte. Du bist auch keine Last für mich, egal was gerade los ist. Glaub mir, wenn ich genervt wäre...das merkst du sofort. Ich hab euch gern, deshalb bin ich bei euch, nicht, weil ich mich verpflichtet fühle, Gina. Ich kann hier bei euch einfach ein Mensch sein...ihr geht mit mir so völlig normal um. Für mich ist das mittlerweile Luxus und dafür bin ich unfassbar dankbar. Ich bin echt froh, euch kennengelernt zu haben. Und jetzt hör bitte auf zu zweifeln, Gina. Es gibt keinen Grund."Gina vermied es, Augenkontakt mit Michael aufzubauen. Ihr Herz schlug schnell...viel zu schnell. Schweigend gingen sie weiter, Michael hatte seinen Arm noch immer um Ginas Schulter gelegt und grinste sichtbar, als sich ihre Blicke kurz trafen.
"Was ist dann mit heute Abend?", fragte Gina.
Irritiert runzelte Michael die Stirn.
"Was soll mit heute Abend sein? Ich möchte mit dir reden, und ich finde wir sollten dringend reden. Zu zweit.""Schlimm?", flüsterte Gina, sodass man es kaum hören konnte.
"Nein. Schön. Mach dir keinen Kopf.", antwortete Michael und zog langsam den Arm wieder weg, als Elisa angerannt kam.
"Michael?! Siehst du die Wiese da?", fragte Elisa enthusiatisch und zog ihn in die Richtung, in die sie zeigte.
"Da hab ich Skifahren gelernt! Da war ich erst 3! Aber Opa hat mich zum Skifahren mitgenommen und dann durfte ich fahren, da sind Bilder davon bei uns im Hauseingang! Kannst du eigentlich auch Skifahren?""Was, mit drei Jahren hast du schon das Skifahren gelernt?!", fragte Michael ungläubig nach.
Elisa nickte stolz und auch Gina niclte bestätigend.
"Krass! Dann fährst du bestimmt jetzt schon richtig gut oder?""Mhm! Ich kann auch schon richtig schnell fahren! Vielleicht darf ich irgendwann zu unserem Skiclub gehen, die trainieren dann nämlich immer Skifahren im Winter! Das ist total toll, weil bei uns total hohe Berge sind, wo man Skifahren kann! Kannst du jetzt Skifahren? Weil dann könnten wir im Winter mal zusammen fahren oder? Du lernst mir Gitarre spielen und ich zeig dir, wie man richtig gut Ski fährt."
"Also ich kann mich auf den Skiern halten und schaffe auch die mittleren Pisten, aber so ein richtiges Talent bin ich jetzt nicht, glaub ich. Ich würde sehr gerne mal wieder Skifahren gehen, dann fahren wir mal zusammen, in Ordnung? In den letzten Jahren hatte ich viel zu selten Zeit dafür, ich glaube ich war in den letzten 10 Jahren nicht fünf Mal beim Skifahren..." Nachdenklich ließ Michael seinen Blick über den Skilift schweifen, der nun immer näher kam.
"Dann musst du dir echt mal öfter frei nehmen, Michi!", schimpfte Elisa mit ihm. "Wenn du schon in den Bergen wohnst, muss man Skifahren gehen! Das ist wichtiger als immer nur arbeiten! Arbeiten kann man immer, aber Schnee liegt nur ein paar Wochen im Jahr."
"Wie Recht du hast...", seufzte Michael und schaute dann zu Gina.
"Und du? Fährst du auch mit?""Da kannst du dir aber sowas von sicher sein! Das wird bestimmt ein Genuss, da zuzuschauen, wie dir Elisa das Skifahren zeigt! Ich fahr seit 30 Jahren, und sie ist mittlerweile besser als ich, obwohl ich in meiner Jugend auch ein paar Rennen gefahren bin. Das soll was heißen. Elisa ist gnadenlos. Viel Spaß dabei!", lachte Gina.
"Und dann trainiere ich so lange mit dir, bis dir alles weh tut, Michi! Und ich bin eine ganz strenge Skilehrerin, wenn du was nicht kannst! Weil nur so lernt man auch wirklich was, sagt der Opa. Auf ein oder zwei Stunden bringt das nix.", warte Elisa schon einmal im Voraus.
"Und ich kenne jemanden, dem jetzt erstmal vor Lachen alles weh tut! Weil sie so frech zu mir ist!", rief Michael und fing Elisa, um sie durchzukitzeln.
Gina musste bei diesem Anblick laut loslachen und kommentierte die Szene nur mit einem "Ihr Kindsköpfe!"
Nachdem sich Elisa nach ein paar Minuten völlig außer Atem und unter Tränen vor Lachen ergab, ließ Michael von ihr ab und schlug vor, langsam wieder zurück zu gehen. Auch Elisa stimmte zu und wurde langsam quengelig, weil sie nicht mehr gehen wollte und so versuchte Gina, Elisa mit ein paar Runden 'Ich sehe was, was du nicht siehst' bei Laune zu halten bis ihr Haus wieder in Sichtweite war.
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Have faith in the dark - MPK
FanfictionZeitlicher Beginn: September 2021 Eine Geschichte über Gina und ihre kleine Tochter Elisa, die nach dem Verlust eines geliebten Menschen langsam wieder ins Leben zurückfinden müssen. Michael Patrick Kelly, der seine freie Zeit nach den Arbeiten am...