12 - Was jetzt?

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Gina flossen wieder Tränen über die Wange. Sie fühlte sich befreit. Endlich hatte sie alles ausgesprochen was sie so belastete! Trotzdem wusste sie einfach nicht, wie sie jetzt weitermachen sollte. Die Begegnungen mit Michael einfach vergessen? Sich bei ihm entschuldigen? Naja, eigentlich schon...aber wie denn, sie kannte weder seinen ganzen Namen noch hatte sie eine Möglichkeit ihn zu kontaktieren...

"Einen Pfenning für deine Gedanken". Ihr Vater Martin riss sie aus ihren Gedanken.

"Ach Paps...was soll ich denn jetzt machen?"

"Naja ganz einfach. Genau so weitermachen wie vorher und dich vielleicht mal beim Michael entschuldigen. Ruf ihn halt mal an und klär das mit ihm."

"Nein."

"Was nein? Möchtest du das nicht oder hast du Angst?"

"Ich kann es nicht. Ich weiß ja nichtmal seinen Nachnamen. Auch wenn ich wollte, ich könnte ihn nicht kontaktieren! Auch wenn das auch meiner Sicht nach echt angebracht wäre. Du weißt, dass ich eigentlich nicht so bin, ich weiß das auch, aber Michael sowas an den Kopf zu werfen...Oh Mann...mir tut das einfach leid!"

"Mhm...verstehe... Also ich möchte dich nicht zu irgendwas drängen aber ich denke auch, dass es gut wäre sich bei Michael zu entschuldigen. Wenn du das auch so siehst, umso besser. Du hast erzählt, der Peter kennt den Michael schon länger...wenn du ihn mal fragst?"

"Papa, das kann ich nicht. Ich...ich kann nicht Peter darum fragen, mir eine Nummer von einem anderen Mann zu geben, das...das fühlt sich falsch an."

Gina sah betrübt auf den Boden. Ihr Vater legte vorsichtig seine Hand auf ihr Knie.
"Wegen Andreas?"

Gina brach wieder in Tränen aus.
"Ja...ich...ich fühl mich einfach schuldig. Da hab ich ein schlechtes Gewissen gegenüber Andreas und Peter wenn ich jetzt einfach zu Peter gehe und ihn nach Michaels Nummer frage. Das gehört sich nicht."

"Gina. Jetzt hör mir mal zu bitte. Ja, du bist Witwe. Und ja, du trauerst und Peter tut das genauso. Er hat zwar nicht den Partner verloren, aber seinen besten Freund. Aber keiner wird dir das übel nehmen, wenn du nach Michaels Nummer fragst. Ich versteh deine Bedenken. Dann denken sie vielleicht, du wärst verliebt in ihn und würdest gleichzeitig Andreas hintergehen. Auch wenn das Blödsinn ist...aber wir beide wissen wie gemein der Dorffunk oft sein kann, das ist mir auch klar, Gina. Aber jetzt mach doch aus einer Mücke keinen Elefanten! Du gehst zum Peter und sagst ihm, du brauchst die Telefonnummer oder Email oder sonst was. Und wenn er fragt warum, kannst ja entscheiden wie viel zu ihm erzählst. Ich kenn den Peter schon seit er ein kleines Kind war, der will doch nur, dass du wieder glücklich bist...Glaubst du wirklich der würde irgendwelche Gerüchte im die Welt setzen?"

Gina schüttelte den Kopf. Natürlich wusste sie, dass sie sich völlig unbegründet den Kopf zerbrach, aber das schlechte Gewissen und die Angst vor Ablehnung nagten an ihr. Vielleicht sollte sie wirklich einfach mal zum Peter fahren und ihn fragen. Vielleicht war Michael eh schon wieder zuhause und nicht mehr in der Region. Vielleicht hatte Peter nicht die Nummer und das ganze Problem würde sich in Luft auflösen.

"Ich fahr in den nächsten Tagen mal zum Peter. Dass ich mich irgendwie entschuldigen will, das steht fest. Das gestern, das war nicht ich, das will ich nicht auf mir sitzen lassen. Vor allem, weil er zu 100% alles richtig gemacht hat und ich ihn trotzdem so angepampt habe."

"Das finde ich gut. Wenn du am Montag oder unter der Woche wen für Elisa brauchst nach der Schule, bring sie einfach vorbei bei uns wenn du runter nach Garmisch fährst."

"Danke Paps!" Gina umarmte ihren Vater noch einmal fest. Es tat ihr so gut, ihn in ihrem Leben zu wissen! Beide gingen wieder zurück in die Küche, wo Elisa mit ihrer Oma schon die Knödel rollte.

"Na wie weit seit ihr zwei schon?", wollte Gina von Elisa wissen.

"Voll weit Mama! Oma hat schon das Fleisch in den Ofen getan und jetzt machen wir Knödel! Und die Oma sagt, das mache ich ganz toll. Findest du auch?"

"Na klar! Wenn dir das so Spaß macht, möchte ich mal bekocht werden von dir, wenn du älter bist."

"Und, alles geklärt?", fragte Rosi ihre Tochter als Elisa wieder durch das Hantieren mit dem Knödelteig abgelenkt war.

"Ja, das Gespräch mit Paps hat geholfen. Danke, dass ihr so für mich da seit!"

Rosi nahm ihre Tochter in ihre Arme.
"Dafür sind Eltern da, Gina. Ich bin stolz auf dich, du wuppst das echt gut.", flüsterte Rosi ihrer Tochter ins Ohr.

Etwas später, als die Knödel fertig gekocht waren und die ganze Küche köstlich nach Schweinebraten roch, saßen alle gemeinsam am Tisch und aßen. Es war Ruhe eingekehrt am Tisch. Jeder aß und ging seinen eigenen Gedanken nach.

In Gina's Kopf tobte ein Sturm. Nein, das war noch untertrieben. Eher ein Hurrikan. Es war wie ein Strudel an Gedanken, der immer dichter wurde und die einst klare Sicht vernebelte. Es waren keine erdrückenden, dunklen Gedanken, nein, es war die Masse an Gedanken und Gefühlen, die sie verwirrte, die dazu führten, dass Gina nicht klar denken konnte. Sie fühlte sich wie ein Teenager mitten in der Pubertät, der sich nicht klar war, wer er war, wohin er wollte, was er tun sollte und so weiter. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um Michael. Der Mann, den sie erst zwei mal gesehen hatte, der eigentlich ein Fremder war. Aber trotzdem hatte sie ein gutes Gefühl dabei, wenn sie ihn sah oder auch Elisa mit ihm reden lies. Er hatte es geschafft, sie zumindest ein kleines Stück weg von ihrer Hundephobie zu bringen. Er war freundlich, obwohl sie ihn so dumm angesprochen hatte. Michael...er brachte sie zum Lachen, er... Sie musste sich entschuldigen. Gleich morgen.

Nachdem sie einen gemütlichen Nachmittag zu Hause verbracht hatten, alle Brettspiele durchspielten, die Gina zuhause hatte und Elisa ihren Großeltern stolz ihre ersten Griffe auf der Ukulele vorgespielt hatte, beschlossen Rosi und Martin langsam wieder den Heimweg anzutreten. Schließlich war es bald Abend und Elisa musste heute früher ins Bett, da morgen wieder Schule war.

Elisa verabschiedete sich und Gina brachte ihre Eltern noch zur Tür.
"Danke für euren Besuch heute!"

"Das ist doch selbstverständlich, Töchterlein! Wenn was is, dann meldest dich okey? Und wegen morgen oder wann anders: Wenn du zu Peter fährst, bringst uns Elisa vorbei, dann passen wir auf sie auf."

"Du Mama?" fragte Elisa ihre Mama als diese sie gerade ins Bett brachte.

"Glaubst du, dass und der Bruce mal besuchen kommt?"

Mit ihrem perfektionierten Hundeblick schaute Elisa ihrer Mama in die Augen. Ganz nach dem Motto: Das war keine Frage, sondern ich würde mir wünschen, Bruce bald wiederzusehen.

"Das kann ich dir nicht versprechen. Der Michael und der Bruce wohnen ja nicht hier sondern simd nur zum Urlaub machen hier. Ich weiß nicht, ob sie nicht schon heimgefahren sind. Aber ich fahr morgen mal zum Peter, dem Mann aus dem Musikladen. Der kennt den Michael ja und vielleicht kann ich den Michael ja fragen, ob er mit Bruce vorbeigehen kann an unserem Haus wenn er noch da ist, weil du ihn ganz doll vermisst. Aber das kann ich dir nicht versprechen ok? Jetzt schlaf und träum was schönes, morgen ist wieder Schule!"

"Gute Nacht Mama!"

Have faith in the dark - MPKWo Geschichten leben. Entdecke jetzt