Mit Ginas Handy verzog sich Elisa ins Wohnzimmer. Gina folgte ihr, auch wenn ihre Tochter schon alleine telefonieren durfte, dann wollte sie aber trotzdem mit dabei sein. Elisa legte das Handy auf den Wohnzimmertisch, und wählte Michael's Nummer.
"Soll ich die Laut-Taste drücken?", fragte Elisa nach als es gerade durchwählte.
"Kannst du, ja.", antwortete Gina. Es war ihr lieber, zu wissen, was Michael mit Elisa sprach. So bekam sie wenigstens mit, über was sie sich unterhielten und sie konnte auch noch kurz mit Michael reden.
"Hey Gina!", meldete sich Michael zu Wort.
"Servus, Paddy!", antwortete Gina. "Die Elisa wollte mit dir reden und dich anrufen."
"Hi, Michael!", begrüßte ihn nun auch Elisa.
"Hey Elisa! Alles klar bei dir? Oder vermisst du Bruce schon so sehr?"
"Ja, ich vermisse Bruce schon richtig...Du Michi? Wann kommst du denn wieder mal bei uns vorbei? Und was machst du gerade?"
"Das glaube ich dir, Elisa! Bruce und ich waren ganz viel unterwegs die letzten Tage, da war ich leider nicht in Garmisch oder bei euch in Oberammergau. Aber ich bin jetzt gerade im Auto unterwegs und fahr wieder nach Garmisch zurück. Dann können wir ja ausmachen, dass ich in den nächsten Tagen mit Bruce zu euch komme, wenn das für deine Mama klar geht, Elisa.", schlug Michael vor.
Sofort strahlte Elisa wieder. "Ja, das finde ich toll! Aber man darf im Auto nicht telefonieren, Michi. Das hat die Mama mir erklärt, weil da der Opa mal Ärger bekommen hat. Der hat das Handy in der Hand gehalten und dann musste er zur Polizei fahren und Strafe zahlen. Wieso telefonierst du dann beim Autofahren?"
"Elisa, jetzt reichts wieder. Sei nicht so neugierig!", schaltete sich nun Gina ein.
"Ach, das ist schon ok so, Gina. Das macht mir nichts, Elisa hat ja Recht.", gab Michael entspannt von sich.
"Elisa, ich telefoniere zwar, aber habe das Handy dabei nicht in der Handy sondern telefoniere sozusagen über das Auto mit dir. Das nennt sich Freisprechanlage. Das darf man. Aber trotzdem muss man aufpassen und sich aufs Fahren konzentrieren.", wandte er sich nun wieder an Elisa."Achso! Dann ist es ja gut. Und was hast du dann heute schon gemacht? Und wann kommst du dann morgen zu uns? Weil morgen ist ja Sonntag, da muss ich nicht in die Schule."
"Ich war heute Nacht in einem Hotel und bin dann schon ganz früh aufgestanden, weil ich zu einem Radiointerview musste. Da hab ich dann in der Früh mit dem Moderator gequatscht und am Ende haben sie dann eines meiner neuen Lieder in Radio gespielt.", erklärte Michael.
"Boah, das ist ja cool! Das hört dann ja jeder! Und welches Lied haben die dann gespielt?"
"Der Moderator hat dann Throwback gespielt. Du Elisa, hast du dir eigentlich schon meine Lieder angehört?"
"Ja! Schon ganz oft! Die sind echt toll! Und zu den schnellen Liedern kann man super dazu tanzen. Kannst du mir vielleicht ein paar Lieder von dir auf der Ukulele lernen, wenn du zu uns kommst?"
"Na klar! Dann nehm ich meine Gitarre mit und eine Ukulele und dann lerne ich dir das ein oder andere Lied, wenn du das magst. Du Gina und Elisa, ich ruf euch nochmal an, wenn ich beim Peter bin, ich fahr jetzt dann auf die Autobahn, da muss ich mich konzertrieren."
"Alles klar!", antworte Gina. "Pass auf beim Fahren!"
"Mach ich doch immer! Bis nachher dann!", verabschiedete sich Michael und legte auf.
Während sich Elisa mit einem "Bin oben spielen, ruf mich, wenn der Michi wieder anruft!" verabschiedete und nach oben in ihr Kinderzimmer ging, blieb Gina im Wohnzimmer sitzen.
Ihr Blick blieb in der Wohnzimmernische hinter der Tür hängen. Die Gitarre...das hatte sie erfolgreich verdrängt. Ihr Gitarre, auf der sie, Andreas und Peter früher stundenlang am Lagerfeuer oder beim Grillen spielten, stand seit Andi's Tod noch immer unangetastet hinter der Türe im Wohnzimmer.
Damals hatte sie sich geschworen, nie mehr Musik zu machen. Das blieb auch so. Aber vielleicht könnte ja Elisa später mal die Gitarre haben, wenn sie größer war und noch immer gerne auf der Ukulele spielte. Sie würde sich sicher darüber freuen, die Gitarre, auf der schon ihr Papa spielte, auch spielen zu dürfen. Das wollte sie ihr nicht vorenthalten.
Bislang hatte Elisa sie noch nicht darauf angesprochen, wahrscheinlich hatte sie die Gitarre noch nicht einmal entdeckt und auch ihren Eltern, Peter oder Michael blieb sie bislang verborgen.
Mit einem Seufzen stand sie auf und ging zur Wohnzimmertüre, um nach der Gitarre zu sehen. 'Wahrscheinlich ist sie eh schon kaputt oder das Holz ist gerissen, dann man man sie eh nicht mehr spielen', dachte sich Gina.Doch außer einem dicken Staubmantel und ziemlich dreckigen Saiten war die Gitarre noch gut in Schuss. Der unsprünglich schwarz-rote 'Nashville' Gurt, den Peter und Andreas in ihrem Männer-Urlaub in den USA gekauft hatten, war mitterweile grau vor Staub und hing auf den Boden. Gina schüttelte den Kopf über sich selbst. Im gesamten letzten Jahr hattte sie beim Putzen und Saugen die Stelle, auf der die Gitarre stand, ausgelassen. Das Ergebnis war jetzt unübersehbar. Auch wenn ihr der Anblick der Gitarre nach wie vor einen tiefen, schmerzhaften Stich ins Herz gab und sie weit davon entfernt war, die Gitarre in die Hand zu nehmen, nahm sich Gina jetzt vor, beim nächsten Hausputz zumindest den Boden, auf dem die Gitarre auf dem Gitarrenständer stand, zu wischen. Es half ja alles nichts. Andreas würde nicht zurückkommen, sie selbst würde es niemals übers Herz bringen die Gitarre zu verkaufen oder wegzugeben, also musste sie einen Weg finden, damit zu leben.
Kopfschüttelnd nahm sie ihren Laptop vom Tisch und beantwortete ein paar Eltern-Mails, die in den letzten Tagen eingetrudelt waren und wohl oder übel beantwortet werden mussten.
Drohungen, Bestechungsversuche der nur die Kommunikation über einen Anwalt, weil die Eltern mit einer Note nicht zufrieden waren, waren leider keine Seltenheit mehr. Besonders den neuen Lehrern und Lehrerinnen machte das immer zu schaffen, Gina hatte sich aber nach bald 10 Jahren im Lehrerberuf schon daran gewöhnt und konnte das Ganze distanzierter sehen und Drohungen nicht so nah an sich ran lassen. Trotzdem blieb ein mulmiges Gefühl, wenn sie die oft aggressiven Emails laß. Ihr taten die Kinder leid, die oft nichts davon mitbekamen und von ihren Eltern schon in den ersten Jahrgangsstufen enorm damit unter Druck gesetzt wurden, im besten Fall nur 1ser nach Hause zu bringen.Kopfschüttelnd druckte sie die Email einer Mutter aus, die sich zur Sprechstunde kommende Woche anmeldete und ankündigte, ihren Anwalt hinzuzuziehen, da ihr Sohn im Referat nur eine 3 und keine bessere Note erhalten hatte und schrieb sich den Termin in den Kalender. Dass der Sohn aber, völlig nervös und mit Angst, zitternd vor der Klasse stand und kaum einen Satz herausbrachte, ignorierte seine Mutter offenbar. Das traurige war, dass der Grund in fast allen Fällen das Elternhaus war, nicht die Klasse, die Lehrkraft oder der Schüler selbst. Doch die Eltern einfach darauf hinzuweisen und vorzuschlagen, die Schule etwas lockerer zu sehen, das hatte Gina schon längst aufgegeben. Oft war schon im Kindergarten der akademische Weg für das Kind durchgeplant und das Kind wurde zur Marionettenpuppe des Elternhauses. Das das nicht gesund für das Kind war sondern seelisches Gift, das lag auf der Hand.
Während sie noch ein paar Hausaufgaben korrigierte, klingelte Gina's Handy. Bevor sie annahm, checkte sie noch kurz, wer anrief und schmunzelte, als es Michael war.
"Hey Paddy!", begrüßte sie Michael. Sofort war ihre Laune wieder ausgezeichnet und sie lästigen Emails waren vergessen.
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Have faith in the dark - MPK
FanficZeitlicher Beginn: September 2021 Eine Geschichte über Gina und ihre kleine Tochter Elisa, die nach dem Verlust eines geliebten Menschen langsam wieder ins Leben zurückfinden müssen. Michael Patrick Kelly, der seine freie Zeit nach den Arbeiten am...