Eine Woche später stand der 1.12. direkt vor der Tür. Elisa war zur Geburtstagsfeier einer ihrer Schulfreundinnen eingeladen und durfte dort übernachten. In den letzten Tagen hatte Gina erneut das Gespräch mit ihren Eltern gesucht, um noch einmal sicher zu gehen, dass es für sie auch wirklich machbar war, die 50.000 Euro von den geforderten 200.000 beizusteuern, ohne dadurch selbst in den finanziellen Ruin zu geraten.
Nach langem gut zureden durch ihren Vater Martin hatte sie schließlich auch Peter von der Misere erzählt, auch wenn ihr die ganze Situation mehr als unangenehm war. Ohne zu zögern bot er ihr die finanzielle Hilfe an und versicherte ihr, dass er auch 50.000 locker machen würde und auch könne, da er durch das Musikgeschäft genug Rücklagen hatte. Vehement versuchte sich Gina zu wehren doch irgendwann, während eines Gespräches mit Peter und ihren Eltern kapitulierte sie. Wie sie es auch drehen und wenden mochte, alleine würde sie niemals auch nur die Hälfte finanzieren können.
Zusammen mit Peter und ihren Eltern rief sie nun Andreas Vater Johann zurück, um ihm mitzuteilen, dass sie das Angebot annehmen würde. Was sollte sie denn auch sonst machen?! Sie musste eh 'nur' 20% von dem zahlen, was das Grundstück eigentlich wert war, den Rest übernahm Johann. Und sollten sie sich nicht einigen oder Gina würde nicht über ihren Schatten springen, lag die Summe dann bei einer Million für sie allein, um das Grundstück vom neuen Eigentümer zurückzukaufen. Und das war undenkbar.
Die Stimmung in der Küche war angespannt. Gina war nervös, nun wieder mit ihrem Schwiegervater zu sprechen. Peter kanne Johann seit seiner Kindheit, schließlich hatten Andreas und er sich als enge Freunde vor allem in der Kindheit oft gegenseitig besucht. Doch auch er hatte nach Andreas Tod den Kontakt zu ihnen verloren. Und Ginas Eltern...die waren beide sauer, dass sich Johann und Magdalena einfach aus ihrem Leben geschlichen hatten und sich auch um Elisa nicht mehr kümmerten und alles daran setzten, Bayern und ihre Vergangenheit zu vergessen.
"Na komm schon, ruf ihn an! Je länger du wartest, desto schwieriger wirds.", ermutigte Rosi ihre Tochter.
Gina atmete durch und wählte die Nummer, unter welcher Johann sie angerufen hatte.
Viermal klingelte es, bevor die freundliche Stimme von Magdalena, Ginas Schwiegermutter, zu hören war."Hallo, Müller?", sprach Magdalena ins Telefon.
"Ähm...hallo Magdalena. Ich bin's, die Gina.", antwortete Gina unsicher.
"Ah Gina! Das ist aber schön, dass du anrufst! Geht's um diese gerichtliche Sache mit Johann und dem Grundstück?", wollte sie nun wissen.
"Ja genau...der Johann hat gesagt, ich soll mich bis 1.12. bei ihm melden, ob wir das so regeln, wie er vorgeschlagen hat."
"Warte mal kurz, ich hol ihn, der ist gerade im Keller beim Werkeln. Ich kenn mich da nicht aus, was da jetzt genau Stand der Dinge ist. Weißt du, der Johann hat letzte Woche schonmal davon geredet, ob du dich dann schon entschieden hast, aber er wollte dann nicht anrufen und dich drängen oder so. Johann? Kommst du mal, Gina ist am Telefon!"
Nach einem kurzen Rauschen meldete sich nun auch Johann zu Wort.
"Servus, Gina. Wie geht's dir denn? Wie gefällt's Elisa in der Schule?""Passt alles. Komm Johann, sparen wir uns die freundlichen Floskeln. Ich möchte das jetzt einfach regeln, in Ordnung?", gab Gina schärfer als gewollt von sich. Auch die Anderen am Tisch schauten nun fragend zu ihr und schienen wissen zu wollen, was Johann gefragt hatte, damit Gina so unfreundlich antwortete.
"Ähm ja, klar.", sagte Johann irritiert. "Also, nimmst du den Deal an? Es geht um das Grundstück auf dem euer...also ich meine dein Haus steht, der Ablösepreis liegt bei knapp einer Million laut Gutachter. Ich zahle knapp 800.000, dir bleiben dann noch die 200.000. Von meinem Anwalt wäre alles schon aufgesetzt, der meldet sich dann bei dir, der hat nämlich eine Außenstelle in München und informiert dann den neuen Eigentümer von unseren Feldern. Du kannst das auch ruhig auch vom einem Anwalt prüfen lassen, Gina. Ich will dich nicht über den Tisch ziehen oder so, ich möchte, dass ihr hier in euerem Haus bleiben könnt. Aber alles kann ich nicht übernehmen. Lange Rede, kurzer Sinn: Nimmst du das Angebot an, Gina?"
"Ja, das tue ich. Ich mein...mir bleibt im Grunde ja nichts anderes übrig. Ich habe ein Jahr Zeit, um die 200 Tausend zu finanzieren, richtig?", versicherte sich Gina noch einmal bei Johann.
"Ja genau, so ist das ausgemacht. Aber da redet mein Anwalt eh nochmal mit dir, auch was einen eventuellen Kredit und so angeht. Der ist da echt top und hat uns da gut beraten bei dem Chaos wegen unserer Felder und dem Stress mit dem Anwalt des Käufers. Also darf ich meinem Anwalt Bescheid geben, dass das ausgemachte Sache ist?"
"Ja, das kannst du. Kannst du mir per Email bitte die Kontaktdaten von ihm schicken?"
"Ja klar, das mache ich. Hör mal Gina, das freut mich wirklich, dass wir das regeln konnten. Und ich hoffe, dass dir das Geld nicht zu große Schwierigkeiten bereitet. Das möchte ich nicht. Mir tut es schon wahnsinnig leid, dass es so gekommen ist, wie es jetzt ist."
"Können wir ja jetzt nicht mehr ändern...Wir hätten damals wahrscheinlich auf Andi's Intuition hören sollen und das Grundstück damals schon umschreiben lassen sollen, beziehungsweise dir abkaufen oder sowas. Dann wäre das jetzt offiziell das Baugrundstück von mir und nicht eines deiner Wiesengrundstücke. Aber, egal jetzt, jetzt können wir das nicht mehr ändern.", gab sich Gina so pragmatisch wie möglich.
"Ja...wahrscheinlich. Gina, noch was. Ich weiß, dass Magda und ich alles falsch gemacht haben damit, einfach abzuhauen und euch alleine zu lassen aber...aber... Also was ich fragen wollte...Magda hat das schon so oft angesprochen. Wäre es für dich in Ordnung mit uns in Kontakt zu bleiben, damit wir vielleicht hin und wieder ein Bild von Elisa von dir bekommen?", fragte er sich vorsichtig nach.
"Hm. Ja. Ihr seid ja ihre Großeltern. Meine Nummer habt ihr ja eh, deine hab ich jetzt auch, das können wir so machen. Aber erwarte nicht von mir, dass jetzt alles wieder gut ist."
"Das werde ich nicht. Was für ein Depp ich war, das wird mir jetzt erst langsam bewusst. Ich kann nur nochmal sagen, dass es mir wirklich leid tut. Wir...also Magda und ich, wir haben uns jetzt Hilfe geholt und sind jetzt regelmäßig beim Psychologen. Es konnte so einfach nicht mehr weitergehen. Wir sind fast ein Jahr lang weggelaufen vor Andreas Tod und konnten nichtmal seinen Namen in den Mund nehmen. Erst jetzt kommt langsam die Erkenntnis, das das sowas von falsch war."
Überrascht hörte Gina ihrem Schwiefervater zu. Er schien sich wirklich verändert zu haben. So tief hatte er selten oder wahrscheinlich ihr gegenüber noch nie Einblick in das gegeben, was ihn beschäftigte.
"Besser spät als nie. Ich verstehe euch, aber ich kann euch nichts versprechen. Ihr habt mir sehr wegetan, ich hätte euch gebraucht. Aber im Grunde ging es mir auch ähnlich. Vielleicht können wir irgendwann mal in Ruhe darüber reden aber jetzt sitzt der Schmerz einfach noch zu tief.""Kann ich absolut nachvollziehen, Gina. Danke, dass du überhaupt noch mit uns redest. Ich würde dann gleich meinen Anwalt anrufen, dass er dann sie ganze Sache regelt, wo ich jetzt deine Einstimmung habe. Der wird dir dann die Unterlagen und den schriftlichen Kaufvertrag schicken."
"Alles klar! Dann bis irgendwann mal. Grüß Magdalena noch von mir."
"Mach ich. Und grüß du Elisa und deine Eltern von uns, Gina. Man hört sich, tschüss.", verabschiedete sich Johann und Gina legte auf.
Erschöpft und erleichtert stütze Gina den Kopf auf ihre Hände. Wieder ein Punkt war abgehakt und geschafft. Nun musste sie sich nur noch um einen Anwalt kümmern, aber das war machbar. Das Wichtige war, dass sie das Gespräch nun hinter sich hatte und nun nicht mehr ständig an den 1.12. denken musste.
"Ich bin stolz auf dich", flüsterte ihre Mama Rosi ihr ins Ohr und gab ihr einen Kuss auf sie Wange.
Dankbar nickte Gina und nahm Rosi in ihre Arme. Auch Martin und Peter umarmte sie anschließend und begann vom Gespräch mit Johann zu erzählen.
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Have faith in the dark - MPK
FanfictionZeitlicher Beginn: September 2021 Eine Geschichte über Gina und ihre kleine Tochter Elisa, die nach dem Verlust eines geliebten Menschen langsam wieder ins Leben zurückfinden müssen. Michael Patrick Kelly, der seine freie Zeit nach den Arbeiten am...