80 - Kopf oder Herz

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"Die Einstellung find ich gut, muss ich sagen. Man muss den Reichtum ja nicht zum Fenster raushängen lassen. Oder eben, dass man mehr verdient als andere.", tat Gina ihre Meinung kund, nachdem Michael seinen Monolog beendet hatte.

"Genau das denke ich mir eben auch. Ich meine....also der Stadl, da kostet die Miete logischerweise nicht nur 500 oder 1000 Euro im Monat, aber es ist jetzt auch nicht so krass, dass ich jetzt darauf schauen muss...also...Ich kann mir das leisten, weiß aber auch, dass das für viele andere niemals möglich wäre. Aber der Stadl ist so schön und ich wusste, da will ich hin. Und ich bin dankbar, dass ich dort jetzt dann wohnen darf und kann. Nicht, dass du denkst, ich will mit dem Stadl angeben oder so...", versuchte Michael zu erklären.

"Alles gut, ich versteh schon was du meinst! Du musst dich doch nicht rechtfertigen, dass du einen Stadl mietest, der eben mehr kostet als eine normale Wohnung.", beruhigte Gina ihn schmunzelnd. "Ich finds schön, dass du einfach so stinknormal bist und man nie erahnen würde, dass du reich oder berühmt bist, wenn man dich nicht kennt."

"Danke, mich freut es, wenn ich auch so wahrgenommen werde, wenn ich einfach nur ich sein darf. Mit meinen Launen und Macken, die du ja mittlerweile auch kennst. Oder besser gesagt kennenlernen musstest.", grübelte Michael und fuhr sich durchs Haar.

"Da kann ich mit meinen Stimmungsschwankungen auch gut mithalten mir dir! Du bist halt einfach so, ist doch oke. Lieber so als wenn du dich ständig zurückhalten musst oder dich verstellen. Deine schlechte Laune hab ich zwar vorhin beim Spazierengehen ein bisschen übertrieben gefunden, aber du hast dann ja darüber geredet. Damit komm ich klar, nur mit diesem blockieren und sich verkriechen nicht."

"Ich gelobe Besserung! Nein, Spaß beiseite, ich weiß, dass das kacke von mir ist. Und ich bemühe mich, dann trotzdem auszusprechen, was mir durch den Kopf geht, so wie heute. Und ich meine das auch nie böse, falls ich dich da mal anfahren sollte. Ich...naja ich kann manchmal einfach nicht aus meiner Haut.", rechtfertigte er sich und Gina nickte nur zufrieden. Sie wusste mittlerweile, dass es Michael ziemlich viel Überwindung kostete, so einen tiefen Einblick in deine Gefühlswelt zu geben und wusste das zu schätzen.

"Du Paddy? Entschuldige bitte, wenn die Frage zu privat ist, aber...naja du kümmerst dich immer darum, dass es Elisa und mir gut geht...aber wie gehts dir denn eigentlich? Vor allem nach der Trennung?", fragte Gina vorsichtig.

Michaels Blick wurde sofort nachdenklich. Während er sich die richtigen Wörte zurechtzulegen schien, drehte er sich in Ginas Richtung, um sie direkt anzusehen. Es war offensichlich, dass er damit haderte und dass es ihm unangenehm war, darüber zu reden. Aber wenigstens floh er nicht wieder aus der Situation, alleine das war schon ein Vertrauensbeweis. Nach langem Überlegen sprudelten die Wörter dann aber regelrecht aus Michael hinaus.
"Boah...ganz ehrlich, das weiß ich selbst nicht so ganz. Immer unterschiedlich. Vor allem, wenn ich alleine bin, komm ich dann schon ins Grübeln und gehe im Kopf die letzten Monate durch, merke dann wie...eigentlich wie toxisch die Stimmung geworden ist, wie krass wir uns einfach auseinandergelebt haben. Diese ständigen Streits, die wirklich an den Nerven gezehrt haben, Dinge, die wir uns an den Kopf geworfen haben...also nicht in Echt, das sagt man doch so. Gut war, dass wir nicht im Bösen auseinandergegangen sind, und einfach beide gemerkt haben, dass wir uns kaputt machen, wenn wir weiterhin zusammenbleiben. Wir haben uns hingesetzt, haben geredet, und sind beide zum selben Ergebnis gekommen: Dass es so nicht weitergehen kann und auch wenn wir uns wahnsinnig geliebt haben, wir uns als Kombi gegenseitig nicht mehr gut tun. Ich bin wirklich froh darüber, dass wir und noch gegenseitig in die Augen schauen können und auch normal miteinander reden können. Das ist nicht selbstverständlich. Aber klar... Jule war ein großes Kapitel meines Lebens, das eigentlich nicht enden hätte sollen. Sie hat mich in positiven Sinne auf ein großes Stück weit zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin, hat sehr viel zurückstecken müssen wegen meinem Job, das hab ich gar nicht so wahrgenommen als wir noch zusammen waren. Und ich hab es zu wenig wertgeschätzt. Machmal...da kommt mir wieder eine der Streitsituationen in den Kopf, einfach so, und dann merke ich, dass ich einfach nicht Recht hatte, in dem was ich gesagt habe, dass sie eigentlich nur reden hätte wollen, weil es ihr in der Situation nicht gut ging und anstatt von meinem Thron zu steigen und ihr einfach nur zuzuhören, hab ich mich angegriffen gefühlt und hab den Schalter sofort auf Angriff umgelegt und mit Worten zurückgeschossem. Als ich vor kurzem ein paar Sachen von mir geholt habe, haben wir noch kurz geredet, die erste Unterhaltung seit langem, die wirklich schön war und ich habe mich aus tiefstem Herzen dafür entschuldigt, ihr weh getan zu haben mit meinen Launen und mit meiner Einbildung, nur meine Sicht auf die Situation wäre die richtige Sicht. Klar hatte sie auch Anteil daran, dass es wir jetzt die Scheidung eingereicht haben, auch sie hat ihre Sturheit...ich würde sagen, wir haben uns gegenseitig einfach immer wieder in diese Sitautionen gebracht...aber als sie mich dann umarmt hat und gemeint hat, dass sie mir verzeiht...das hat mir wirklich gut getan. Seit dem ist es wieder ein bisschen leichter. Ich habe mich wochenlang davor gedrückt, ihr wieder in die Augen zu sehen, den Schmerz in ihren Augen sehen zu müssen, für den ich mich verantwortlich gesehen habe...und dass dieses Aufeinandertreffen dann so harmonisch war, das war schön.", redete sich Michael um Kopf und Kragen und atmete erleichtert aus, als wäre eine riesen Last von seinen Schultern gefallen, als er seinen Monolog beendet hatte. Emotional mitgenommen, aber zufrieden mit sich selbst suchte er Ginas Blick.

Have faith in the dark - MPKWo Geschichten leben. Entdecke jetzt