22 - Rosi, der Prominentenschreck

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"Gehts wieder einigermaßen, Gina?" Michael hatte inzwischen wieder den Sitzplatz gewechselt und saß wieder gegenüber Gina. Mit Sorgenfalten auf der Stirn musterte er ihr Gesicht.

"Ja...es geht. Enschuldigung, dass du mich so sehen musstest, ich hätte mich im Griff haben sollen." Gina zitterte noch leicht aber hatte sich nach ihrem Weinkrampf wieder beruhigt.

"Was redest du da, Gina?!" Michael schüttelte den Kopf. "Das ist doch überhaupt nicht schlimm, jeder weint mal und bei dir ist das doch mehr als verständlich! Alles ist gut, du musst nicht die Starke spielen."

"Ja, aber trotzdem ist es mir peinlich, Paddy...Ich weine nicht gern vor anderen."

"Beruhigt es dich zu wissen, dass ich die letzten Tage und Wochen auch häufig geweint habe? Zwar aus anderen Gründen wie du aber trotzdem. Es ist völlig ok, auch wenn man sich richtig scheiße dabei fühlt, aber danach gehts dir wieder besser. Und darauf kommt es an. Ich hab früher immer versucht, den coolen Typen zu spielen, hab vorgegeben jemand zu sein, der ich nie war. Hab so getan, als hätte ich einen dicken Panzer um mich rum, der alles Schlechte abhält. Aber in Wirklichkeit wäre ich fast daran zerbrochen und... Ach egal. Was ich sagen wollte: Lass es raus, das hilft und friss es nicht in dich rein! Und wenn dir mal nach reden ist, ruf mich an! Jederzeit."

"Danke! Ich weiß das echt zu schätzen! Aber jetzt erzähl du mal, was war bei dir los? Das klang ja ziemlich ernst."

"Stress zuhause, ziemlich viel Stress um ehrlich zu sein. Als ich..." Michael wollte gerade fortfahren, wurde aber abrupt unterbrochen.

"Bruceee!", tönte plötzlich Elisas laute Kinderstimme durch das Haus. "Und Michael!" Völlig aus dem Häuschen stürmte Elisa zu Gina, sprang auf ihren Schoß und umarmte sie stürmisch."

"Sorry Gina!" Ein angestrengt schnaufender Opa Martin kam nun die Treppe herunter, gefolgt von Rosi. "Ich wollte Elisa aufhalten aber...da war sie schon auf dem Weg nach unten."

Gina wank nur kurz ab und setze Elisa wieder am Boden ab.
"Mama, das ist Michael. Michael, das ist meine Mama Rosi, Elisas Oma."

Das Chaos war wieder einmal perfekt, alles passierte zeitgleich. Aber wenigstens kannte nun jeder Michael und auch Elisa wusste, dass er mit Bruce hier war.
Rosis Augen leuchteten und sie umarmte Michael fest, der ihr zunächst die Hand hingehalten hatte, nun aber die unerwartete Umarmung mit einem Lächeln im Gesicht erwiederte.

"Dass ich das noch erlebe! Das musikalische Wunderkind mit den langen Haaren bei meiner Tochter im Haus, ja Wahnsinn. Es freut mich, dich kennenzulernen! Gut schaust aus, Paddy!"

Man konnte den Schalk in Rosis Augen sehen, besonders als sie seinen Namen betonte. Mit einem großen Grinsen im Gesicht lächelte sie ihren Gegenüber an. Michael aber hatte keinen entspannten Gesichtsausdruck und wirkte plötzlich wie ausgewechselt.

"Ähm... Ja, freut mich auch, dich kennenzulernen, Rosi!" Michael war sichtlich überfordert dadurch, von einer bald 70- jährigen erkannt worden zu werden und man merkte ihm deutlich an, wie unwohl er sich in der Situation fühlte.

"Wollen wir uns alle mal setzten?", versuchte Gina die plötzlich angespannte Stimmung zu retten.

"Ich will aber zu Bruce!", jammerte Elisa und schaute sehnsüchtig zur Treppe.

"Ja dann geh halt zu Bruce und streichel ihn wenn du meinst.", erlaubte Gina ihrer Tochter. "Aber pass auf und wenn du siehst, dass Bruce nicht mehr will, dann nerv ihn nicht, ok?"

"Das weiß ich doch, Mami!", rief Elisa im Gehen.

Die Erwachsenen saßen in der Küche und Rosi ergriff das Wort.
"Du, Michael. Ich wollte nur einen kleinen Scherz machen damit, dass ich dich erkannt habe. Ich wollte dich nicht verärgern oder so!"
Mit einem schlechten Gewissen saß sie nun neben ihm und die Stimmung war immer noch nicht so wie davor.

"Passt schon. Ich mag es einfach nicht so gern...Ich bin einfach nur ein Mensch und ich möchte halt auch als stinknormaler Mensch wahrgenommen werden. Einfach als Michael und nicht als Der Paddy. Aber das konntest du ja nicht wissen. Woher hast du mich eigentlich erkannt?"

"Naja..." Rosi druckste herum. "In meinen Frauenzeitschriften, da...da war ein Artikel über dich, dass...naja du weißt bestimmt, was die so schreiben. Als ich dich gesehen hab, hab ich dich erkannt. Aber bitte, mach dir keine Gedanken! Für mich bist du einfach ein normaler Mann, der Musik macht, ich bin kein Fan oder so...wäre ja auch irgendie seltsam, du könntest ja mein Sohn sein vom Alter her. Ich keine Sorge, keiner erfährt was, auch nicht Dorfklatsch Stammtisch!"

Unsicher schaute Rosi Michael in die Augen.
Michael entspannte sich langsam wieder und man konnte sehen, dass sich seine starre, aufrechte Sitzposition langsam lockerte.

"Danke, Rosi. Hier ist einer der wenigen Orte, wo ich ganz normal als Privatperson sein kann und mich einfach ganz normal bewegen kann. Das ist leider nur noch in seltenen Fällen so, deshalb reagiere ich da so sensibel. Und ja, ich weiß, was die Yellowpress schreibt."

"Und? Ist da was dran?", wollte Rosi neugierig wissen.

"Mama!", schaltete sich nun Gina ein. "Das geht dich nix an! Horch Michael doch nicht einfach so aus, das macht man nicht!"

"Gina, passt schon. Ich hätte es dir ja eh gerade erzählt, dann hätte es deine Mama früher oder später sowieso mitgekriegt. Aber ja es stimmt, wir haben uns getrennt. Ich will aber nicht darüber reden und möchte auch nicht, dass jemand von euch das jetzt groß rumposaunt, ok?"

Rosi nickte nur, für sie war das Thema anscheinend schneller beendet als Michael dachte und die Vier unterhielten sich locker über Elisa und ihre Tierliebe, aber auch über Bruce, der gerade ausgiebig von Elisa gekrault wurde. Schnell wurde die Stimmung lockerer und Michael erzählte von seiner Freundshaft mit Peter, machte Witze und diskutierte mit Martin, ob nun das bayrische Bier wriklich besser als das irische sein konnte.

Auch Gina merkte erleichtert, wie wohl sich Michael nun glücklicherweise wieder fühlte, war aber immer noch sauer auf den "Überfall" ihrer Mutter. Einen eigentlich fremden Menschen einfach so zu umarmen war die eine Sache, aber ihn dann auch noch über sein Privatleben ausquetschen zu wollen, ging gar nicht!

Nach einer guten Stunde, in der sie Elisa nur kurz zum Trinken holen sahen oder wenn sie von Michael Leckerli für Bruce holte, verabschiedeten sich Ginas Eltern von Gina, Elisa und Michael. Im Rausgehen entschuldigte sich Rosi noch einmal bei Michael. "Es tut mir leid Michael, dass ich dich da heute so überfallen habe, wirklich! Ich hoffe du hast jetzt keinen schlechten Eindruck von mir..."

Michael nickte. "Wie gesagt, es ist schon ok, du bist eben ein neugieriger und direkter Mensch. Aber lieber haust du gleich raus was dich beschäftigt, anstatt so zu tun als würdest du mich nicht kennen. Solche Menschen nerven mich nämlich wirklich."

Rosi lachte. "Na dann hab ich ja nochmal Glück gehabt! Es hat mich gefreut, dich kennenzulernen!"

"Kann man so sagen, Rosi.", feixte Michael. "Mich hat es auch gefreut, euch Beide kennenzulernen! Aber kann ich mich darauf verlassen, dass dein...wie hast du gesagt...egal, dein Dorf-Stammtisch eben, nichts erfährt? Das ist mir wichtig."

"Natürlich! Das ist doch klar, ich schweige wie ein Grab!"

Zum Abschied umarmten Ginas Eltern ihre Tochter und Enkeltochtochter und auch Michael schlossen sie kurz in ihre Arme.
Gina hatte den kurzen Moment, in dem Michael mit ihrer Mutter redete genutzt und hatte in ihrem Handy Bilder danach gesucht was Rosi zuvor angesprochen hatte: "Paddy lange Haare"

Have faith in the dark - MPKWo Geschichten leben. Entdecke jetzt