Have faith in the dark - MPK

122 - Weihnachten

Zu viert machten sie sich auf den Weg in die Kirche, wo die Kindermesse stattfinden sollte. Rosi war mit Bruce daheim geblieben und war dafür zuständig, die Geschenke unter den Baum zu legen, während der Rest der Familie weg war. Da die Kirche mit einem kurzen Fußweg zu erreichen war, hatten sie auf das Auto verzichtet, zusätzlich war es eh immer ein Ding der Unmöglichkeit, einen Parkplatz zu finden. Elisa sagte nun schon zum gefühlt hundertsten Mal ihre Fürbitte auf und hüpfte ganz nervös ein paar Meter voraus und dann wieder zurück zu Gina, Michael und Martin.

Die Familien strömten schon in die Kirche, als sie in Sichtweite zur Kirche kamen. Kurz besprach Gina noch mit Elisa, wo sie sich nach der Kirche trafen, damit Elisa nicht verloren ging und betraten dann das Gebäude. Michael, der mit Mantel, Schal und Mütze wirklich nicht zu erkennen war, hielt sich trotzdem ein wenig im Hintergrund, als fast jeder, an dem sie vorbeigingen, Gina grüßte, fragte wie es ihr ging und Frohe Weihnachten wünschte. Elisa stand neben Michael und faltete den Zettel mit dem Satz nun schon so oft, dass man meinen konnte, er würde gleich auseinanderfallen. Die fast immer coole Elisa war nun wirklich nervös und schaute eingeschüchtert nach vorne zum Altar.

"Hey, Elisa!", flüsterte Michael ihr zu und ging vor ihr in die Hocke, so gut das zwischen den anderen Menschen ging. "Du musst nicht nervös sein oder Angst haben! Du schaffst das! Da bin ich mir ganz sicher!", versuchte er sie zu ermutigen.

Elisa nickte zwar, Michael konnte aber sehen, wie unsicher sie noch immer war. "Aber...aber was ist, wenn ich mich verlese? Oder plötzlich nicht mehr lesen kann? Ich bin ja die Allerjüngste! Die anderen sind schon in der 3. Oder 4. Klasse. Nur Emily ist noch in der 2., aber ich bin ja erst in der 1. Klasse!"

"Wenn du dich verliest, ist das nicht schlimm. Du bist ein Kind, da darf man Fehler machen. Und dass du die Jüngste bist, zeigt ja, dass du schon super lesen kannst und deine Lehrerin auch weiß, dass du das bestimmt kannst! Bevor du das Lesen anfängst, atmest du einfach ein Mal tief durch und liest einfach langsam, Wort für Wort.", gab er ihr den Tipp und Elisa atmete tief durch und nickte dann.
"Hast du Emily schon gesehen? Musst du nach vorne gehen?", fragte er und deutete zu der Frau vorne am Altar, um die sich nun ein paar Kinder versammelten.

"Mhm...glaub schon.", murmelte Elisa.

"Komm her!", forderte Michael sie liebevoll auf und nahm sie noch einmal in den Arm. "Du schaffst das. Ganz ganz sicher!", flüsterte er ihr leise zu und konnte ein kleines Lächeln in Elisas Gesicht sehen, als sie sich wieder aus der Umarmung lösten.

"Ok. Ich schaff das!", murmelte Elisa sich selbst zu und verabschiedete sich dann von Michael und ihrem Opa und sagte kurz zu Mama Gina, die in ein Gespräch verwickelt war, dass sie jetzt zu ihrer Lehrerin gehen musste.

Nachdem sie einen Sitzplatz in den vorletzten Reihe ausgewählt hatten, entspannte sich Michael wieder und schaute sich sogar in der Kirche um. Immer wieder kamen Menschen zu Gina, um ihr zu sagen, wie sehr sie sich freuten, sie mal wieder zu sehen, wünschten ihr Frohe Weihnachten, oder redeten über ihr Kinder.

Manchmal schweifte der Blick der Menschen, die mit Gina redeten, auch kurz zu Michael, und auch, wenn sie versuchten, sich nichts anmerken zu lassen, konnte Michael die Überraschung ihn ihrem Blick ablesen. Nicht, weil sie ihn erkannten, sondern weil da jetzt ein anderer Mann, ein Jahr nach Andis Tod neben ihr saß. Doch niemand machte auch nur eine kleine negative Bemerkung in diese Richtung, sondern schienen sich wirklich zu freuen, Gina mal wieder zu sehen und auch eine Gina zu sehen, die wieder glücklicher war. Und keiner wollte wissen, wer er denn war. Bei ein paar, die Gina besser zu kennen schien und die auch mit Martin redeten, stellte er sich als Michael vor, aber weder er noch Gina wurden gefragt, ob sie nur Freunde oder ein Paar waren. Vielleicht war das auch offensichtlich, wenn er neben ihr an Weihnachten in der Kirche saß.