42 - Thoughts

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"Also ich hab das Angebot angenommen und wir konnten das klären. Magda und Johann haben gefragt, ob sie vielleicht hin und wieder ein aktuelles Bild von Elisa haben könnten und Johann hat sich nochmal entschuldigt dafür, dass er und Magdalena fast schon fluchtartig nach Köln gezogen sind.", erzählte Gina der Runde.

"Na das hört sich ja ganz vernünftig an.", merkte Peter an. "Wie geht's den beiden?"

"Soweit gut, denk ich. Johann hat erzählt, dass sie jetzt beide in psychologischer Behandlung sind, weil sie gemerkt haben, dass sie davon wegrennen sich damit zu beschäftigen und arrangieren, dass Andi tot ist."

"Das ist gut, aber das hätten sie schon viel früher machen müssen. Jetzt erst nach einem Jahr...das war hundertprozentig ein Höllenjahr für sie. Ich hab schon gedacht, dass sie sich früher Hilfe gesucht hätten...", meldete sich nun auch Martin zu Wort.

"Klar, aber nicht jeder hat wie ich einen Papa oder jemanden in der Familie, der Psychologe ist. Da ist die Hemmschwelle, sich aktiv Hilfe zu suchen und wirklich zum Psychologen zu gehen extrem hoch. Ich hab halt das Glück, dass ich dich hab, Papa. Wer weiß, wann ich dann mich überwinden hätte können...Ohne dich ginge es mir heute sicher genauso und wahrscheinlih noch schlechter."

"Da hast du wohl Recht. Da hab ich als Psychologe leicht reden.", stimmte ihr Martin zu.

"Du...was mir im Kopf rumspukt, Töchterchen. Wie finanzierst du dann wie 100 Tausend, Gina? 50 gleich und für die anderen 50 einen Kredit? Geht das oder musst du das gleich auf einmal finanzieren?", fragte nun Rosi nach.

"Ja genau, das mit dem Kredit für die 50 Tausend wäre mein grober Plan. Johann hat erzählt, dass sein Anwalt da ziemlich gut informiert ist was die Finanzierung und so angeht und er einem da gut weiterhelfen kann. Vielleicht frage ich ihn dann mal und dann noch meinen Bankberater. Irgendwie bekomm ich das schon hin."

"Das wird schon. Auch wenn du das nicht willst, Gina, aber wir würden dir auch helfen. Im Grunde kannst du ja noch froh sein, dass Johann dir da so entgegengekommen ist und 80% zahlt...das ist nicht selbstverständlich.", merkte nun Rosi an.

"Ja, ehrlichgesagt hätte ich das nicht erwartet, dass er mir so entgegenkommt. Aber es freut mich natürlich. Weil...hätte ich das Grundstück dann für eine Million zurückkaufen muss, dann wäre ich für den Rest meines Lebens verschuldet, soviel ist sicher. Oder Elisa und ich hätten unser Zuhause verloren. Aber das wäre keine Option gewesen, lieber verschulde ich mich."

Noch zwei Stunden redeten Gina, Peter und Gina's Eltern unter anderem über Peter's Geschäft, das demnächst eine Auszeichnung erhalten würde, über die Urlaubspläne von Rosi und Martin, die sich zum ersten Mal auf ein Kreuzfahrtschiff wagen wollten und auch über Andreas. Das erste Mal seit seinem Tod konnte auch Gina wieder über ihren Mann reden, ohne sofort in Tränene auszubrechen, auch wenn ihre Stimme zittrig war. Vor allem Peter war auch anzukennen, dass er mehrmals gegen die Tränen ankämpfen musste. Ansi war ja wie ein Bruder für ihn gewesen. Auch wenn es schwer war, war es für Gina ein großer Schritt in Richtung Normalität, sich auch wieder schöne Erlebnisse ins Gedächtnis zu rufen, die sie gemeinsam mit Andreas gemacht hatten und sich nicht nur an seinen tragischen Tod erinnern zu müssen.

Irgendwann rief Martin dann zum Aufbruch auf: "Wenn's dir nix ausmacht würden Rosi und ich heimfahren, Gina."

"Klar, kein Problem. Fahrt ruhig heim, ich werd noch ein bisschen länger wach bleiben, nicht dass Elisa doch Heimweh hat und ich sie abholen muss."

"Elisa und Heimweh? Ach, da glaub ich musst du dir bei Elisa keine Gedanken machen. Peter, du fährst wieder mit uns zurück, oder? Dein Auto steht ja eh bei uns." Rosi sah Peter fragend an, der dann nickte.

Nun saß Gina allein im Wohnzimmer. Alle paar Minuten checkte sie den Gruppenchat mit den anderen Müttern der Übernachtungsparty, ob alles in Ordnung war. Nebenbei korrigierte sie noch ein paar Mathe-Übungsaufgaben ihrer Klasse, die sie am Montag wieder zurückgeben wollte. Um kurz vor 22 Uhr ploppte eine neue Nachricht auf Gina's Handy auf. Ein Bild vom Matratzenlager, auf dem zu sehen war, wie alle Kinder ruhig schliefen. Kurz darauf schrieb die Mutter des Geburtstagskind noch, dass alles in Ordnung sei und alle Kinder nun schlafen würden. Erleichtert atmete Gina auf und legte das Handy wieder weg.

Immer wieder drifteten ihre Gedanken weg vom eigentlichen Korrigieren und führten dazu, dass Gina von sich selbst genervt den Stift auf den Tisch fallen ließ und die Arbeitsblätter wieder in das Fach für ihre Klasse legte.
Michael. Er hatte sich fast eine Woche nicht mehr gemeldet. Manchmal hatte Gina seine Anwesenheit in den letzten Tagen wirklich vermisst. Diese Vertrautheit, die in ihren Gesprächen entstanden war, dieses Unaufdringliche und Lockere. Waren sie auf dem Weg Freunde zu werden? Oder war zu jedem so nett? Oder hatte er Mitleid mit ihr und Elisa und tat deshalb so, als würde er gerne bei ihnen sein? Nein, dachte sich Gina. Dafür war sein Verhalten zu natürlich, um das Ganze nur vorzuspielen. Und sonst hätte er sich auch nicht so viel Zeit für Elisa genommen. Elisa fragte natürlich jeden Tag danach, wann Bruce denn wieder mal vorbeischauen würde und gab sich nur meckernd damit zufrieden, dass Michael nun wieder arbeiten musste.

Sollte sie ihm vielleicht einfach mal schreiben? Wäre er Peter, hätte Gina genau das getan, aber ihr Stolz stand ihr wieder mal im Weg. Schließlich hatte Michael ja versprochen sich zu melden und das sollte er dann auch tun. Sie würde ihm bestimmt nicht nachrennen.

Oder hatte er einfach genug zu tun mit dem Auszug und den Terminen für das neue Album, so dass er sie und Elisa einfach vergessen hatte? Wahrscheinlich, stellte Gina fest. Denn für eine kurze Nachricht hatte man schließlich immer Zeit. Und Michael wusste ja bestimmt, wie sehr sich Elisa nur über ein Bild von Bruce freuen würde.

Mit einem Kopfschütteln legte Gina das Handy weg auf den Tisch. Wenn er sich melden würde, schön. Wenn nicht, dann nicht. Sie würde ihm sicher nicht nachrennen. Mit einem Griff zur Fernsteuerung schaute sie ihre Serie weiter und versank regelrecht darin. Langsam übermannte sie die Müdigkeit, bis sie schließlich am Sofa einschlief.

Plötzlich riss Gina ein lauter Schrei aus dem Schlaf. Vor Schreck saß sie innerhalb von Sekunden und versuchte sich mit pochendem Herzen zu orientieren.

Alles gut, es war nur die Serie, die weiter gelaufen war während sie schlief, dachte sie sich. Elisa war ja gar nicht zu Hause, also war alles gut. Fix und fertig schaltete Gina schließlich den Fernseher aus und machte sich im Bad bettfertig.

Schnell stellte sie sich noch den Wecker, um ihre Tochter rechtzeitig von der Übernachtungsparty abzuholen und checkte mit einem letzten Blick auf das Handy noch, ob sie neue Nachrichten hatte, bevor sie das Handy auf den Nachttisch legte und langsam in den Schlaf glitt.

Have faith in the dark - MPKWo Geschichten leben. Entdecke jetzt