47 - Aufregung

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Am späten Sonntagmorgen saßen Elisa und Gina zusammen am Tisch und frühstückten. In der Nacht zuvor hatte Gina wieder mit wirren Träumen zu kämpfen gehabt, die sie aus dem Schlaf rissen. Von Andreas, der sie anschrie und sie dafür verurteilte, dass ein anderer Mann bei ihr zuhause war und die Gitarre in die Hand nahm. Dieser Traum war so real, dass Gina erst ein paar Sekunden brauchte, um zu verstehen, dass es nur ein Traum und nicht Wirklichkeit war. Im Gegensatz zu ihrer Tochter bekam Gina keinen Bissen hinunter, was auch Elisa bemerkte.

"Hast du keinen Hunger, Mama?", fragte sie während sie sich die zweite Brötchenhälfe in den Mund schob.

"Irgendwie nicht so, nein..."

"Bist du krank?", wollte Elisa nun mit besorgter Stimme wissen. "Brauchst du Medizin?"

"Nein, Elisa. Mir gehts gut. Ich bin nur ein bisschen aufgeregt, weißt du?"

Nun breitete sich auf Elisas Gesicht ein schelmisches Grinsen aus. "Aha! Wegen Michi?", hake sie nach.

"Ach, nein doch nicht wegen Michael...", schwindelte Gina. "Veilleicht bin ich ja auch aufgeregt, weil wir heute mit Bruce spazieren gehen? Michael kommt übrigens schon zum Mittagessen, es gibt Schinkelnnudeln und dann gehen wir mit Bruce Gassi.", lenkte Gina ab.

Jetzt begann Elisa zu kichern und sprang von ihrem Stuhl. "Mama! Du schwindelst! Das darf man nicht! Du bist wegen Michi aufgeregt! Weil vor Bruce hättest du eher Angst, aber das hast du eh nicht mehr, weil du Bruce auch magst.", schlussfolgerte Elisa richtig, was Gina nur mit einem genervten Augenrollen quittierte.

"Ach komm Elisa, sei leise..."

"Nee! Die Mama ist aufgeregt, weil uns der Michi besucht!", sprang sie herum. Nach ein paar Minuten und mehrmaligen Ermahnungen von Mama Gina setzte sie sich wieder an den Tisch und aß noch ein paar Apfelstücke.
"Du Mama? Wenn ich meinen Entdeckerclub habe und da dann der Leo ist, bin ich auch aufgeregt, weil ich ihn wieder sehe. Bist du auch so aufgeregt oder anders aufgeregt wegen Michael?"

"Elisa, hör mal. Ich bin ein bisschen aufgeregt, weil Michael und besuchen kommt, da hast du Recht. Aber ich bin nicht verliebt so wie du in deinen Leo. Und ich will nicht, dass du vor irgendwem davon erzählst, schon gar nicht vor Michael ok?"

"Ist schon ok, Mama...", murmelte Elisa betrübt. "Aber darf ich dich noch was fragen?"

"Du darfst immer fragen was du wissen willst, Elisa."

"Du magst den Michi aber anders als den Peter, stimmts?", philosopierte Elisa weiter.

Langsam war Gina genervt. Sie wusste doch selbst nicht, was mit ihr los war, wie sollte sie das dann auch noch ihrer Tochter erklären?
"Keine Ahnung Elisa. Den Peter kenn ich halt schon viel länger...", umgimg sie Elisas eigentliche Frage.

"Mama! Du lenkst ab! Der Peter ist ein guter Freund von uns, daa weiß ich. Und den Michael kennst du ja noch nicht so lange. Aber trotzdem darf er uns besuchen und wir treffen uns mit ihm und er durfte sogar hier schlafen und isst heute mit uns Mittag. Wenn uns Peter besucht, dann ist das irgendwie anders..."

"Können wir das Thema einfach für heute vergessen, Elisa? Bitte. Von mir aus reden wir morgen nochmal drüber...aber nicht jetzt."

"Das ist total unfair, Mama! Ich hab dir auch gesagt, dass ich den Leo sehr gerne mag und ein bisschen verliebt bin, wieso kannst du nicht auch einfach ehrlich zu mir sein?! Das geht mich auch was an!", schimpfte Elisa laut los und schaute mit böser Miene zu Gina.

"Weil es dich überhaupt nichts angeht, Elisa! Du bist viel zu jung, um das zu verstehen. Und jetzt lass mir mit diesem Thema meine Ruhe!"

"Und ob mich das was angeht! Ich will wissen, ob ich Michael mögen darf und ob er dann öfter da ist oder ob er dann nur 1 mal im Jahr und irgendwann dann gar nicht mehr kommt.", jammerte Elisa.
"Ich will nicht, dass ihr Erwachsenen dann irgendwann sagt, ihr besucht euch nicht mehr, und ich dann traurig bin und ihn und Bruce nicht mehr sehen kann. Er mag dich und du magst ihn, wo ist das Problem? Und wenn ihr einfach miteinander redet, dann könnte Michi ja jeden Tag zu uns kommen."

Völlig verwirrt starrte Gina nun ihrer Tochter an. Was war denn das gerade?
"Elisa, erstens: Nicht in diesem Ton! Schrei mich nicht so an, du weißt, dass wir da eine Regel haben. Und zweitens: Was stellst du dir denn eigentlich vor? Dass Michael jetzt zu uns in die Berge zieht, einen auf Familie macht und in ein paar Wochen bei uns einzieht oder was? Er hat sich gerade von seiner Frau getrennt, dein Papa und mein Mann sind vor nichr langer Zeit gestorben, wie stellst du dir das vor? Selbst wenn ich Michael mögen würde und er mich genauso, wären wir doch kein Paar? Ich verstehe, dass du dir das vielleicht wünscht, weil du ihn gerne magst, aber dass musst du schon uns überlassen. Wir kennen ihn doch erst ein Monat? Ich will überhaupt keinen neuen Partner im Moment, das ist noch viel zu früh, und Michael geht das bestimmt genauso."

"Entschuldigung Mama...", antwortete Elisa zögerlich.
"Aber...das wäre halt schön...wenn Michi bei uns bleibt, weil ich mag ihn. Und dann kann ich Bruce auch jeden Tag sehen! Und ich kann mit ihm gut reden, weißt du? Weil ich hab halt keinen Papa mehr...und", antwortete Elisa nun wieder mit ruhiger Stimme.

"Und dann soll Michael jetzt deinen Ersatzpapa spielen?! Elisa, hörst du dir überhaupt zu? Hast du keinen Respekt vor deinem Papa und denkst, du kannst dir jetzt einen neuen aussuchen?!", keifte Gina Elisa an, die fürchterlich erschrak.

"Mama du bist so unfair! Das stimmt gar nicht, ich hab Papa immer noch lieb! Hör mir doch einmal zu! Lass mir doch einfach meine Ruhe!", schrie sie und rannte weinend die Treppen hinauf in ihr Kinderzimmer.

Zurück blieb Gina, die völlig überfordert davon war. Wieder einmal hatte Elisa sie völlig aus dem Nichts genau darauf engesprochen, was ihr selbst nicht klar war und dann auch noch auf Andreas. Ihre Tochter Elisa wollte Gina jetzt erst einmal alleine lassen, ihr jetzt auch noch nachzugehen, würde nur noch zu mehr Konflikt führen. Aber wie sie sich jetzt fühlen musste, wollte sich Gina gar nicht erst vorstellen.

Irgendwo hatte Elisa ja Recht und genau das war das Problem. Nicht nur irgendwo, sondern Elisa hatte eigentlich komplett recht. Elisa hatte durch ihre kindliche Leichtigkeit genau ins Schwarze getroffen. Aber auch, wenn sie Interesse an Michael hätte, sie konnte das noch nicht. Der Schock durch Andreas plötzlichen Tod saß ihr immer noch in den Knochen und ihr Herz hing noch immer an ihm.

Mit einem Blick auf die Uhr erschrak Gina. Es war schon kurz vor 12 Uhr! Seufzend erhob sie sich und bereitete das Mittagessen vor. In Gedanken war sie bei Elisa. Anstatt die Ängste ihrer Tochter ernst zu nehmen und auf ihre Wunschvorstellungen einzugehen, hatte sie alles falsch gemacht und ihr auch noch vorgeworfen, ihren verstorbenen Vater durch Michael ersetzen zu wollen, obwohl sie vor Kurzem das tiefgründige Gespräch zwischen Michael und ihrer Tochter gehört hatte und wusste, wie sehr Elisa der Tod von Andreas noch beschäftigte.

Pünktlich um Punkt halb 1 klingelte es schließlich die Haustüre.

Have faith in the dark - MPKWo Geschichten leben. Entdecke jetzt