"Mein Papa ist gestorben, da war ich 25 Jahre alt. Den vermisse ich schon oft und früher noch viel mehr."
"25? Wie alt ist man mit 25 Jahren? Ist das ungefähr so alt wie die Mama jetzt ist?", wollte Elisa wissen.
"Naja, ich glaube ein bisschen älter als 25 ist deine Mama schon.", lachte Michael. "25 Jahre alt sind...so in etwa die ganz jungen Lehrer in deiner Schule, die noch nicht lange an der Schule sind.", versuchte er Elisa zu erklären.
"Mhm, also schon erwachsen aber noch jung... Und wie ging es dann da deiner Mama? War die auch so traurig wie meine Mama? Und wie ging es dir? Weißt du, das ist irgenwie schön, dass ich jetzt nicht mehr die Einzige ohne Papa bin. Weil...ich glaube...alle in meiner Klasse, die haben ihren Papa noch, nur ich nicht."
Unbewusst hatte Elisa einen wunden Punkt bei Michael getroffen. Kurz überlegte er, was und wie viel er Elisa erzählen wollte und auch sollte, schließlich war sie ja noch ein Kind. "Das war schon sehr schlimm für uns alle, als mein Papa nicht mehr da war unter uns und ich war auch sehr traurig, obwohl ich schon erwachsen war. Aber... weißt du... er war so krank, dass die letzten Monate nicht mehr leicht für ihn waren...Und meine Mama...die lebt auch nicht mehr. Da war ich fünf, da ist sie gestorben."
"Echt? Dann sind beide Eltern von dir schon im Himmel? Bei deiner Mama warst du dann warst du ja sogar noch jünger als ich, weil ich bin jetzt sechs Jahre alt. Das habe ich schon in der Schule gelernt, in Mathematik. Fünf ist eins weniger als Sechs. Naja, eigentlich waren wir gleich alt, weil das mit Papa ja schon vor fast einem Jahr war, nur wusste ich das erst nicht. Das mit deinen Eltern tut mir leid für dich...aber deshalb verstehst du auch, wie es mir jetzt geht oder?"
"Mhm ja, ich kann mich zwar nicht mehr so gut daran erinnern, wie das für mich damals war, das ist ja schon lange her. Aber das, dass du dann weinst wenn keiner zuschaut, das kenne ich gut. Willst du deiner Mama das irgendwann sagen, dass du traurig bist und manchmal weinst? Weil sie weiß ja gerade gar nicht, wie es dir wirklich geht, wenn du ihr das nicht erzählst."
Energisch schüttelte Elisa den Kopf. "Nein! Die Mama ist traurig genug, ich will da nicht auch noch zu ihr gehen und sie noch trauriger machen, weil ich auch manchmal traurig bin. Ich kann ihr das nicht sagen, dann geht es ihr bestimmt noch schlechter. Oder?"
"Ich kenne deine Mama noch nicht so lange, das kann ich dir nicht sagen. Aber weißt du, du bist noch ein Kind, du musst da nicht alleine durch. Aber wenn du mal darüber reden willst oder so dann kannst du sicher immer zu deiner Mama gehen. Und wenn du nicht mit ihr darüber reden willst, hast du doch noch deine Oma und Opa oder den Peter. Oder wenn du magst, auch mich. Wenn du mir das schon erzählt hast, darfst du auch gerne weiterhin mit mir darüber reden. Glaub mir, das hilft."
"Danke! Und warum sind dann eigentlich deine Mama und dein Papa im Himmel? Haben die auch jemanden gerettet? So wie mein Papa?", frage Elisa nun nach.
"Nein, gerettet haben sie niemanden. Meine Eltern waren beide krank. Mein Papa hatte mehrere Schlaganfälle und irgendwann ging es ihm immer schlechter dadurch und er ist gestorben.", begann Michael zu erzählen.
"Ähm...Michi? Ein Schlaganfall ist das, wenn im Gehirn etwas kaputt wird oder?"
Auch wenn das Thema ernst war und bei ihm alte Wunden aufriss, tat es gut darüber zu reden. Und vielleicht half gerade Elisas kindliche Art und ihre positive Sichtweise, dass der Schmerz über den Verlust seiner Eltern diesmal nicht ganz so schlimm und groß war, wenn er darüber sprach. Er musste fast schon grinsen, als Elisa versuchte, zu beschreiben, was ein Schlaganfall war.
"Das kann man so sagen, ja. Bei einem Schlaganfall im Gehirn kommt das Blut plötzlich nicht mehr durch die Ader durch und verstopft dann die Ader. Das ist sowas wie eine Röhre, durch die das Blut fließt. Und dann kann das Blut nicht mehr durch einen Teil des Gehirns und das ist schlecht, weil das Gehirn das Blut braucht wie wir die Luft zum Atmen. Da kann es dann passieren, dass ein Teil im Gehirn nicht mehr funktioniert. Und wenn das öfter passiert, ist das natürlich noch schlimmer. So war das leider bei meinem Papa.""Das kann ich mir vorstellen, weil je öfter das dann passiert, umso mehr Gehirn wird dann getroffen. Und was hatte deine Mama?"
"Sie hatte Krebs und ist leider daran verstorben.", drückte Michael leise heraus.
"Von der Krankheit Krebs habe ich schonmal gehört! Aber heute muss man doch nicht immer daran sterben oder? Da kriegt man im Krankenhaus Hilfe und das geht dann wieder weg."
"Ja heute...da ist die Chance, dass man wieder gesund wird, viel besser. Aber früher war das noch nicht so und oft wird es viel zu spät bemerkt, dass man Krebs hat. Je früher das ein Arzt merkt, desto besser, weißt du? Bei meiner Mama war der Krebs leider so stark, dass sie jetzt im Himmel ist." Die Sache mit der Schwangerschaft verschwieg er ihr, es war schon genug, sich mit einer Sechsjährigen über den Tod und Krankheiten zu unterhalten. Er hatte gerade sowieso das Gefühl, dass er nicht mit einer Sechsjährigen, sondern schon mit einem Erwachsenen sprach, so gut konnte sich Elisa ausdrücken und die Thematik verstehen.
"Ich glaube, dass es deinen Eltern dann im Himmel wieder gut geht. Und meinem Papa auch. Weil weißt du was? Stell dir vor, mein Papa wäre so schwer verletzt gewesen, dass er nur noch im Bett gewesen wäre, das wäre das für ihn total schlimm gewesen, das weiß ich. Und vielleicht hätte er nie mehr lachen können, weil ihm alles so weh tut. Aber im Himmel, da sind alle glücklich und gesund und keinem tut was weh, hat mir die Oma gesagt."
"Da hat deine Oma bestimmt Recht! Das ist schön, wenn man sich das so vorstellt.", pflichtete Michael ihr bei.
"Du Michi? Danke, dass du da mit mir drüber redest. Auch wenn du schon erwachsen bist. Ich rede eh lieber mit Erwachsenen, mit euch kann man besser reden. Aber auch nicht über alles...Weil ganz viele Erwachsene wollen nicht über den Tod reden weil sie sagen, da soll man sich als Kind keine Gedanken darüber machen. Aber ich muss mir da halt Gedanken darüber machen...So kann ich mir halt besser vorstellen, dass mein Papa doch noch irgendwo da ist und nicht ganz weg."
Michael nickte. "Ja, das verstehe ich gut. Das Thema ist nicht gerade schön und eigentlich nichts, womit man sich als Kind Gedanken darüber machen sollte...aber manchmal muss man eben. Wie gesagt, meine Mama ist gestorben, da war ich so alt wie du. Wenn du also mal jemanden zum Reden brauchst, kannst du mir alles sagen oder mich fragen, wenn du willst."
Elisa lächelte ihn an und nickte. Damit war das Gespräch für sie beendet. Dann war Michael für sie wieder uninteressant und sie begann, Bruce, der mittlerweile wach und ausgeschlafen war, Tricks beizubringen.
Michael beschloss, die zwei Freunde wieder in Ruhe zu lassen und ging in die Küche, um sich einen Tee zu machen. An noch eine Stunde Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken, das Gespräch mit Elisa hatte in gerade mehr aufgewühlt als ihm lieb war.
"Elisa, ich bin in der Küche, falls irgendwas ist, ok?""Mhm, ist ok.", gab sie als Antwort, gerade war nur Bruce für sie interessant.
In der Küche angekommen ergab sich für ihn ein Bild des Schreckens, das ihn das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Gina saß am Küchentisch, tränenüberströmt, hatte den Kopf auf die Arme gelegt und schluchzte leise vor sich hin.
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Have faith in the dark - MPK
FanficZeitlicher Beginn: September 2021 Eine Geschichte über Gina und ihre kleine Tochter Elisa, die nach dem Verlust eines geliebten Menschen langsam wieder ins Leben zurückfinden müssen. Michael Patrick Kelly, der seine freie Zeit nach den Arbeiten am...