17 - Kinderphantasien

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Dieses Mal hielt Michael sein Versprechen, wie Gina überrascht am nächsten Morgen feststellte, nachdem sie Elisa aufgeweckt hatte. In ihrem Email Postfach war eine neue Email, gesendet von einer ihr unbekannten Emailadresse. Doch auf den zweiten Blick erkannte sie, dass Michael der Absender sein musste. MP512 war wohl eine Verbindung von Michael, Paddy und seines Geburtstags, vermutete Gina. Sie setzte sich an den Tisch und las die Zeilen, die Michael geschrieben hatte.

"Hey, Gina, hey Elisa. Jetzt aber wirklich, es tut mir extrem leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe, ich hoffe wir können das klären. Ich habe nächste Woche Montag und Dienstag frei und fahre schon am Freitag Abend nach einem Termin in München zum Peter. Bruce hab ich auch dabei, der vermisst euch auch schon, vor allem seine neue beste Freundin Elisa ;-). Schreib mir einfach wann es euch beiden passt, ich bin da flexibel. Wo, entscheidest du, ich möchte mich nicht aufdrängen. Hier noch meine Handynummer, falls irgendwas ist. Und bitte: vertraulich damit umgehen. Ich freu mich und Bruce sich auch! CU, M."

Ein breites Lächeln breitete sich in Ginas Gesicht aus. Sie würden Michael und Bruce also wirklich wiedersehen, und das schon in ein paar Tagen! Sie freute sich wirklich darüber, auch wenn sie nervös vor dem Gespräch mit Michael war. Er hatte ja bereits angekündigt, ihr seine Geschichte zu erzählen und sie würde dann wohl auch ihren Teil der Geschichte erzählen oder eher erzählen müssen, der der Auslöser für ihre emotionalen Ausbrüche war. Andreas Tod.

"Mama, was grinst du denn so?", fragte Elisa, die gerade vom Bad in die Küche gekommen war, ihre Mutter.

"Der Michael hat uns geschrieben!", antwortete Gina und hielt Elisa ihr Handy hin. Zusammen lasen sie die Email und Gina war wieder einmal erstaunt, wie weit Elisa beim Lesen schon war.

"Das ist so so toll, Mama! Dürfen und der Bruce und der Michael dann zuhause besuchen? Und können sie dann gleich am Freitag kommen? Weil dann könnte Bruce ja vielleicht gleich bei uns bleiben im Haus bis Dienstag! Und dann darf er in mein Bett und dann kuschele ich mit ihm, dann brauch ich meinen Stofftierhund gar nicht mehr, wenn ich einen echten Hund habe!"
Elisa kindliche Fantasie brachte Gina zum Lachen.

"Maus, jetzt mal mal langsam! Also, ja der Michael und der Bruce können zu uns kommen. Und auch wenn ich Amgst habe vor Hunden kann der Bruce mit rein kommen, dann kannst du ja im Wohnzimmer mit ihm kuscheln. Aber ins Kinderzimmer kommt mir kein Hund rein! Das ist ein Kinderzimmer und kein Hundezimmer ok? Ich glaube, dass der Michael am Freitag Abend müde ist von der Autofahrt aber vielleicht kommt er ja am Samstag dann zu uns. Aber Bruce wird bei Michael bleiben, das ist ja immer noch sein Hund und nocht unser Hund. Der Michael und ich müssen eh noch reden, da kannst du dann ja mit dem Bruce rumtoben."

"So Erwachsenengespräche, Mama?"
Elisa schaute ganz interessiert und Gina konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

"Ja, ein Erwachsenengespräch. Aber es ist nichts, was du nicht auch mithören dürftest. Nur wird es dich nicht so sehr interessieren, denke ich."

"Über was redet ihr dann?" Elisa bohrte nach, schließlich wollte sie ja zumindestens wissen, worüber ihre Mama mit Michael reden wollte, wenn sie schon nicht dabei sein sollte.

"Michael erzählt mir ein bisschen was von sich, und ich erzähl ihm ein bisschen von uns und warum ich so komisch zu ihm war."

"Naja ganz einfach. Weil der Papa leider nicht mehr bei uns ist und das jetzt bestimmt komisch für dich ist, wenn der Michael so nett ist."

"Warte...was?!" Gina blickte völlig irritiert zu ihrer Tochter. Hatte sie sich gerade verhört?

"Du magst den Michael, ich mag den Michael ja auch, weil der ist ja echt nett. Und mein Papa ist ja gestorben und du hast ihn ja geliebt. Und jetzt ist das bestimmt komisch, wenn du dich jetzt mit Michael gut verstehst oder?"

Nein, Gina hatte sich nicht verhört. Sie hatte das Gefühl, gerade nicht eine sechsjährige Tochter neben sich sitzen zu haben, sondern eine erwachense Person. Elisa war schon immer feinfühlig und konne sich immer besser in andere hineinversetzen, aber diese tiefgehende Ebene überraschte sie jetzt doch sehr.

"Was hab ich nur für ein Glück, so eine Tochter wie dich zu haben! Ich hab dich lieb, Elisa!"

Gina öffnete ihre Arme und Elisa kuschelte sich dicht an sie. Diese innigen Momente genossen beide sehr und Gina war sich zugleich auch bewusst, dass Elisa in fünf Jahren wahrscheinlich so etwas nicht mehr tun würde.

"Mama, ich hab dich auch ganz doll lieb! Und ich freue mich schon, wenn und Bruce besuchen kommt! Schreibst du dann dem Michael gleich? Und darf ich dann von der Schule zuhause bleiben?"

"Das kommt gar nicht in Frage, Elisa! Du gehst schön brav in die Schule, das Schule schwänzen fangen wir nicht schon in der ersten Klasse an! Aber ja, ich schreib dem Michael gleich nach der Arbeit. Und jetzt iss noch dein Müsli, wir müssen bald los in die Schule. Heute kann ich dich dann wieder abholen, du hast ja heute nur 5 Stunden und ich habe aber nur 4, dann hole ich dich ab und essen zuhause Mittag."

Auf dem kurzen Weg zu Elisas Grundschule hörten die Beiden im Auto ein paar Kinderlieder, bei welchen Elisa textsicher mitsang. Ein paar konnte sie auch schon auf der Ukulele spielen.

"Schau mal Mama!" Elisa deutete aufgeregt mit dem Finger zu zwei Jungen, die am Schultor standen.
"Das sind Leo und Max, die sind schon in der zweiten Klasse, mit denen spiele ich manchmal in der großen Pause Famgen und die haben mit schon manchmal geholfen, als ich mich fast im Schulhaus verirrt hätte. Das sind jetzt meine Freunde."

Gina freute es immer wieder aufs Neue, dass Elisa so schnell Anschluss in der Schule gefunden hatte. Das war nicht selbstverständlich. Gina hielt an und wünschte Elisa noch einen schönen Schultag, bevor sie ihre Tochter aussteigen lies. Gina freute sich schon auf ihren neuen Arbeitstag, die Klasse, die sie in diesem Schuljahr hatte, lag ihr wirklich am Herzen und war sehr aufmerksam und pflegeleicht zu unterrichten. Auch wenn ein paar einzelne Schüler eine große Klappe hatten, war das Klassenklima sehr gut und alle unterstützten sich gegenseitig, auch in den Pausen, falls einmal jemand gehänselt wurde.

Have faith in the dark - MPKWo Geschichten leben. Entdecke jetzt