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„Bella schlägt das wahrscheinlich nur vor, weil Harry neben mir absolut fantastisch aussieht", schmunzelte ich. „Und das weiß sie vermutlich von unseren Hochzeitsfotos." Ich löste mich von meinem Mann, dass ich besser durch die Runde blicken konnte und fand überraschend viele schockierte Gesichter vor. Außer den beiden Damen, die vorhin auf dem Balkon über mich geredet hatten, schien wirklich keiner mit einer derartigen Enthüllung gerechnet zu haben. Dafür sprach auch die absolute Stille, die plötzlich im Raum vorherrschte.

„Ja, ihr seid heiß nebeneinander. Beweisaufnahme beendet", lachte Bella, dann überreichte sie Harry wieder unseren Sohn und schien minimal erleichtert zu sein, kein Baby mehr auf dem Arm zu haben. Ich lehnte mich daraufhin etwas gegen Harry, um vorsichtig mit meinem Zeigefinger über Freddies Köpfchen streicheln zu können. Es war herzallerliebst, wie wohl er sich in Harrys Armen zu fühlen schien. „Moment", unterbrach der Fotograf nun die Stille und zog dabei die Vokale unendlich in die Länge, als bräuchte er noch ein paar Sekunden, um zu begreifen, was sich soeben vor seinen Augen abgespielt hatte. „Du und du sind verheiratet?", erkundigte er sich und deutete dabei nacheinander auf Harry und mich. „Ja", erwiderte Harry und kämpfte nun nicht mehr gegen das Grinsen an, das sich schon seit Bellas Verkündung auf seine Lippen schleichen wollte.

„Du bist aber nicht out of the closet", stellte der Fotograf nüchtern in meine Richtung fest, woraufhin ich nur mit den Schultern zuckte. „Noch nicht vor der ganzen Welt." Nachdem ich das gesagt hatte, wurde der ganze Raum mit einem Schlag wieder sehr geschäftig. „Würden Sie denn einem solchen Fotoshooting zustimmen? Wenn ja, ab wann dürften diese Fotos verwendet werden?", wollte die Frau wissen, die hier die Leitung innehatte. Erneut zuckte ich mit den Schultern. „Es kommt ganz darauf an, ob Harry überhaupt so sehr ins Rampenlicht gedrängt werden möchte. Mir wäre das relativ egal, Hauptsache die Fotos werden erst nach dem Turnier veröffentlicht", erklärte ich und schielte mit einem Seitenblick zu meinem Mann. „Turnier?", war daraufhin die einzige Rückfrage, welche Harry mit „Fußball-Weltmeisterschaft", beantwortete.

„Gut, sehr gut, worauf warten wir dann noch? Ruf den Anwalt an, ruf die Werbeabteilung an, erkundige dich nach...", verteilte die Leiterin Anweisung an mehrere umstehende Menschen, woraufhin die Dame mit dem Klemmbrett, die auch mich eingewiesen hatte, nun auf meinen Mann einredete. Dieser nickte mehrmals unbeeindruckt, dann drehte er sich zu mir um. „Können wir kurz darüber reden? Das ist nämlich eine echt große Sache", begann er ein Gespräch mit mir, während die Dame sich in das erste Schlafzimmer begab. Vermutlich würde sie dort auf Harry warten. „Ich weiß, aber mein Outing wird ohnehin eine große Sache werden. Warum also nicht noch Öl ins Feuer gießen?", entgegnete ich und meinte es wirklich ernst. Der Gedanke daran, mit Harry auf riesigen Werbeplakaten zu erscheinen, gefiel mir irgendwie, auch wenn er mich gleichzeitig beängstigte. 

„Die Frage ist also, ob du dich wohlfühlst, wenn ganz England oder sogar die ganze Welt weiß, wie du halbnackt aussiehst." Harry schloss, als ich das gesagt hatte, für einen kurzen Moment die Augen. Dann sah er mich wieder aufmerksam an. „Ich kann es jetzt ehrlich gesagt nicht einschätzen. Aber wenn wir größer denken... Wie wunderbar wäre es, wenn ein Fußballer, einer der aktuell in der Nationalmannschaft spielt, gemeinsam mit seinem Ehemann für Unterwäsche wirbt? Das gab es noch nie! Ich würde mich zwar unwohl dabei fühlen, so intime Sachen zu inszenieren wie du mit Bella, aber ich würde mich definitiv dabei wohlfühlen, mit dir gemeinsam in Unterwäsche zu posieren.  Außerdem... wie oft hast du in deiner Kindheit queere Personen in der Werbung gesehen? Zwei Männer die sich lieben...?"

Die Worte, die er wählte, zeigten auch mir eine neue Denkweise auf. Vielleicht wäre es ja nicht nur eine finanzielle oder private Entscheidung. Vielleicht hatte diese Entscheidung ja sogar eine tiefere Bedeutung. Ich blickte zu unserem Sohn, der in Harrys Armen eingeschlafen war und unwahrscheinlich friedlich aussah. Anschließend legte ich meinen Arm um Harrys Rücken und drückte einen Kuss auf seine Schulter. „Wenn du dich dabei wohlfühlst und das machen möchtest, dann bin ich dabei", flüsterte ich ihm ins Ohr und atmete dann tief ein. Ich liebte einfach seinen Geruch.

Only The Brave || Larry AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt