Zurück auf englischem Boden, wollte ich am nächsten Tag eigentlich nur noch zu Harry fahren und die Sache klären, die ihn beschäftigte. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was es war, doch ich wollte es endlich aus der Welt schaffen. Da Harry war arbeiten war, würde ich mich noch ein wenig gedulden müssen. Dabei wollte ich nichts lieber, als sofort zu ihm zu fahren und endlich wieder seine Lippen an meinen zu spüren.
Um während der Zeit des Wartens nicht vollständig in meiner Ratlosigkeit und Verzweiflung zu versinken, beschloss ich der Aufforderung aus Eleanors letzter Nachricht nachzukommen. Kurzerhand brauste ich über Londons Straßen in die Richtung unseres Hauses. Nach dem Vorfall am gestrigen Morgen erwartete ich schon halb, auch heute von einer schlagzeilengeilen Meute begrüßt zu werden, doch nun war der Platz vor unserem Haus wie leergefegt. Womöglich war das Bild von meinem Kamera-Kick genug, um seitenweise Artikel darüber zu schreiben. Mir sollte es ja recht sein.
Schnell parkte ich das Auto im Hof und betrat dann das verlassene Haus. Es war fast schon gespenstisch, aber das konnte auch einfach nur daran liegen, dass ich in den letzten Tagen, die ich hier gewohnt hatte, innerlich leer und ausgebrannt war. Im Wohnzimmer stapelten sich schon Kisten, die alle von Eleanor waren. Für mich hatte sie ebenso ein paar Umzugskartons bereitgelegt, von denen ich mir nun einen schnappte und auseinanderfaltete. Dann eilte durchs Schlafzimmer hindurch zu unserem begehbaren Kleiderschrank. Mehr als die Hälfte der Klamotten war bereits verschwunden. Nur noch meine lagen auf den Regalbrettern und warteten darauf, abgeholt zu werden.
Stapel für Stapel räumte ich die Regale aus und beförderte den Inhalt in Umzugskartons. Als alle Klamotten verstaut waren, wagte ich mich an den nächsten Raum. Eine gefühlte Ewigkeit war ich damit beschäftigt, meine Besitztümer in Kartons zu räumen, diese zu beschriften und ins Wohnzimmer zu schaffen. Doch als ich Stunden später den letzten Karton ins Wohnzimmer geschleppt hatte, war ich froh, das Packen endlich hinter mir zu haben. Blieb nur noch die Frage, wo ich all diese Dinge aufbewahren würde. Ich würde nicht einmal alle Klamotten mit zu Harry nehmen können, sein Schrank war dafür einfach viel zu klein.
Da das ein Thema war, worüber ich mir später noch den Kopf zerbrechen konnte, machte ich mich endlich auf den Weg zu Harrys und meiner Wohnung. Mein Freund sollte längst zu Hause sein, daher freute ich mich ungemein, als ich schließlich unsere Wohnungstür aufschloss. „Harry?", rief ich und betrat das Wohnzimmer. Verwundert kräuselte ich meine Stirn, denn ich erhielt keine Antwort. Schnell durchquerte ich den Raum, um in unser Schlafzimmer spicken zu können, doch auch da war keine Spur von Harry. Ich prüfte noch das Badezimmer, doch mein Freund war nicht da.
Ich wollte gerade schon völlig verzweifelt nach meinem Smartphone greifen und ihn anrufen, da bemerkte ich eine Notiz auf unserem Esstisch. Mit gekräuselter Stirn ließ ich mich auf einem der Holzstühle nieder, da geriet ein anderer Gegenstand in mein Blickfeld. Ich schluckte schwer, dann streckte ich langsam meinen Arm aus und griff nach einem der beiden kleinen Fläschchen, welche neben dem Zettel standen. Augenblicklich strömten tausende Erklärungsversuche durch meinen Kopf und jeder einzelne beunruhigte mich mehr als der vorherige.
Vielleicht war Harry so seltsam, weil eine Frau im Spiel war? Warum sonst sollte rosaroter und türkiser Nagellack bei uns auf dem Esstisch stehen? Ich spürte, wie mir eiskalt wurde und meine Hand sich um das Nagellackfläschchen verkrampfte. Dann atmete ich einmal tief durch und griff mit der anderen Hand nach der Notiz, die Harry dorthin gelegt hatte.
Hey mein Lieblingsfußballer, ich hoffe, du bist gut angekommen. Ich bin bei Niall und warte dort auf dich. Bis gleich, ich liebe dich
Meine Verwirrung war nun komplett, denn dieser Zettel widersprach dem, was ich mir nur Sekunden zuvor zusammengereimt hatte. Zögernd stellte ich den Nagellack zurück auf den Tisch, dann sprang ich von meinem Stuhl auf, schnappte mir einen von Harrys großen Kapuzenpullovern und verließ die Wohnung. Auf dem Weg nach draußen zog ich den Pullover über und die Kapuze tief ins Gesicht, dann ging ich schnellen Schrittes in Richtung von Nialls Café.
Als ich dort ankam, klopfte ich nervös an die Tür, denn ich konnte überhaupt nicht einschätzen, was mich dahinter erwartete. „Louis", rief ein freudiger Ire, als schließlich die Tür aufging. „Hey", erwiderte ich die Begrüßung und schlüpfte in das Café hinein. Niall schloss die Tür hinter mir wieder ab, dann deutete er mir, voranzugehen. „Dein Liebster wartet schon auf dich", meinte er augenzwinkernd, als er mich in den Nebenraum hinter der Theke lotste.
Völlig verwirrt ließ ich dort das Bild auf mich wirken. Der Nebenraum entpuppte sich als kleine Backstube, in welcher zwei Öfen und viel Arbeitsfläche ihren Platz fanden. „Lou", hauchte mein Freund, als ich den Raum betrat. Schnell hüpfte er von seinem Sitzplatz auf der Arbeitsfläche herunter und kam auf mich zu gerannt.
Ehe ich mich versah, lag ich schon in seinen Armen. Ein warmes Gefühl durchströmte mich, als ich endlich wieder seinen vertrauten Duft einatmen und seine Nähe spüren konnte. Wie automatisch schlang ich meine Arme um seinen Hals und bettete meine Stirn auf seine Schulter.
„Ich habe dich vermisst, Lou. Der Tag ohne dich war viel zu lange", seufzte er, woraufhin ich zustimmend brummte. „Also hast du nichts mit einer Frau?", fragte ich flüsternd, da das nur für seine Ohren bestimmt war. Ruckartig ließ Harry von mir ab und legte stattdessen seine Hände an meine Hüften. „Wie kommst du denn darauf?", wollte er jetzt mit angewidertem Gesichtsausdruck wissen. „Du weißt doch, dass ich schwul bin. Und dass ich nur dich will", ergänzte er nun.
Nervös knabberte ich an meiner Unterlippe und musterte dabei sein Gesicht. „Ich habe den Nagellack auf dem Küchentisch gesehen, Harry", gestand ich ihm nun. Mein Freund blinzelte ein paar Mal, dann ging er einen Schritt zurück und hob lachend seine Hände an. „Du... du trägst Nagellack?", stotterte ich unbeholfen. Ich hatte bis dato noch nie einen Mann gesehen, der Nagellack trug. Mit großen Augen griff ich nach seinen Händen.
„Was sagst du?", erkundigte Harry sich nun mit beinahe schüchternem Tonfall. Mein Blick schweifte von seinen Händen zu seinem Gesicht, wo ich nun stumm seine Mimik zu lesen versuchte. „Ich finde...", setzte ich an, doch ich wusste, dass ich nicht die richtigen Worte finden würde. Für einen kurzen Moment ließ ich meinen Blick erneut zu seinen bemalten Fingernägeln schweifen, dann überbrückte ich den Abstand zwischen uns und presste meine Lippen hungrig auf seine. „Heiß", seufzte ich zwischen zwei Küssen, meine Hände tief in seinen Locken vergraben.
„Also ist alles in Ordnung zwischen uns?", hauchte ich, als wir uns voneinander gelöst und Harry seine Stirn an meine gelehnt hatte. „Ich... also... eigentlich schon, ja. Ich würde nur gerne noch mit dir über etwas reden."
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[1123 Wörter, 19.09.2020]
Louis geht also gleich vom Schlimmsten aus... Was meint ihr, über was Harry reden will?
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Only The Brave || Larry AU
FanfictionLouis ist Profi-Fußballer, dessen Leben zur Zeit nicht besser laufen könnte. Wäre da nicht eine Begegnung, die ihn nicht loslassen wollte. [ziemlich lange Larry Au] ACHTUNG TRIGGERWARNUNG: Diese Geschichte thematisiert Suizid und Missbrauch. Diese K...