Flucht

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Ich konnte das Gefühl von seinen Lippen auf meinen kaum genießen, da zog Harry seinen Kopf zurück, bevor er sogleich von seinem Stuhl aufsprang und um mich mit einem empörten Blick ansah.

„Was fällt dir ein, du bist doch verlobt?", fauchte Harry und deutete mit seiner Hand zu der Tür, durch die Eleanor verschwunden war.

Ich konnte ja selbst nicht einmal erklären, warum ich ihn geküsst hatte. Es hatte sich in dem Moment einfach richtig angefühlt.

Harry raufte sich die Haare, während er durch den Raum tigerte. „Warum hast du mich geküsst?", fuhr er mich im Flüsterton an. Überfordert zuckte ich mit den Schultern, während ich dabei zusah, wie Harry schleunigst sein Zeug zusammenpackte.

„Du hast doch mit mir geflirtet", platzte es verzweifelt aus mir heraus. Denn ich konnte mir beim besten Willen selbst nicht erklären, warum ich das getan hatte. Ich hatte mich bisher immer für einen treuen Menschen gehalten.

Harry seufzte und ließ sich an dem Platz gegenüber von mir nieder. „Ich flirte mit all meinen Kunden. Das gibt mehr Trinkgeld."

„Oh." Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Irgendwie hatte sein Blick den Eindruck erweckt, er wäre gleichermaßen fasziniert von mir wie ich von ihm.

Ich sah dabei zu, wie Harry seinen Wein in einem Zug leertrank und dabei immer wieder zu der Tür schielte, wohl darauf wartend, dass Eleanor zurückkehren würde.

Seufzend füllte ich mein Weinglas randvoll, bevor ich einen großen Schluck davon nahm. „Es tut mir leid", flüsterte ich, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, mich entschuldigen zu müssen. Ich wollte nicht, dass Harry sauer auf mich war oder schlecht von mir dachte.

Dieser sagte allerdings nichts dazu, sondern nickte einfach nur und ließ seinen Blick erneut durch den Raum schweifen. Ich trank noch mehr von dem Wein und spürte, wie er langsam zu wirken begann. Doch auch mein benebeltes Ich konnte den Blick nicht von Harry abwenden.

Er war schön. Zweifellos war er einer der schönsten Männer, die ich je kennengelernt hatte. Doch was mich am meisten faszinierte, waren seine Augen, die vor Freude nur so funkelten, wenn er wieder ein schiefes Grinsen aufgelegt hatte.

Ich gab ein verzweifeltes Stöhnen von mir und erwartete mittlerweile ebenfalls gebannt Eleanors Rückkehr, denn diese Stille war mehr als unangenehm.

Meine Verlobte ließ zum Glück nicht mehr lange auf sich warten und kam sogleich mit einem zaghaften Lächeln auf den Lippen zurück.

„Sorry, Jungs. Hat wohl etwas länger gedauert. Konntet ihr alles besprechen?" Harry nickte ein paar Mal, bevor er aufsprang und noch ein paar Worte mit Eleanor tauschte. Dann verabschiedete er sich von uns und flüchtete schon fast zur Tür hinaus.

Eleanor sah ihm kurz hinterher, bevor sie ihren skeptischen Blick mir zuwandte. Eine Eiseskälte breitete sich in mir aus und augenblicklich spürte ich Schuldgefühle, die mich zu erdrücken drohten.

Auch als wir wenig später nebeneinander im Bett lagen, raubten die Schuldgefühle mir beinahe den Atem. Eleanor schlief schon lange, da lag ich noch immer wach und starrte in die Dunkelheit. Ich war froh, dass sie, genau wie ich, kein Fan von kuscheln war, denn ich wusste nicht, ob ich ihre Berührungen im Augenblick ausgehalten hätte, wo mir schon allein ihre Nähe beinahe den Verstand raubte. Aber zum ersten Mal, seit ich sie kennengelernt hatte, nicht auf positive Art und Weise.

Ich hatte Harry geküsst, bewusst, obwohl ich mit Eleanor verlobt war. Doch das Schlimmste war, dass ich in den wenigen Sekunden, in denen Harrys Lippen die meinen berührt hatten, etwas gefühlt hatte, was Eleanors Berührungen noch nie in mir ausgelöst hatten. Es war wie ein Glühen, das sich von meinem Herzen an in meinem ganzen Körper ausgebreitet hatte. Und das Kribbeln, das Harrys Lippen an meinen ausgelöst hatten, konnte ich auch noch spüren, als Harry sich bereits von mir gelöst hatte.

„Ich habe Harry geküsst", flüsterte ich es in die Dunkelheit, bevor ich meine Augen schloss und tief durchatmete. Ich nahm zwar an, dass Eleanor tief und fest schlief, doch diese Worte wollten endlich gesagt werden. Ich wusste nicht einmal, ob ich wollte, dass Eleanor sie hörte, ich wollte sie mir einfach nur von der Seele reden.

Die folgenden Tage bis zum Geburtstag waren, als wäre nie etwas geschehen. Eleanor war weiterhin die wundervolle Freundin, die sie immer war. Doch ich erwischte mich immer wieder dabei, wie ich ihr den glücklichen Freund nur vorspielte, ohne dass ich wirklich glücklich war. Dafür schwirrte mir einfach zu viel im Kopf herum. Ich war mir sicher, dass Eleanor wusste, dass ich häufig nicht ganz bei der Sache war. Sogar mein Trainer hatte das bemerkt. Doch meine Verlobte überspielte es geschickt und versuchte mich weiterhin aufzubauen. 

Auch dass wir nun schon seit ihrer Abreise keinen Sex mehr hatten, schien sie nicht zu stören. Sie erklärte es sich damit, dass ich viel Stress wegen der Gerüchte mit Liam und dem Druck seitens des Managements hatte. Dieses ganze Konzept der Homophobie im Fußball beschäftigte mich zwar tatsächlich etwas, doch an die Gerüchte mit Liam hatte ich keinen Gedanken mehr verschwendet. Stattdessen dachte ich viel zu häufig an einen anderen Mann. Er war auch der Grund, warum ich es nicht schaffte, für Eleanor der Freund zu sein, den sie wirklich verdient hatte. Denn sie war wundervoll.

Am Abend vor ihrer großen Party, saß ich auf dem Sofa und sah mir gerade ein Spiel meiner Lieblingsmannschaft an, als sie sich stumm neben mich setzte. Verwundert drückte ich die Stumm-Taste auf der Fernbedienung und wandte meinen Blick zu meiner Verlobten. Ich hatte mit allem gerechnet, doch nicht damit, dass sie mit schlotternden Knien und feuchten Wangen dasaß und nervös ihre Hände in ihrem Schoss knetete.

„Eleanor, Babe, was ist los?", fragte ich besorgt und griff nach ihren Händen. Sie schluchzte und sah mich mit einem solch schuldbewussten Blick an, dass ich glaubte, der Boden unter mir würde sich auftun und ich würde kilometerweit fallen. Ich sollte mich schuldig fühlen, weil ich jemand anderen geküsst hatte, doch sie war einfach wundervoll. Was war nur los?

„Louis", sagte sie leise mit tränengetränkter Stimme. Es kam selten vor, dass sie mich beim Namen nannte. Normalerweise fand sie immer einen Kosenamen, bei dem sie mich nennen konnte. „Eleanor?", erwiderte ich mit fragender Stimme. Zu diesem Zeitpunkt war ich auf alles gefasst. Ich hatte Eleanor bisher noch nie so erlebt. Sie schluchzte laut auf und atmete einmal tief durch, bevor sie mir schüchtern in die Augen sah.

„Ich bin schwanger."

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Harry wollte den Kuss gar nicht und Eleanor ist schwanger.... Sieht nicht gut aus für Larry

Only The Brave || Larry AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt