Paparazzi

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Als ich die Augen aufschlug, schlich sich sofort ein Lächeln auf meine Lippen. Wie immer in den letzten Tagen war das erste, was ich wahrnahm, Harrys warmer Arm, der mich festhielt als würde er mich nicht mehr loslassen wollen. Genüsslich schloss ich meine Augen und atmete den vertraut verführerischen Duft meines Freundes ein. Wie sollte ich nur eine Nacht ohne seine Nähe aushalten? Ich brauchte ihn. So sehr. Er gab mir Kraft. Er gab mir Halt. Er gab mir Motivation.

Vorsichtig drehte ich mich in seiner Umarmung und streichelte mit meinen Fingerspitzen zärtlich über seine nackte Brust. Dann lehnte ich meine Stirn gegen seinen Oberkörper und genoss das Gefühl der Geborgenheit, das Harrys Umarmung in mir auslöste. Dennoch fand auch dieser wunderschöne Moment ein Ende, denn ich hatte einen straffen Zeitplan. Wie jeden Morgen schlich ich mich aus dem Bett und schlüpfte sogleich in meine Sportsachen. 

Da Harry keinen Fitnessraum im Keller hatte, musste ich in den letzten Tagen ausschließlich auf Eigengewichtsübungen setzen. Jedoch war dies ein Detail, über das ich locker hinwegsehen konnte. Sport war für mich mehr, als nur stumpf Übungen an teuren Fitnessgeräten zu absolvieren. Daher zog ich mir meine Laufschuhe an und ging mit Schlüssel und Smartphone bewaffnet zur Tür hinaus. 

Da ich mich nicht unter einem Kapuzenpullover verstecken konnte, hielt ich meinen Blick gesenkt und ging mit schnellen Schritten durch das Gebäude, welches ich kurze Zeit später ohne Zusammenstöße mit anderen Menschen verließ. Beginnend mit ein paar Übungen für das Fußgelenk startete ich meine Laufroutine und beschleunigte dabei auf ein Tempo, was mich genügend forderte, mich gleichzeitig aber nicht überforderte. 

Zu dieser Uhrzeit waren kaum Menschen unterwegs. Die wenigsten trauten sich vor sechs Uhr morgens aus dem Haus, daher kam mir im dämmernden Licht der aufgehenden Sonne kaum jemand entgegen, als ich die Fußwege entlang preschte und so auch gleich meine neue Wohngegend erkundete. 

Mir fiel auf, dass man hinter vielen Fenstern Blumen sah, oder Basteleien von kleinen Kindern. Es war wohl eine Gegend, in der hauptsächlich Familien lebten. Hätten Harry und ich ein weiteres Zimmer in unserer Wohnung, könnte ich mir sogar vorstellen, Freddie hier aufwachsen zu sehen. Doch solche Überlegungen sollte ich in weite Ferne verschieben.

„Louis Tomlinson", hörte ich da plötzlich eine Kinderstimme, woraufhin ich meine Geschwindigkeit verringerte und mich nach der Stimme umsah. Als ich dann auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen kleinen Jungen sah, der mit beiden Armen eifrig in der Luft herum wedelte, um mir zu winken, konnte ich nicht anders, als abzubremsen und über die Straße zu joggen. „Guten Morgen", begrüßte ich den Jungen und seine Mutter, der das sichtlich peinlich zu sein schien. 

„Na, bist du auch ein Fußballer?", erkundigte ich mich augenzwinkernd, als ich sein blau-weißes Chelsea-Trikot bemerkte. Der Junge, der nicht so aussah, als würde er schon die Grundschule besuchen, strahlte über beide Ohren, während er eifrig nickte. „Wenn ich groß bin, will ich genauso werden wie du", offenbarte er mir stolz, woraufhin ich kurz auflachen musste. Diese Aussage stimmte mich zwar einen Moment lang nachdenklich, da sie mich an all die Dinge erinnerte, die ich im Leben falsch gemacht hatte, dennoch gab sie mir gleichzeitig einen Anreiz, mich in Zukunft vorbildlicher zu verhalten. „Weißt du was? Ich bin mir sicher, dass du auch mal Fußballprofi wirst", erklärte ich ihm daraufhin schmunzelnd. 

„Darf ich vielleicht ein Foto machen? Joe ist wirklich ein großer Fan", sagte die Frau, die in ihrer Anzughose aussah, als müsste sie demnächst in einem wichtigen Meeting erscheinen. „Natürlich", erwiderte ich und ging in die Hocke. Doch gerade, als ich ein Lächeln auf meine Lippen legte, klingelte mein Telefon. „Sorry, das könnte wichtig sein. Einen Moment bitte", bat ich, dann zog ich mein klingelndes Smartphone aus meiner Tasche. 

„Hey", begrüßte ich den Mann am anderen Ende der Leitung so neutral wie möglich, doch ich konnte nicht verhindern, dass meine Mundwinkel wie von selbst in die Höhe schossen. „Wo bist du? Das Bett ist so kalt und so leer ohne dich", beklagte sich mein Freund mit leidendem Unterton, woraufhin ich nur den Kopf schütteln und lachen konnte. „Ich bin noch laufen, komme aber gleich heim. Zehn Minuten ungefähr", ließ ich meinen Freund wissen, der mir mit einem lautstarken Gähnen antwortete. „Ich liebe dich", raunte er mir durch das Telefon zu, woraufhin ich glücklich an meiner Unterlippe knabberte. „Ich dich auch", sagte ich noch, dann beendete ich den Anruf und schob mein Telefon zurück in meine Tasche.

„Freundin?", wollte die Mutter wissen, während ich mich wieder neben den Kleinen hinhockte und mein freudestrahlendstes Lächeln zum Besten gab. Die Frau schoss ein paar Fotos, dann sprang ich schnell wieder auf. „So in etwa", gab ich wage zurück, bevor ich mich von meinem kleinen Fan verabschiedete und weiterlief.

Doch kaum war ich um die nächste Hausecke gebogen, bereute ich schon, nicht einen anderen Weg gewählt zu haben. Denn nur Sekunden nachdem ich die belebte Straße entlang lief, kam eine Horde Teenie-Mädchen auf mich zu geeilt, mit ihren Smartphones hoch erhoben in der Hand. Ihr Gekreische war so laut, dass es schon beinahe kopfschmerzerregend war. Daher atmete ich einmal tief durch und beschleunigte auf Sprinttempo, um die Jugendlichen so schnell wie möglich hinter mir zu lassen. 

Keinen Augenblick später hatte ich sie abgehängt, sodass ich erleichtert um die nächste Hausecke bog, um wieder nach Hause zu laufen. Ich fiel zurück in mein ursprüngliches Lauftempo, doch schon zwei Straßen weiter verfluchte ich mich erneut dafür, heute überhaupt das Haus verlassen zu haben. „Louis Tomlinson", schallte es von überall her und Männer mit großen Kameras schienen mich zu umzingeln. Nach einem kurzen Schockmoment bündelte ich all meine Kräfte und spurtete, wie beim Slalomlauf im Training, an den Männern vorbei und rannte in die entgegengesetzte Richtung, die ich nun laufen müsste, um nach Hause zu gelangen.

Am Geräuschpegel konnte ich erkennen, dass ich sie langsam aber sicher abgehängt hatte, dennoch war mir bewusst, dass ihnen nicht entgangen war, in welche Richtung ich verschwunden war. Um nicht weiteren Paparazzi in die Fänge zu geraten, rannte ich schnell weiter, baute viele Schlenker ein, bis ich schließlich zurück in unserem Haus war, wo ich die Treppe nach oben sprintete und schnell in unserer Wohnung verschwand. Noch immer mit einem gehetzten Gefühl in den Knochen, schritt ich schnell durchs Wohnzimmer und stellte mich hinter meinen Freund, der gerade nur in knappen Boxershorts bekleidet an der Küchenzeile hantierte. 

„Ich habe dich vermisst", seufzte er, als ich meine Hände an seine Hüfte und meine Stirn zwischen seine Schulterblätter legte und langsam wieder zu Atem kam. „Ich dich auch", erwiderte ich, woraufhin Harry sich umdrehte und seine Hände hinter meinem Rücken verschränkte, wodurch er mich eng zu sich zog. „Noch eine Runde Sport, bevor du gehen musst?", fragte er augenzwinkernd und drückte mir seine Hüfte entgegen. Seufzend blickte ich zu der Wanduhr und musste feststellen, dass ich bereits spät dran war. „Tut mir leid, ich muss gleich los", vertröstete ich ihn widerwillig. 

Eine halbe Stunde später wurde ich mit einem leidenschaftlichen Kuss verabschiedet, der mir Vorfreude auf morgen bereitete und mich gleichzeitig so gefangen nahm, dass ich gar nicht gehen wollte. „Ich liebe dich, mein Sonnenschein. Bis morgen, dann kriegst du deinen Sport", versprach ich, bevor ich mir erneut einen Kuss raubte. "Ich liebe dich auch, Louis."

Als ich es schließlich schaffte, mich von ihm loszureißen, eilte ich hinaus und zu meinem Auto, welches ich dann direkt zu meinem alten Zuhause lenkte, da ich noch ein paar Dinge holen musste. „Das darf doch nicht wahr sein", murmelte ich, als ich sah, was da vor dem Tor zu unserem Haus los war. Eine Horde Paparazzi tummelte sich dort auf dem Bürgersteig und versperrte mir somit die gesamte Zufahrt zum Haus. Genervt von allen Angehörigen dieser Berufsgruppe, presste ich meinen Fuß aufs Gas und ließ meinen Motor bedrohlich aufheulen. 

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[1285 Wörter, 11.09.2020]

Tja, da zeigt sich mal wieder, dass Louis eben doch kein normaler Mensch ist, obwohl er in einer gemütlichen Zweizimmerwohnung wohnt. Was haltet ihr von der ganzen Situation?

Only The Brave || Larry AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt