Briefe

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Ich trat in die Pedale und versuchte das Klingeln meines Telefons zu ignorieren, während ich mein neues Fahrrad über Londons Straßen rollen ließ. Vor nicht einmal zehn Minuten hatte ich unser Trainingsgelände verlassen, um so schnell wie möglich nach Hause zu gelangen. Es war Samstagmittag und Harry würde bald Feierabend haben.

Doch auch zwei Blocks weiter hörte mein Telefon nicht auf zu klingeln, sodass ich seufzend nach links lenkte und auf dem Fußgängerweg zum Stehen kam. „Ja?", blaffte ich, als ich mein Smartphone gegen mein Ohr presste. „Hallo Louis. Gut, dass du rangehst", hörte ich die Stimme meines Stiefvaters vom anderen Ende der Leitung. „Was gibt's, Dan?", wollte ich wissen, während ich mein Fahrrad gegen eine Hauswand lehnte, um die vorbeigehenden Fußgänger nicht zu stören.

„Es tut mir wirklich leid, Louis, aber wir werden dich morgen wohl nicht besuchen können. Doris und Ernest haben beide Fieber und Schnupfen. Wir werden das wohl verschieben müssen", erklärte er mir in entschuldigendem Tonfall. Erst da wurde mir etwas bewusst, was ich bisher gar nicht bedacht hatte. Der Umzug in mein neues Heim bedeutete nicht nur, meinen Kleiderschrank ausmisten zu müssen, sondern auch, keinen Platz mehr für meine Familie zu haben.

„Ich weiß, was dir dieser Besuch bedeutet hat. Vor allem in Bezug auf Lottie. Aber wir werden das regeln, Louis. Ich lasse mir etwas einfallen, dass du dich in neutralem Rahmen mit ihr aussprechen kannst", redete er weiter und löste damit das reinste Gedankenkarussell in mir aus. „Okay", gab ich geistreich von mir, während mich die Erleichterung überkam, mich nicht schon Morgen Lotties Hass stellen zu müssen.

„Wie geht es Harry?", erkundigte sich Dan nach langer Zeit des Schweigens. „Ihm geht es gut", erwiderte ich leise. „Ich wohne jetzt bei ihm." Im selben Augenblick wie ich den Satz beendet hatte, spürte ich, wie mir jemand auf die Schulter klopfte. „Louis Tomlinson?", hörte ich eine Mädchenstimme fragen. Schnell drehte ich mich um und sah zwei Mädchen in meinem Alter, die ziemlich aufgeregt aussahen.

„Du bist es wirklich", frohlockte die Eine, während Dan am Telefon auf mich einredet. „Wollen wir später weiterreden?", sprach ich ins Telefon, als mir bewusst wurde, dass meine letzte Aussage vielleicht Lauscher gehabt hatte. Innerlich komplett angespannt beendete ich das Gespräch mit meinem Stiefvater und versuchte mich an einem Lächeln für die beiden Frauen. Es war mehr als nur gekünstelt, da ich angestrengt herauszufinden versuchte, ob sie etwas von dem Gespräch mitbekommen hatten. 

„Ja, ich bin es wirklich", lachte ich und beobachtet wie eine der beiden ihr Smartphone aus ihrer Tasche kramte. Wenn sie meine letzte Aussage gehört hatten, so ließen sie sich auf jeden Fall nichts anmerken. „Dürfen wir ein Foto machen?", wurde ich gefragt, dann standen die beiden auch schon neben mir und lächelten an meiner Seite in die Front-Kamera eines Smartphones. Ich tat es ihnen gleich und setzte ein verschmitztes Grinsen auf, während ein Foto nach dem anderen geschossen wurde.

Anschließend musste ich noch Autogramme geben, dann durfte ich mich endlich wieder auf mein Fahrrad schwingen und nach Hause radeln. Es war zwar immer schön, begeisterte Fußballfans zu treffen, doch diese Szene hatte mir gezeigt, dass ich noch vorsichtiger sein musste als ich bisher angenommen hatte. 

Vor unserem Wohnhaus angekommen, stieg ich ab und hob mein Fahrrad an, sodass der Rahmen auf einer Schulter auflag. Dann beeilte ich mich, die Treppen hinaufzukommen. Doch schon im ersten Stock kam mir eine alte Frau entgegen. „Guten Tag", begrüßte ich die grauhaarige Dame, in der Hoffnung, sie würde mich nicht erkennen. Dem schien zum Glück so zu sein, denn sie lächelte nur freundlich und ging an mir vorbei. Erleichtert nahm ich mir einen Moment, um tief durchzuatmen, dann eilte ich schnell die Treppe in den fünften Stock hinauf. 

Gerade als ich in unserer Wohnung das Fahrrad abstellte und meine Schuhe abstreifte, wurde mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Harry stand an der Küchenzeile, eine Schürze um seinen Körper gewickelt und eine Hand am Stiel einer zischenden Pfanne. Der Duft verschiedenster Kräuter lag in der Luft, während mein Freund immer wieder die Pfanne schwenkte und fröhlich vor sich hin summte.

Only The Brave || Larry AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt