Superheld

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„Hier wohnst du also?", fragte Zayn, als wir Stunden später bei mir zu Hause in den Aufzug stiegen. „Ja", presste ich hervor, während ich mit meinen Krücken den kleinen Raum durchquerte und mich an die Spiegelwand lehnte. „Fünfter Stock", forderte ich ihn auf, den Knopf zu drücken, was er sofort tat. „Ich hätte nie gedacht, dass du einmal an einem solchen Ort wohnen würdest", meinte Zayn und setzte für eine Sekunde ein übertriebenes Grinsen auf. „Was meinst du damit?", wollte ich erschöpft wissen.

„Naja, also in so einem Gebäude. Irgendwo im fünften Stock und... naja... eben in einer Wohnung, die du dir mit einem Mann teilst", murmelte Zayn und verschluckte seine Worte beinahe. „Ganz ehrlich? Das hätte ich auch niemals erwartet", entgegnete ich müde. „Aber ich bin froh, dass es so gekommen ist", fügte ich lächelnd hinzu, während meine Gedanken zu Harry schweiften.

„Fehlt es dir denn nicht?", wollte Zayn stirnrunzelnd wissen. „Was?", hakte ich nach. „Also... Sex?", fragte Zayn und wirkte fast schon peinlich berührt. Lachend zog ich eine Augenbraue in die Höhe. „Wie kommst du darauf, dass ich keinen Sex mehr habe? Hast du dir Harry einmal angesehen? Er ist eine Granate. Als ob ich mir mit ihm ein Bett teilen könnte, ohne mit ihm zu schlafen", antwortete ich ihm kopfschüttelnd, woraufhin Zayn die Nase rümpfte und seine Stirn kraus zog. „Ich meine richtigen Sex", führte Zayn seine Überlegungen weiter aus, weshalb ich wieder nur lachen konnte. „Gibt es denn falschen Sex?", fragte ich rhetorisch. „Junge, ich weiß zwar nicht, in welchem Universum du lebst, aber es können auch zwei Männer Sex haben. Richtig guten Sex sogar", antwortete ich, genau in dem Moment, als der Aufzug im fünften Stock anhielt.

Zayn erwiderte nichts mehr. Er sah nur so beschämt aus, als wolle er direkt im Erdboden versinken. Schmunzelnd humpelte ich mit meinen Krücken aus dem Fahrstuhl und ihm voran den Flur entlang. Als ich vor meiner Wohnungstür anhielt, schob Zayn sich schnell vor mich und schloss die Tür auf. Vorsichtig schleppte ich mich in die Wohnung und ins Wohnzimmer hinein, wo ich sofort überrascht innehielt. Harry saß am Esstisch, beide Arme ausgestreckt darauf abgelegt und in den Händen hielt er sein Smartphone, als würde er sich erhoffen, dass es jeden Moment zu klingeln begann. Sein Gesicht war aschfahl und seine Stirn besorgt in Falten gelegt.

„Hallo schöner Mann", riss ich seine Aufmerksamkeit auf mich, denn er schien so in Gedanken versunken zu sein, dass er mich gar nicht bemerkt hatte. Augenblicklich schnellte sein Blick nach oben. Zeitgleich entglitt das Telefon seinen Händen und fiel klappernd auf den Tisch. „Lou", hauchte Harry und sprang von seinem Stuhl auf. Er rannte auf mich zu, blieb aber kurz vor mir abrupt stehen. „Wie geht es dir? Ich habe mir das Spiel noch einmal angesehen... da war so viel Blut. Die haben dich in einer Liege vom Platz getragen", sagte er leise und mit besorgter Stimme. Seine Sorge rührte mich so sehr, dass ich für einen Moment meinen Kopf schief legte und ihn liebevoll ansah. „Nur ein paar Schrammen", erklärte ich lächelnd, gefesselt von Harrys Blick.

„Von wegen, nur ein paar Schrammen", warf Zayn ein und ließ gleichzeitig meine Tasche krachend zu Boden fallen. „Seine Schulter war ausgekugelt, am rechten Fuß sind die Außenbänder gezerrt und an seinem linken Oberschenkel hat der Stollen vom Fußballschuh die ganze Haut aufgerissen, sodass das erst noch genäht werden musste. Wir waren stundenlang im Krankenhaus, weil unser Mannschaftsarzt eine Infektion vermeiden wollte", erklärte mein Teamkollege, der mich begleitet hatte. Ich atmete tief durch, dann ließ ich meinen Blick zurück zu meinem Freund schweifen, der sich bekümmert die Haare raufte.

„Kriege ich keinen Kuss?", fragte ich schmollend und klimperte dabei übertrieben mit den Augenlidern. Da Harry noch völlig von der Situation überfordert schien, lehnte ich mich einfach vor und drückte meine Lippen sehnsüchtig auf seine. „Kann ich... kann ich dich umarmen, oder tut dir das weh?", flüsterte Harry gegen meine Lippen. „Du darfst mich immer umarmen, Sonnenschein. Selbst wenn ich jeden einzelnen Knochen gebrochen hätte", antwortete ich leise, denn diese Worte waren nur für meinen Freund bestimmt. Dieser legte nun vorsichtig seine Arme um mich. So vorsichtig, dass es nur eine hauchzarte Berührung war und ich mich dennoch unendlich geborgen fühlte. „Darauf habe ich mich den ganzen Tag gefreut", murmelte ich, als ich mich wieder zurücklehnte.

Only The Brave || Larry AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt