Es war dunkel, so dunkel, dass er nicht einmal mehr die Hand vor Augen sah. John betätigte einen Knopf an seinem Helm und die vier Suchscheinwerfer sprangen an und tauchten die Umgebung vor ihm in ein helles Licht. Er befand sich Unterwasser, so viel konnte er erkennen und fühlen. Da er schwer einschätzen konnte wie tief und wie weit Entfernt er sich vom nächsten Ufer befand, aktivierte er den Wasserkreislauf des Atlas. Schlagartig füllte sich sein Helm mit kaltem, salzigem Meerwasser. Es kostete ihn etwas Überwindung, die Flüssigkeit einzuatmen, doch es war die einzige Möglichkeit eine langfristige Sauerstoffversorgung Unterwasser zu gewährleisten. Erst nachdem er für eine vorerst sichere Situation gesorgt hatte, erlaubte es John sich um zu sehen.
Er stand auf einer Art schwarzem Felsgestein, welches offensichtlich den Meeresgrund bildete. Die Platte, auf der John sich befand, schien leicht geneigt zu sein, aber er konnte nicht sagen, was vor oder hinter ihm lag, da seine Sicht trotz der hellen Suchlampen nur einige Meter betrug. Also entschied er sich logischer Weise den Abhang hinauf zu gehen, in dieser Richtung hatte er die größten Chancen auf Land zu stoßen.
Es war ein beschwerlicher Marsch, der Wasserwiderstand drückte bei jedem Schritt gegen ihn und die beklemmende Atmosphäre, allein unten am Meeresgrund zu sein, ohne jeglichen Funkverkehr zur Oberfläche, tat ihr Übriges. Er hätte genauso gut weit draußen im All sein können, der Unterschied wäre nur minimal gewesen. Wenigstens bekam er nach ein paar hundert Meter Gesellschaft in Form einer Gruppe Fische, die offenbar vom Lichtkegel der Lampen angezogen wurden. John erkannte die Art zwar nicht, doch es war ihm auch relativ egal. Wichtig für ihn war nur, dass er nicht das einzige Lebendige in diesen Gewässern war. Die Stunden zogen dahin. Allmählich begann der Abhang steiler zu werden, es wurde sogar etwas heller und hier und da musste John auch einige kurze Steilhänge hinaufklettern.
Dann nach, seiner Anzeige zu Folge, dreißig Kilometer Marsch auf dem Meeresgrund, kam er an einer steilen Felskante an, die so aussah, als würde sie bis nach oben an die Wasseroberfläche reichen. Mittlerweile war es auch hell genug geworden, sodass er die Lampen nicht mehr brauchte. Er schaltete sie ab und suchte dann die Felswand nach einer geeigneten Kletterroute ab. Doch das Gestein war derart glatt, dass er keinen natürlichen Pfad noch oben fand. 'Verdammter Mist. Ich hoffe nur, das Gestein bröckelt nicht, wenn ich Löcher hineinschlage.' dachte John und begann, seine Hände und Füße mit Wucht in den Fels zu treiben. Es war nicht ganz einfach, da das Wasser einen Großteil seiner Kraft absorbierte, doch nach ein paar Fehlschlägen schaffte er es schließlich. Er kam jedoch nur langsam voran, da das Gestein, wie er befürchtet hatte, an einigen Stellen abbröckelte wenn er ein Loch hineinschlug. Dadurch rutschte der Soldat immer wieder ab.
Die Fische die ihn seit Anfang an begleitet hatten, schwammen immer noch um ihn herum und schnappten nach kleinen Krebsen, die John ausversehen von der Felswand riss. Dann jedoch, von der einen Sekunde auf die Nächste, stoben sie wild auseinander und verschwanden. Als John es bemerkte, sah er sich angestrengt um, denn für gewöhnlich bedeuteten Tiere die flüchten eine näherkommende Gefahr. Doch im trüben Blau des Ozeans konnte er nichts erkennen. Doch das Gefühl beobachtet zu werden blieb. Sein Ausbilder hatte ihm damals beigebracht niemals ein solches Gefühl zu ignorieren, er hatte es den sechsten Sinn genannt. John hatte größten Respekt vor diesem Mann gehabt. So also kletterte er weiter den Steilhang empor, immer wieder innehaltend um sich umzusehen. Doch glücklicher Weise war jedes Mal wenn er sich umdrehte nur das Blau des Meeres zu sehen.
Dann nach einer gefühlten Ewigkeit konnte er endlich die Oberfläche sehen. Noch ein paar weitere Meter nach oben und er durchbrach die Wasseroberfläche. Er kletterte noch etwas weiter, um vollkommen aus dem Wasser zu sein, dann krallte er sich mit beiden Füßen und der rechten Hand am Felsen fest, löste die Versiegelung des Helms und riss ihn sich vom Kopf. Er hustete und würgte, um das Wasser aus seiner Lunge zu bekommen. Schließlich atmete er tief durch und genoss das Gefühl der relativ warmen Seeluft, als sie in seine Lunge strömte. Er sah sich um und bemerkte, das die Klippe, an der er hing noch gut zwanzig Meter in die Höhe ragte. Das Meer hingegen war, bis auf die Wellen die gegen die Küste brandeten, ruhig, doch etwas störte John daran. 'Die Forschungsstation befand sich vor der antarktischen Küste, ich erinnere mich noch gut an die vielen Eisberge die an uns vorbei trieben. Wo zur Hölle bin ich? Die Strömung kann mich ja wohl kaum nach Südafrika getragen haben, zumindest nicht in so kurzer Zeit.' dachte er, während er sich wieder den Helm aufsetzte, den Atlas auf Luftbetrieb umschaltete und sich daran machte, die letzten Meter des steilen Fels hinaufzuklettern.
Dann plötzlich drang der angsterfüllte Schrei einer jungen Frau in sein Gehör und setzte seinen Körper in Alarmbereitschaft. Der Schrei schien von oben gekommen zu sein, doch als er hinauf sah, konnte er nichts erkennen. Wieder schrie die Frau, aber diesmal konnte er auch die Stimmen von zwei Männern ausmachen. Sie klangen nicht gerade freundlich. John beeilte sich, das letzte Stück der Klippe zu überwinden. Wer auch immer diese Frau war, sie befand sich in Schwierigkeiten und benötigte Hilfe. Er griff nach der Kante vor ihm und zog sich hoch. Fast im selben Moment rannte die Frau in ihn hinein.
Die Wucht reichte zwar nicht aus, um seine fast drei Tonnen Gewicht umzuwerfen, doch sie selbst schien sich durch den Aufprall die Schulter verletzt zu haben. Vorsichtig hielt er die um sich tretende Frau fest und meinte beruhigend: „Ganz ruhig Miss, ich bin nicht hier um sie zu verletzen. Bitte gehen sie hinter mich." John ging einige Schritte von der Kante weg, um sicher zu gehen, dann stellte er die Frau hinter sich ab, während sie ihn vollkommen perplex ansah. Dann wandte er sich ihren beiden Angreifern zu. Die Kerle waren schwarz gekleidet, hatten schwarze Stofffetzen über dem Gesicht hängen, sodass nur ihre Augen zusehen waren und an ihrer Hüfte hing jeweils –
'Ein Schwert? Wollt ihr mich verarschen?' dachte er und griff nach seinem Kampfmesser, die einzige Waffe, die er noch bei sich hatte. Die Angreifer zogen ihrerseits die Schwerter und einer der beiden blaffte ihn an: „Aus dem Weg Fremder. Diese Angelegenheit geht dich nichts an. Gib uns die Frau und wir lassen dich am leben." „Warum? Was hat sie euch getan?" versuchte es John zunächst diplomatisch, doch als er die Antwort des Gauners vernahm, kam ihm die Galle hoch. „Nichts. Wir brauchen sie nur um sie teuer an einen der Adligen zu verkaufen. Wenn du willst kannst du bei uns auch einsteigen. Ich bin mir sicher, dass unser Anführer nichts dagegen haben würde." Zorn stieg in ihm hoch. Diese Kerle waren die Sorte Mensch, die er am allermeisten verabscheute. Sklavenhändler.
Ohne auf das Angebot einzugehen stürmte er auf die beiden zu, packte das Großmaul und trieb ihm das Messer in den Schädel. Panisch versuchte sein Kumpel John mit dem Schwert zu erstechen, doch der Stahl kratzte die Panzerung des Atlas nicht einmal an. Der Titan warf den leblosen Körper achtlos bei Seite und stapfte mit großen Schritten auf den verbliebenen Gauner zu, der sich vor Angst zitternd nicht mehr regen konnte. „Was bist du?" wollte er mit krächzender Stimme wissen. „Das braucht dich nicht zu interessieren Abschaum." knurrte John und brach dem Mann mit einem schweren Schwinger das Genick und gleichzeitig auch den Schädel.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass beide Tot waren, steckte er sein Messer weg und wandte sich zur Frau um, die das ganze Geschehen stumm mit verfolgt hatte und ihn jetzt mit einem entsetzten Ausdruck ansah. „Entschuldigen sie, dass sie das miterleben mussten Miss. Haben sie irgendwelche Verletzungen?" fragte er sie und ging in die Knie um nicht so monströs zu wirken. „Bleib weg von mir Dämon!" rief sie und rutschte von ihm weg in Richtung Klippe. „Dämon? Ach so. Einen Moment bitte." meinte er und nahm sich den Helm vom Kopf. „Sehen sie, ich bin ein Mensch, genau wie sie. Sie brauchen keine Angst zu haben, ich will ihnen helfen. Nicht so wie diese Mistkerle."
Die Frau schien sich zumindest etwas zu beruhigen, doch ihr skeptischer Blick blieb. „Nein es ist alles in Ordnung, meine Schulter ist vielleicht etwas geprellt, aber ansonsten scheint alles gut zu sein." „Das ist schön zu hören Miss. Wenn sie mir diese Frage erlauben, wo befinde ich mich gerade? Ist das hier Südafrika?" wollte er wissen, doch an ihrer perplexen Miene konnte John schon erkennen, dass er garantiert nicht in Südafrika war. „Südafrika? Wo soll das denn liegen? Nein, dies hier ist Nidhan, Sitz der Drachenreiter." John kratzte sich verwirrt am Kopf und meinte: „Können sie das bitte wiederholen? Habe ich gerade richtig gehört? Drachenreiter?" Verwundert sah sie ihn an und erwiderte: „Ja, Großmeister Eragon hat hier in Nidhan den Drachenreiterorden neu aufgebaut, nachdem er den Verräter Galbatorix in Urubaen besiegt hatte. Das Ganze ist mittlerweile schon fast hundert Jahre her. Die Geschichte kennt doch jedes Kind." John starrte sie mit großen Augen an und das erste Mal in seinem Leben, war er sprachlos.
Das ergab keinen Sinn, außer –. „Geben sie mir eine Ohrfeige! Na los!" verlangte er, doch die Frau zögerte. „Sie brauchen keine Angst zu haben, los hauen sie mir eine rein!" Immer noch nervös verpasste sie John eine Ohrfeige und kauerte sich dann ängstlich zusammen. Der Titan keuchte. Der Schlag hatte, so schwach er auch war, weh getan. Er befand sich nicht in einem Traum, was nur noch eine einzige Möglichkeit zu ließ. 'Du verdammtes, rechthaberisches Miststück Karl.' fluchte er in Gedanken. Der Generator musste ihn während der Explosion in eine andere Dimension befördert haben und zwar ausgerechnet in die, über deren Existenz er noch beim Mittagessen mit Karl diskutiert hatte. Er nahm sich vor, den Wissenschaftler einen Kopf kürzer zu machen, sollte er jemals eine Möglichkeit finden zurückzukehren.
Für den Moment jedoch saß er hier fest. Also beschloss er einfach den Fremden aus einem fernen Land zu spielen, vielleicht würde sich ja irgendwann eine Gelegenheit bieten, Eragon um Rat zu bitten. Immerhin sollte dieser ein fähiger Magier sein, zumindest wenn es ihm richtig in Erinnerung geblieben war, als er die Bücher gelesen hatte. Zum jetzigen Zeitpunkt war der Drachenreiter sein einziger Ansatzpunkt.
So also meinte er mit einem Lächeln zu der Frau: „Danke, ich brauchte gerade nur Gewissheit. Ihr müsst wissen, ich komme von weit her. Ein glücklicher Zufall, dass ich hier an Land geschwemmt wurde. Wer weiß, wohin euch diese Sklavenhändler gebracht hätten." Sie nickte dankbar. „Ja vielen Dank dafür. Entschuldigt, dass ich euch gegenüber misstrauisch war, aber heute ist so viel passiert. Mein Name ist übrigens Misa." „Mein Name ist John. Freut mich dich kennen zu lernen Misa, aber sag, was machst du denn hier? Ist dein Dorf etwa in der Nähe oder haben dir diese Kerle unterwegs aufgelauert?"
Ihr Gesichtsausdruck wurde panisch und sie sagte voller Sorge: „Mein Dorf! Die ganze Bande von ihnen hat uns angegriffen. Schnell! Vielleicht können wir sie noch aufhalten, ehe sie die Dorfbewohner wegschaffen!" Misa stand auf und rannte an John vorbei auf die Bäume zu, die kurz vor der Klippe wuchsen. Der Soldat fragte nicht näher nach, setzte sich seinen Helm wieder auf den Kopf und sprintete der jungen Frau hinterher. Er holte sie schon nach ein paar Augenblicken ein und hob sie im vorbeigehen auf seinen Rücken. Erklärend meinte er: „So sind wir weitaus schneller, sag mir einfach wo lang." Sie deutete nach rechts und sagte: „Folge einfach diesem Pfad dort, das ist der schnellste Weg den ich kenne." Ohne zu zögern lief er mit Misa auf dem Rücken zu dem kleinen Trampelpfad hinüber und folgte ihm, bis er wieder aus dem kleinen Wäldchen draußen war. Sie musste ihm keine weiteren Anweisungen geben, denn in einigen hundert Metern Entfernung konnte er das kleine Dorf sehen.
Dicker schwarzer Rauch stieg dort empor.
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[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die Drachenreiter
FanfictionDer Soldat John Miller findet sich nach einem schrecklichem Unfall an den Ufern eines ihm unbekannten Landes wieder. Schon sehr bald wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr in seiner eigenen Welt befindet. So also macht er sich auf den Weg, die Dr...