John konnte zuerst nichts sehen, als sie um die Ecke traten, da Lyaths gewaltiger Körper ihm die Sicht versperrte. Die Drachendame blieb direkt nach der Kurve stehen, sodass der Soldat einen kleinen Bogen laufen musste, um an ihr vorbei zu kommen. Ohne Vorwarnung sah er Feyth im hohen Bogen auf sich zuspringen, mit aufgerissenem Maul und gespreizten Krallen. Instinktiv wich er ihr aus, indem er seinen Oberkörper etwas zu Seite neigte, woraufhin der kleine Drache ins leere Sprang. *Oh. Fast hätte ich dich erwischt!* knurrte Feyth enttäuscht, während sie sich vom Boden aufrappelte und an seine Seite gelaufen kam. „Fast." entgegnete John und warf dem Drachenmädchen einen kurzen Blick zu, den sie augenzwinkernd erwiderte. Seine zu einem verschmitzten Lächeln verzogenen Mundwinkel konnte sie jedoch wegen seines Helms nicht sehen.
Den Blick wieder nach vorne gerichtet beobachtete er stumm, wie Dekri seine Mutter voller Freude begrüßte und die beiden innig ihre Hälse aneinander rieben. Er konnte nicht hören, was die beiden besprachen, das ging ihn seiner Meinung nach auch nichts an, doch man konnte deutlich erkennen, wie froh der junge Drache war, seine Mutter wieder auf den Beinen zu sehen. Lyath schien ihrem Sohn viel zu erzählen, denn nach einigen Augenblicken wandte der silberne Drache seinen Blick auf ihn und musterte den Soldaten eindringlich. John entschied sich Mutter und Sohn fürs erste unter sich zu belassen und ignorierte Dekri deshalb.
Stattdessen gesellte er sich zusammen mit Feyth zu Keno, der auf einem Felsen nahe dem Höhlenzugang saß und offenbar mit seinen Schuhen und Socken beschäftigt war. Die Socken sahen klatschnass aus und auch die Schuhe machten den Eindruck, als hätte man mit ihnen Wasser gescheffelt. Als John sich ihm näherte sah er kurz zu ihm auf. „Einen guten Morgen wünsche ich." grummelte er mit zusammengezogenen Augenbrauen, bevor er wieder eine Socke in die Hand nahm und auswrang. Der Soldat brauchte keine Erklärung um zu wissen was vorgefallen war.
„Das ist nicht gerade nett Feyth. Es wird ewig dauern, bis die Schuhe wieder trocken sind." ermahnte er den kleinen Drachen, der genervt schnaubte und neckisch antwortete: *Die Gelegenheit war zu günstig, um es nicht zu tun.* Bevor John noch etwas entgegnen konnte fügte sie freundlich hinzu: *Danke, dass du Lyath geholfen hast.* Der Titan zuckte mit den Schultern. „Ich habe nur das getan, was ich konnte. Der Rest lag bei ihr." *Was genau hatte sie denn? Sie wollte es uns gar nicht sagen, als wir sie gestern entdeckten.* „Sie wurde vergiftet." *Vergiftet? Aber wer wäre dazu imstande?* „Ich weiß es nicht, ich habe sie danach noch nicht gefragt." *Aha. Und wie hast du ihr geholfen? Hattest du das Gegengift etwa glücklicherweise bei dir?*
John ließ die Frage einige Augenblicke lang so im Raum stehen. Es war ihm unangenehm, Feyth anlügen zu müssen. Schließlich antwortete er jedoch ausweichend: „So etwas in der Art." *Hhm.* brummte der kleine Drache misstrauisch, doch bevor sie ihm weitere Löcher in den Bauch fragen konnte, kamen Lyath und Dekri zu ihnen herüber.
John konnte dem silbernen Jungdrachen ansehen, dass er offenbar gegen sich selbst ankämpfte, als er ihm in die Augen blickte und mit leiser Stimme meinte: *Danke, dass ihr meine Mutter gerettet habt Jäger. Entschuldigt, dass ich euch zuerst für Feinde hielt.*Der Titan nickte verstehend und entgegnete mit verschränkten Armen: „Ihr habt zumindest Mut Dekri, das muss ich euch lassen. Wenn ihr erwachsen seid, werdet ihr sicherlich ein herausragender Kämpfer sein, nur versucht mit etwas mehr Verstand an die Sache heranzugehen. Mut ist eine gute Grundlage, doch ohne Grips und die nötige Stärke ist der Kampf schnell vorbei." Ein Funkeln schien von Dekris Augen auszugehen und auch seine Haltung wurde etwas strammer. *Danke für den Rat Jäger.* Erneut nickte John dem jungen Drachen zu. Er hoffte, dass Dekri seine Worte beherzigte, ansonsten würde er wohl gegen den nächsten stärkeren Gegner auf den er traf, das Zeitliche segnen.
Nun beugte Lyath ihren Kopf zu der Gruppe hinunter und blies ihnen ihren heißen Atem entgegen, von dem der Titan außer dem leicht schwefeligem Geruch nicht viel mitbekam. Die Drachendame zwinkerte ihm zu und meinte dann freundlich: *Kommt doch bitte alle mit in den Hauptraum und seid unsere Gäste. Das Feuer dort wird euch warm und trocken halten.*Mit einem Blick auf Kenos vergebliche Versuche seine Socken zu trocknen fügte sie kichernd hinzu: *Ihr könnt dort natürlich auch eure Kleider trocknen Keno-Finiarel.* „Oh. Vielen Dank Lyath-Elda." stammelte der Junge errötend und sammelte hastig die Socken und Schuhe zusammen, um weniger verstreut zu wirken. Während Keno und Feyth, Dekri und Lyath in die Hauptkammer folgten, blieb John stumm zurück und trat langsam auf den Höhlenzugang zu, vor dem sich immer noch ein dichter Regenschleier befand. Sein Zurückbleiben, blieb jedoch nicht unbemerkt.
*Kommt ihr Jäger?* fragte Lyath behutsam und der Titan antwortete ernst: „Ich habe noch etwas zu erledigen. Feyth? Hättest du ein paar Augenblicke Zeit?" Das kleine Drachenmädchen drehte ohne auch nur zu zögern auf der Stelle um und lief zurück zu dem Soldaten. Lyath summte fröhlich und ging dann zusammen mit den anderen beiden weiter, sodass John und Feyth nun alleine in der Eingangskammer waren.
Mit großen Schritten, kam der kleine Drache neben dem Titanen zum Stehen, legte den Kopf schräg und blickte ihren Freund fragend an. *Was ist John?* wollte sie neugierig wissen und legte die Ohren an, als John sein Messer aus der Scheide zog. „Du wolltest doch, dass ich dich im Kämpfen trainiere." gab er zurück und hielt die Waffe hinaus in den Regen, um sie wenigstens grob zu reinigen. Er spürte, das Feyth aufgeregt wurde, ließ sich von der Aufregung jedoch nicht anstecken. Sowas konnte böse Folgen haben. Stattdessen steckte er nach ein paar Augenblicken das Messer wieder zurück in die Halterung, drehte sich zu ihr um und ging in die Hocke, um auf Augenhöhe zu sein. „Vorneweg eine Warnung: Ich kann dir leider nur den Kampf gegen einen Menschen, oder einem menschenähnlichen Gegner beibringen. Im Kampf gegen einen Drachen oder sogar Magier könnte ich selbst nur instinktiv handeln. Ist das für dich in Ordnung?" *Ja!* entgegnete Feyth erregt und wedelte mit ihrem Schwanz hin und her.
„Na schön, also gut. Zunächst einmal: Hast du schon mal gegen einen Menschen gekämpft?" *Nein, zumindest nicht ernsthaft.* „Hast du schon gegen andere Drachen gekämpft?" *Nein.* „Ok, hast du überhaupt schon einmal jemanden oder etwas willentlich getötet oder zumindest ernsthaft bekämpft und in die Flucht geschlagen oder verloren?" *Nicht insofern ich mich daran erinnern könnte, nein.*
Feyth konnte es zwar durch das Visier hindurch nicht erkennen, doch John starrte sie ungläubig mit weit aufgerissenen Augen an. Er hatte schon viel erlebt in seiner Laufbahn, doch einem geborenen Raubtier, das in seinem ganzen Leben noch nie etwas getötet beziehungsweise verletzt hatte, war er noch nie über den Weg gelaufen. 'Ich soll einem Drachen der noch nicht einmal wirklich gekämpft hat, das Kämpfen beibringen. Das wird schwieriger als erwartet.' dachte er sich und runzelte die Stirn. Er verstand nicht, wie sich ein Raubtier dermaßen gegen seinen Instinkt stellen konnte, um nicht einmal ein einziges Tier in zwei Jahren zu töten. Er begrub seine Gedankengänge zu dem Thema jedoch, da sie momentan nicht von Belang waren. Da Feyth keinerlei Grundwissen besaß musste er ganz von vorne anfangen.
Also begann er zu erklären: „Na schön Feyth. Ich denke für den Anfang dürfte es für dich am wichtigsten zu sein die Schwächen des menschlichen Körpers kennenzulernen. Fangen wir am besten am Kopf an und arbeiten uns dann nach unten weiter." Um ihr die einzelnen Stellen besser zeigen zu können, richtete er sich wieder auf und zeigte mit der rechten Hand auf seinen Kopf. „Der Kopf ist eine der empfindlichsten Stellen des Körpers. Wenn du hier den richtigen Treffer landest kannst du deinen Gegner mit nur einem einzigen Angriff ausschalten. Am einfachsten hierbei wäre es wohl für dich, mir ins Genick zu springen, mir in den Hals zu beißen und zu brechen. Am besten, indem du deinen Kopf nach dem Biss hin und her schleuderst. Falls dein Gegenüber die jedoch diese Möglichkeit verwehrt, bleibt dir immer noch der Frontalangriff. Spring ihm ins Gesicht und zerbeiße und zerkratze alles was du erreichen kannst. Die Nase, die Augen, der Mund. Alles sehr schmerzempfindliche Ziele und mit etwas Glück sogar mit tödlichen Folgen für den Gegner. Merke dir einfach: Der gesamte Kopf ist eine einzige große Zielscheibe, wenn du einen Menschen dort verletzen kannst, tu es. Als letztes und besonders gutes Ziel im Kopfbereich bietet sich natürlich auch die Kehle an. Ein Biss, oder ein gut platzierter Schlag führen dort unweigerlich zum Tod. Du hast vielleicht schon vom Ausdruck: ‚Die Kehle aufschlitzen' gehört."
Feyth nickte eifrig und beobachtete genau, was John ihr zeigte.
„Der kommt nicht von ungefähr. Auf diese Weise schlachten Metzger auch ihre Tiere, sie schneiden ihnen die Kehle auf und lassen sie ausbluten. Bis dahin alles verstanden?" Das Drachenmädchen nickte abermals und John fuhr fort:
„Gut. Als nächstes kommen wir zur Brust. Kein gutes Ziel für dich, zumindest solange du noch so klein bist. Der Bereich ist gut geschützt von Muskeln und den Rippen. Ein oberflächlicher Kratzer oder eine Bisswunde sind zwar schmerzhaft, aber nicht kritisch. Es sei denn, du bringst genug Kraft auf, um die Rippen zu brechen, wodurch diese häufig die Lunge durchbohren. Aber glaube mir, die Rippen können einiges ab, also würde ich es an deiner Stelle eher nicht darauf ankommen lassen.
Ganz im Gegensatz zum Bauch. Hier hast du fast vollkommen freie Hand. Das einzige, das dich eventuell kurz aufhalten könnte, wären extrem starke Bauchmuskeln, aber ich denke nicht, dass du jemals auf solch stahlharte Muskeln treffen wirst. Kratz und Beiß dir einfach deinen Weg zu den inneren Organen. Selbst wenn du deinen Gegner damit nicht sofort tötest wird er eher alle Hände voll damit zu tun haben, seine Innereien in sich zu halten, als weiter gegen dich zu kämpfen. Außerdem kannst du deinen Gegenüber auch nur mit einem einzigen Hieb ausschalten und zwar, wenn du seine Leber triffst. Die sitzt ungefähr hier."
Er deutete mit der Hand auf eine Stelle, knapp unterhalb seines rechten Brustkorbs.
„Wenn du ihn dort richtig erwischt, wird zumindest ein Mensch fast in jedem Fall kampfunfähig und kann sogar an den Folgen sterben. Wie du siehst ist der Bauch recht gut anzugreifen, vor allem da er so gut wie nicht zu verbergen ist. Damit wären wir auch schon fast fertig was den oberen Teil des Körpers angeht, fehlen nur noch die Schultern und die Arme.
Nun, wie du dir vielleicht denken kannst, sind Extremitäten ein sehr lohnenswertes Ziel. Selbst wenn du deinen Gegner dadurch nicht tötest: Mit zwei gebrochenen Armen macht der Bursche nicht mehr viel. Ebenso gut wie brechen geht natürlich auch auskugeln, oder in deinem Falls: abreißen beziehungsweise beißen. Deine Zähne sollten scharf genug dafür sein. Das Prinzip ist dabei das gleiche wie beim Genick. Erst verbeißen, dann Kopf hin und her schleudern. Solange dein Gegner keine schwere Rüstung anhat sollte das reichen."
Feyth hatte sich mittlerweile hingesetzt und lauschte gebannt Johns Worten, der sich völlig in Erklärungen verloren hatte.

DU LIEST GERADE
[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die Drachenreiter
FanfictionDer Soldat John Miller findet sich nach einem schrecklichem Unfall an den Ufern eines ihm unbekannten Landes wieder. Schon sehr bald wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr in seiner eigenen Welt befindet. So also macht er sich auf den Weg, die Dr...