„Wo bin ich?" stammelte Keno und versuchte sich aufzurichten. John jedoch drückte ihn sanft wieder nach unten. „Ganz ruhig Kleiner. Du bist in Sicherheit, ich habe dich aus den Fängen deiner Entführer befreit." erklärte er ihm und ging neben dem Jungen in die Hocke. Auch Feyth machte einen Satz über das Feuer und blickte Keno neugierig an. „Der Kampf! Shad! Wo ist er? Ich kann ihn nicht fühlen!" meinte der Junge, blickte wild umher und versuchte sich abermals aufzurichten, was John jedoch erneut verhinderte. „Ganz ruhig. Du bist schwer verletzt, versuch nicht dich zu sehr zu bewegen. Was deinen Drachen angeht: Ich habe ihn nicht bei den Banditen gesehen, du warst der einzige in ihrem Karren." sagte John ruhig, übte aber immer noch einen leichten Druck auf den Drachenreiter aus, um ihn an hektischen Bewegungen zu hindern.
Allmählich schien sich Keno zu beruhigen, seine Atmung wurde wieder normal und er sah den Titanen und den kleinen Drachen musternd an. Sein Augen wurden groß, als er Feyth erkannte. „Feyth? Was machst du hier? Ich dachte du wärst immer noch bei deinem Vater im großen Wald." meinte er verwirrt. Das Drachenmädchen schnaubte und erwiderte: *Das gleiche könnte ich dich Fragen Keno. Du bist im großen Wald! Sie wollten dich nach Surda verschleppen.* 'Sie muss meine Befragung Marlons belauscht haben.' dachte sich John, doch es gab jetzt wichtigere Dinge als Fethys Tarnkünste. Vorsichtig ließ er den Jungen sich aufrichten und lehnte seinen Rücken gegen einen großen Fels. „Nach Surda." murmelte Keno und fuhr nach einer kurzen Pause fort: „Ich und Shad wurden angegriffen, als wir auf einem Patrouillenflug im Osten waren. Ein paar Meilen vor Trutztann. Sie waren zu zehnt, alles Magier und in schwarze Kleider gehüllt. Wir haben uns gewehrt, Shad hat zwei von ihnen getötet und auch ich konnte einen von ihnen niederringen. Doch dann bekam ich einen Schlag gegen den Kopf und ich verlor das Bewusstsein. Das Nächste, an das ich mich erinnern kann, ist das ich hier aufgewacht bin."
„Ein Schlag gegen den Kopf? Lass mich kurz nachsehen." meinte der Soldat, zögerte jedoch in seiner Bewegung, als der Drachenreiter ihn skeptisch ansah. „Ihr habt mich also gerettet? Wie lautet euer Name guter Mann?" „John, John Miller." *Er ist in Ordnung Keno, wirklich.* sagte Feyth bekräftigend. Keno entspannte sich ein bisschen und ließ John gewähren. Während der Titan seinen Hinterkopf mit den am Helm befestigten Lampen nach einer Verletzung absuchte meinte der Junge: „Ich danke dir. Ich stehe in deiner Schuld, aber sag, du meintest, Shad wäre nicht bei mir gewesen, als du mich gerettet hast?" Per Knopfdruck löste John eine der Lampen aus ihrer Halterung und strahlte dem Drachenreiter damit in die Augen, um den Pupillenreflex zu überprüfen. „Nein, dort war kein Drache bei den Banditen. Nur du. Und du stehst auch nicht in meiner Schuld Kleiner, sowas sehe ich als Pflichterfüllung. Kannst du kurz deine Augen auf meinen Finger richten und ihm folgen?" entgegnete er und ließ Keno mehrere Male von links nach rechts schauen, bevor er die Hand runter nahm, die Lampe zurück in den Helm schob und ausschaltete. „Gut, zumindest scheinst du keine Gehirnerschütterung zu haben." stellte er fest und rückte die Decke etwas zurecht, da der Junge zu zittern angefangen hatte. „Sie müssen mir eine Droge verabreicht haben, ich kann Shad überhaupt nicht spüren! Wo werden sie ihn nur hingebracht haben?" meinte Keno zähneklappernd und klang äußerst niedergeschlagen. *Sobald wir dich zum Orden gebracht haben, wird sich bestimmt alles klären. Keine Sorge, Meister Eragon weiß sicherlich wie wir Shad wiederfinden.* sagte Feyth aufmunternd und John stimmte nickend zu, auch wenn er das Wir in ihrem Satz nicht überhört hatte.
Sanft hob er Keno vom Fels weg und legte ihn sachte neben das Feuer, um ihn aufzuwärmen. Dann setzte er sich neben ihn und ließ das Drachenmädchen auf seinem Schoß platznehmen, welches den Drachenreiter traurig ansah. Keno stöhnte und fasste sich an die Brust. „Sie müssen dir übel mitgespielt haben. Als ich dich fand war dein linkes Bein gebrochen und du hattest mehrere tiefe Schnittwunden an Körper und Armen. Ich habe sie notdürftig versorgt, aber ich denke, es wäre besser, wenn du dich mit Magie heilst. Insbesondere deinen Bruch." erklärte John und wurde immer besorgter, als der Drachenreiter immer heftiger zitterte, obwohl er direkt neben dem Feuer lag. „Ich kann nicht, die Droge unterrückt meine Magie." antwortete Keno stotternd. Ohne noch länger zu zöger bat der Soldat Feyth darum, Kenos Stirn zu fühlen. Das Drachenmädchen gab ein überraschtes Zischen von sich und meinte: *Er ist glühend heiß.* 'Fieber, das hat gerade noch gefehlt.' dachte John angespannt und fragte: „Kennst du irgendwelche Kräuter oder Beeren, die hier im Wald wachsen und ihm helfen könnten? Ich war leider nie gut in Pflanzenkunde." *Natürlich.* entgegnete sie und verschwand mit zwei großen Sprüngen im Dickicht.
Während Feyth auf der Suche war, nahm John den Wasserkanister von seinem Rücken, schraubte den Deckel vom Verschluss und stellte das nun offene Gefäß ins Feuer, um das Wasser zum Kochen zu bringen. Vorsichtig nahm er die Decke von Keno herunter und überprüfte die einzelnen Verletzungen. Die Schnittwunden, die er mit dem Alkohol desinfiziert hatte, sahen alle normal aus, sogar recht gut, wenn man bedachte wie groß sie waren. Der offene Bruch jedoch sah gar nicht gut aus. Er sog scharf die Luft ein, als er den improvisierten Verband abnahm und die entzündete Stelle sah. Das halbe Schienbein war dick, rot und an der offenen Wunde konnte er kleine Eiterreste erkennen. 'Verdammt, das sieht nicht gut aus. Ich muss etwas Dreck in der Wunde übersehen haben!' fluchte John in Gedanken und machte sich daran, die Panzerhandschuhe des Atlas abzunehmen. Hierfür brauchte er mehr Fingerspitzengefühl. Es war mühsam, die vielen Verriegelungen zu öffnen und er brauche fast eine Viertelstunde, bis beide Handschuhe neben ihm auf dem Boden lagen und er seine, in enganliegenden, schwarzen Stoff gehüllten, Hände vor sich sah.
Inzwischen kam auch Feyth wieder aus dem Unterholz zurück und hatte einige Blätter und Äste mit Beeren im Maul mitgebracht. In der rechten Pfote hielt sie einen Büchel Moos. *Das ist alles was ich finden konnte.* meinte sie und warf einen Blick auf das geschwollene Bein, nachdem sie die Sachen neben John abgelegt hatte. Sie knurrte. *Das sieht böse aus.* Der Soldat nickte und warf einen Blick auf die mitgebrachten Sachen.
Es waren einige Blätter von zwei verschiedenen Pflanzen, von denen er glaubte, zumindest eine davon als Salbei identifizieren zu können. Die Beeren hingegen erkannte er eindeutig als Heidelbeeren. Während Feyth sich zu Kenos Kopf legte und ihm gut zu sprach, zerriss John einige der Blätter in kleine Fetzen und gab sie, zusammen mit einigen Beeren, die er leicht zerquetschte, in das mittlerweile kochende Wasser um einen Tee daraus zu kochen. Dann nahm er mehrere Blätter des Salbeis und zerkaute sie zu kleinen Stücken. Diese spuckte er wieder in seine Hand und begann mit den zerstückelten Kräutern die Wunde zu säubern. Der Drachenreiter brüllte wie am Spieß, als John das entzündete Fleisch berührte, aber es musste getan werden. Das Drachenmädchen rieb ihren Kopf sanft an Kenos Wange um ihm bei zu stehen, doch das änderte nichts an den Schmerzen. Es dauerte mehrere Minuten, bis der Titan sich sicher war, jedes noch so kleine Stück Dreck aus der Wunde entfernt zu haben. Zur Sicherheit schöpfte er mit der Hand etwas von dem kochenden Gebräu über die Verletzung und ignorierte dabei den Schmerz durch die heiße Flüssigkeit. Dann nahm er das Moos, klopfte es mehrere Male ab, und drückte es auf die saubere Wunde. Das ganze band er wieder mit dem schwarzen Tuch am Bein fest. Auf die stabilisierenden Holzlatten musste er leider verzichten.
*Du könntest glatt ein Heiler sein.* meinte Feyth anerkennend doch John winkte ab. „Das ist nur laienhaft gemacht. Dafür reichen meine verkümmerten medizinischen Kenntnisse gerade noch aus. Ich bin eben nur Soldat und kein Arzt." Er ballte die Hände zu Fäusten, als er spürte, wie die Naniten seine Verbrennungen heilten. Um weitere Verletzungen zu vermeiden zog er wieder die Panzerhandschuhe an, was glücklicherweise viel schneller ging, als sie auszuziehen. Danach kippte er etwas von dem improvisierten Tee in den Deckel des Wasserkanisters und hob Kenos Kopf an. „Hier trink das, es wird dir helfen." sagte er und hörte wie der Junge leise flüsterte: „Danke." John flößte ihm immer wieder kleine Schlucke ein, die der Fieberkranke dankend annahm. Innerlich verfluchte sich der Titan jedoch selbst, da seine Fahrlässigkeit überhaupt erst zu der Entzündung geführt hatte. Feyth berührte Kenos Stirn erneut mit ihrer Zunge und meinte: *Er fühlt sich schon deutlich kühler an.* John sah sie verwundert an. „Das Fieber ist schon wieder gesunken? Das ist extrem ungewöhnlich." *Die Kräuter müssen wohl sehr stark sein.* sagte das Drachenmädchen abschätzend und schmiegte sich eng an den jungen Drachenreiter. „Soso, die Kräuter." murmelte der Soldat und warf ihr einen aufmerksamen Blick zu. *Was?* wollte sie wissen und sah ihn unschuldig an. „Ach nichts." erwiderte er, während er Keno den letzten Rest Tee einflößte, den Deckel wieder befüllte und daran roch.
Der Geruch war schwer zu beschreiben, einerseits fruchtig, andererseits roch er stark nach Salbei und Zitrone. John nippte daran. Der Geschmack ähnelte dem eines Hustenbonbons. Er nahm allerdings nicht mehr davon, sondern reichte es an den jungen Drachenreiter weiter, der die warme Flüssigkeit begierig trank. Der Titan konnte deutlich erkennen, wie die Farbe wieder zurück sein Gesicht kam.
„Ich weiß, dass ist vielleicht nicht der beste Zeitpunkt danach zu fragen Keno, aber wieso sollte jemand dich und deinen Drachen entführen? Welchen Nutzen hätte er davon, sich dem Zorn des Drachenreiterordens auszusetzen?" fragte John und legte einen weiteren Ast ins Feuer, um es am Leben zu halten. Der Drachenreiter nahm den Deckel kurz von den Lippen und antwortete mit schwacher Stimme: „Ich weiß nicht. Mir fällt niemand ein, der so verrückt wäre." *Mir auch nicht.* fügte Feyth hinzu und brachte ihn dadurch nur noch mehr ins Grübeln. Doch so sehr er auch nachdachte, es ergab keinen Sinn. Also beschränkte er sich auf die gegenwärtige Situation.
„Na schön. Du hast Glück Keno, ich wollte ohnehin zu den Drachenreitern reisen. Solange du noch zu schwach bist deine Wunden zu heilen, werde ich dich eben auf dem Rücken tragen, das ist kein Problem." meinte John, während er sich den Laib Brot aus dem Beutel kramte und ein Stück abriss. „Weswegen wollt ihr denn zu uns?" fragte der Junge leise und der Soldat antwortete mit einem Bissen im Mund: „Ich brauche die Hilfe eures Ordens um nach Hause zurückkehren zu können." *Er kommt aus einem sehr weit entferntem Land.* erklärte das Drachenmädchen und Keno nickte leicht. „Ich verstehe. Ich kann dir gar nicht genug für das danken, was du für mich getan hast. Ach wenn doch nur Shad auch mit mir transportiert worden wäre." *Keine Sorge, wir werden ihn wiederfinden. Und ich werde euch beide begleiten. Es ist ohnehin schon lange überfällig, dass ich Vater nicht mehr zur Last falle.* meinte Feyth und warf einen prüfenden Blick auf John, der sie jedoch schulterzuckend ansah. „Ich habe nicht das Recht dir vorschreiben zu können, wo du hingehen darfst. Außerdem bin ich ganz froh jemanden bei mir zu haben, der diese Gegend hier gut kennt." sagte er, während er sich einen weiteren Bissen Brot in den Mund schob. Insgeheim musste er lächeln. 'Ein Drache, ein Drachenreiter und ein Titan. Zumindest dürfte es uns unterwegs nicht langweilig werden.' dachte John und wusste noch nicht, wie recht er damit haben würde.
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[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die Drachenreiter
FanfictionDer Soldat John Miller findet sich nach einem schrecklichem Unfall an den Ufern eines ihm unbekannten Landes wieder. Schon sehr bald wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr in seiner eigenen Welt befindet. So also macht er sich auf den Weg, die Dr...