Das erste was John spürte, als er wieder aus der Bewusstlosigkeit erwachte, war ein brennendes Kribbeln in der Magengegend.
Schlagartig riss er die Augen auf und sah sich direkt Feyths Schnauze gegenüber. Der kleine Drache saß offenbar auf seiner Brust, von wo aus sie besorgt auf den Helm blickte. Hinter ihr konnte er die bereits aufgegangene Sonne erkennen. 'Ich war offensichtlich einige Stunden lang bewusstlos. Die Schäden an meinen inneren Organen müssen beträchtlich gewesen sein, wenn die Naniten die Reparaturen immer noch nicht abgeschlossen haben. Mein linker Arm ist auch noch vollständig vom Nervensystem abgetrennt.' analysierte er nüchtern und hob leicht den Oberkörper an, woraufhin das Drachenmädchen aufgeregt fiepte und besorgt fragte: *John! Alles in Ordnung? Ich habe versucht zu helfen, aber deine Rüstung war mir im Weg.*
Beruhigend tätschelte er ihren Hals und antwortete ernst: „Danke Feyth, mir geht es gut." Zärtlich rieb sie ihren Kopf an seinen Helm und schleckte ihm über den Visor. Er blickte an ihr vorbei und bemerkte Alanna und Keno, die aufgeregt zu ihm herübersprangen. Hinter den beiden konnte er die sich leicht auf und ab bewegende Flanke Dun'vars erkennen. Der Drache hatte also das blutige Ende ihres Kampfes überlebt.
„John!" „John-Vodhr!" riefen die zwei Drachenreiter überschwänglich und kamen, begleitet von aufgewirbelten Sand, neben dem Titanen zum stehen. „Ist alles in Ordnung John? Kannst du deine Rüstung ablegen, damit ich mir deine Verletzungen anschauen kann? Ich bin kein großartiger Heiler, aber ich will sehen was ich tun kann." meinte der Junge und kniete sich hin. Der Colonel entgegnete teilnahmslos: „Es ist alles gut, Keno. Du hast bereits in Lyaths Höhle gesehen, zu was mein Körper in der Lage ist." Der junge Drachenreiter nickte schluckend. Im Gegensatz zu Alanna, die mit sorgenvoller Miene Johns linken Arm musterte, der in grotesken Winkeln verbogen war.
„Ihr seid alles andere als in Ordnung, John-Vodhr. Nehmt bitte die Rüstung ab und legt euch wieder hin, damit Keno-Finiarel eure Verletzungen heilen kann. Ich bin durch die Droge leider verhindert." Der Soldat tat jedoch das genaue Gegenteil. Er schob Feyth vorsichtig nach oben, bis sie begriff, dass sie sich um seine Schultern legen sollte und stand dann, unter lautem Protest der Elfe, einfach auf. Aber mehr als ein brennendes Pochen und ein starkes Ziehen in der Magengrube spürte er nicht. Stattdessen bemerkte er vier tiefe Kratzspuren auf seiner Brustplatte. 'Faszinierend. Es ist 175 Jahre her, seit der Atlas das letzte Mal solche Schäden davongetragen hat. Das ist also die Kraft eines ausgewachsenen Drachens.' stellte er interessiert fest und packte seinen linken Unterarm.
„Haltet bitte meinen linken Oberarm so fest ihr könnt an Ort und Stelle." bat er befehlsgewohnt. Alanna warf ihm einen skeptischen Blick zu und auch Keno wirkte etwas nervös, doch nach einigen Augenblicken kamen sie seiner Bitte nach. Damit sie allerdings überhaupt an seinen Arm herankamen musste der Titan sich hinknien, ansonsten hätten die beiden gerade einmal seinen Ellbogen berührt, wenn überhaupt. Als die zwei dann endlich seinen Oberarm fest im Griff hatten, zog er den unnatürlich nach hinten gewinkelten Unterarm nach vorne, bis er wieder in seine gewohnte Position sprang. Das Knacken war für alle deutlich hörbar und jeder, bis auf den Soldaten selbst, zuckte zusammen.
John gab ihnen jedoch keine Zeit für irgendwelche Fragen, sondern fragte nüchtern: „Alanna, ich nehme an, dass ihr stärker seid als Keno?" Immer noch etwas verwirrt über das vollkommene Fehlen seines Schmerzempfindens erwiderte die Elfe knapp: „Ja, ich hab mich lange genug ausgeruht, um meine Kräfte wieder zu sammeln." „Gut, dann stellt euch vor mich und tretet gegen meine linke Schulter, wenn ich auf drei Zähle." „Was?" „Ihr besitzt vermutlich nicht die medizinischen Kenntnisse um meine Schulter korrekt einzurenken, oder?" „Nein – " „Dann also tut was ich euch sage. Wenn ich auf drei gezählt habe tretet mit voller Kraft gegen meine linke Schulter." Nachdenklich biss sie sich auf die Unterlippe, gehorchte aber seinen Worten. Er nickte ihr dankbar zu und zog den ausgerenkten Arm angewinkelt vor seine Brust.
„Eins."
Alanna hob den rechten Fuß vom Boden und winkelte ihn erwartungsvoll an.
„Zwei."
Feyth sprang vorsichtshalber von John herunter.
„Drei!"
Der Fuß der Elfe schnellte wuchtvoll nach vorne und traf die schwere Schulterpanzerung mit voller Kraft, ließ den Titanen allerdings kaum wanken. Ein erneutes Klacken erschallte, als auch das zweite Gelenk endlich wieder in seine natürliche Position zurückschwang. Fast im selben Moment, konnte John die Naniten spüren, die sich förmlich darauf stürzten das beschädigte Gewebe zu reparieren. Er knurrte leise und drückte die Kiefer aufeinander, als die winzigen Roboter binnen weniger Millisekunden das Nervensystem verknüpften und ein Schwall von Schmerzen ihn überflutete. Damit musste er jedoch leben, um eine vollständige Reparatur zu gewährleisten. Mit zusammengebissenen Zähnen rückte er den Arm in eine Schonposition, eng an seiner Brust und befahl: „Linken Arm-Lock aktivieren, Bestätigungscode: M-5-4-9-C-A-12-E-13-5-18-G-5-14-3-Y." Ein grünes Bestätigungslicht blinkte kurz in seinem HUD auf zusammen mit der Meldung 'Code Akzeptiert', woraufhin sich die Sperren in den Gelenken des Atlas aktvierten und es somit unmöglich wurde den Arm zu bewegen. Es würde einige weitere Stunden benötigen, bis die Naninten die zerstörten Muskeln, Sehnen und Bänder wiederhergestellt hatten.
*Ist alles in Ordnung John? Ich spüre den Schmerz, der dich plötzlich überwältigt hat.* flüsterte Feyth leise und sprang wieder auf seine Schultern, den Kopf liebevoll an seinem Kinn reibend. Johns Züge entspannten sich etwas und ein schmales Lächeln ergriff seine Mundwinkel. „Wird schon alles wieder werden." erwiderte er leise und kraulte sie behutsam hinter ihren Ohren, was dem kleinen Drachenmädchen ein leises Schnurren entlockte. An Alanna gewandt meinte er: „Habt Dank, Alanna und natürlich auch du Keno. In ein paar Stunden werde ich wieder vollkommen einsatzbereit sein." Keno lächelte erleichtert und erwiderte: „Gerne John. Ach ja, hier dein Messer!" Er reichte ihm das Kampfmesser und der Colonel steckte es dankbar zurück in die Halterung.
Die Elfe hingegen wirkte immer noch etwas perplex. „Wie kann es sein, dass ihr nach einem solchen Kampf und mit derartigen Verletzungen auf den Beinen stehen könnt ohne vor Schmerzen zu schreien? Ich habe gesehen, wie ihr mehrmals in den Magen getroffen wurdet. Selbst die Rüstung kann euch nicht vor solch einer Wucht schützen. Eure Innereien sollten eigentlich komplett zerfetzt sein! Von dem Arm ganz zu schweigen!" sagte sie skeptisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Der Titan seufzte leise, bevor er entgegnete: „Nach meinem ersten Kampf gegen Dun'var habt ihr mich gefragt, ob alles in Ordnung sei, erinnert ihr euch?" „Ja, natürlich."
„Nun, nach eurer Sicht der Dinge war es das nicht. Meine Achillessehne war im Zweikampf gerissen und hat sich während unseres kleinen Gesprächs geheilt." „Tatsächlich? Aber worauf wollt ihr hinaus? Besitzt ihr etwas doch die Fähigkeit Magie zu wirken? Nein das ist Unsinn, die Ketten hätten euch daran gehindert. Aber was dann?" „Meine natürliche Heilung ist um ein Hunderttausendfaches schneller, als bei einem normalen Menschen, oder in eurem Falle, Elf. Ihr braucht vielleicht eine Woche um einen kleinen Schnitt zu heilen, mein Körper vollbringt das in zwei Sekunden." „Faszinierend." staunte Alanna. „Ich sagte doch, mein Körper funktioniert anders." entgegnete er schmunzelnd.
Mit diesen Worten schritt er an ihr vorbei, direkt auf den mitternachtsblauen Drachen zu, der immer noch ruhig und mit geschlossenen Augen da lag. John erkannte sofort, dass Keno die Verletzungen in der Brust, am Schwanz und am Unterkiefer mit Magie geheilt hatte, jedoch fehlten die zwei Zehen an Dun'vars rechter Vorderpfote und auch Larva steckte immer noch in seiner Schnauze. Instinktiv blickte der Soldat an sich herunter und stellte fest, dass einige tiefrote Blutspritzer auf seinem rechten Arm haften geblieben waren, vor allem in den feinen Rillen der Innenseite seiner Handschuhe. Im Gegensatz zu dem Nanitenblut, welches er im Kampf hervor gewürgt hatte. Die kleinen Maschinen waren selbstständig in seinen Körper zurückgekehrt. Mit ernster Miene ging er weiter auf den Kopf des großen Drachens zu, als Alanna plötzlich hastig vor ihn sprang.
Ihr Gesicht war aschfahl, als sie leise flehte: „Bitte John-Vodhr, lasst Dun'var am Leben! Er – mag zwar ein rauer Geselle sein, aber auch er lebt nach einem eigenen Ehrenkodex. Ihr habt ihn im Zweikampf bezwungen, er wird euch als den Stärkeren ansehen und auf das hören, was ihr verlangt. Ich bitte euch!" Sie klang verzweifelt, doch bevor er etwas antworten konnte, fügte Feyth mit zittriger Stimme hinzu: *Ich – ich will auch nicht das er stirbt, John. Er macht mir zwar Angst aber – das verdient er nicht.* John war überrascht vom Mut des kleinen Drachenmädchens und gleichzeitig stolz auf ihre Worte.
„Ich hatte nicht vor ihn zu töten." antwortete er den beiden ruhig.
Etwas mühselig entriegelte er mit seiner freien Hand die Versiegelungen seines Helms, nahm in ab und hängte ihn an die Halterung an der Hüfte. „Nicht – töten?" stammelte Alanna ungläubig, woraufhin der Titan bestimmt nickte. „Exakt. Ich bin Soldat, kein Schlächter, Alanna."
Er wandte den Blick Dun'vars Kopf zu und zog skeptisch eine Augenbraue empor. „Haltet mich nicht für naiv Schattenklaue! Ich weiß, dass ihr wach seid." Langsam öffnete sich das große mitternachtsblaue Auge und musterte ihn aufmerksam. Der Colonel spürte, wie sich Feyth enger an seinen Hals drückte und legte ihr daher beruhigend die Hand auf den Kopf. Die Pupille des großen Drachens zog sich überrascht zusammen, als sie Johns Gesicht näher untersuchte und dabei auf das rote Drachenauge stießen. Ein verblüfftes Schnauben, gefolgt von einem schmerzerfüllten Jaulen, als sich Larvas Wunde vergrößerte, entrang seiner Kehle.
"Weshalb habt ihr zwar mein Messer entfernt, aber nicht das Schwert?" wollte der Soldat von Keno und der Elfe wissen, als er den Griff der blutroten Waffe packte. „Ich – wir haben es versucht, aber das Schwert hat uns nicht gelassen und die Handflächen aufgeschlitzt, als wir es anfassten." entgegnete der junge Drachenreiter und rieb sich unwillkürlich die Hände. „So ist das also. Larva!" knurrte der Titan ernst und zog die Klinge mit einem Ruck aus Dun'vars Schnauze, was diesen abermals Jaulen ließ. *Habe nur verhindert, dass er sie erwischt, Meister!* antwortete ihm der Seelensplitter und klang dabei recht prahlerisch. John warf dem Zweihänder einen wütenden Blick zu, bevor er ihn neben sich in den Sand rammte, so tief, dass er aufrecht stecken blieb.
Dann ertönte Dun'vars kratzige Stimme in seinem Kopf.
*In meinem ganzen Leben habe ich noch nie einen derartigen Kampf erlebt. Ich habe euch unterschätzt, Drachenkrieger und den Preis dafür gezahlt. Bisher habe ich aus meinen Kämpfen immer eine kleine Narbe zurückbehalten, doch niemand, nicht einmal mein Bruder hat es geschafft mir etwas Schwerwiegenderes als eine Fleischwunde zuzufügen. Doch dann kamt ihr. Zuerst meine Klauen, dann mein Horn. Ich werde diese Narben mein Lebtag behalten und sie mit Stolz tragen. Denn sie sind ein Zeichen dafür, dass ich gegen euch gekämpft und überlebt habe. Ich verneige mein Haupt vor euch, Rotauge.* Er zwinkerte langsam, um dem Soldaten Respekt zu zollen.
Dieser erwiderte ernst: „Ihr solltet einen Gegner niemals unterschätzen Dun'var. Bevor ich dieses Gespräch jedoch weiterführe, erwarte ich, dass ihr schwört niemals wieder auch nur daran zu denken Feyth anzugreifen, haben wir uns verstanden?"
Sein Blick wurde nüchtern, während er die freie Hand bewusst auf den Griff des Messers legte. Falls der Drache nicht in diesen Schwur einwilligen sollte, würde er nicht zögern ihm den kalten Stahl durch das Auge ins Hirn zu rammen. 'Das Risiko ihn am Leben zu lassen wäre zu groß. Wenn er Feyth einmal alleine treffen sollte, hätte sie nicht die geringste Chance.' analysierte er kühl. Lieber nahm er den kurzweiligen Zorn seines kleinen Schutzbefohlenen auf sich, als eines Tages zu erfahren, dass Dun'var sie gefressen hatte.
Glücklicherweise jedoch stimmte Schattenklaue zu.
*Ich schwöre bei meiner Ehre und bei meinem Leben, Feyth nie wieder anzurühren und sollte ich es aus Gründen, die mir heute noch nicht bekannt sind, doch tun, so möge euer Zorn über mich richten, Rotauge und mein Blut in Strömen fließen lassen.* sagte der Drache mit feierlicher Stimme und ließ ein tiefes Knurren hören, das seine Worte unterstrich. „Ich nehme euch beim Wort Dun'var. Wenn ihr der Kleinen auch nur einen Flügel krümmt, werde ich die euren bei lebendigem Leibe ausreißen, euch die Beine abschlagen und immer wieder Wassereinflößen, um euch langsam am Hungertod verrecken zu sehen. Verstehen wir uns?" entgegnete er eiskalt und starrte den Giganten dermaßen einschüchternd an, dass dieser etwas zurückzuckte. Ihm war klar: John machte keine leeren Drohungen, sondern meinte es, im wahrsten Sinne des Wortes, todernst. *So klar wie es nur geht, Rotauge.*bejahte er.
Daraufhin entspannten sich die Gesichtszüge des Titanen. Er nahm die Hand vom Griff der Waffe und legte sie wieder Mut machend auf Feyths Kopf, während er freundlich meinte: „Ich bin froh, das ihr eingewilligt habt Dun'var. Nun können wir unser Gespräch endlich wie zivilisierte Leute fortsetzen. Also, weshalb seid ihr uns gefolgt?" Schattenklaues Auge verengte sich ein Stück weit, als er antwortete: *Ihr besitzt einen eigenartigen Charakter, Drachenkrieger. Um eure Frage zu beantworten: Ich wollte eine alte Freundin vor einem grausamen Schicksal bewahren.* „Ihr meint Alanna?" *Ja. Als Tymdek mir gestern erzählte, was geschehen war, wurde ich krank vor Sorge. Wer würde euch daran hindern sie einfach rachsüchtig zu ermorden? Das konnte ich nicht zulassen.* erklärte der mitternachtsblaue Drache und sein Blick huschte kurz hinüber zu Alanna, die das Gespräch bisher angespannt verfolgt hatte.
Auch der Colonel sah geschwind über die Schulter nach hinten und nickte dann ernst. „Ich verstehe. Natürlich würdet ihr so etwas annehmen. In diesem Sinne kann ich euch jedoch beruhigen. Ich bringe sie lediglich zu Meister Eragon, damit dieser sie von ihren magischen Fesseln befreien kann. Ihm musste ich sogar einen Schwur in der Alten Sprache leisten, Alanna und Keno auf dem Weg zum Drachenberg zu beschützen." Eine kleine Rauchwolke stob aus Dun'vars Nüstern als er überrascht erwiderte: *Ein Schwur gegenüber dem Schattentöter? Dann waren meine Sorgen also unbegründet?* „Eure Sorgen? Nein. Unser Kampf? Vielleicht. Hätte Feyth mir nicht erzählt, dass ihr früher schon versucht habt sie zu töten, wäre dieses Gemetzel wahrscheinlich zu vermeiden gewesen. So ging halt etwas die Wut mit mir durch. Ich hasse Personen, die meinen besser als andere zu sein und dies durch Gewalt zu zeigen." entgegnete John.
Sein Blick wurde ernster.
Schattenklaue schloss einige Sekunden lang sein Auge, bevor er eine Art lauten Seufzer ausstieß und beschämt antwortete: *Ich würde der kleinen Feyth niemals etwas antun. Ansonsten könnte ich meinem Bruder nie wieder in die Augen sehen. Es war nur eine spielerische Drohung, um ihn für einen kleinen Kampf zu motivieren.*
Die Hand des Titanen ballte sich zur Faust und er musste sich zurückhalten, um den Drachen nicht in die verletzte Schnauze zu treten. „Ihr habt mit den Gefühlen eines wehrlosen Kindes gespielt, nur um einen sinnlosen Kampf zu provozieren?" fauchte er und eine Maske des Zorns überkam sein Gesicht. Ohne groß darüber nachzudenken riss er Larva mit einem Ruck aus dem Sand und hielt es schräg nach unten gerichtet. Die blutrote Klinge funkelte regelrecht in der aufgehenden Sonne.
Furcht kehrte in Dun'vars Blick zurück und Alanna packte panisch den Arm des Soldaten. „John, bitte! Was auch immer er gesagt haben mag, tut das nicht!" flehte sie, aber der Colonel scherte sich nicht darum. „Ihr widert mich an, Drache!" spie er stattdessen aus. Der große Drache winselte leise, ein Geräusch, das John niemals von jemandem wie Schattenklaue erwartet hätte. Entschuldigend murmelte das Reptil: *Es tut mir Leid. Ich habe damals nicht einmal daran gedacht, was sie dabei fühlen würde. Es war naiv zu glauben, sie würde es als Spaß verstehen, wie ich es geplant hatte. Verzeiht.* Der Titan hatte die Waffe mitsamt Alanna, die sich verzweifelt an seinen Arm klammerte, schon halb emporgehoben, als er vollkommen von Feyth überrumpelt wurde.
Das kleine Drachenmädchen sprang plötzlich von seinen Schultern hinab auf den Kopf ihres Onkels, drehte sich zu ihrem Beschützer um und fiepte leise. *I – ich verzeihe ihm.* flüsterte sie, wobei ihr gesamter Körper vor Angst zitterte.
John erstarrte mitten in seiner Bewegung, schüttelte kurz den Kopf und blickte dann verwirrt auf das Schwert, welches er in der Hand hielt. Angewidert von sich selbst warf er die rote Klinge zu Boden.
„Ihr könnt mich loslassen Alanna." murmelte er entschuldigend. Nur widerwillig, kam diese seiner Bitte nach.
Hatte er gerade ernsthaft vorgehabt Feyths Onkel nur wegen eines Missverständnisses umzubringen?
'Ein kleines Mädchen besitzt den Mut ihm zu verzeihen und ich bringe ihn für etwas um, das im Endeffekt nur ein schlechter Scherz war? Verliere ich jetzt schon den Verstand?' fragte er sich selbst und schlug mit der flachen Hand gegen seine Schläfe. Mit gesenktem Kopf meinte er: „Entschuldigt, Dun'var, ich weiß nicht, was gerade in mich gefahren ist. Wenn Feyth euch für eure Fehler vergibt, werde ich dies akzeptieren. Es soll kein böses Blut zwischen uns entstehen." *Ich – verstehe Rotauge. Auch mir wäre es recht euch meinen Freund, anstatt Feind zu nennen. Außerdem muss ich noch einiges gut machen für das was ich getan habe, nicht war Kleine?* erwiderte Schattenklaue erleichtert und hob seinen Kopf etwas an, damit das Drachenmädchen zurück auf die Schultern des Titanen springen konnte. Genau das tat Feyth auch, jedoch schleckte sie zuvor noch kurz über die doch relativ schmale Wunde auf Dun'vars Schnauze. Erst dann schmiegte sie sich wieder an Johns Hals und blickte ihren riesigen Artgenossen mit großen Augen an. Der Soldat konnte noch immer deutlich ihre zitternden Muskeln unter dem grünen Schuppenkleid fühlen.
Dieser kleine Sprung hatte ihr einiges abverlangt.
Beruhigend kraulte er sie am Kinn und lächelte freundlich. *Mein Bruder hatte recht. Ihr seid ein wirklich merkwürdiger Zweibeiner, im positiven Sinne versteht sich. Das Schicksal hätte keinen besseren auswählen können, um auf die kleine Feyth aufzupassen.* meinte der blaue Drache gutmütig, woraufhin allerdings das Lächeln vom Gesicht des Titanen verschwand und einer ausdruckslosen Miene Platz machte. „Unser Kampf besaß also doch eine Bedeutung, Dun'var. Allerdings rate ich euch, nicht noch einmal mit der Intension mich töten zu wollen anzugreifen." erklärte er nüchtern und richtete sich zu voller Größe auf.
Schattenklaue zwinkerte zustimmend. *Ich habe es während unseres Kampfes gespürt, Rotauge. Ihr wart nicht darauf aus, mich zu töten, ansonsten wäre das Gefecht bereits beendet gewesen, als ihr den freien Schlag gegen meinen Kopf führen konntet. Euch fehlt vielleicht die körperliche Stärke eines Drachens, aber eure Geschicklichkeit und Kampferfahrung übertreffen die meinen um Welten. Ich muss noch viel im Kampf gegen Zweibeiner lernen, um euch ebenbürtig zu sein, Drachenkrieger.* „Es spricht für euch, dass ihr diese Tatsache trotz der Hitze des Gefechts erkannt habt." erwiderte John trocken und dachte insgeheim: 'Besser gesagt, er hatte Glück, dass sich meine aggressive Persönlichkeit unbewusst daran gehalten hat, keine tödlichen Wunden zuzufügen und Nummer Vier erst an die Oberfläche kam, als der Schaden an meinem Körper bereits zu groß war, um lange bei Bewusstsein zu bleiben.'
*Vergesst nicht, dass ich immer noch in eurem Kopf bin, Meister Miller.* unterbrach Schattenklaue seine Gedanken. Skeptisch zog der Titan eine Augenbraue empor. „Dafür zeigt ihr euch aber relativ unbeeindruckt von meinen Gedanken. Daher nehme ich an, dass ihr davon bereits Kenntnis besitzt." *In der Tat. Die Werkatze erzählte mir davon, während ihr mit der Kräuterhexe allein wart.* „Und was haltet ihr davon? Beunruhigt es euch?" fragte der Colonel, während er deutlich spüren konnte, dass Feyth wissen wollte wovon sie redeten. Dun'var schüttelte kaum merklich den Kopf. *Euer Verstand mag eigenartig sein, doch er ist es mit Sicherheit nicht ohne Grund. Was auch immer euch in der Vergangenheit zugestoßen sein mag, Rotauge, es muss so grauenvoll gewesen sein, das schwächere Männer daran zerbrochen wären. Ihr jedoch nicht.*
„Eine wohl überlegte Annahme." entgegnete der Soldat ernst.
*Es gibt nur eine Sache, die selbst mir einen Schauer über den Rücken jagt und dessen Auswirkungen ich vor ein paar Stunden selbst erleben konnte. Das Untier, das tief in euch vergraben liegt.*fügte der Drache knurrend hinzu und verlagerte sein Gewicht etwas, sodass er nun auf dem Bauch, anstatt der Flanke lag. „Verständlich." bemerkte der Soldat kühl und musste sich unwillkürlich an den linken Oberarm fassen, als die Naniten schmerzhaft damit begannen die Muskelsehnen wieder an den angestammten Plätzen am Knochen zu fixieren.
Das kleine Drachenmädchen auf seinen Schultern winselte leise, da sie seine Schmerzen verspürte und schleckte ihm aufmunternd über die Wange. „Danke, Feyth." sagte er, so gefühlvoll er konnte und trat zwei Schritte zurück, als der mitternachtsblaue Drache vor ihm sich langsam erhob.
Er war wirklich ein Gigant, der selbst Tymdek noch um ein paar Meter überragte. Ein paar kleine Blutstropfen fielen von der noch frischen Wunde in seiner Schnauze zu Boden, schienen ihn jedoch nicht sonderlich zu stören. Im Gegensatz zu Keno, der kleinlaut fragte: „Erlaubt ihr mir die Wunde zu versorgen Dun'var-Elda?" Der Junge war während der gesamten Konversation still im Hintergrund gestanden und hatte aufmerksam gelauscht. *Nein, junger Keno. Diese Narbe werde ich wie die anderen mit Stolz tragen. Trotzdem verdanke ich dir mein Leben, denn die Verletzung in meiner Brust wäre sehr wahrscheinlich tödlich gewesen.* lehnte der Drache dankend ab. „Das ist korrekt. Ein zertrümmertes Sternum und ein durchbohrter Lungenflügel. Du hattest dabei Hilfe, nehme ich an?" stimmte John analytisch zu, woraufhin der Drachenreiter mit zusammengepressten Lippen nickte. „Meisterin Alanna hat mir die Sprüche genannt, die man benötigt, um solche Verletzungen effektiv zu heilen."
Dun'var beugte seinen Kopf zu der Elfe hinunter und blies ihr spielerisch eine Rauchwolke ins Gesicht. *Die Droge verhindert, dass ich mit ihr reden kann, bitte teilt ihr meinen Dank mit.* bat er höflich. „Er bedankt sich für eure Hilfe, Alanna." wiederholte der Titan nüchtern. Die Elfe umarmte fest die Schnauze des Drachens und murmelte etwas in der Alten Sprache. 'Das erste was ich tun werde, nachdem wir am Drachenberg ankommen und ich mit Eragon gesprochen habe, wird sein, dass ich um ein Wörterbuch für diese Sprache bitte.' beschloss er ernst, war Alanna jedoch nicht böse, dass sie sie verwendete. Er selbst hatte schließlich auch Geheimnisse, die nicht jeder kennen sollte. Dann wandte sich Schattenklaue wieder ihm zu.
*Ich werde euch nun verlassen. Die Sonne ist bereits aufgegangen und die Temperatur steigt rasant. Ihr solltet diese Wüste sobald es geht hinter euch bringen, Rotauge, es ist kein Ort für Zweibeiner, selbst solch mächtige wie ihr.* „Wir hätten sie bereits hinter uns, wärt ihr nicht aufgekreuzt." merkte der Soldat trocken an, was dem Drachen ein grollendes Lachen entlockte. *Wie wahr, Drachenkrieger. Jedenfalls entschuldige ich mich noch einmal vielmals, für die Missverständnisse und danke euch für den aufregendsten Kampf meines Lebens. Daran werde ich noch eine lange Zeit denken.* „Ich bin froh, dass sich die Situation doch noch so gut entspannt hat. Tymdek und Saphira wären wohl nicht gerade glücklich darüber gewesen, wenn ich euch im Affekt getötet hätte. Auf den Zorn der beiden verzichte ich gerne." *Es wäre allein meine Schuld gewesen. Ich werde in Zukunft besser darauf achten müssen wen und weshalb ich angreife.* „Das wäre in der Tat äußerst hilfreich."
Der Gigant breitete seine gewaltigen Schwingen aus und erzeugte damit einen riesigen Schatten. *Ihr seid also auf dem Weg zum Drachenberg?* hakte er dann noch einmal nach. „Ja." antwortete John nickend und wusste schon jetzt, worauf Schattenklaue hinaus wollte, bevor dieser es überhaupt aussprach.
Und er behielt recht.
*Gut. Ich denke es wäre mal wieder an der Zeit, meiner Mutter einen Besuch abzustatten.*
„Ich nehme an, es nützt nichts, wenn ich nicht damit einverstanden bin, dass ihr uns begleitet?"
*Habt ihr bereits gelernt Gedanken zu lesen? Ich habe noch etwas Wichtiges zu erledigen, bevor ich aufbrechen kann, aber ihr braucht nicht auf mich zu warten. Ich werde euch schon auf dem Weg finden.*
„Das werde ich zu verhindern wissen. Ein Drache eures Kalibers würde zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen." widersprach der Titan, woraufhin sich Dun'var motiviert die Lefzen leckte.
*Ihr könnte es gerne versuchen, Rotauge. Ich liebe eine gute Herausforderung.*
Mit mehreren kräftigen Flügelschlägen hob er schwerfällig vom Boden ab, wobei er Unmengen an Sand aufwirbelte. Instinktiv musste die kleine Gruppe ihre Augen zukneifen, um keine Sandkörner abzubekommen. Erst als der erzeugte Wind abschwächte öffneten sie wieder, nur um Dun'var schon einige Dutzend Meter über ihren Köpfen kreisen zu sehen. *Bis in ein paar Tagen, Drachenkrieger. Achtet gut auf Alanna!* knurrte Schattenklaue amüsiert zum Abschied, dann drehte er Richtung Gebirge ab.
Entnervt fuhr sich John quer über das Gesicht.
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[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die Drachenreiter
FanficDer Soldat John Miller findet sich nach einem schrecklichem Unfall an den Ufern eines ihm unbekannten Landes wieder. Schon sehr bald wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr in seiner eigenen Welt befindet. So also macht er sich auf den Weg, die Dr...