Von Jägern und Gejagten

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„Das ist echt unglaublich. Ich mein, der Wald sah von oben schon sehr dicht aus, aber dass wirklich fast sämtliches Licht abgeblockt wird? Da muss ja im Prinzip irgendwo Magie ihre Finger im Spiel haben." meinte Robert staunend, während er sich zusammen mit Steven durchs dschungelartige Unterholz schlug. Der Sergeant vor ihm zuckte unwissend mit den Schultern und entgegnete: „Keine Ahnung. Du hast die Bücher gelesen, nicht ich. Aber recht haste. Dieser Wald ist echt verdammt stark bewachsen, in ein paar Stunden wird es wohl stockduster sein, ohne die Sonne." „Wahrscheinlich." murmelte der Pilot nickend. Coule sah kurz nach oben in die Baumwipfel, wo hin und wieder ein mikroskopisch großes Stück Himmel zwischen dem Laubwerk hindurch blitzte.

Sie waren noch nicht weit von Tymdeks Höhle entfernt, vielleicht vier Kilometer, doch der Soldat war sich sicher, dass ein normaler Mensch niemals zurück gefunden hätte. Zu dicht war das Gehölz und die einzelnen Bäume wirkten so, als hätte sie jemand hundertfach kopiert und in die Landschaft gesetzt. Sie sahen sich wirklich derart ähnlich, dass selbst ein Titan wie er, Schwierigkeiten hatte, sie auseinander zu halten, trotz des künstlich verbesserten Gedächtnisses. Sein Blick huschte wieder nach vorn und mit einer geballten Faust bedeutete er Holsted stehen zu bleiben. „Was gefunden?" wollte Robert wissen, als Steven in die Hocke ging, um einen großen Strauch näher zu betrachten. „Sieht danach aus. Schau, hier sind einige Äste kahlgefressen und abgeknickt worden." antwortete der Sergeant und betastete vorsichtig einige der heruntergerissenen Zweige. Dabei bemerkte er die Spuren, die das Tier beim fressen hinterlassen hatte und pfiff beeindruckt.

„Mein Fresse, was auch immer den Busch halb kahl gefressen hat, muss riesig sein. Sieh dir diese Hufabdrücke an! Die sind fast so groß wie meine Hand." Demonstrativ hielt er seine Hand neben den tiefen Abdruck eines Paarhufers im feuchten Waldboden. Der Major beugte sich über ihn und staunte nicht schlecht als er die Größe miteinander verglich. „Wow! Was meinst du, um was für ein Tier es sich dabei handelt?" Coule überlegte kurz und fuhr nachdenklich die Umrisse des Hufabdrucks mit den Fingern ab. Dann erwiderte er: „Nun, der Form nach sieht es einem Wildschwein sehr ähnlich, aber das Tier müsste größer sein als ein Pferd, wenn das stimmt. Gibt es so etwas in diesem Land?"

Jetzt war Holsted an der Reihe seine grauen Zellen etwas anzustrengen. „Lass mich kurz nachdenken. Hhm. Ja, doch, ich erinnere mich. Es gibt Tiere, die auf diese Beschreibung passen. Man nennt sie Nagra und für gewöhnlich findet man sie nur im Beor-Gebirge. Aber laut der Karte ist das hier ja auch einer der Ausläufer davon, also kann es gut sein, dass es so ein Vieh ist." meinte er schließlich und trat einen Schritt zurück, da Steven sich wieder aufrichtete. „Ein Nagra also, irgendwas Wichtiges was ich über die Dinger wissen sollte?" fragte der Sergeant weiterhin. „Naja, nicht wirklich. Es sind im Prinzip nur gigantische Wildschweine mit enormer Kraft und Schnelligkeit." entgegnete Robert schulterzuckend, woraufhin Coule das Zeichen zum Weiterlaufen gab. „Alles klar. Die Fährte ist auf jeden Fall noch sehr frisch, maximal zwei Stunden alt. Wenn das Vieh wirklich so groß ist, kommt es in dem dichten Grünzeug hier nur langsam voran und wird eine leicht zu verfolgende Spur hinterlassen. Wir dürften es rasch eingeholt haben, mir nach." „Du bist der Spürhund, ich folge."

Steven grunzte amüsiert.

„Zumindest werden wir genug zu futtern für die Kleinen ranschaffen können. Da fällt bestimmt auch noch was für mich ab, vorausgesetzt die anderen Eier schlüpfen nicht, während wir weg sind." „Das wäre wohl ein bisschen zu viel Zufall, selbst für uns." bemerkte der Pilot grinsend, wurde einige Schritte weiter jedoch wieder etwas ernster.

„Steven?"
„Hhm?"
„Glaubst du das fehlgeschlagene Experiment ist wirklich der Grund dafür, dass sich die Seele von Tymdeks Tochter aufgespalten hat?"
„Schon, irgendwie. Ich mein, die Beweise sind ziemlich eindeutig, wenn du mich fragst."
„Ich weiß, nur – was meinst du wie Vater darauf reagiert hat, als er es erfahren hat?"

Der Sergeant sah kurz über seine Schulter zurück und schwieg einige Augenblicke lang, bevor er leise sagte: „Nicht gut und es macht es nicht besser, dass er die volle Verantwortung für den Unfall übernommen hat."

Robert nickte stumm.

„Das befürchte ich auch."
„Hoffentlich hat die kleine Feyth es geschafft, ihn irgendwie von seinen Erinnerungen abzulenken, zumindest scheint er sie ja direkt ins Herz geschlossen zu haben, wenn man Tymdeks Worten trauen kann."
„Es ist, soweit ich weiß, äußerst schwer jemanden anzulügen, mit dem man in telepathischer Verbindung steht und Tymdek macht mir nicht den Eindruck, als würde er es versuchen."
„Das wollte ich auch nicht damit andeuten."
„Schon klar. Fest steht jedenfalls: Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass Feyth etwas passiert. Ansonsten, würde Vater daran vollkommen zerbrechen. Noch einen solchen Verlust übersteht sein Verstand nicht."

„Worauf du einen lassen kannst! Ich werde im Albatross leben, bis Mark ihn repariert hat und wir damit zu ihnen fliegen können! Feyth ist jetzt ein Teil unserer Familie und niemand rührt unsere Familie ungesühnt an!" knurrte Steven und ballte die linke Hand zur Faust. „Dann musst du aber mein Schnarchen verkraften können, denn ich werde im Pilotensitz schlafen." meinte der Major auflockernd und beide Titanen lachten herzhaft. „Wird schon werden, Paps hat es schließlich auch geschafft auf uns aufzupassen, da kommt er sicher ohne Probleme mit einem kleinen, niedlichen Drachenmädchen zurecht." bemerkte Coule scherzhaft, sah kurz zu Boden, wo er weitere Spuren entdeckte undpasste seinen momentanen Kurs daran an. „Vermutlich." stimmte Holsted immer noch leise lachend zu und spähte nach oben ins Geäst der hohen Bäume, wo sich Eichhörnchen und Vögel nur so tummelten.

Ein gutes Zeichen, denn es bedeutete in der Regel, dass keine Räuber in der Nähe waren.

Während sie also weiter durch den Wald streiften, immer noch der Spur des riesigen Nagras folgend, musste Steven an das grüne Drachenmädchen denken, dass ihn vorher mit zweien seiner Geschwister spielerisch angefallen hatte. Sie hatte am wenigsten der drei auf seinem Gesicht herumgeturnt und sich nachher als Einzige dafür entschuldigt. Vor allem der Blick aus ihren großen, grünen Kulleraugen hatte ihn all die Schmerzen sofort vergessen lassen. 'Echt ein putziges Mädel, so langsam verstehe ich, warum Shenmi so sehr in Drachen vernarrt ist.' dachte er sich und betastete musternd einen Baumstamm, dessen Rinde auf Brusthöhe fast komplett abgeschliffen war.

Ein Büschel dunkelbrauner, borstiger Haare hatte sich im austretenden Harz verfangen. Fasziniert zog er das Fellbüschel von der klebrigen Substanz ab, wobei er bemerkte, dass das Harz noch nicht verhärtet war. Das Tier konnte nicht mehr weit entfernt sein! Aufmerksam sah er sich um, doch noch konnte er das gigantische Wildschwein nirgends entdecken.

„Vorsicht Robert, das Harz hier ist frisch und von der Höhe dieser Kratzspuren nehm ich an, dass das Ding ne Schulterhöhe von knapp zwei Metern hat. Ab sofort ist Schleichmodus angesagt, wir können jeden Augenblick auf das Tier stoßen." teilte er seinem Bruder mit, der verstehend nickte. „Roger, ich folge dir auf dem Fuße." Beide nahmen ihre jeweilige Waffe schussbereit in die Hände und schritten im Gänsemarsch, Coule voraus, weiter der Fährte hinterher.

Im Gegensatz zu zuvor, achteten sie dieses Mal jedoch darauf, so wenig Lärm wie möglich zu machen, was bedeutete auf jeden einzelnen ihrer Schritte zu schauen, um nicht unnötigerweise auf einen Ast oder dergleichen zu treten. Vereinfacht wurde ihnen das vom Nagra Höchstselbst, da es durch seine enorme Masse eine regelrechte Schneise im dichten Unterholz hinterlassen hatte.

Die Minuten verstrichen langsam, während sie leicht geduckt vorwärts schlichen und Stevens Haltung wurde angespannter. Immer wieder warf er einen Blick auf ihre Umgebung und auch in die Baumwipfel.

Etwas stimmte nicht.

Die Vögel und die Eichhörnchen waren wie vom Erdboden verschluckt und bis auf weitentfernte Hintergrundgeräusche umgab sie eine bedrohliche Stille. 'Irgendein Räuber muss die Tiere verscheucht haben. Wir sollten aufpassen, wer weiß was sich hier sonst noch so herumtreibt, wenn Beutetiere wie dieses Nagra schon größer sind als ein Pferd.' stellte der Sergeant fest und verstärkte noch einmal den Griff um seine Maschinenkanone. Schließlich drängte sich leise das Rauschen eines nahen Baches in ihre Ohren und noch etwas anderes. Ein tiefes Grunzen und Wasserplatschen.

Sofort erhob Steven die rechte Faust und teilte Robert über Funk mit: „Ungefähr zwanzig Meter vor uns, leicht nach links versetzt ist das Nagra am Bach, direkt hinter dieser Buschreihe dort. Wir werden nur einmal die Möglichkeit für einen klaren Schuss haben, wenn wir die verbocken, heißt es improvisieren." „Alles klar. Wir schießen beide, oder nur du?" antwortete der Pilot und blieb hinter ihm stehen. „Mit der Pistole, ja, da schießen wir beide. Mit der Maschinenkanone würde vermutlich nicht viel mehr als Hackfleisch übrig bleiben, hab leider nur HEDP-Mun dabei." erklärte der Sergeant. „Du bist ein echter Held." seufzte sein Bruder und schüttelte belustigt den Kopf. „Woher soll ich denn auch wissen, dass wir auf die Jagd nach Wild gehen?" versuchte Steven sich zu wehren, musste jedoch auch über seine eigene Schusseligkeit grinsen.

Ein lautes Zweigknacken einige Meter neben ihnen ließ ihre Köpfe in diese Richtung schnellen. Coules Augen verengten sich, als er die Stelle absuchte, von der das Geräusch gekommen war, aber es gab nichts zu sehen. Für den Sergeant stand nun allerdings eindeutig fest, dass sie beobachtet wurden.

Von was auch immer.

„Wir haben Gesellschaft und vermutlich nicht die freundliche Art. Keine Ahnung, ob sie hinter uns oder der Wildsau her sind. Halte die Augen offen und mach dich auf einen Angriff gefasst." meinte er und Holsted nickte zustimmend. „Dacht ich mir bereits. Es ist zu still. Mal schauen, was da mit uns auf der Lauer liegt." „Wir werdens sehen. Jetzt erst einmal vorsichtig durch die Büsche und das Nagra erledigen, danach wissen wir sehr wahrscheinlich was es ist." „Wie du meinst."

Behutsam, um das riesige Wildschwein nicht noch mehr aufzuscheuchen robbten sie sich unter den dicht begrünten Zweigen des Gestrüpps hindurch und bekamen dann ihre Beute ins Blickfeld. Wie von Steven vorhergesagt, stand das Nagra links vor ihnen im seichten Bach und trank aus dem kristallklaren Wasser. Hauer so lang wie der Arm eines ausgewachsenen Mannes, ein muskelbepackter Körper der von einem rot-braunen Fell überzogen war und weitaus größer als ein Pferd. Um genau zu sein reichte sein Rückenbuckel wohl fast bis an Roberts Kinn und dieser war mitsamt dem Atlas knapp über drei Meter groß. Ein wahrliches Monstrum dieser Keiler. Glücklicherweise schien das Nagra sie nicht bemerkt zu haben, denn es ging fröhlich grunzend weiter seiner Tätigkeit nach.

'Unfassbar, das Vieh is noch größer, als ich dachte.' dachte Steven, sicherte die Maschinenkanone, zog seine eigene Pistole aus der Halterung an der Hüfte, entsicherte sie und legte an. Neben ihm tat der Major das gleiche mit seiner eigenen Waffe. Jeweils ein Schuss aus beiden Pistolen würde vollkommen ausreichen das Tier zu erlegen, vorausgesetzt, sie zielten genau. Erleichtert wurde ihnen das, als der Keiler sich halb zu ihnen umdrehte und so den Kopf präsentierte.

„Also schön, auf drei, ja?"
„Roger."
„Eins. Zwei. Drei!"

Fast auf die Millisekunde genau hallten zwei laute Schüsse Wald und das Nagra kippte getroffen zur Seite Weg, wodurch das Wasser teilweise aus dem Bach schwappte. Coule und Holsted sprangen auf, rissen dabei einen großen Teil des Gestrüpps aus dem Boden und eilten zum noch leicht zuckenden Wildschwein hinüber. Ein Arzt brauchte jedoch keiner von ihnen zu sein, das Tier war tot. Beide Kugeln hatten ihr Ziel gefunden und den Schädel des Nagra komplett zerfetzt. Überall um den Leichnam herum fanden sich einzelne Stücke von Schädelknochen und Gehirnmasse wieder, ganz zu schweigen von dem Blut, welches das zuvor noch kristallklare Bachwasser in eine rote Brühe verwandelte.

„Guter Schuss. Zumindest musste es nicht leiden." bemerkte Robert bestimmt, während beide Soldaten wieder ihre Waffen sicherten und holsterten. „Das ist das Mindeste. Komm, pack mal mit an. Wir müssen den Bachlauf nicht auch noch mit Gewalt verschmutzen." entgegnete Steven und erhielt vom Piloten einen fragenden Blick, als er die Maschinenkanone entsicherte. „Vorsicht ist besser als Nachsicht." kommentierte der Sergeant.

Zusammen packten sie das gigantische Wildschwein an Vorder- und Hinterläufen, hievten es ohne große Mühe aus dem Wasser und platzierten es auf eine relativ Kahle Stelle am Waldboden, die sie eiligst mit den Füßen freigeschaufelt hatten.

Sie kamen aber nicht dazu, sich zu entspannen.

Ein lautes, mehrstimmiges Knurren ließ die beiden Titanen auf der Stelle herumfahren.

„Fuck! Ich wusste es!" knurrte Steven und legte die Maschinenkanone an, wohingegen Robert eiligst seine Pistole zog und entsicherte. Sie waren umringt von fünf wolfsartigen Wesen, jedes einzelne mindestens so groß wie ein Pferd, mit funkelnden, gelben Augen und grau-schwarzem Fell. Sie zeigten ihre dolchartigen Zähne, knurrten und fauchten, während sie das Gespann immer wieder umkreisten. 'Shrrg!' schoss es dem Major instinktiv durch den Kopf. „Klasse! Sag mal habe ich eigentlich irgendwo einen Scheißemagneten an mir hängen?" beschwerte sich Coule sarkastisch, während er von einem gigantischem Wolf zum Nächsten zielte.

Dieses Abtasten des jeweils anderen ging einige Sekunden so weiter. Die Shrrgs griffen nicht an und auch die Soldaten eröffneten nicht das Feuer.

„Was jetzt? fragte Holsted angespannt. „Nun, zwei Möglichkeiten, wir warten bis sie angreifen und metzeln sie dann alle nieder, oder aber wir legen einen von ihnen um und hoffen, dass der Rest Schiss bekommt. Ich wäre für Option Zwei zu haben." erklärte der Sergeant, woraufhin Robert zustimmend nickte. „Du bist der Boss momentan. Gib mir nur ein Ziel." „Siehst du den Kerl da mit der braunen Schnauze?" „Ja!" „Er ist der größte, vermutlich der Alpha. Wenn wir den erwischen ziehen die anderen vielleicht den Schwanz ein. Räuber wie die, sind es nicht gewohnt selbst gejagt zu werden." „Roger, sag wann es losgeht." „Jetzt!" brüllte Steven und beide Soldaten eröffneten gleichzeitig das Feuer, auf das abgesprochene Ziel.

Der Shrrg hatte nicht den Hauch einer Chance, der Attacke auszuweichen. Die 30mm HEDP-Munition der Maschinenkanone zerfetzte den riesigen Wolf geradezu und seine Gedärme wurden über das gesamte Umfeld verstreut.

Allerdings hatte der Angriff nicht die gewünschte Wirkung, im Gegenteil.

Geradezu wie besessen stürzten sich die verbliebenen vier Räuber auf die Titanen. Coule schaffte es gerade noch einen weiteren Wolf zu erledigen, bevor der dritte ihn erreicht hatte und mit schnappenden Kiefern anfiel. Holsted erging es ähnlich, nur konnte er seinen Gegner nicht töten, sondern verletzte ihn lediglich am rechten Vorderbein und setzte einen Streifschuss am Schädel vorbei. Das angeschossene Tier winselte vor Schmerzen, doch das Momentum seines Sprungs trug ihn trotzdem gegen den Soldaten. Gleichzeitig stürzte sich der vierte Shrrg von hinten auf den Piloten, der Mühe hatte das Gleichgewicht zu behalten.

Steven hatte inzwischen die Bissattacke seines Gegners unterbunden, indem er die Maschinenkanone ins Maul des Wolfs stopfte. Erst jetzt zog er das Kampfmesser, eine Spezialanfertigung für ihn, mit doppelt so langer Klinge wie die des normalen Modells und stach damit auf den Kopf des Raubtiers ein. Das hatte allerdings, in weiser Voraussicht, bereits von ihm abgelassen, wich so dem Angriff aus und packte nun seinerseits die messerführende Hand des Soldaten mit eisernem Biss.

Einem normalen Menschen hätte das wohl ohne Zweifel den ganzen Arm, oder zumindest die Hand gekostet, aber einen Titanen juckte solch ein Angriff kaum. Harmlos kratzten die rasiermesserscharfen Zähne über die dicke Panzerung des Atlas und Steven nutzte die Verwirrung des Tieres aus, um ihm sein Knie in den Magen zu stoßen. Sofort ließ der Wolf jaulend von seinem Handgelenk ab, doch der Sergeant setzte nach, packte den Shrrg mit dem linken Arm in einen Würgegriff und trieb ihm das Messer bis zum Anschlag in den Schädel, sodass es im Genick wieder austrat.

Er war sofort tot.

Mit knirschenden Zähnen zog er die blutverschmierte Klinge aus dem Kadaver und drehte sich hilfsbereit zu Robert um.

Der Pilot hatte in der Zwischenzeit dem ohnehin schon angeschossenem Tier einen Kinnhaken verpasst, der es sauber ausgeknockte. Zudem hatte er den Wolf auf seinem Rücken an den Pfoten gepackt und versucht gegen den nächstbesten Baum zu werfen, doch der Shrrg hatte den Biss um seinen gepanzerten Hals nicht aufgegeben weshalb er nur vor seiner Brust hing, anstatt winselnd auf dem Boden zu liegen.

Das ließ der Major sich aber nicht gefallen, umfasste mit der rechten Hand den Unterkiefer, mit der Linken den Oberkiefer und stemmte dann unter enormer Kraftanstrengung das Maul auf. Gleichzeitig trat Steven von rechts mit voller Wucht gegen den Wolf und beförderte ihn mit mehreren gebrochenen Rippen gen Waldboden. Das Tier spürte allerdings schon gar nichts mehr davon, da Robert den Kiefer festgehalten hatte und daher sein Genick unter der extremen Krafteinwirkung brach.

Der gesamte Kampf hatte nicht mehr als drei Minuten gedauert.

„Verfluchte Tölen! Die müssen ja echt ausgehungert gewesen sein, uns anzugreifen, obwohl ihr Alpha in blutiges Konfetti verwandelt wurde." knurrte Coule und wusch sein blutverschmiertes Messer im kleinen Bach ab, bevor er es zurück in die Halterung schob. „Es war nicht ihr Fehler. Sie sind nur ihren Instinkten gefolgt und waren einfach zur falschen Zeit am falschen Ort." widersprach Holsted bedauernd und trat hinüber zum letzten, laut röchelnden Überlebenden. Der Sergeant seufzte leise und schloss für einen kurzen Moment die Augen. „Da hast du wohl recht." Dann ging auch er hinüber zum schwer verletzten Wolf.

Er sah wirklich schlimm aus. Das Kniegelenk im rechten Vorderbein war von der 12,7mm Kugel vollkommen zerstört und der gesamte Kiefer von Roberts Fausthieb zertrümmert worden. Zudem schien der Streifschuss am Kopf einen großen Teil des linken Ohrs mitgerissen zu haben. Selbst wenn das Tier diese ungeheuren Verletzungen überleben sollte, würde es nie wieder alleine jagen oder fressen können. Das sichere Todesurteil für ein Raubtier.

„Tut mir echt leid, Kleiner. Wärst du uns nicht über den Weg gelaufen hättest du irgendwann vielleicht mal deinen Boss herausfordern können. Jetzt können wir dir lediglich das grausame Schicksal eines Hungertods ersparen." sinnierte der Pilot und setzte seine Pistole, die er zuvor vom Waldboden aufgelesen hatte, an die Stirn des großen Wolfs. Steven stand schweigend daneben und hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

Einen Fingerzug mit anschließendem lautem Knall später war das Tier endlich von seinen Qualen erlöst.

„Ach das ist doch echt Scheiße man! Wieso muss eigentlich immer ich dabei sein, wenn so ein Bullshit passiert?" fluchte Coule und trat einen herumliegenden Ast bei Seite.

Sie wollten gerade damit beginnen die Leichname der Shrrgs, zumindest von den dreien, die man noch als solche erkennen konnte, zusammenzuräumen, als der Sergeant eine große, flauschige Katze entdeckte, die in einigen Metern Entfernung auf einem Baumstumpf saß und die Titanen mit ihren krellgelben Augen beobachtete. Die beiden erstarrten in ihren Bewegungen. „Das ist doch wohl jetzt ein schlechter Scherz oder?" kommentierte Steven genervt und fuchtelte mit der Hand umher. „Riesige Wildschweine. Gigantische Wölfe. Überdimensionierte Katzen. Was kommt als nächstes? Sprechende Regenwürmer? Verzieh dich Fellknäul, oder ich verpass dir ein zweites Arschloch. Ich bin grad echt nicht in der Stimmung für noch mehr Schwachsinn."

*Eine gewagte Ausdrucksweise, Titan. Ihr solltet froh sein, diese Rüstung zu tragen, ansonsten würde ich euch für diese Beleidigung die Augen auskratzen.* antwortete ihm eine bissige, männliche Stimme in Gedanken, woraufhin der Kiefer des Soldaten nach unten klappte.

Roberts Augen verengten sich, als er die fremde Kreatur fixierte. „Ihr seid eine Werkatze." stellte er angespannt fest, was ihm ein zutrauliches Zwinkern des hellbraunen Katers einbrachte. *Äußerst scharfsinnig. Ihr gefallt mir, nicht so eingebildet, wie euer Kamerad.* „Ihr habt uns gerade Titanen genannt, woher wisst ihr wer wir sind, Werkatze?" verlangte der Pilot zu wissen, aber das Tier antwortete nicht. Stattdessen raschelte das Unterholz hinter ihm und das laute Fluchen einer Frau hallte eindeutig durch den Wald.

Instinktiv richteten sowohl Robert, als auch Steven ihre Waffen auf den Punkt hinter der Werkatze und staunten nicht schlecht, als sich eine kleingewachsene Frau aus dem Gestrüpp hervor kämpfte, gefolgt von mehreren hünenhaften Gestalten, mit langen Hörnern auf den Köpfen und grauer Haut.

„Ach du meine Güte! Was ist denn hier passiert?"



[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die DrachenreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt