Sechs hungrige Mäuler

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„Steven leg das Ei sofort zurück, bevor das Junge schlüpft!" sagte Micheal energisch und starrte das magentarote Drachenei mit großen Augen an, ebenso wie die anderen Titanen.

„Oh, äh, ja, natürlich!" stammelte der Sergeant fahrig und setzte das angeknackste Ei mit größter Behutsamkeit zurück zu seiner Mutter. Die staunte nicht schlecht. *Unglaublich! Dekri hat drei Jahre gebraucht, bis er geschlüpft ist und jetzt schlüpfen sie nur Minuten später!* flüsterte sie aufgeregt und beugte ihren Kopf hin zu ihrem Bauch, wo Steven das Ei abgelegt hatte und Dekri es bereits neugierig beschnupperte. „Das ist in der Tat ziemlich unerwartet." kommentierte Mark, während er fasziniert den größer werdenden Spalt in der Schale musterte. „Das kannst du aber laut sagen." stimmte Robert zu. Er stand direkt hinter Alina, die das Ganze mit aufgerissenem Mund beobachtete. Auch Tymdek lehnte sein Haupt weit hinunter, wobei er sich unabsichtlich zwischen die Soldaten und das Nest positionierte. Alle waren komplett auf das rote Ei fixiert.

Nur der Admiral schien den Überblick behalten zu haben, denn er meinte ernst: „Das war nicht nur dieses Ei, ich habe mehrere Schalen aufspringen gehört!" Der schwarze Drache horchte auf und sein eisblaues Auge huschte über das frische Gelege an Lyaths Flanke. Doch kein weiteres Ei schien kurz vor dem Schlupf zu stehen. „Positiv, Sir. Meine akustischen Sensoren haben fünf weitere Aktivitäten, 25,34 Meter zu ihrer Rechten, ausgemacht. Klangmuster stimmen grob mit denen des aufbrechenden Eies in Mr. Coules Händen zusammen." bemerkte Aidan, woraufhin sowohl Tymdek, als auch Mike, ihren Blick auf die Feuerstelle richteten. *Unmöglich!* knurrte Dunkelschwinge überrascht und trat mit großen Schritten an das hellblaue Feuer heran. Mit der KI im Schlepptau folgte ihm Forke so schnell er konnte, wobei er im Gegensatz zu dem schwarzen Drachen nicht nur drei, sondern einige Schritte mehr benötigte. Er brauchte jedoch nicht direkt neben den Flammen zu stehen, um zu sehen, dass Aidan, wie sonst auch, recht behielt.

Alle fünf Eier, die inmitten der Feuerstelle lagen, wackelten und auf jedem war mindestens ein großer Riss zu erkennen. *Alle Fünf? Das ist ein Wunder!* rief Tymdek aus und lies ein leises Brüllen durch die Höhle donnern. Danach begann er sofort damit jedes Ei einzeln mit seiner langen Zunge zu umfassen und aus dem Feuer zu heben. Die hellblauen Flammen schienen ihm dabei keinerlei Schmerzen zu zufügen. „Darf ich euch zur Hand gehen, Tymdek?" fragte Micheal vorsichtshalber, bevor er einfach so nach dem Nachwuchs des Drachens griff. Erst als dieser ihm auffordernd zuzwinkerte half er mit die Eier zu sichern. Zu zweit benötigten sie nur wenige Augenblicke, bis das gesamte Gelege neben der Feuerstelle ruhte.

Es waren ein dunkelblaues Ei, ein Waldgrünes, ein Türkisfarbenes, ein Mattgraues und ein Tiefrotes. Und allesamt wackelten und gaben knackende, schabende Laute von sich.

„Versteht mich nicht falsch, ich finde es großartig, dass euer Nachwuchs endlich schlüpft, aber wieso gerade jetzt?" fragte der Admiral nachdenklich und winkte Mark und Robert zu sich herüber, während Dunkelschwinge nun dazu überging die Eier nach vorn zu Lyath zu tragen, wobei er mit dem Mattgrauen begann. *Das kann mir selbst nicht erklären Micheal. Es muss sich wohl irgendetwas geändert haben, damit sie sich sicher genug fühlten, um zu schlüpfen. Immerhin sind es bei den drei Eiern aus meinem letzten Gelege schon zwei und bei Lyaths Jungen sogar drei Jahre, die sie so da lagen.* erwiderte der Drache aufgeregt und setzte das Ei vorsichtig zum Magentaroten, dessen Schale mittlerweile schon mehrere feiner Risse aufwies und mit großen Augen von Lyath, Dekri, Alina und Steven beobachtet wurde.

Forke zuckte schon aufgebend mit den Schultern, als Aidan entgegnete: „Nun, Sir, ich schätzte, dass sie eine gewisse Schuld am plötzlichen Schlupf der Küken haben." Skeptisch runzelte Mike die Stirn. „Wie kommst du darauf?" „Simple Logik, Sir. Drachenjungen schlüpfen nur, wenn sie sich sicher genug fühlen. Offensichtlich war diese Schwelle bislang immer zu niedrig gewesen, um den Schlupfvorgang einzuleiten. Da sie nun aber vor wenigen Minuten eine Art Schutzversprechen an Mr. Tymdek gegeben haben, wurde die Hemmschwelle offenbar überschritten." „Du meinst also, dass sie wegen uns schlüpfen?" Die KI leuchtete kurz lila auf, bevor er wieder zu seinem normalen blau wechselte. „Dies ist nur eine Vermutung, Sir. Es kann auch ebenso gut nur Zufall sein."

*Ich denke, dass euer kleiner Freund damit recht hat. Ihr Titanen seid stark und selbst ich fühle mich in eurer Gegenwart so sicher, wie damals unter dem Flügel meiner Mutter.* schaltete sich Lyath dazwischen und ließ ein sanftes Brummen durch den Raum hallen. „Das ehrt uns sehr, Lyath." meinte Robert respektvoll und sah dann Micheal fragend an. „Sir, wären sie so freundlich mir zu sagen, was Miss Lyath ihnen mitgeteilt hat?" wollte Aidan neugierig wissen. „Sie meinte, dass du recht hast." erklärte Mark kurz angebunden und ging in die Hocke, um die wackelnden Eier genauer zu betrachten. „Vielen Dank, General. Es ist wirklich lästig diese telepathischen Kommunikation nicht verfolgen zu können." „Dir wird da sicher schon was einfallen Aidan, aber das hat jetzt gerade keine Priorität. Mark, Robert, helft mal die Eier nach vorne zu bringen." unterbrach ihn Forke und hob selbst eines der Eier, das Dunkelblaue, in die Hände und trug es zu den anderen. Der Pilot und der Ingenieur nahmen auch jeweils eines, das Rote und das Grüne, womit für Tymdek noch das Türkisfarbene blieb.

„Wie sie meinen, Sir." zwitscherte die KI munter und schwebte den drei Titanen erneut hinterher. Dabei scannte er das aufbrechende Ei in Micheals vorsichtigem Griff und wechselte die Farbe von blau nach grün, blieb ansonsten jedoch still.

Einige Augenblicke später legten Mike und Mark ihre jeweiligen Pakete an Lyaths Flanke ab und Robert war auch bereits in die Hocke gegangen, um das Drachenei hinzustellen, als ein besonders lautes Knacken von dem Ei ausging und ein großes Stück der waldgrünen Schale dem Piloten entgegenflog. Es schrammte ihm über die Wange und hinterließ einen oberflächlichen, kleinen Schnitt. Er verzog schmerzerfüllt das Gesicht, behielt jedoch die Ruhe und wollte das nun teilweise aufgebrochene Ei vorsichtig auf dem Nest absetzen, aber dazu kam er gar nicht mehr.

Das Drachenküken im Inneren schien die Chance seinem dunklen Gefängnis entkommen zu können gewittert zu haben und wie eine kleine Splittergranate zerbarst die Schale in mehrere Bruchstücke, die links und rechts am Titanen vorbeiflogen. Scheinbar hatte das Junge von innen mit voller Wucht gegen das Ei gestoßen und nun lag es da, vollkommen erschöpft in Roberts Händen und starrte Dekri, der direkt neben ihm stand, mit seinen großen, grünen Augen an. Die Flügel, welche eher so aussahen, wie zerknitterte Lederlappen, ließ es locker baumeln. Der Pilot war indes zu einer Salzsäule erstarrt und bewegte sich nicht einen Millimeter, sondern betrachtete mit halboffenem Mund das Küken in seinen Händen.

Ganz anders Alina, die leise jauchzte und wild an Stevens Schulter rüttelte, während der Sergeant selbst ein fettes Grinsen aufsetzte. Auch Micheal lächelte glücklich, hielt sich jedoch zusammen mit Mark, der ebenfalls erfreut die Mundwinkel verzog, eher im Hintergrund und hielt Aidan in seiner Armbeuge fest, damit die KI keinen Unsinn anstellen konnte. Währenddessen hatte sich Tymdek tief hinunter gebeugt, sodass sein riesiges, hellblaues Auge nun wenige Meter neben dem frischgeschlüpftem Küken ruhte, das seinen Blick von Dekri abwandte und stattdessen den schwarzen Drachen ansah. Ein leises Fiepen drang aus der Kehle des Jungdrachen und Dunkelschwinge antwortete mit einem beruhigenden, tiefen Brummen. Danach schleckte er das Kleine sanft ab, welches immer noch große Augen machte und sein Haupt liebevoll am Kinn seines Vaters rieb.

Dabei stieß Tymdek ausversehen an die Brust des Titanen, der überrumpelt nach hinten wegkippte, da sein Halt ohnehin nicht der Stabilste gewesen war. Es tat einen kleinen Rumms, als Robert mit seinem Rücken auf dem harten Steinboden aufkam und der Jungdrache kreischte auf Grund der plötzlichen Bewegung panisch. Allerdings hatte der Pilot ihn während des Sturzes sicher festgehalten, weswegen ihm überhaupt nichts passierte. Nur Robert selbst stöhnte schmerzerfüllt, da sein Kopf nicht gerade auf einem Daunenkissen gelandet war. „Argh, nächstes Mal bitte etwas vorsichtiger Tymdek. Oh – äh – hi du?" murmelte der Titan, sich den Hinterkopf reibend und stockte, als der frischgeschlüpfte Drache von seiner Hüfte auf die Brust hüpfte, den Kopf schräg legte und ihn neugierig ansah. Gleichzeitig stieß das Junge ein fragendes Gurren aus, so als ob es sagen wollte: Wer bist denn du?

„Du warst schon immer groß darin, dir neue Freunde anzulachen, Robert." gluckste Steven und lachte amüsiert. Der Pilot ignorierte den scherzhaften Kommentar seines Bruders und streckte stattdessen vorsichtig die rechte Hand in Richtung des Kükens aus. Dieses zuckte jedoch etwas ängstlich zurück, als er sich näherte und sah unsicher hinauf zu Tymdek, der ihm aufmunternd zuzwinkerte. Von seinem Vater ermutigt, ließ das Kleine die Berührung zaghaft zu, aber es war ihm deutlich anzusehen, dass seine Angst noch nicht verflogen war. Es zitterte unter Robert schwerer Hand und fiepte ängstlich, doch der Soldat ließ sich nicht davon beirren. „Ganz ruhig Kleines, ich will dir doch nichts Böses." flüsterte er zutraulich und kraulte das Junge am Rücken, wobei er darauf achtete, die Flügel nicht zu verletzen. Die Streicheleinheit wirkte offenbar Wunder, denn schon nach wenigen Augenblicken verebbte das Zittern und das Küken schloss genießerisch die Augen.

Es schnurrte sogar leise.

„Na also, siehst du? Ich bin dein Freund, kein Feind." fügte der Pilot erfreut hinzu, schob vorsichtig eine Hand unter den Bauch des kleinen Drachens und erhob sich wieder schwerfällig auf die Beine. Sofort machte sich wieder ein klein wenig Panik in dem Kleinen breit, die sich jedoch rasch legte, als Lyath ihre Schnauze zu dem Titanen schob und ihr Junges liebevoll anstupste. Das Küken sah sie erstaunt mit seinen großen Kulleraugen an und fiepte aufgeregt, nachdem die rote Drachendame ihm über die Wange schleckte. „Na auf, bei Mama bist mit Sicherheit besser aufgehoben als bei einem Kerl wie mir." meinte Robert lächelnd und setzte das Küken vorsichtig auf Lyaths Schnauze ab, wo es tapsig in Richtung der Stirn kletterte , schließlich jedoch erschöpft mitten auf dem Oberkiefer schlapp machte. Es legte sich, so breit es konnte hin, ließ die Flügel locker links und rechts nach unten hängen und fiepte leise, während es die Augen halb geschlossen hatte. Dem Titan fiel kein anderer Ausdruck für diesen Anblick ein, als niedlich, dem Alina laut zustimmte: „Oh, wie niedlich!"

„Das Aufbrechen des Eies hat wohl doch mehr Kraft gefordert, als erwartet, so erschöpft wie es ist." mutmaßte Steven und war hin und hergerissen zwischen dem kleinen Drachen und den anderen Eiern. *Da habt ihr recht Steven. Sie braucht jetzt vor allem etwas Ruhe, damit sie wieder zu Kräften kommt.* erklärte Lyath und legte das Junge behutsam an ihre warme Flanke, wo Dekri bereits ungeduldig wartete. „Sie? Es ist ein Mädchen?" fragte Micheal überrascht, woraufhin die Drachendame bejahend zwinkerte. *Ja, es ist ein Mädchen.* „Faszinierend, ich hätte nie im Leben das Geschlecht der Kleinen derart schnell herausgefunden." erwiderte der Admiral beeindruckt. *Nun, ihr seid ja auch schließlich kein Drache, oder Micheal?* entgegnete Lyath und schnaubte amüsiert. „Soweit ich mich das letzte Mal versichert habe: Nein, ist er nicht." gluckste Coule und deutete dann aufgeregt auf ein weiteres Ei. „Da seht mal, das Türkisene ist wohl kurz davor!"

Er hatte recht.

Der Spalt in der dicken Schale des Eies, war in den letzten paar Minuten um ein Vielfaches breiter geworden und immer wieder konnte man das unermüdliche Pochen und Kratzen des Jungtiers vernehmen, das sich mühsam seinen Weg ins Licht der Welt bahnte. Wie gebannt starrten alle Titanen inklusive der Drachen darauf, bis sich schließlich nach einigen weiteren, ewig anfühlenden, Minuten ein kleiner türkisfarbender Drachenkopf durch den größer werdenden Spalt drückte und damit die Schale vollends aufsprengte. Jedoch bei weitem nicht so explosiv wie das erste Junge.

Dieses Küken war noch ausgezehrter von seiner langen Gefangenschaft und anschließender Flucht, sodass es sich gerade so von allein aus dem restlichen Ei befreite, dann allerdings schon völlig erschöpft und schwer atmend liegen blieb. Alina stand die Sorge ins Gesicht geschrieben, doch Tymdek beruhigte sie, indem er meinte: *Das ist normal. Er war seit über zwei Jahren in diesem Ei und braucht nach dem anstrengend Schlupf erst einmal Ruhe, seid unbesorgt, Heilerin.* „Falls etwas sein sollte, sagte aber bitte sofort Bescheid, ja?" verlangte die Ärztin, während Dunkelschwinge seinen Nachwuchs wie ein liebevoller Vater zu den Geschwistern legte. Um ihn dabei nicht zu verletzen benutzte der schwarze Drache nur seine Lippen, anstatt der zähnebwehrten Kiefer. *Das werde ich.*

„Ich will euch nicht nahetreten Tymdek, aber würdet ihr uns erlauben, den übrigen Jungen dabei zu helfen, ihre Schale zu durchstoßen? Als werdender Vater macht es mich ganz wuschig euren Nachwuchs derart entkräftet zu sehen. Falls ihr jedoch nicht in den natürlichen Verlauf eingreifen wollt, werde ich dies selbstverständlich respektieren." schlug Micheal vor und beobachtete Lyath mit ernster Miene, wie sie den komplett entkräfteten Jungdrachen sauberschleckte. Das war sein eigenes Horrorszenario, denn ein Menschenkind, das kurz nach der Geburt derart matt war und schwer atmete, war alles andere als gesund. Tymdek bedachte den Titanen mit einem nachdenklichen Blick und sah auch kurzzeitig hinunter zu seinem frischgeschlüpften Sohn, dessen Atmung sich zwar allmählich normalisierte, aber ansonsten trotzdem noch da lag wie erschlagen. Nach einigen Momenten senkte der schwarze Drache dann das Haupt und antwortete bestimmt: *Ich würde es zwar vorziehen, der Natur freien Lauf zu lassen, doch auch mich schmerzt es, meine Kinder derart zu sehen. Tut, worum ihr gebeten habt, aber seid vorsichtig! Die Eier sind nicht mehr so unzerstörbar wie zuvor, ein falscher Handgriff und ihr könntet das Junge im Inneren schwer verletzten!*

Den letzten Satz unterstrich er mit einem Knurren.

„Selbstverständlich! Alina, du hast gerade die Armpanzerungen abgelegt, am besten du übernimmst das Ganze." versicherte Forke erleichtert und die Titanin nickte zustimmend. „Überlass das nur mir!"

Mit den filigranen Händen eines erfahrenen Chirurgen betastete die Ärztin das dunkelblaue Ei nach Schwachstellen. Alles natürlich unter den wachsamen Augen der beiden erwachsenen Drachen. Sie benötigte nur wenige Sekunden, bis sie sich für einen großen Spalt, mit vielen abzweigenden Rissen, entschied, behutsam den Zeige- und Mittelfinger ihrer beiden Hände in die Lücke drückte und sie dann mit sanfter Gewalt vergrößerte. Es dauerte nur Augenblicke, dann zerbarst das Ei unter Krafteinwirkung in zwei Hälften und offenbarte einen halb ausgelaugten, dunkelblauen Jungdrachen, der Alina mit großen Augen anstarrte. Allerdings war die Prozedur nicht ganz so glimpflich für die Ärztin verlaufen, da die scharfen Kanten der Schale in ihre Haut geschnitten hatten. Zu allem Überfluss kam auch noch dazu, dass ihr Zeigefinger wohl unglaublich appetitanregend auf den kleinen Drachen wirkte.

Die Titanin schrie erstickt auf, als das Küken seine scharfen Zähnchen in ihren Finger schlug und musste den Instinkt zurück zu zucken unterdrücken, um es nicht ausversehen durch die Luft zu schleudern. Glücklicherweise kam ihr Lyath schnell zu Hilfe, indem sie das Junge behutsam am Schlafittchen packte, das daraufhin ängstlich fiepend von Alinas Finger abließ, und bestimmt zu den anderen beiden Jungtieren und Dekri setzte, die den Neuankömmling neugierig beschnupperten.

Steven konnte nicht anders, als prustend zu lachen, während die Titanin mit aufeinander gepressten Lippen darauf wartete, dass die Naniten die Biss- und Schnittwunden heilten. „Mark, erinner mich daran Steven ein Korsett aus Nackensteaks zu machen und ihn danach von Bord der Venator zu stoßen. Und zwar nachts." knurrte sie genervt, was den Sergeant abrupt zum verstummen brachte.

Die Nanonbots benötigten nicht lange, um die Wunden zu versorgen, wodurch Alina schon wenig später dem vorletzten Ei zur Hand gehen konnte, dieses Mal dem Mattgrauen. Das Schema blieb dabei das gleiche, nur dass das graue Jungtier ihr nicht in den Finger biss, sondern sie nur gurrend ansah, bevor Tymdek es hochhob und seiner Familie vorstellte. Es wurde von dem Dunkelblauen stürmisch begrüßt, wohingegen der Türkisfarbene nur schwerfällig den Kopf hob und auch das grüne Drachenmädchen hielt sich eher zurück. Dekri jedoch achtete darauf, dass die Begrüßung nicht zu wild zwischen seinen Geschwistern ablief, indem er seinen Schwanz als körperliche Barriere zwischen dem Grauen und dem Blauen nutzte.

Zusätzlich kam ihm seine Mutter noch zu Hilfe.

Sie legte ihren Kopf flach neben die Jungen auf das Nest, sodass ihr großes Auge direkt vor ihnen ruhte und brummte liebevoll, woraufhin der kleine blaue Drache von seinem Geschwisterchen abließ und stattdessen auf Lyaths Schnauze zugetapst kam. Der Anblick war einfach herzerwärmend und alle Titanen konnten nicht anders, als freundlich zu lächeln.

So blieben nur noch das magentafarbene und das tiefrote Ei übrig. Doch sehr zur Freude aller durchbrach das magentafarbene Drachenküken völlig allein seine hartes Gefängnis, sah sich kurz etwas orientierungslos um, bis es seine gigantische Mutter erblickte auf die es aufgeregt fiepend zu tapste. Lyath begrüßte es mit einem liebevollen Schleck über den Kopf, was dem Jungtier ein glückliches Schnurren entlockte.

In der Zwischenzeit hatte Alina sich das letzte Ei zurechtgelegt und gründlich nach einer geeigneten Schwachstelle gesucht, die sie auch schließlich in Form eines kleinen Lochs, welches das Drachenjunge in die Schale geschlagen haben musste, fand. Mit äußerster Vorsicht quetschte sie ihre beiden Zeigefinger in die Schmale und mit nur relativ geringem Kraftaufwand gelang es ihr, das Ei weitgenug aufzusplittern, um das Junge zu befreien. Zu ihrer Überraschung schien das Küken extra darauf gewartet zu haben, denn es streckte ihr seinen kleinen, roten Kopf entgegen fiepte zutraulich und schleckte ihr scheinbar dankbar über die Finger. Die Ärztin stutzte überrumpelt und kraulte dem Jungtier sachte das Kinn, woraufhin es genießerisch die Augen schloss und leise gurrte. „Ich glaub da hat dich jemand direkt ins Herz geschlossen." gluckste Micheal. „Es muss gespürt haben, dass ich ihm helfen will. Drachen sind wirklich faszinierende Wesen." erwiderte Alina fröhlich, während Tymdek sich vorsichtig zu seinem Nachwuchs hinunter beugte und brummend in der Welt begrüßte.

Das Küken öffnete schwerfällig wieder seine Augen und wandte sich glücklich fiepend zu seinem Vater um. Es rieb seinen winzigen Kopf an dem des schwarzen Drachen und protestierte auch nicht, als er es behutsam hochnahm und zu den anderen setzte, wo Lyath es mit einem lauten Schnurren willkommen hieß.

*Erneut schulden wir euch unseren Dank, Heilerin.* merkte Tymdek respektvoll an, doch die Titanin machte nur eine abweisende Handbewegung. „Ach iwo, vergesst diesen ganzen Schuld-Kram. Vielmehr gratuliere ich euch für diese absolut goldigen Kinder!" Die Brust des schwarzen Drachens schwoll vor Stolz sichtbar an und er stupste die Ärztin zärtlich mit der Schnauze an. *Habt vielen Dank.* Auch die anderen Titanen stimmten in die Glückwünsche mit ein, selbst Aidan meinte höflich: „Meinen Glückwunsch Mr. Tymdek. Insofern mich meine Scanner nicht täuschen, solltet ihr sechs gesunde Jungtiere haben." Dunkelschwinge brummte zufrieden. *Das freut mich zu hören, Herr Aidan.*

Der Form halber teilte Micheal der KI mit, was der Drache ihr geantwortet hatte und wollte dann selbst wissen: „Es sind also fünf Jungs und ein Mädchen geworden?" Lyath schnaubte belustigt, als sie antwortete: *Aber nein, Micheal. Es sind vielmehr vier Mädchen und zwei Jungs geworden. Eine wirklich glückliche Fügung! Es gibt noch viel zu wenig weibliche Drachen.* „Dann sollte man euch ja eigentlich doppelt beglückwünschen." entgegnete Mark und der Admiral nickte zustimmend. „Dann musst du gut auf deine beiden Brüder aufpassen, Dekri. Wir Männer müssen schließlich zusammenhalten." scherzte Robert und lachte herzhaft, als der silberne Drache bestimmt knurrte. „Du passt aber bitte genauso gut auf deine Schwestern auf, nicht wahr." hielt Alina dagegen und bekam dafür Unterstützung von Lyath, die der weißgerüsteten Ärztin zärtlich über die Wange schleckte.

„Mir doch egal, ob es ein Mädel oder ein Bub ist. Boah ey, die sind alle niedlich! Ich glaub Shenmi bringt mich um, wenn ich ihr hiervon erzähle." murmelte Steven, während er in der Hocke vor dem Nest saß und die kleinen Drachen, die alle bis auf den Türkisfarbenen miteinander herumtollten, mit großen Augen beobachtete. „Ich könnte Miss Yang eine Live-Videoübertragung zukommen lassen, wenn sie das wünschen, Sergeant." bot Aidan an, woraufhin ihm Coule einen kopfschüttelnden Blick zuwarf. „Du willst mich echt tot sehen Aidan, oder?" „Mitnichten, Sir."

Robert und Mike konnten nichts anders, als lautprustend zu lachen und auch Tymdek stimmte mit einem belustigten Knurren mit ein. „Man, man, man. So viel Aufregung macht mich immer ganz hungrig." meinte der Sergeant amüsiert und holte einen weiteren Energieriegel aus seinen unzähligen Gürteltaschen. Er riss die Verpackung auf und wollte sich den Riegel gerade in den Mund schieben, als er die kleinen Jungdrachen bemerkte, die ihn allesamt fixiert hatten. Steven erstarrte in seiner Bewegung mit halboffenem Mund.

„Ähhh – wir können teilen?" schlug er vorsichtig vor, aber zu spät.

Schon im nächsten Moment stürzten sich der Blaue, der Grüne und der Tiefrote mit gespieltem Fauchen auf ihn. „Oh Fuck!" schrie Steven überrumpelt, als zwei der Drachen auf seinen Schultern und der Dritte mitten auf seinem Gesicht landete. Sie schnappten verspielt nach dem Riegel und nach allem möglichen, was der Titan ansonsten so am Körper hatte.

„Hey!
Argh!
Lass das!
Wirst du wohl da runter kommen?
Autsch!
Hey, meine Nase brauch ich noch!
Au!
Mein Ohren übrigens auch!
Leute? Vielleicht etwas Hilfe?"

Coule taumelte nach hinten, während er, halb fluchend, halb lachend, versuchte die drei Drachenjungen abzuschütteln. Micheal und Robert kugelten sich vor Lachen und auch Mark und Alina kroch ein hämisches Grinsen über die Mundwinkel. Das Ganze ging einige Sekunden lang hin und her, bis Tymdek sich schließlich dazu erbarmte, den Soldaten zu erlösen und ein ernstes Knurren ausstieß, was die drei Jungdrachen sofort erstarren ließ. Ein weiteres Brummen und sie ließen vom Titanen ab. Der Blaue und der Rote tapsten ohne weiter zu zögern mit eingeschüchterter Haltung zurück an Lyaths Flanke, nur das grüne Drachenmädchen blieb noch kurz auf Stevens Brust sitzen und schleckte ihm entschuldigend über die oberflächlich angekratzte Wange, bevor auch es von ihm heruntersprang und zurück zu seiner Mutter eilte.

„Danke Tymdek. Die sind ja schlimmer als ein Rudel hungriger Wölfe." stöhnte Steven und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Überall auf seinem Gesicht, auf der Nase, den Wangen und selbst an den Ohren, waren kleine Biss- und Kratzspuren zu erkennen, allerdings schenkte der Sergeant den Verletzungen keine Beachtung, da sie ohnehin innerhalb weniger Sekunden verschwunden waren. Der schwarze Drache schnaubte trotzdem bedrückt. *Bitte verzeiht ihnen, Steven. Ich hätte euch warnen sollen, dass Drachenjungen nach dem Schlupf extrem hungrig sind.* „Ach quatsch, Tymdek. Steven braucht immer mal wieder so eine kleine Abreibung, sonst wird ihm ja langweilig." widersprach Robert, der immer noch vor Lachen keuchte. „Jaja, was würdet ihr nur ohne mich machen, gelle?" brummte Coule und schob die nun leere Riegelverpackung zurück in eine der Taschen.

Dann wandte er sich wieder an Tymdek. „Ihr sagtet, dass die Kleinen hungrig sind?" Dunkelschwinge neigte bejahend den Kopf. *Oh ja. Das habt ihr ja bereits am eigenen Leib erfahren.* „Das stimmt. Aber unsere Energieriegel sind nicht das richtige für Drachen. Ich schätze sie fressen viel lieber Fleisch, oder? Und damit meine ich nicht meine Nase oder Ohren" mutmaßte der Sergeant und abermals zwinkerte der schwarze Drache zustimmend. *Ja.* „Nun, dann denke ich, dass ich mich mal raus in den Wald schlage, um etwas zu fressen für die kleinen Piranhas hier zu besorgen. So könnt ihr in Ruhe auf sie aufpassen und ich bekomme etwas frische Luft." *Das ist ein sehr großzügiges Angebot, Steven. Vielen Dank.* „Passt schon. Wird auch nicht lange dauern, bin schließlich nicht umsonst der beste Spurenleser unserer Einheit. Außerdem schieb ich langsam selbst schon en bisschen Kohldampf. Robert, du kommst mit! Ich brauche schließlich jemanden fürs Tragen!" meinte Steven grinsend und gestikulierte dem Piloten zu, der aufgebend die Hände in die Luft warf. „Schon gut, schon gut, das hab ich mir selbst eingebrockt." „Allerdings!"

Sie nahmen beide die Helme von der Verankerung an ihrer Hüfte und setzten sie sich auf. „Weidmannsheil, ihr beiden. Was meinst du, wie lang ihr brauchen werdet?" entgegnete Micheal nickend und der Sergeant zuckte mit den Schultern. „Kommt drauf an, ich schätze nicht länger als ne halbe Stunde. So ein dichter Wald sollte vor Wild nur so wimmeln."

*Falls ich euch einen Tipp geben darf, Jäger, versucht es in Richtung Osten, dort habe ich heute Früh eine Rotte Wildschweine, wie ihr Menschen sie nennt, gesichtet.* merkte Tymdek an, woraufhin ihm der Titan ein Daumen-Hoch Zeichen gab. „Wir werden die Augen offen halten. Bis später dann." Er und Robert gaben allen in Raum einen kameradschaftlichen Salut und schritten dann gemeinsam in Richtung Höhlenausgang davon.

Bevor sie jedoch außer Sicht waren, konnte es Steven sich nicht verkneifen laut zu sagen: „Also, falls ihr Kleinen nochmal Hunger bekommt während wir weg sind: Schaut mal in Onkel Mikes Taschen nach, ich weiß zufällig, dass er ein paar ganz feine Leckerbissen einstecken hat."

„Steven!"

„Pahahaha!"

Mit dieser hämischen Lache traten er und der Pilot um die Kurve, die zum Ausgang führte und beschleunigten ihren Schritt etwas. Der Übergang ans Tageslicht, war für die beiden Titanen dank ihrer modifizierten Augen kein Problem und nach einem, für ihre Verhältnisse, kleinen Sprung hinunter auf den Erdboden zog Coule seine Maschinenkanone vom Rücken.

„Ist eine Weile her, seit ich das letzte Mal richtig jagen war." murmelte der Sergeant amüsiert, während er die Waffe entsicherte. Robert gluckste. „Eine Weile ist gut. 100 Jahre sind das her, oder?" „108 um genau zu sein." korrigierte Steven.

„Na dann zeig mal was du kannst Bluthund." scherzte Holsted, entsicherte ebenfalls seine Pistole und folgte dem Fährtenleser in den Wald hinein Richtung Osten.



[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die DrachenreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt