Nachwirkungen

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„Pscht. Ganz ruhig Schatz. Es ist alles gut, alles ist gut." flüsterte Robert fürsorglich, während er sich vorsichtig aufrappelte und dabei Emily samt Feyth behutsam in seinen Armen hielt. Die Titanin schluchzte immer noch mit tränenüberzogenen Wangen und hatte das grüne Drachenmädchen nach wie vor in eine innige Umarmung geschlossen, wobei Feyth gutmütig fiepte und ihren Kopf sanft an den der Ärztin schmiegte.

„Robert! Emily! Feyth! Ist alles in Ordnung?" rief John ihnen aufgeregt entgegen, als er nur wenige Augenblicke später zusammen mit Alex, Aidan und Murtagh neben seinem Sohn zum Stehen kam. Erleichtert atmete der Colonel durch, als Holsted langsam nickte und anschließend den Blick wieder mitfühlend auf seine Frau richtete, die bis auf den kleinen Drachen in ihren Armen nichts von der Außenwelt zu registrieren schien. Millers aufgebrachter Gesichtsausdruck, wich sofort einer weichen, schmerzlich wissenden Miene, als er Emily mit Feyth in den Armen schluchzen sah und fühlte sich unweigerlich an jenen Tag vor über 180 Jahren zurückerinnert. Nurton legte ihm stumm die linke Hand auf die rechte Schulter, wobei sein Helm jegliche Emotionen verbarg. Nichtsdestotrotz konnte John deutlich spüren, wie die Hand auf seiner Schulter leicht zitterte. Er verstand seinen Sohn nur zu gut, schließlich war Alex damals mit im Raum gewesen, als es passiert war.

Robert hatte währenddessen seinen Kopf weit hinunter gebeugt, um Smith einen liebevollen Kuss auf die linke Wange zu geben, was diese jedoch immer noch nicht wirklich zu bemerken schien. Stattdessen meldete sich das grüne Drachenmädchen in Millers Geist. *Tante Emily geht es nicht gut. Da ist so viel Schmerz in ihren Gedanken und das einzige, was ihr zumindest ein bisschen zu helfen scheint, bin ich. Aber – aber ich weiß nicht was ich tun soll, John. Sie hört mir nicht zu, wenn ich versuche, sie zu trösten. Alles was ich tun kann, ist sie weiterhin zu schmußen.* meinte sie überaus traurig und gleichzeitig hilfesuchend, doch der Colonel konnte ihr da nur begrenzt helfen. „Das kann ich mir vorstellen meine Kleine. Glaube mir, die Erinnerungen, die gerade in ihr hochgekommen sind, möchtest du niemals sehen. Mach einfach so weiter, du machst das toll! Ohne dich, würde sie sich wohl grad vollends in ihren Erinnerungen verlieren." erwiderte er ruhig und nickte der Kleinen aufmunternd zu, was diese offensichtlich dazu anspornte, noch knuddeliger zu sein, denn sie begann zärtlich Emily über das Gesicht zu schlecken, wobei sie insbesondere die Tränen von den Wangen leckte. *Dann mache ich das! Wenn ich ihr so helfen kann. Ich wünschte nur, ich könnte ihr auch im Geiste zur Seite stehen.* entgegnete Feyth bestimmt.

Anscheinend hatte sie diesmal allerdings mit allen gesprochen, da Robert ihr dankbar zulächelte und auch ihr einen dicken Kuss auf die Stirn gab. „Danke Feyth. Du weißt gar nicht wie viel mir das bedeutet. Aber das ist eine Sache, durch die Emily allein gehen muss, wir können ihr nur äußerlich beistehen. Und glaube mir, ich würde auch alles in der Welt dafür geben, jetzt in Gedanken bei ihr zu sein, um ihr zu sagen, dass alles gut wird." murmelte der Pilot mitgenommen und fügte nach einigen Momenten seufzend hinzu: „Ich hatte gehofft niemals wieder an diesen Tag erinnert zu werden."

„Verzeihung Sir, aber ich verstehe nicht ganz, welchen Tag, oder welches Ereignis sie meinen." unterbrach Aidan dann in seiner gewohnt rüden Art die eher betroffene Stimmung. Allerdings klang selbst er eher zurückhaltend für seine Verhältnisse, schließlich wusste er, dass, was auch immer es sein mochte, es Emily stark in Mitleidenschaft zog. Murtagh räusperte sich daraufhin ebenso und fragte überaus respektvoll: „Ich will nicht respektlos erscheinen, schließlich macht Emily offensichtlich schlimme Qualen durch, doch ich würde gerne wissen, was genau passiert ist. Es muss etwas geben, das sie dazu veranlasst hat, derart aggressiv zu reagieren. Sie machte auf mich einen eher vernünftigen Eindruck bisher." Der Drachenreiter hatte dabei die Arme vor der Brust verschränkt und sein Gesichtsausdruck wirkte überaus angespannt.

John atmete tief durch, bevor er sich dem Reiter zuwandte und leicht nickte, wobei ihm auffiel, wie im Hintergrund praktisch alle auf sie zukamen, mit der Ausnahme von Filia, die immer noch am gleichen Platz wie zuvor liegen blieb. Sogar Othreni, Liriàrth, Keno und Tinira eilten so schnell sie konnten herüber, wobei Steven mit Alanna, Julia und Dun'var an seiner Seite langsam hinterher trabte. Deswegen erklärte er Murtagh kurz angebunden: „Ja, es gibt einen Grund, aber allein Robert hat das Recht, euch davon zu erzählen Murtagh."
„Ich werde euch davon erzählen, sobald die anderen hier sind, Murtagh. Diese – Sache – werde ich nur ein einziges Mal erklären." merkte Robert ernst an und sah ebenfalls von Emily und Feyth auf. „Natürlich, das verstehe ich vollkommen." entgegnete der Reiter nickend und trat rasch einen Schritt beiseite, als sich Aesdol zu ihnen schob.

Ein drohendes, wütendes Knurren ging von dem jungen Drachen aus, als er seinen Kopf auf ihre Ebene herabsenkte. 'Oh verdammt!' fluchte Miller innerlich. Jedoch nicht direkt wegen des zornigen Jungdrachens, sondern wegen Alex, der sofort seine Hand von der Schulter seines Vaters genommen hatte.

Noch bevor der Colonel, Murtagh oder sonst wer etwas sagen konnte, riss sich Nurton den Helm vom Kopf, warf ihn achtlos neben sich in den Kies und brüllte Aesdol derart laut und wütend entgegen, dass John und Murtagh sich reflexartig die Ohren zuhalten mussten. Damit war das ganze allerdings noch nicht ausgestanden. Der kupferne Drache, schon von Emilys Angriff erbost, erwiderte die Geste mit weit aufgerissenem Maul und zeigte seine rasiermesserscharfen Zähne.
Dabei kam er dem Titanen gefährlich nahe.

Aus den Augenwinkeln heraus, bemerkte Miller, wie Dorn drauf und dran war, seinen kleineren Artgenossen außer Gefecht zu setzen, aber dazu kam er schon gar nicht mehr.
Diese Drohgebärde, war der Tropfen, der bei Nurton das Fass zum überlaufen brachte.

Denn nur einen Augenblick später drosch Alex mit der rechten Faust derart hart gegen Aesdols linke Schläfe, dass man deutlich ein mehr oder minder starkes Knacken hören konnte. Wie ein nasser Sack fiel der Jungdrache benommen zu Boden, wobei sein Kopf direkt neben dem Titanen landete, der im letzten Schritt seine Pistole gleichzeitig zog, entsicherte und im Anschluss auf die Stirn des Drachens richtete.

Wobei der Begriff Pistole bei dieser Waffe eher fehl am Platz war.
Vielmehr handelte es sich um einen mobilen Granatwerfer in Pistolenformat, der hochexplosive Hochgeschwindigkeitsgranaten verschoss. Es war eine Waffe, die nur wenige Titanen neben Alex nutzten, da sie recht unhandlich und relativ schwer war, doch ihr Zerstörungspotential war gewaltig. Ein einzelnes Geschoss hatte genug Sprengwirkung um den kompletten Oberkörper eines Mannes in blutiges Konfetti zu verwandeln, oder aber die gepanzerte Karosserie eines leichten Fahrzeugs aufzureißen. Ihre Feuerrate von knapp 320 Schuss pro Minute mochte als nicht viel anmuten, doch wenn man bedachte, dass es 25mm Granaten waren und im Trommelmagazin der Waffe 27 Schuss davon steckten, wurde einem erst bewusst, welche Wirkung dieses Monstrum hatte. Ihren Namen 'Decimator' trug sie mehr als nur gerechtfertigt und John bezweifelte stark, dass Aesdol einen Treffer aus dieser Waffe direkt gegen seine Stirn überleben würde.

Das alles geschah dermaßen schnell, dass Eragon und Co gerade erst neben ihnen zum Stehen kamen, als der Titan demonstrativ seinen Fuß auf die Schnauze des desorientieren Drachens setzte, was diesem ein schmerzerfülltes Jaulen entlockte. „Tut das weh, ja? Gut! Du kleiner verschissener Wicht hast keine Ahnung, was sie gerade durchmacht, oder? Dagegen ist dein angeknackster Schädel ein feuchter Scheißdreck! Wenn ich auch nur noch einen kleinen Furz von dir höre, der annähernd drohend gegen Feyth oder Emily gerichtet ist, werde ich dir das Hirn aus dem Schädel blasen!" brüllte Nurton Aesdol wutentbrannt zu, wobei er dermaßen rasend war, dass er schon anfing zu geifern und einige Spritzer Speichel auf die kupferfarbenen Schuppen tropften.

Ohne zu zögern sprang Miller zwischen seinen Sohn und den Drachen. „Um Gottes Willen Alex! Nimm die Waffe runter!" rief er ihm eindringlich zu und legte seine linke Hand mit großem Druck auf die Decimator, wodurch ihr Lauf zumindest nicht mehr ganz auf den Kopf des Jungdrachens zeigte. Alex jedoch, wollte nichts davon wissen. „Er war auf Rache aus Dad! Hätte ich nicht eingegriffen, wäre er auf Emily und Feyth losgegangen!" hielt Nurton knurrend dagegen. Seine tödlichen Kiefer waren dabei nur wenige Zentimeter von Johns Gesicht entfernt, weshalb ihm einiges an Speichel ins Gesicht klatschte. Außerdem bemerkte er entsetzt, wie sein Sohn begann, die Waffe, gegen seinen Druck, allmählich wieder anzuheben.

'Fuck! Ohne Atlas habe nicht die geringste Chance ihn davon abzuhalten! Und ihn mit Worten zu besänftigen ist nach der Aktion von Aesdol praktisch unmöglich.' dachte der Colonel fast schon verzweifelt, als Eragon hinter ihm plötzlich laut: „Letta!" rief und Alex's Bemühungen die Decimator anzuheben im Keim erstickte.

Wie zuvor bei Murtagh, erstarrte der Titan in seiner momentanen Position und konnte sich keinen Millimeter mehr rühren, wobei man anhand seiner hervortretenden Augen und dem angestrengten Brüllen deutlich sehen konnte, dass er es versuchte. „Gut gemacht, Eragon." seufzte John erleichtert, während er vorsichtshalber das Trommelmagazin der Waffe entfernte und auch die Granate, die bereits im Lauf steckte herausfallen ließ. 'Sicher ist sicher.' „Ich muss mich entschuldigen, John, euer Sohn hatte zumindest teilweise recht. Aesdol wäre in seinem jugendlichen Übereifer wohl wirklich auf eure Tochter losgegangen. Ich hätte ihn festhalten müssen. Allerdings gibt euch das noch lange nicht das Recht, ihm mit dem Tode zu drohen, Alex!" erwiderte der Großmeister ernst und richtete den letzten Satz direkt an den goldbraun gepanzerten Titan. Gleichzeitig traten Bloedhgarm und die andere Elfe namens Yaela an Aesdols Kopf und gingen in die Hocke, wohl um ihn zu versorgen, da der kupferfarbene Drache nach wie vor halb bewusstlos auf dem Boden lag.

„Und was gibt ihm das Recht zu versuchen, Feyth zu töten?" gab Nurton fauchend zurück und wandte dem Drachenreiter seinen Kopf, das einzige Körperteil, dass er noch bewegen konnte, zu. *Niemand, Goldschuppe. Das Küken handelt aus eigenem Antrieb, genau wie ihr. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich es gutheiße.* entgegnete Saphira ihm bestimmt und senkte ihren massiven Kopf auf ihre Höhe ab, um mit dem Soldaten auf Augenhöhe reden zu können. Allerdings hielt sie einen respektvollen Abstand ein, damit dieser sich nicht bedroht fühlte, was im Angesicht seiner momentanen Verfassung mehr als nur vernünftig war. „Dann lasst mich los und ich zeige euch, wie ich diesem Wichser aus eigenem Antrieb den Arsch aufreiße!" brüllte Alex zornig zurück, worauf der Schattentöter langsam den Kopf schüttelte. „Ich verstehe euren Zorn Alex und muss zugeben, dass ich mich in dieser Angelegenheit mehr als nur dumm verhalten habe. Aber ich kann euch nicht loslassen. Es ist schon genug Blut in letzter Zeit geflossen." antwortete Eragon bestimmt und senkte entschuldigend das Haupt. „Es hat erst so etwas gebraucht, um das in deinen Dickschädel rein zubekommen, Bruder? Allerdings, du hast einiges noch zu klären und ich meine wirklich klären, nicht bloß aufschieben." brummte Murtagh missmutig und wurde dabei von Dorn unterstützt, der zustimmend schnaubte.

„Ihr solltet eure Position wirklich überdenken, Titan! Aesdol ist im Grunde noch ein Kind, doch ihr seid ein erwachsener Mann! Ihr solltet es besser wissen, als einfach nur stumpfe Gewalt anzuwenden." meinte dann Artula vorwurfsvoll, wodurch Nurtons Blick schlagartig zu ihr zuckte. Die Drachenreiterin stand gegenüber ihrem Ordensmeister, auf der anderen Seite von Aesdol und hatte die Arme verschränkt. Ihre Haut besaß eine stark dunkelbraune Färbung, wobei ihre, für eine Frau, recht kurz geschnittenen Haare pechschwarz waren und ihr Gesichtszüge äußerst hart wirkten. Sie erinnerte John entfernt an die Leute der Nomadenstämme, die er während seines Trainings in der Wüste getroffen hatte, was auch Sinn ergab, da sie ebenfalls von solchen Leuten abstammte. Neben ihr stand die andere Reiterin, die Eragon ihnen zuvor als Gerlinde vorgestellt hatte. Im Gegensatz zu ihrer Kameradin wirkte sie sanftmütig mit ihren rosafarbenen Backen und dem langen braunen Haaren. Allerdings scherte sich Miller gerade eher weniger um ihr Aussehen und viel mehr um das, was Artula seinem Sohn gerade an den Kopf geworfen hatte, worüber er jetzt schon innerlich fluchte.

Und Alex's erwartete Reaktion ließ natürlich nicht auf sich warten.

„Seid ihr nicht die kleine Reiterin von diesem Silexin? Mit diesem ‚Recht des Stärkeren' Getue?" fragte der Muskelprotz wütend und bleckte erneut die kegelförmigen Reißzähne in seinem breiten Kiefer. Gerlinde erschauerte bei dem Anblick ein wenig und erwiderte kleinlaut: „Bitte, sie hat es nicht so gemeint, Herr Nurton." Ihre Stimme klang überaus ehrlich und gutherzig, ganz im Gegensatz zu ihrer Kameradin, die bissig erwiderte: „Das ist das uralte Gesetz, nachdem mein Stamm lebt, ja. Habt ihr damit ein Problem?"

„Oh ganz und gar nicht! Auf, lasst mich los Eragon, damit ich dieser mickrigen, arroganten Witzfigur zeigen kann, was das Recht des Stärkeren für sie bedeutet! Dauert gar nicht lange!" gab er knurrend zurück, woraufhin Silexin, der bis jetzt eher ruhig im Hintergrund geblieben war einen Schritt nach vorn machte und sich schützen hinter seiner Reiterin aufbaute.

„Alex! Hast du den Verstand verloren? Wir brauchen nicht noch mehr Konflikte! Die Schwarze Rose ist unser Feind, nicht die Drachen und Drachenreiter!" bemerkte John daraufhin streng und legte seinem Sohn wie schon zuvor väterlich die Hand auf die Schulter. Doch diesmal half es nicht wirklich weiter. Nurton hatte sich bereits zu weit seinem Zorn und seiner Wut verschrieben und bekam schon gar nicht mehr wirklich mit, dass er mit ihm sprach. In diesem Moment war Miller froh, dass Eragon seinen Sohn mit Magie festhielt, sonst hätte er sehr wahrscheinlich Artula in der Luft zerrissen wie eine Spielzeugpuppe.

Aus dem Augenwinkel heraus konnte er sehen, wie Robert mit Emily und Feyth auf dem Arm hinüber zu Saphira ging und der Drachendame irgendetwas ins Ohr flüsterte, was diese leicht zu überraschen schien. Noch mehr überraschte es allerdings den alten Titanen selbst, als Schimmerschuppe ihren massiven Kopf zu Alex hinüber wuchtete und ihm dann einfach nur zärtlich über die Wange schleckte, wobei ihre mit Widerhaken besetzte Zunge ein metallisches Klirren auf seinen Schuppen erzeugte.

In der Stille die daraufhin folgte, hätte man wohl eine Feder fallen gehört. Schlagartig wich sämtliche Wut aus Nurtons Gesicht, während er große Augen machte und perplex mit halboffenem Mund dastand. Langsam und ruckartig wandte er sich einige Augenblicke später Saphira zu, die ihm freundlich zu zwinkerte und leise summte.

„Wa – wa – wa – " stammelte der geschuppte Titan völlig perplex und zwinkerte mehrmals heftig mit den Augenlidern. Es war, als hätte ihm jemand mit einem großen Brett vor den Kopf geschlagen.

Die blaue Drachendame gluckste leicht amüsiert und wandte sich kurz Robert zu, als dieser zu seinem Bruder trat. *Ihr hattet recht Robert.* meinte sie etwas erstaunt, was der Pilot mit einem Nicken bestätigte. „Könntet ihr bitte eure Magie lösen, Schattentöter? Ich versichere euch, er wird nichts mehr tun." bat er dann anschließend und, auf Drängen Saphiras hin, stimmte Eragon skeptisch zu. „Also gut. Ich weiß zwar nicht, was genau gerade geschehen ist, aber ich vertraue darauf, dass Saphira euch vertraut." Einen Moment später stolperte Alex nach vorn über die Schnauze des kupfernen Jungdrachens, wobei er darauf achtete ihn nicht zu verletzten.

'Da läuft irgendetwas im Hintergrund, von dem Alex mir noch nichts erzählt hat und Robert weiß davon. Er ist ja wie ausgewechselt, nach diesem – Kuss.' dachte John ebenfalls leicht verwirrt und sah zu, wie Holsted seinem Bruder vorsichtig Emily und Feyth entgegen reichte und ihn damit erneut überrumpelte. Hektisch wandte der goldbraun gepanzerte Titan sich von Saphira ab und blickte auf seine nach wie vor schluchzende Schwester und das kleine Drachenmädchen, welches wiederum ihn fürsorglich ansah und leise fiepte. Hastig steckte er seine Waffe zurück in den Holster und nahm die beiden behutsam von Robert entgegen, der noch kurz Emily einen Kuss auf die Wange drückte und dann Alex brüderlich an die Schulter langte.

„Alex, bring die beiden doch bitte zurück in den Albatross, damit Emily sich in Ruhe beruhigen kann. Es würde mir sehr viel bedeuten, wenn du solange auf sie Acht geben könntest." sagte der Pilot daraufhin ruhig und schenkte seinem bulligen Bruder ein freundliches Lächeln. „Was? Ich – ja natürlich Robert! Überlass das nur mir!" entgegnete Alex nach anfänglichem Gestotter, bestimmt nickend und stapfte ohne weiteren Kommentar los in Richtung ihres Fliegers, wobei er fast nur Augen für Emily und Feyth hatte.
„Aidan, folg ihnen bitte und hör auf das, was Alex dir sagt. Aber versuch nicht zu aufdringlich zu sein, bitte." fügte Holsted dann an die KI gewandt hinzu, die kurz grün aufleuchtete. „Wie sie wünschen, Sir." zwitscherte Aidan höflich und flog dann rasch Nurton hinterher der bereits einige Meter von der Gruppe entfernt war.

Tief durchatmend klaubte der Pilot Alex's Helm vom Boden auf und Miller legte ihm gutmütig die Hand auf die linke Schulter. „Das hast du gut gemacht, Robert. Aber woher wusstest du, dass Spahiras 'Kuss' ihn dermaßen ablenken würde?" wollte der Colonel neugierig wissen, als Robert mit ihm ein paar Meter zurücktrat, um ein wenig Abstand zum nach wie vor halb ausgeknockten Aesdol zu haben. Holsted lächelte schief. „Es ist etwas auf der Venator passiert Dad, was genau erzähl ich dir später." Nachdenklich vertieften sich Johns Stirnfalten noch ein Stück weit. 'Was sollte auf dem Schiff vorgefallen sein, das Alex dazu veranlassen würde, seine komplette Wut zu vergessen, nur weil Saphira ihn abgeschleckt hat?' überlegte er kurz, beschloss dann aber seinem Sohn zu vertrauen und auf später zu warten. „Da bin ich ja dann mal gespannt." erwiderte er ebenfalls leicht schmunzelnd und horchte dann auf, als der erste Teil der anderen Gruppe bei ihnen ankam.

„Was ist geschehen Ebrithil? Wir haben lautes Gebrüll und Schreie gehört! Ist jemand verletzt worden?" fragte Liriàrth bestürzt und ihre Augen weiteten sich stark, als sie den benommenen Jungdrachen bemerkte, der von Yaela und Bloedhgarm versorgt wurde. „Es gab einen kleinen Disput zwischen Aesdol und den Titanen, aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, es ist niemand großartig zu Schaden gekommen. Insbesondere dank eures besonnen Eingreifens, Robert." antwortete ihr Murtagh ernst und neigte dann respektvoll den Kopf in Richtung des riesigen Titans. „Oh bitte, ihr und Meister Eragon hattet einen ebenso großen Anteil daran. Ohne eure Magie hätten wir Alex niemals so schnell außer Gefecht setzten können." wiegelte dieser jedoch höflich ab. „Ich hoffe doch, dass es nicht noch einmal zu einem Zwischenfall kommt, ich habe heute mehr als genug Aufregung gehabt. Allerdings hätte ich doch noch gerne zwei Dinge von euch gewusst John." merkte Eragon tief durchatmend an, woraufhin Miller aufhorchte.

Er konnte sich bereits denken, was zumindest eine der Fragen war, weswegen er ernst entgegnete: „Nur zu, ich werde eure Fragen gern beantworten, insofern ich kann." Der Schattentöter nickte zufrieden, doch seine Miene wurde wieder etwas angespannter, als er die erste Frage stellte: „Was genau hat es mit Emilys Verhalten auf sich gehabt? Ihr müsst mir nicht antworten, von dem was ich aus ihrem Gekreische mitbekommen habe, kann ich mir bereits vorstellen, dass es einen sehr persönlichen Grund hat."

Sofort schlug die Stimmung wieder einen sehr niedergeschlagenen Ton an, als John schwer seufzte und sich dabei mit der rechten Hand über die Augen fuhr, während Robert tief durchatmete und seine Augen für einen kurzen Moment gänzlich schloss. Es half auch nicht wirklich weiter, als einer der Elfen, Berèn, seinen Kommentar dazu in dem elfentypischen Singsang abgab. „Was immer es sein mag, sie verhielt sich dadurch eher wie ein in die Ecke getriebenes Tier, als ein Mensch. Der Grund muss ein wirklich tiefsitzender Schmerz sein." 'Ach wirklich? Diese Kerle sind echt so feinfühlig wie ein Stück Holz.' brummte Miller missmutig in Gedanken und bemerkte in den Augenwinkeln, dass Dorn kurz belustigt schnaubte.
Offensichtlich war der Drache immer noch in seinem Kopf.

Schließlich, nach einigen Augenblicken peinlichen Schweigens, in denen nur die Zauberformeln von Bloedhgarm und Yaela zu hören waren, seufzte Holsted und begann dann mit trauriger Stimme zu erzählen: „Da habt ihr recht, Berèn. Das Ganze ist schon eine halbe Ewigkeit her, doch für mich und meine Frau ist es immer noch so, als wäre es erst gerade eben geschehen, wenn wir auch nur entfernt daran denken. Ihr müsst wissen, vor ungefähr 180 Jahren, erwarteten Emily und ich unser erstes Kind, ein kleines Mädchen. Gott – ich erinnere mich jetzt noch daran, wie wir uns über den Namen gezofft haben, den wir ihr geben wollten. Cathrin oder Susan."

Er stockte kurz und fuhr sich mit der linken Hand langsam über die Augen. Ein schmerzendes Lächeln lag auf seinen Lippen.

Erst nachdem er tief durchgeatmet hatte, fuhr er mit wässrigen Augen fort: „Naja, auf jeden Fall freuten wir uns schon ungemein darauf, insbesondere Emily, da es schon immer ihr größter Traum gewesen war, eines Tages Mutter zu werden. Aber – es sollte anders kommen. Es fing schon damit an, dass ihre Wehen knapp vier Wochen zu früh einsetzten. Schon da läuteten bei uns sämtliche Alarmglocken, da bis zu diesem Datum die Schwangerschaft eigentlich ganz normal verlaufen war. Der richtige Schock kam allerdings erst, als sie das Kind ans Licht der Welt brachten. Wenn man es noch als Kind bezeichnen konnte."

Robert hielt erneut inne und John konnte deutlich an seinen zitternden Händen und Beinen erkennen, wie schwer es ihm fiel diese Erinnerung erneut zu durchleben. Tränen rannen ihm nun über die Wangen und Miller konnte nicht anders, als seinem Sohn mitfühlend die Hand auf die Schulter zu legen. Die Umstehenden wagten es nicht auch nur einen Piep von sich zu geben, weswegen Holsteds leises Schluchzen deutlich zu hören war.

„Es – es war schrecklich. Der gesamte Geburtstisch war voll von blauem und rotem Blut und – und dort in Allys Händen lag – lag das was von unserer kleinen Tochter – noch übrig war. Ein – ein halb zerfressener Leichnam. Unser Kind, unser Baby – getötet von unserem eignen 'Blut'." setzte er seine Erzählung krächzend fort und verbarg seine Augen dann vollständig unter seiner linken Hand.
Seine Tränen konnte sie jedoch nicht verbergen.

Robert drehte sich zu seinem Adoptivvater um, fiel auf die Knie und schloss ihn mit seinem rechten Arm in eine Umarmung, während er seinen Kopf fest gegen Johns Brust drückte. Der Colonel erwiderte die Umarmung instinktiv und flüsterte ruhig: „Es ist alles gut Robert, alles ist gut. Ihr konntet nichts dafür. Ist schon gut mein Sohn." Neben ihnen stimmten Saphira und einige der anderen Drachen ein trauriges Jaulen an und Steven und Julia, die gerade erst zusammen mit Dun'var und Alanna angekommen waren, blickten betroffen zu Boden. Miller konnte es seinem Sohn nicht verübeln. Er war selbst an jenem Tag im Operationssaal anwesend gewesen, zusammen mit Alex, Alina, Kevin und Shixin. Der Anblick des von Naniten halb zerfressenen Babys war wirklich schwer zu verdauen gewesen. Soweit er sich noch erinnern konnte, hatten Alex und Kevin sich sogar übergeben müssen.
Von Emilys und Roberts Reaktion ganz zu schweigen.

So verbrachte er also einige Minuten in der festen Umarmung mit seinem Sohn, redete ihm beruhigend zu und wiegte leicht hin und her. Nur langsam verebbten Holsteds schwere Schluchzer und erst einige Minuten danach, richtete er sich wieder zu voller Größe auf, schniefte ein letztes Mal und schenkte seinem Vater ein verweintes, aber dankendes Lächeln. „Danke Dad." flüsterte er leise, was dieser nur mit einem gutmütigen Schmunzeln und Nicken beantwortete.

Anschließend wandte sich Robert wieder Eragon zu, der sichtlich schockiert von seiner Erzählung war und erklärte mit nach wie vor leicht krächzender Stimme: „Ich denke nun wisst ihr, weshalb meine Frau derart reagiert hat, als wir erfuhren, wie Aesdol und Silexin zu Feyth stehen. Und um ehrlich zu sein hatte er Glück, dass sie ihn nicht sofort getötet hat, denn die Forscher, die sie während ihrer Schwangerschaft begleitet haben, kamen nicht ganz so glimpflich davon." Der Schattentöter schluckte schwer, während Gerlinde, Vanir und die anderen Elfen neben ihm fassungslos wirkten. Selbst Artula, die bisher eher arrogant daherkam, machte einen mitgenommenen Eindruck auf John. „Das erklärt so einiges. Kein Wunder, dass sie einen derartigen Hass auf Filia, Aesdol und Silexin hat. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie ich reagieren würde, wenn mein Kind quasi noch im Leib seiner Mutter stirbt und Tod das Licht der Welt erblickt." murmelte Murtagh bedrückt, was Dorn hinter ihm mit einem leisen Knurren bekräftigte.

„Wahrlich ein Schicksal, das man nicht teilen will. Mein größtes Beileid Robert." bemerkte Vanir fast schon entschuldigend. „Dem kann ich mich nur anschließen. Es tut mir Leid euch überhaupt danach gefragt zu haben, Robert." fügte der Großmeister hinzu, was der Pilot mit einem langsamen Nicken zur Kenntnis nahm.

Dann jedoch stutzten sowohl er, als auch John neben ihm, als der felsgraue Silexin seinen Kopf zu ihnen herunterbeugte und sanft zwinkerte. *Eure Vergangenheit ist voller Schmerz, Robert und doch, obwohl ihr solch ein schreckliches Erlebnis am eigenen Leib erfahren habt, habt ihr eure Gefährtin davon abgehalten den jungen Aesdol zu töten. Ich kann euren Zorn ihm und mir gegenüber spüren, er sitzt euch wie ein Dorn in der Brust. Und doch lüstet ihr nicht nach unserem Tod. Dafür respektiere ich euch. Ich schwöre, dass ich eure Tochter-im-Geiste-Feyth nicht anrühren werde, bei meiner Ehre!*brummte der große Drache mit rauchiger Stimme, die wie eine Mischung von Alex und Dun'var klang und verblüfte damit die Titanen.

Miller hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit.

„Das ist sehr – großzügig – von euch, Silexin. Seid mir bitte nicht böse, aber ich werde dennoch etwas misstrauisch bleiben, solange ihr in Feyths Nähe seid." entgegnete Robert mit leicht skeptischer Miene, worauf Silexin mit einem lauten Brummen antwortete. *Ich hätte es nicht anders erwartet von euch. Um ehrlich zu sein, würde ich nur ungern mit eurer Gefährtin, euch, eurem Vater oder eurem Bruder kämpfen wollen. Ihr mögt zwar kleiner sein als ein Drache, doch ihr besitzt Talente, die mehr als nur gefährlich sind.* „Da habt ihr vollkommen recht, Silexin." erwiderte der Colonel misstrauisch.

Dieses Versprechen mochte schön und gut sein, doch solange er es nicht in der Alten Sprache abgelegt hatte, würde er es ihm nur bedingt abkaufen.

[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die DrachenreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt