„Das ist wirklich unglaublich. Du hast Tymdek besiegt, obwohl du kein Magier bist und als Waffe nur dein Messer zu Hand hattest! Ich schätze, ich wäre sang- und klanglos untergegangen, wenn ich nur mit meinem Schwert bewaffnet gegen ihn hätte kämpfen müssen." staunte Keno und sah seinen Begleiter fassungslos an. John jedoch winkte ab. „Ich habe ihn nicht besiegt. Es war eine Pattsituation und ich war deutlich stärker verwundet als er. Man könnte also sagen, Tymdek hätte den Kampf gewonnen, wenn er nicht versucht hätte mich zu fressen." „Mag sein, trotzdem kenne ich keinen anderen Menschen oder Elf, der jemals einen Drachen im Zweikampf ohne Magie in ein Unentschieden gezwungen hat."
Der Soldat seufzte und entgegnete: „Es war Glück, das es dazu kam. Ich kann es nicht ausstehen, wenn ich für etwas gelobt werde, das ich nicht getan habe." „Trotzdem." murmelte der Junge und trat einen kleinen Stein bei Seite.
Der Tag war mittlerweile angebrochen und allmählich wurde der Weg, auf dem sie gingen immer steiler. Links und rechts von ihnen türmten sich hohe Berge auf, deren Gipfel mit Schnee bedeckt waren und einige Meilen vor ihnen konnte man schon den Pass erkennen, den sie zu überqueren hatten, den Sattel. John hatte zunächst über den Namen gestaunt, als er einen Blick auf die Karte warf, doch nun schien er ihm durchaus passend. Die Gebirgsformation sah wirklich aus wie ein Sattel. Die Berge, die den Pass umsäumten, waren dermaßen hoch, dass ihre Gipfel oben in den Wolken verborgen lagen. Doch bis dorthin, war es noch ein weiter Weg, denn der Pfad führte sie nicht auf direktem Weg zum Pass, sondern schlängelte sich um mehrere Berge herum, bis er schließlich im Ziel mündete. Er schätzte die Strecke auf gut und gern fünfzig Kilometer, durch extrem steiles Gelände. Noch hielt Keno gut mit ihm Schritt, doch sie hatten noch nicht einmal ein Viertel des Weges hinter sich gebracht.
'Zumindest hilft ihm das Gespräch dabei, sich abzulenken.' dachte John und fragte dann: „Wie alt bist du eigentlich Keno?" „Ich werde in drei Monaten sechszehn." antwortete der Junge und wollte seinerseits wissen: „Und du? Du meintest vorhin, dass du seit zweihundert Jahren keinen Scherz mehr getrieben hast. War das nur so eine Redewendung, oder bist du wirklich so alt?" Der Soldat blickte auf den Weg vor ihnen. „Ich bin zweihundertdreiundsechzig Jahre alt. Aber bei allem, was ich hier schon in diesem Land erlebt habe, dürfte das nicht wirklich etwas besonderes sein." Der Drachenreiter sah in schulterzuckend an und meinte: „Nun ja, schon. Trotzdem bist du neben Meisterin Arya und den anderen Elfen die älteste Person dich ich kenne. Aber was genau bist du dann, mit solch einem Alter? Oder werden alle Menschen in deinem Land so alt?" Den Blick immer noch stur nach vorne gerichtet antwortete John: „Nein, ich bin ... anders." „Inwiefern anders?" „Das ist schwer zu erklären." „Versuch es." „Du würdest es nicht verstehen. Sagen wir einfach, dass ich verflucht wurde." erklärte der Soldat, doch Keno ließ nicht locker.
„Was meinst du mit verflucht? Du bist doch nicht etwa ein Schatten?" wollte der Junge wissen und warf John einen nervösen Blick zu. „Ein Schatten? Nein, zumindest nicht, dass ich es wüsste." antwortete dieser und fügte nach einer kleinen Pause hinzu: „Ich kann dir nicht alles erklären, aber für den Anfang dürfte es reichen zu wissen, dass ich ein Soldat bin, der verflucht wurde perfekt zu sein. Die Menschen, die den Fluch über mich brachten, hatten jedoch völlig außer Acht gelassen, dass Perfektion nur zu einem Preis kommt. Deswegen bin ich so alt. Ich habe ganze Generationen von Kameraden sterben sehen. So etwas nagt am Verstand eines Menschen, vor allem wenn einen diejenigen, die man beschützt, als Monster ansehen." „Das tut mir leid, ich wollte dich nicht mit meiner Frage quälen." meinte Keno entschuldigend und ließ mitgenommen den Kopf hängen. Der Titan hingegen, ließ sich davon nicht aus der Fassung bringen. „Keine Sorge. Ich habe mich daran gewöhnt. Im Übrigen ist es immer gut, so viel wie möglich über jemanden zu wissen, mit dem man eine längere Zeit verbringen soll. Also, erzähl mir ein bisschen über dich, vielleicht können wir ja auf dem Weg zu Festung bei deinen Eltern halt machen, um ihnen zu sagen, dass es dir gut geht." sagte er freundlich, doch anstatt den Jungen aufzumuntern, schienen seine Worte ihn noch mehr zu schmerzen. „Meine Eltern sind tot." murmelte er leise und niedergeschlagen.
John wandte seinen Blick auf Keno, der nun wie ein Häufchen Elend neben ihm her lief. Er selbst hatte schon so viel Tod gesehen, dass er schon recht abgestumpft war, was diese Sache anging, doch er verstand, dass eine solche Erfahrung für ein Kind äußerst schmerzhaft sein musste. „Verzeih mir bitte, ich konnte das unmöglich erahnen. Wir müssen nicht darüber reden, wenn es dich zu sehr schmerzt." entschuldigte sich der Titan und korrigierte seinen Griff um den Sack, den er geschultert hatte. Um etwas abzulenken fügte er in den Himmel schauend hinzu: „Es ist ziemlich bewölkt heute, sieht so aus, als würden wir mitten in ein Gewitter hineinlaufen."
„Es ist schon in Ordnung. Ich mache dir keine Vorwürfe, nur –" entgegnete Keno leise und fuhr nach einer kurzen Pause fort: „Lassen wir das für ein andermal." „Selbstverständlich." meinte John ernst und blickte auf Feyth , die offenbar gerade wach geworden war und ihn aus ihren großen grünen Augen verschlafen ansah.
*Ich muss wohl eingeschlafen sein, tut mir leid John.* murmelte sie und sah sich um. *Oh! Wir haben aber schon ein gutes Stück Weg hinter uns, habt ihr euch nicht irgendwann einmal ausgeruht?* stellte sie verblüfft fest. Der Soldat zuckte mit den Schultern und erwiderte: „Ich bin es gewohnt lange zu marschieren. Notfalls könnte ich wochenlang ohne größere Pausen laufen." Skeptisch sah ihn das Drachenmädchen an.
*In so einer schweren Rüstung? Obwohl, ich habe dich immerhin im Wald damit rennen gesehen. Du warst so schnell, dass ich gar nicht hinterherkam. Und auch im Kampf gegen Vater scheinst du recht flink gewesen zu sein. Ich schätze die Rüstung ist doch leichter als sie aussieht!* mutmaßte Feyth, doch John schüttelte den Kopf. „Das täuscht. In welcher Einheit messt ihr bei euch Gewichte?" „In Pfund." antwortete Keno, der sich offenbar etwas zusammengerissen hatte und nun den beiden interessiert zuhörte. Der Titan überlegte kurz und sagte dann: „Die Rüstung wiegt ungefähr 5512 Pfund."
„Was?" riefen das Drachenmädchen und der Junge gleichzeitig, sie in Gedanken, er laut. John nickte. „Das ist Wahnsinn. Nicht einmal ein Elf oder Kull könnten so viel Gewicht tragen! Vielleicht ein paar Meter, aber sicher nicht hunderte von Meilen! Deine Knochen und Muskeln müssten ja aus Stahl sein, um diese Rüstung so lange tragen zu können, vor allem mit so einer Leichtigkeit! Du läufst ja neben mir her, als hättest du nicht viel mehr als ein dünnes Hemd an. Das Gewicht kann nicht stimmen!" meinte der Drachenreiter verwirrt und blieb stehen, als auch der Soldat stehen blieb. Selbst Feyth sah John mit einem neugierigen Blick an.
Er setzte das Drachenmädchen auf den Boden, stellte auch den Sack für einen kurzen Moment ab und nahm sich mit einem Zischen den Helm vom Kopf. „Fang!" sagte er auffordernd und warf dem Jungen seine Kopfbedeckung zu. Dieser streckte überrascht die Arme aus und keuchte, als es ihn fast auf den Allerwertesten schleuderte, nachdem er den Helm gefangen hatte. John lächelte. „Glaubst du mir jetzt?" „Das ist unfassbar! Wirklich unglaublich! Dieses Ding wiegt mehr, als meine gesamte Rüstung mitsamt Schild und Schwert! Wie kannst du so etwas nur tragen?" „Deine Behauptung meine Knochen müssten aus Stahl sein, war nicht ganz falsch." entgegnete der Soldat augenzwinkernd, nahm seinen Helm wieder aus Kenos Händen und setzte ihn sich auf. Mit einem Zischen versiegelte sich der Atlas erneut.
*Deshalb konntest du Vaters Pfote mit deinem Gegenschlag brechen!* stellte Feyth erstaunt fest und John nickte. Bevor sie jedoch richtig zur Ruhe kommen konnten um ihn mit Fragen zu löchern, schulterte er wieder den Sack und setzte den Marsch fort. Er spürte wie das Drachenmädchen auf seinen Rücken sprang und bemerkte auch, dass Keno mit schnellem Schritt neben ihm herlief. „Das meintest du also mit 'anders', oder?" wollte der junge Drachenreiter wissen, doch der Soldat blieb stumm. Er hatte schon zu viel von sich preisgegeben, etwas das er unter normalen Umständen niemals getan hätte, doch es war einfach über ihn kommen den beiden einen Beweis zu geben.
Feyth schien seine Gedanken zu bemerken, denn sie entgegnete dem Jungen: *John will nicht darüber sprechen, es ist offenbar sehr persönlich.* „Oh, na gut. Es ist seine Sache. Immerhin ist es ja nicht so, als würden wir uns schon lange kennen." meinte Keno und John konnte deutlich die Enttäuschung in seiner Stimme hören. „Vielleicht ein andermal." deutete er deshalb an und weckte damit ein schwaches Lächeln im Gesicht des Knaben.
Dann allerdings schwieg er für die nächsten paar Stunden und lauschte stattdessen dem hitzigen Gespräch zwischen Keno und Feyth, die darüber diskutierten, wer wohl für die Entführung verantwortlich war und vor allem, wo genau Shad sich momentan befand. Es fielen Begriffe wie: Surda, Dras Leona, König Unthfar, Helgrind, die Du Vrangr Gata. Alles Dinge, mit denen er so gut wie nichts anfangen konnte. Er erinnerte sich zwar noch an Surda, das kleine Land südlich von Alagäsia und Dras Leona, eine große Stadt an einem See und an den Helgrind der in der Nähe von Dras Leona in die Höhe ragte. Doch an einen König Unthfar oder eine Magiegilde Namens Du Vrangr Gata konnte er sich nicht erinnern. Wenn er es allerdings richtig deutete, war Unthfar König von Surda und der größte Verdächtige, den die beiden im Blick hatten.
Der Tag neigte sich schon dem späten Nachmittag zu, als das Gewitter, das John zuvor gesehen hatte, sie erreichte. Es begann wie aus Kübeln zu schütten, Blitzte zuckten in den Wolken und lauter Donner grollte durch die Berge. Keno hatte sich selbst und Feyth mit einer Art Schutzzauber umgeben, um sich vor dem Regen, Blitzen oder einer möglichen Felslawine zu schützen. Der Soldat hingegen hatte dankend abgelehnt, als der Junge ihm auf Nachfragen erklärt hatte, dass er dafür seine eigene Energie nutzen müsse. Der Wind, Regen und Donner machte es fast unmöglich für Keno mit John zu sprechen und sogar die Sichtweite betrug nur wenige Meter weshalb der Junge dicht hinter dem Titanen ging, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Dieser hatte alle vier Helmlampen eingeschalten um den Weg noch durch den dichten Regen, der gegen sein Visier klatschte, erkennen zu können.
„Wie lange dauern die Unwetter in dieser Region?" rief John über den Lärm des Regens hinweg, nachdem sie bereits über eine Stunde durch das Unwetter marschierten und noch keine Besserung in Sicht war. *Vater hat mir erzählt, dass es mehrmals im Jahr zu schweren Unwettern im Gebirge kommen kann, die bis zu drei Tage anhalten. Offenbar haben wir unglücklicherweise gerade eine dieser Phasen erwischt.* gab sie angestrengt zurück, während sie sich dich an seinen Körper presste, um dem Wind keinen großen Widerstand zu leisten. „Drei Tage? Wir werden ernsthafte Probleme bekommen, wenn wir in höher gelegene Gefilde kommen. Dort ist es dann kein Gewitter mehr, sondern ein verdammter Schneesturm. Ich kann jetzt schon vermehrt Schneeflocken im Regen erkennen." rief John zurück und zog schmatzend seinen Fuß aus dem Schlamm, in den sich der Pfad mittlerweile verwandelt hatte. Auch Keno hinter ihm hatte offenbar die Situation in der sie sich befanden begriffen, denn er rief: „Wir müssen einen Unterstand finden und warten, bis das Unwetter vorbei ist! Eine Höhle oder so. Ich kann unsere Schutzzauber nicht mehr lange aufrecht erhalten." „Einverstanden!" antwortete John und begann, während sie weitergingen immer wieder die Felswand, die sich in einigen Metern Entfernung von ihnen befand abzusuchen, um die rettende Höhle zu finden.
Die Nacht brach schon herein, als er endlich eine kleine Einbuchtung in dem Gestein entdeckte. Sofort führte er sie dorthin und nach einem kurzen Blick stellte er freudig fest, dass es eine größere Höhle war, die offenbar tiefer in den Berg hineinging. Froh endlich im Trockenen zu sein, sprang Feyth von seinem Rücken und schüttelte die Regentropfen ab, die noch auf ihren Schuppen saßen, denn Keno hatte zumindest den Schutz vor dem Regen von ihr nehmen müssen, um noch genug Energie für seinen eigenen Schutzzauber zu haben. Das Drachenmädchen hatte sofort zugestimmt, als er sie gefragt hatte, denn für den Menschen wäre es äußerst riskant geworden, wenn seine Kleidung komplett durchnässt worden wäre, ohne eine Möglichkeit sie schnell und einfach zu trocknen. Womöglich wäre er irgendwann in der Nacht daran erfroren. Doch glücklicherweise hatte der Zauber gehalten, bis er endlich im Trockenen war. „Das war ganz schön knapp. Noch ein paar Minuten und ich hätte den Zauber beenden mü –" sagte der Junge erleichtert, doch John unterbrach ihn mitten im Satz.
„Wir sind hier nicht allein!"
Angespannt blickte er tiefer in die Höhle und das Licht seiner Lampen traf auf etwas, das er lieber nicht gesehen hätte. *Oh nein!* wimmerte Feyth und versteckte sich hinter dem Titan und auch Keno entwich ein leiser Fluch, während er vom Fels, auf den er sich gesetzt hatte, aufsprang und sich zu ihnen stellte. Ein drohendes Knurren hallte durch die Höhle und John zog sein Messer, um sich auf das ihnen Bevorstehende vorzubereiten.
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[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die Drachenreiter
FanfictionDer Soldat John Miller findet sich nach einem schrecklichem Unfall an den Ufern eines ihm unbekannten Landes wieder. Schon sehr bald wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr in seiner eigenen Welt befindet. So also macht er sich auf den Weg, die Dr...