Die Spinne und das Krokodil

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„Großer Gott, Steven! Versuch dich nicht zu bewegen und spar dir deinen Atem, anstatt unangebrachte Witze zu reißen! Alex, gib ihm sofort von deinem Wassertank zu trinken, so viel wie in ihn hineingeht! Danach gibst du ihm deine Energieriegel, zerbröckel sie, wenn er nicht kauen kann und ihr anderen haltet Abstand während ich seine Wunden bandagiere!" rief Emily energisch und zeigte mit ihrem obersten rechten Arm auf Alex und danach auf Steven, während sie gleichzeitig mit dem linken oberen Arm John und die andere wegscheuchte, die sich alle eng um den verletzten Sergeant versammelt hatten. Gleichzeitig zog sie eiligst ihren kleinen Arztbeutel von ihrem Beutel und begann seine Wunden mit ihren restlichen vier Händen zu versorgen, angefangen an seinem Hals.

Millers Gesicht war komplett verzerrt vor Anspannung. Es gab nichts Schlimmeres für ihn, als hilflos mit ansehen zu müssen, wie eines seiner Kinder derartig leiden musste, vor allem, wenn er im Grunde die Schuld daran trug. Neben ihm standen, Alanna, Keno, Liriàrth, Aidan und natürlich die anderen Titanen, wobei sich hinter ihnen Dun'var, Othreni und Tinira versammelt hatten.

Doch am aufgedrehtesten war Feyth.

Das kleine Drachenmädchen fiepte und quiekte aufgeregt, während sie sich in Alex Armen wand und versuchte zu Steven hinüberzuspringen. Er konnte ihre Angst um Coule in seinem Geist spüren, wo sie sich mit seiner eigenen Aufregung vermischte. Nurton hatte große Probleme sie daran zu hindern, ihm vom Arm zu springen und gleichzeitig seinem Bruder etwas zutrinken zu geben, weshalb ihm nichts anderes übrig blieb, als Robert sie ihm abnehmen zu lassen. Erst danach konnte er sich endlich neben Stevens Kopf hinknien, seinen Kopf leicht anheben und den Wassertank an dem Mund setzten.

*Nein! Er hat sich meinetwegen so stark verletzt! Wegen mir hat er solche Schmerzen! Lass mich los, ich muss ihm helfen!* kreischte Feyth in ihren Köpfen und biss sogar leicht in Holsteds Handschuh, damit er sie losließ, doch der Pilot hielt sie weiterhin mit sanfter Gewalt fest in den Armen. „Ich weiß, dass du helfen willst meine Kleine, aber es ist für den Moment besser, wenn du Emily ihre Arbeit tun lässt." sagte er behutsam, was das Drachenmädchen jedoch nicht interessierte. John ahnte, wie ernst es ihr sein musste, wenn sie sogar bereit war, dem Piloten in den Finger zu beißen, um zum Sergeant zu gelangen und er wusste auch sofort warum.

„Lass sie los Robert, sie kann ihm helfen! Du wirst sehen." meinte er streng in Richtung seines Sohnes, der ihn verblüfft ansah, genauso wie Julia. „Dad, was soll sie schon tun können? Drachen können keine Magie wirken. Die einzigen, die wirklich helfen könnten, sind unsere Drachenreiter hier." erwiderte sie ernst und nickte in Richtung der beiden Elfen und Keno, die dadurch aus ihrer Schockstarre zu erwachen schienen. „Natürlich! Emily, bitte lasst mich euch helfen! Ich kann seine Muskeln und seine Haut sofort heilen." rief Alanna angespornt aus und sprang grazil neben Smith, wobei Miller deutlich sehen konnte, wie ihr ganzer Körper noch vor Anspannung zitterte und jegliche Farbe aus ihrem Gesicht gewichen war. Er hielt jedoch an seiner Sache fest. „Vertrau mir Robert. Feyth besitzt Fähigkeiten, die wir nicht einmal ansatzweise verstehen!" erklärte er bestimmt und der kleine Drache jaulte verzweifelt, während sie sich weiter gegen den eisernen Griff des Titanen stemmte.
Robert runzelte die Stirn.

„Colonel Miller ist korrekt, Sir. Während seines dreitägigen Komas, lag die kleine Feyth fast die gesamte Zeit neben, beziehungsweise aus seinem Körper. Das interessante daran war, dass, sobald sie sich von ihm entfernte um etwas zu fressen, sich Colonel Millers Zellregenation drastisch verlangsamte und als sie sich wieder neben ihn legte, stark anstieg. Ich konnte den Grund für dieses Phänomen nicht ermitteln, da meine Scanner diesbezüglich nichts registrierten, doch selbst ich kann nicht abstreiten, dass ihre körperliche Nähe einen heilenden Effekt auf lebendes Gewebe hat. Ich empfehle, dass wir diesem Phänomen bei Gelegenheit auf den Grund gehen sollten, Sir." bemerkte Aidan analytisch und überraschte damit sowohl Holsted, als auch John. Er hatte beim besten Wille nicht damit gerechnet, dass die KI von Feyths Fähigkeit wusste.

Roberts Augen weiteten sich verblüfft und er sah leicht perplex hinunter auf Feyth, die wieder begonnen hatte, an seinem Daumen zu nagen. „Also gut, wenn ihr beide das sagt." murmelte er schließlich unentschlossen, ging neben Alex in die Hocke, der nach wie vor Steven Wasser einflößte und setzte das grüne Drachenmädchen behutsam an Coules Schulter ab.

Sofort beendete Feyth ihr stürmisches Verhalten und schmiegte sich liebevoll fiepend an die linke Wange des Sergeants, der schwach lächeln musste und seinem Bruder mit einem Brummen bedeutete, den Wassertank abzusetzen. *Das ist alles nur wegen mir. Du hast dir so viel wehgetan, nur wegen mir.* wimmerte der kleine Drache traurig und schleckte ihm sacht über die Stirn. „Hey – ich sagte doch – ich möchte meine kleine Schwester – nicht weinen sehen. Mir – geht es gut Feyth – tut gar nicht weh." presste er keuchend lachend hervor und versuchte zu grinsen, was ihm jedoch nicht gänzlich gelang. *Du lügst! Ich kann spüren, wie schlecht es deinem Körper geht!* widersprach sie leise fauchend, woraufhin der Titan leicht schmunzelnd die Augen für einen Moment schloss. „Manchmal – muss ein großer Bruder – eben Sachen für sich behalten, Feyth." meinte er flüsternd, was Feyth ein weiteres, wehleidiges Jaulen entlockte.

In der Zwischenzeit, hatte Alanna sich neben Emily hingekniet und ihre angeboten zu helfen, woraufhin die Feldärztin kurz mit ihren sechs Armen innehielt und der Elfe einen skeptischen Blick zuwarf. Gleichzeitig fasste sie mit einer ihrer rechten Hände hinüber und verhinderte mit einem sanften Stupser, dass das Drachenmädchen Coules offene Halswunde abschleckte. John atmete erleichtert auf, denn er war gerade selbst schon im Begriff gewesen, Feyth schnell beiseite zu ziehen. Es war das letzte, was er jetzt noch gebrauchen konnte, wenn sie ausversehen Stevens Nanitenblut aufschlecken würde. Glücklicherweise schien sie gleich zu kapieren, dass Abschlecken tabu war und verstärkte stattdessen ihr sanftes Reiben an Coules Wange, während Alex neben ihr eine ganze Handvoll Energieriegel aus seiner Hüfttasche zog und begann einen davon zu entpacken.

Währenddessen warf Emily, Alanna immer noch einen sehr skeptischen Blick zu. „Seid ihr euch sicher? Ich weiß nicht, wie eure Heilzauber funktionieren, aber ich muss euch warnen: Stevens Haut, Sehnen und Muskeln, sind nicht mehr die eines normalen Menschen." erklärte sie ernst, woraufhin die Elfe verstehend nickte, aber immer noch leicht nervös wirkte. „Seid unbesorgt, Heilerin. Die Magie, die ich anwenden werde, ist ein recht simpler Zauber, der allgemein für oberflächliche Verletzungen eingesetzt wird. Allerdings werde ich seine Sehnen damit nicht heilen können. Falls ihr ihn also deswegen noch behandeln wollt, solltet ihr das tun, bevor ich seine Wunden schließe. Ah, und es wäre besser, wenn wir zuvor die – Knochensplitter aus seinem Arm entfernen." erwiderte Alanna respektvoll und schluckte schwer, als sie die Bruchstücke der Drachenknochen im Unterarm des Sergeants bemerkte.

Auch John musste unwillkürlich mit den Zähnen knirschen, da ihm jetzt erst richtig klar wurde, wie übel Steven sich eigentlich selbst zugerichtet hatte. Seine rechte Hand, besaß im Grunde keinen einzigen Fetzen Haut mehr, sodass die metallischen Fingerknochen und die verstärkten Sehnen zu sehen waren. Auch ein Großteils seines Unterarms war komplett aufgeschürft und die darunterliegenden Muskeln und Bänder deutlich sichtbar, wobei sie teilweise stark eingerissen waren. Schlimmer jedoch waren die einzelnen Knochensplitter, von denen mindestens ein Dutzend auf seinem ganzen Unterarm verteilt saßen und tiefe Wunden verursacht hatten. Zwei von ihnen waren sogar so groß, dass sie einmal den gesamten Arm durchstoße hatten. Und obwohl die Naniten die Blutgefäße zum Großteil schon wieder repariert hatten, tropfte immer noch vereinzelt blaues Blut aus den geschundenen Muskeln wenn diese zuckten, allerdings nur eine sehr geringe Menge.

Sein linker Arm und die Hand sahen daneben fast schon gut aus. Doch auch sie waren übel mitgenommen. Ein mehrere Zentimeter tiefer und fast ein Meter langer Schnitt zog sich von seiner Hand hinauf über den halben Unterarm und entblößte dabei Muskeln, Bänder und auch seine Knochen. Zum Glück war er jedoch nicht sonderlich breit und die Naniten hatten die Wunde bereits komplett versiegelt, was auch bitter nötig gewesen war, da der Zahn, der den Schnitt verursacht hatte, zusätzlich die großen Blutgefäße im Arm aufgerissen hatte. Dagegen wirkte das große Loch nach dem Schnitt, welches einer der Schwanzstacheln von Filia verursacht hatte, fast schon harmlos. Auch die an mehreren Stellen aufgerissene Haut über seinen malträtierten Muskeln war eher harmlos, genauso wie sie vier tiefen Kratzspuren auf seinem Brustkorb, wo zwar teilweise seine massiven Rippen zu sehen waren, aber im Grunde nur oberflächliche Verletzungen darstellten.

Schmerzhaft, ja, doch relativ leicht zu heilen für die Naniten.

Und das Loch im Bauch, das Feyths Mutter ihm zu Beginn des Kampfes zugefügt hatte, war schon praktisch nicht mehr zu sehen, was Coule der gesteigerten Regeneration während seines Overdrives zu verdanken hatte.

Millers Augen weiteten sich leicht, als er überrascht bemerkte, wie die Haut und Muskeln von Stevens linkem Oberarm begannen langsam wieder zu heilen. Er konnte regelrecht sehen, wie sich die einzelnen Muskelfasern mit ihrem abgerissenen Enden wieder verbanden und die Haut an den wiederhergestellten Muskelbergen emporwuchs. Die Naniten arbeiteten zwar schnell, doch sie priorisierten eher schwerwiegende Wunden, wie die Punktierung unterhalb des Ellbogens, anstatt solcher oberflächlichen Risse. Etwas musste den winzigen Robotern bei ihrer Arbeit also zur Hand gehen. Sein erster Instinkt war es, hinüber zu Emily und Alanna zu sehen, doch die Elfe war damit beschäftigt seinen rechten Oberarm zu heilen, indem sie die Hände übereinandergelegt hatte und nur Millimeter über der Verletzung hielt. Ein schwaches grünes Schimmern schien von ihrer Handfläche auszugehen, während Smith voll und ganz damit beschäftigt war, mit allen sechs Armen gleichzeitig die Knochensplitter aus dem rechten Unterarm zu ziehen.

Dann schoss es ihm durch den Kopf und sein Blick huschte hinüber zu Feyth, die mit ihren Vorderpfoten auf seiner verschwitzten linken Schultern stand und ihren Kopf mit geschlossenen Augen auf die Brust gelegt hatte, wo sie leise mitfühlend fiepte. Ein wissendes Schmunzeln legte sich unwillkürlich auf Johns Lippen. 'Sie ist echt etwas besonderes.' dachte er sich und atmete tief durch. Er würde einiges mit seinem Sohn zu besprechen haben, sobald er wieder auf eigenen Beinen stehen konnte, ohne umzukippen. Zumindest seine Atmung normalisierte sich recht zügig, was kein großes Wunder war und Alex ließ kleine Brocken Energieriegel in Stevens Mund fallen, die er im ganzen hinunterschlang, da er zu ausgelaugt war, um sie zu zerkauen.

„Warum war mir schon davor klar, was passieren würde?" fragte Nurton sarkastisch und riss die Packung des zweiten Riegels auf, nachdem Coule den letzten Rest des ersten hinuntergewürgt hatte. Der Sergeant grinste schwach und erwiderte wieder etwas fester: „Weil du es wohl genauso gemacht hättest. Bei dir – wäre Filia wohl weitaus schlechter weggekommen." „Zumindest nicht wirklich besser." knurrte der goldbraun gepanzerte Titan grimmig und zermalmte den Riegel in seiner Hand zu einer halbfeuchten Matsche, woraufhin Steven hustend lachte. „Darum hab ich auch den Kampf übernommen." „Spar dir deinen Atem und mach dein Maul auf, wenn du hier nicht noch ein paar Stunden im liegen verbringen willst." entgegnete Alex und ließ den gematschten Riegel stückweise in den offenen Mund seines Bruders fallen.

„Darüber reden wir später noch unter vier Augen, Steven." bemerkte Miller streng und verschränkte die Arme vor der Brust, was Coule dazu veranlasste missmutig zu brummen.

*Geht nicht zu hart mit eurem Sohn ins Gericht, Rotauge. Dieser Kampf war ein wahres Festmahl für meine Augen! Ein Mensch, der einen Drachen mit bloßen Fäusten niederringt, davon werden spätere Generationen noch in 1.000 Jahren ihren Kindern berichten!* rief Dun'var daraufhin erfreut aus und erinnerte John daran, dass sie hier nicht allein waren. Er drehte sich zu dem großen Drachen um, der rechts hinter ihm saß. Schattenklaue hatte seine Zähne wie zu einem grauenerregenden Grinsen gefletscht und seine mitternachtsblauen Augen schienen förmlich zu funkeln, während er Steven fast schon begierig ansah. Vor ihm hockte Tinira, keine zwei Meter vom Colonel entfernt und wirkte nicht ganz so euphorisch wie ihr Vater. Ihr stand eher Ehrfurcht und auch ein wenig Angst ins Gesicht geschrieben. „Das glaube ich nur zu gerne, Dun'var. Aber trotzdem ging das ganze etwas zu weit, von beiden Parteien." meinte er ernst und bekam als Antwort ein amüsiertes Schnauben zu hören. *Ein Kampf, in dem nicht mindestens ein Tropfen Blut vergossen wird, ist kein wirklicher Kampf, Rotauge! Man muss fühlen, wie der Knochen seines Gegenübers unter den eigenen Klauen zerbirst und seine klagenden Schreie hören! Erst dann kann man behaupten, gekämpft zu haben!* erwiderte der Gigant begeistert.

„Ich glaube ich habe gerade meinen Seelenpartner gefunden. Wir müssen uns unbedingt die nächsten Tage mal zu einem Fass Bier zusammensetzen, Dun'var!" gluckste Steven, wobei seine Atmung wieder fast normale Züge angenommen hatte. „Du wirst die nächsten paar Tage nicht einmal annähernd daran denken, einen größeren Kampf zu führen, Dickkopf! Selbst dein Körper braucht Zeit sich zu regenerieren." fauchte Emily missmutig und zog einen der größeren Splitter etwas rabiater aus seinem Arm, was den Sergeant kurz zusammenzucken ließ. Scheinbar gaben die Naniten langsam aber sicher seine Schmerzrezeptoren wieder frei, was für John bestätigt wurde, als Feyth auf seiner Brust erschrocken aufschreckte und laut fiepte. „Schon gut, schon gut. Es war ja nur ein Scherz Emy." entschuldigte Coule sich rasch, woraufhin Smith missmutig schnaubte. *Ich werde darauf zurückkommen, sobald ihr wieder wohlauf seid, Steven.* meinte Schattenklaue jedoch amüsiert, wobei Miller das Funkeln in seinen Augen nach wie vor nicht gefallen wollte.

Allerdings erregte Tinira gerade eher seine Aufmerksamkeit, denn das gelbe Drachenmädchen schien am ganzen Leib leicht zu zittern, während sie abwechselnd ihn und Steven anstarrte. „Ist alles in Ordnung, Tinira? Du wirkst etwas verstört." hakte er deshalb freundlich nach. Sie zuckte wie ertappt zusammen. *J – ja, Rotauge. Ich – ich muss nur die ganze Zeit daran denken, was hätte passieren können, wenn ihr ernsthaft gegen mich gekämpft hättet.* antwortete Tinira ehrfürchtig. John seufzte wissentlich und setzte anschließend ein freundliches Lächeln auf. „Ah, das ist es also. Mach dir keinen Kopf darüber. Es gehört der Vergangenheit an und du hast aus deinem Fehler gelernt." meinte er beruhigend und legte ihr versichernd die Hand auf die Brust. Das Drachenmädchen schien sich daraufhin wieder ein wenig zu entspannen und stieß ein leises Schnurren aus, das Millers Hand leicht vibrieren ließ.

„Das ist wirklich unglaublich. Ich wollte Kenos Erzählungen zunächst keinen Glauben schenken, aber jetzt? So etwas habe ich in meinem gesamten Leben noch nicht gesehen." konnte er dann plötzlich hinter sich eine weibliche Stimme murmeln hören und als er sich nach links umdrehte, bemerkte er Liriàrth, die zusammen mit Keno neben ihm stand und vollkommen blass im Gesicht war. Hinter ihnen saß Othreni, der eine respektvolle Haltung gegenüber Dun'var eingenommen hatte und dem Titanen einen respektvollen Blick zuwarf. „Ich habe es dir ja gesagt! Du solltest die Titanen nicht unterschätzen! Sie können es durchaus mit einem Drachen aufnehmen!" rief Keno voller Begeisterung aus, während er Steven mit großen Augen betrachtete. „Ich muss zugeben, es war eine beeindruckende Darbietung von purer Körperkraft. Allerdings glaube ich, dass der Kampf doch etwas knapper ausging, als du vielleicht meinst Keno. Oder was sagt ihr, John-Elda?" erwiderte die silberhaarige Elfe nachdenklich, was Miller kurz nickend bestätigte.

„Ihr habt einen sehr erfahrenen Blick auf die Dinge, Liriàrth. Wäre der Kampf nur ein paar Augenblicke länger gegangen, hätte Steven ihn verloren." stimmte er zu und sah kurz nach rechts, als Robert neben ihn trat. „Daran ist er jedoch selbst schuld. Wobei man sagen muss, dass es anders wohl ein weitaus blutigerer und längerer Kampf geworden wäre." merkte der Pilot ernst an. Abermals nickte Miller zustimmend. „Was redet ihr da schon wieder über mich?" fragte Steven laut, bekam jedoch prompt von Alex einen Handstoß gegen die Stirn, der ihn gleich wieder verstummen ließ. „Ich denke da habt ihr recht, Herr Holsted. Die Kraft eures Bruders ist wirklich überwältigend, ich könnte mir nicht einmal ansatzweise vorstellen gegen ihn im Zweikampf anzutreten. Und ihr seid mit Sicherheit auch nicht gerade viel schwächer." entgegnete Liriàrth schwach lächelnd und John konnte deutlich ein leichtes Zittern in ihrer Stimme vernehmen, auch wenn ihr Gesichtsausdruck normal freundlich wirkte, wenn man von der blassen Hautfarbe einmal absah.

„John ist fast genauso stark! Er hat schon gegen Dunkelschwinge und Schattenklaue gekämpft und in beiden Fällen mindestens ein Unentschieden erreicht!" sagte Keno energisch und zuckte leicht zusammen, als Dun'var daraufhin ein amüsiertes Knurren ausstieß. *Das ist richtig, Küken. Und es war einer der besten Kämpfe, den ich seit langer Zeit hatte. Sowohl ich, als auch Rotauge haben jeweils Narben davongetragen.* erklärte er stolz und präsentierte kurz seinen malträtierten Schwanz, dem ein gutes Stück vom Ende fehlte. Miller musste kurz überlegen, welche Narbe er aus dem Kampf behalten hatte, bis ihm einfiel, dass Schattenklaue sich mit seinen Krallen auf der Brustplatte des Atlas verewigt hatte. „Das stimmt, eure Klauen haben einen bleibenden Eindruck auf meiner Rüstung hinterlassen." erwiderte er schmunzelnd und sah hinüber zu Alanna, die nun unter den wachsamen Augen von Emily zum rechten Unterarm vorgerückt war und erneut die Hände darüber hielt.

Er konnte sie „Waíse heill!" flüstern hören, woraufhin ihre Handflächen wieder grün zu schimmern begannen. Fasziniert beobachtete er das Ganze und seine Augen weiteten sich leicht, als die Verletzungen an Stevens Arm sich rasch zu schließen begannen, weitaus schneller, als es mit den Naniten sonst möglich wäre. „Magie ist echt unglaublich. Ich bin ja schon einiges gewohnt, aber das ist auf einem anderen Level." murmelte Robert neben ihm, während seine Frau den Vorgang ebenfalls neugierig musterte.

Dann jedoch zuckte ihr Kopf nach rechts und sie sprang schlagartig auf. Ein lautes Klickern ihrer Mandibeln verriet ihnen, dass etwas nicht in Ordnung war, weswegen sie augenblicklich ihrem Blick folgten und sofort bemerkten, weswegen Smith aufgesprungen war. Murtagh und Dorn kamen im Eiltempo zu ihnen herüber geeilt. 'Sie muss ihre Schritte im Boden gespürt haben.' mutmaßte Miller und trat einmal um Steven herum, um den Drachenreiter in Empfang zu nehmen. Holsted und Emily taten es ihm gleich, genauso wie Aidan, der ohnehin nur hinter John her schwebte, wohingegen Julia bei Alanna blieb und ihr aufmerksam über die Schulter sah.

Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die beiden vor ihnen zum Stehen kamen, wobei der rote Drache sie alle im wahrsten Sinne des Wortes in den Schatten stellte.
„Ich dachte mir, ihr bräuchtet vielleicht Hilfe beim Versorgen von Stevens Verletzungen. Bei allen Göttern, was für ein Kampf! Ich habe jeden Schlag den die beiden geführt haben, mit meinem ganzen Körper gespürt." meinte Murtagh anschließend und spickte zwischen ihnen hindurch auf Coule, der mittlerweile wieder genug Kraft besaß zumindest seinen Kopf zu bewegen. Er klang recht aufgeregt. „Danke, aber Alanna kümmert sich bereits um ihn. Ich hoffe doch, Filia ist nicht allzu schwer verletzt?" entgegnete der Colonel respektvoll, wobei ihn nur sein moralischer Anstand dazu zwang, sich nach Feyths Mutter zu erkundigen. Abwinkend hob der Reiter die rechte Hand. „Mein Bruder hat ihre Verletzungen fast schon geheilt. Aber ich muss schon sagen, einem so großen Drachen wie Filia das komplette Hüftgelenk mit der bloßen Faust zu zertrümmern, ist eine beachtliche Leistung. Ich möchte niemals am anderen Ende eurer Faust stehen, wenn es sich vermeiden lässt Herr Coule." erklärte er, wobei beindruckt nickte. „Dann hoffen wir, dass es nie dazu kommt." gab der Sergeant glucksend zurück, nachdem er die letzten Reste vom nun schon sechsten Energieriegel herunterschluckte.

*Ich habe bisher nur Erzählungen, über die Stärke von euch Titanen gehört und sie zu einem großen Teil, ins Reich der Märchen abgetan. Ein Mensch, der einen Drachen im Zweikampf ohne Magie niederringt? Absurd! Und doch, habt ihr mich heute eines anderen belehrt, Donnerfaust. Eure Kampfkraft ist der eines erwachsenen Drachens durchaus ebenbürtig.* meinte dann Dorn mit ernster Stimme und neigte leicht den Kopf in Richtung der Titanen. „Zumindest hat er genauso einen Dickschädel wie ein Drache." brummte Emily mit geschürzten Lippen und Robert kicherte leise, während Johns Miene eher neutral blieb. „Donnerfaust. Der Name gefällt mir! Kommt sofort auf meine Rüstung, sobald ich dazu komme." entgegnete Steven erfreut und richtete sich langsam wieder auf, wodurch Feyth von seiner Brust in den Schoß rutschte.
Allerdings schienen die Naniten, den Großteil seiner Schmerzrezeptoren wieder freigegeben zu haben, denn er fluchte laut und verzog angestrengt das Gesicht, als er versuchte seinen linken Arm zu bewegen.

Dann jedoch wurde Murtagh etwas ernster, was bei Miller sämtliche Alarmglocken läuten ließ. „Euer Sieg hat euch jedoch nicht nur Freude gebracht, Steven. Die Elfen waren ziemlich entsetzt und wütend darüber, wie stark ihr Filia verletzt habt. Dass sie euch aber ebenso schwer verletzt hat, daran denken sie nicht einmal. Sie verehren die Drachen regelrecht, was sie nicht unbedingt zu neutralen Richtern macht, wenn es um solch einen Konflikt geht." erklärte der Reiter eindringlich.

Sofort versteifte sich Johns Haltung und jegliche Emotion verschwand von seinem Gesicht.
„Was meint ihr damit? Sind sie uns gegenüber etwa feindselig?" fragte er trocken, woraufhin Murtagh leicht die Lippen aufeinander presste. „Nicht wirklich feindselig, aber freundlich eben auch nicht. Einen Drachen zu verletzten kommt für sie einem Sakrileg gleich. Deswegen haben euch die Elfen euch auch solche abschätzigen Blicke zugeworfen, als Eragon euch einander vorgestellt hat. Ich will damit einfach nur sagen: Seid auf der Hut, wenn ihr mit ihnen redet, sie könnten versuchen euch das Wort im Mund herumzudrehen." „Ich verstehe, danke für die Warnung." entgegnete der Colonel nüchtern und Robert fügte leicht genervt hinzu: „Dann sind sie auch nicht viel anders, als die Politiker und Zeitschriftenehinis in unserer Heimat. Damit kommen wir schon klar."

*Das ist jedoch nur das kleinere, der beiden Probleme.* setzte Dorn jedoch knurrend hinterher und John runzelte die Stirn. „Und was ist das größere?" hakte er nach, doch anstatt des roten Riesens, antwortete ihm sein Reiter. „Das Problem sind die anderen Drachen. Aesdol und Silexin, der kupferne und der felsgraue, sind auf Filias Seite und von dem, was ich gerade erst von ihnen mitbekommen habe, sind sie nicht gerade glücklich über ihre Niederlage. Drachen sind nicht gerade dafür bekannt, zimperlich zu sein, ihr solltet also auf einen kleinen Angriff vorbereitet sein, wenn sie sich in irgendeiner Weise verletzt fühlen."

Millers Stirnfalten vertieften sich um einige Millimeter und auch Emily begann wütend mit ihren Mandibeln zu Klicken. „Haben sie keine Reiter, die sie in Schach halten können? Oder haben diese die gleiche Mentalität wie Pelendol?" wollte er nüchtern wissen. Abermals antwortete ihm Murtagh. „Silexins Reiterin, Artula habt ihr bereits kennengelernt. Sie stammt von einem der Nomadenstämme der Hadarac-Wüste ab und wurde mit ihren Traditionen aufgezogen. Sie glaubt nun einmal an das Recht des Stärkeren, was die Lage etwas verzwickt macht. Einerseits dürfte sie Stevens Sieg ohne Zweifel anerkennen, aber andererseits wird sie vermutlich nicht viel dagegen unternehmen, falls Silexin etwas Dementsprechendes anstellen würde. Aesdol ist eine gänzlich andere Geschichte. Er ist als wilder Drache geschlüpft und ihn ohne Gewalt unter Kontrolle zu halten, ist bei seinem Alter fast schon unmöglich." erklärte er ernst und John konnte hinter sich hören, wie Alex sich aus seiner Hocke erhob und zu ihnen kam.

Und der bullige Titan verhielt sich dabei gefährlich leise.

„Aber sie würden es nicht wagen, etwas zu tun, während die anderen dabei sind, oder?" fragte Robert angespannt, was Dun'var hinter ihm zu einem drohenden Knurren verleitete. „Nein, das würden sie vermutlich nicht wagen. Aber ihr müsst wissen, dass viele der älteren Drachen, die Feyth bereits kennen, Filias Meinung teilen. Es gibt einige vernünftige Ausnahmen, wie zum Beispiel Schattenklaue oder Othreni, aber insbesondere die wilden Drachen, die über uns in den Nisthöhlen hausen, würden die Kleine auf der Stelle töten, wenn sie die Gelegenheit dafür bekommen. Deswegen solltet ihr euch im Hinterkopf behalten, dass Stevens Sieg quasi nur ein Tropfen auf den heißen Stein war. Ein großer Tropfen, ja, aber der Stein glüht trotzdem noch." merkte Murtagh verbittert an.

„Ach, ist das so, ja?" spie Alex regelrecht aus und ballte wütend die Hände zu Fäusten. „Der Kupferne und der Graue, ja?" setzte er rhetorisch fragend hinterher und fixierte die beiden Drachen, welche drüben klar deutlich im Knubbel um Filia herumsaßen.

„Emily? Wir haben noch etwas zu erledigen." „Natürlich." sagte Emily bestimmt und das Klickern ihrer Mandibeln verstärkte sich noch.

Noch bevor John, Robert oder Murtagh etwas sagen konnten marschierten sie nebeneinander her an Dorns gewaltigem Körper vorbei, geradewegs auf Filias Gruppe zu.

„Oh verdammt!" fluchte Holsted laut, während sie ihnen eiligst hinterherliefen.

[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die DrachenreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt