Vorsichtig spähte John durch den Eingang zum Dorf. Vor ihm lag ein weiter Platz, um den sich alle Häuser der kleinen Siedlung ballten. Ein Großteil der Hütten stand in Flammen, was zumindest den Rauch erklärte, den er schon aus der Ferne bemerkt hatte. In der Mitte des Platzes standen vier große Wagen vor die jeweils zwei Pferde gespannt waren. Die Wagen waren einfach überdimensionierte Holzkisten, in deren Seiten man vergitterte Fenster eingebaut hatte. Mit knirschenden Zähnen bemerkte John, wie etliche Arme und Hände sich zwischen den Gitterstäben hindurch drängten und verzweifelt versuchten etwas zu packen. Offenbar hatten die Sklavenhändler schon die meisten Dorfbewohner in die Karren gesperrt, denn alle bis auf einen, waren bereits zugesperrt und mit schweren Ketten gesichert.
Um den noch offenen Wagen hatten sich die gut zwanzig Männer der Bande versammelt, um die noch verbliebenen Dorfbewohner in ihn hineinzutreiben. Die Bandenmitglieder trugen alle die gleichen Sachen, wie schon die Kerle an der Klippe. Nur einer stach John ins Auge. Er saß, im Gegensatz zu allen anderen, im Sattel eines dunkelbraunen Pferdes und trug einen roten Umhang. Auch hatte er sein Gesicht nicht verhüllt, sondern trug stattdessen einen Helm, der nach oben hin spitz zu lief und mit Federn geschmückt war. Der Kerl brüllte irgendetwas in einer Sprache, die John nicht verstand, doch nach dem zu urteilen, dass seine Männer darauf reagierten, mussten es wohl Befehle sein. Er warf noch einen letzten Blick auf die Waffen der Bande, dann drehte er sich zu Misa um, die ungeduldig hinter ihm wartete.
„Und?" fragte sie nervös und der Soldat antwortete: „Sie sind noch da, ungefähr zwanzig Mann. Die Dorfbewohner haben sie in große Wagen gesperrt. Ihr bleibt hier, ich regele das. Dürfte nicht lange dauern." Er wollte gerade losgehen, als sie ihn am Arm packte. „Ihr könnt sie nicht einfach frontal angreifen! Wenn sie wirklich noch alle da sind, muss auch ihr Magier noch dabei sein! Er würde sie einfach töten, bevor sie auch nur annähernd in ihre Nähe kommen!" John hielt im Schritt inne und versuchte sich in Erinnerung zu rufen, zu was die Magier in dieser Welt in der Lage waren, doch mehr, als das sie nur einen begrenzten Energievorrat hatten und in der Lage waren, in die Gedanken anderer einzudringen, fiel ihm nichts ein.
Seufzend drehte er sich erneut um und fragte: „Entschuldigt, ich habe noch nie gegen einen Magier gekämpft. So etwas gibt es in meinem Land nicht. Was habe ich zu beachten?" Etwas kleinlaut entgegnete Misa: „Nun, ich weiß selbst nicht viel über Magie. Nur, dass sie eine Art unsichtbare Rüstung um sich schaffen können, die schädliche Magie oder auch Waffen abwehren kann und natürlich, dass sie Zauber anwenden und in deinen Kopf eindringen können. Mehr weiß ich nicht, tut mir leid." 'Ein Schutzschild also.' dachte sich der Soldat und hakte nach: „Dieser Schutzzauber, hilft er auch gegen einen gewöhnlichen Gegenstand?" „Ich denke nicht, meistens schützt er nur gegen Waffen und Magie. Wieso?" John hob einen der großen Felsbrocken auf, die vor der Holzpalisade aufgestapelt waren, und wog ihn abschätzend in der Hand. „Hatte der Magier irgendeine Besonderheit an sich, könnt ihr euch daran erinnern?" Misa überlegte kurz und meinte dann zögernd: „Ich glaube er hatte einen Dolch an seinem Gürtel hängen und war einer der kleineren der Gruppe." „Das muss reichen." sagte er ernst, packte die junge Frau vorsichtig an der Schulter und fuhr fort: „Falls mein Versuch fehlschlägt und mich der Magier tötet, rennt ihr zurück in den Wald und versteckt euch dort im Gebüsch. Wartet bis diese Kerle abgezogen sind und kommt erst dann zurück, wenn ihr sicher seid, dass sie außer Sichtweite sind. Ich werde im Dorf auf euch warten." „Ihr wartet auf mich, wenn ihr tot seid?" fragte sie verwirrt, doch John erwiderte nur: „Glaubt mir, ich habe schon Schlimmeres überlebt, als einen tödlichen Zauber." Dann wandte er sich von ihr ab und stellte sich wurfbereit in den Eingang des Dorfes.
Es gab zwei Männer mit Dolchen, doch nur einer von ihnen war klein. Der Titan fixierte sein Ziel und holte weit mit seinem Wurfarm aus. Er atmete noch einmal tief durch, dann schnellte sein Arm nach vorn und der Felsbrocken raste mit tödlicher Wucht auf den Mann zu. Kurz bevor der Stein, den Kopf des Mannes erwischt hätte, blieb er mitten in der Luft stehen. John wollte schon fluchen und setzte zum Sprint an, um zu versuchen den Magier noch im Nahkampf zu töten, doch da zuckte der Felsbrocken, der Mann riss die Arme in die Höhe und gab einen erstickten Schrei von sich, als das Geschoss seine Schutzzauber überwand und ihm den Schädel zerschmetterte. Erleichtert atmete der Soldat auf, zog sein Messer und warf es gegen den noch vollkommen überrumpelt wirkenden Anführer. Er traf ihn in den Bauch, zwar keine tödliche Verletzung, aber sie würde ausreichen, ihn davon abzuhalten Befehle zu geben. Die restlichen Männer sahen mit Entsetzen zu, wie ihr Anführer getroffen vom Pferd fiel, dann drehten sie sich zu John um, der sie mittlerweile schon fast erreicht hatte. Panisch zogen sie ihre Schwerter und griffen den heranstürmenden Soldaten an.
Wie ein Stier, walzte John durch ihre Reihen und brach zweien der Männer, die das Pech hatten in seinem Weg zu stehen, sämtliche Rippen, als er mit der Schulter voran in sie hinein krachte. Einige der Banditen trafen ihn zwar mit ihren Waffen, doch sie prallten wirkungslos an der dicken Panzerung des Atlas ab, ohne auch nur einen Kratzer zu hinterlassen. Verächtlich trat er die beiden Leichen der Niedergetrampelten bei Seite und wandte sich den restlichen Männern zu, die ihn mit dem Mut der Verzweiflung angriffen. Mit Leichtigkeit wich er ihren stumpfen Angriffen aus und verteilte seinerseits Nackenhiebe mit der Handkante. Die Kraft eines normalen Menschen hätte vermutlich nicht ausgereicht um jemanden zu töten, doch Johns Hiebe waren mit solch einer Wucht geführt, dass es den Männern den Kopf von den Schultern riss.
Als nur noch zehn der anfänglichen zwanzig Sklavenhändler auf zwei Beinen standen, packte er die nächstliegende Leiche und warf sie den Verbliebenen vor die Füße. Der Titan richtete sich zu seiner vollen Größe auf und sagte mit lauter Stimme: „Verschwindet von hier und kommt niemals wieder, oder ich beende euer jämmerliches Dasein hier und jetzt! Ich zähle bis Zehn. Eins!" Ohne zu zögern drehten sich die Banditen um und rannten panisch schreiend aus dem Dorf. „Zehn!" knurrte John, nachdem der letzte der Männer das Dorf verlassen hatte und ging dann hinüber zum Anführer der Sklavenhändler, der keuchend auf dem Rücken lag und das Messer umklammert hielt, das in seinem Bauch steckte. Rücksichtlos packte der Soldat den schwerverletzten Mann und rammte ihm die Faust in die Brust. Der Anführer spuckte Blut. John hob ihn hoch, sodass er ihm ins Gesicht sehen konnte, das voller Tränen und Blut war. „Ihr seid kein Mensch! Ein Mensch könnte so etwas niemals tun!" krächzte der Mann mit schmerzverzerrter Stimme und blickte auf das verspiegelte Panzerglas in Johns Helm. Er konnte keine Emotion erkennen, kein Gesicht, nicht einmal ein Paar Augen. Da war nur der ausdruckslose Helm. Knurrend flüsterte der Soldat ihm zu: „Das haben schon viele vor dir behauptet." Dann brach er ihm das Genick und beendete so die Qualen des Sklavenhändlers.
Er zog das Messer aus der Leiche, säuberte es kurz an der Kleidung des Mannes und steckte es wieder in die Halterung an seiner Hüfte. Als er sich danach umdrehte, um die Dorfbewohner aus den Karren zu befreien, bemerkte er Misa, die ihm stürmisch vom Dorfeingang aus entgegen kam. „Ihr habt es geschafft! Ich habe nicht daran geglaubt, aber ihr habt es wirklich geschafft!" rief sie glücklich und blieb dann freudestrahlend neben ihm stehen. Er sah sie überrascht an und meinte: „Ja, ich hatte verdammtes Glück gegen den Magier. Aber sagt, machen euch die Leichen nichts aus? Ich kenne selbst einige Männer, die sich bei einem solchen Anblick übergeben müssten." „Ich bin hart im nehmen. Das liegt bei uns in der Familie, mein Vater ist der Schmied hier und mein Onkel sogar ein Drachenreiter!" erklärte sie stolz und John horchte beim Wort Drachenreiter auf. Er behielt seine Fragen jedoch für sich, denn für den Moment gab es wichtigeres zu tun. Mit geballter Faust hämmerte er gegen einen der Wagen und rief: „Weg von der Tür!" Er konnte deutlich das Getrippel von mehreren Füßen hören, dann nachdem eine weibliche Stimme aus dem Inneren geantwortet hatte: „Es sind alle sicher!", trat er mit voller Wucht gegen die eisernen Scharniere, die die Klappe des Wagens hielt. Mit einem leisen Pling zerbrachen sie alle nacheinander, bis nur noch die schwere Kette die Klappe hielt. Doch auch sie hielt Johns geballter Kraft nicht stand. Mit Leichtigkeit packte er die nun lose Holzklappe und warf sie in die Mitte des Platzes. Ohne auf sein Einverständnis zu warten sprangen die nun befreiten Dorfbewohner aus dem Wagen.
Es waren hauptsächlich Frauen und Kinder und sie alle starrten den Soldaten mit großen Augen an, während dieser sich daran machte, den nächsten Karren aufzubrechen. Misa folgte ihm und beobachtete genau, wie der Titan vorging. „Ihr seid wirklich stark Herr Miller. Vater würde vermutlich schon eine Stunde allein dafür brauchen, die Scharniere aufzubrechen." meinte sie, als er gerade dabei war, die Kette zu zerreißen. „Sind alle Männer so stark wie ihr, in eurem Land?" John musste unwillkürlich lachen. „Nein, bei weitem nicht. Aber ich schätze, jeder Drachenreiter hätte das ganze hier mit weitaus weniger Aufwand und Blutvergießen regeln können." Sie sah ihn bewundernd an. „Vielleicht, aber ich bin trotzdem froh, dass ich euch getroffen habe. Habt vielen Dank John." Der Titan lächelte, auch wenn die junge Frau es nicht sehen konnte. Das ihn ein Zivilist für seine Hilfe dankte, kam nur äußerst selten vor, meistens hatten sie noch mehr Angst vor ihm gehabt, als vor der eigentlichen Gefahr, doch dieses Mädchen hier blickte über sein Erscheinungsbild hinweg und sah den Menschen dahinter, obwohl sie ihn kaum kannte.
Das bedeutete ihm sehr viel.

DU LIEST GERADE
[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die Drachenreiter
FanfictionDer Soldat John Miller findet sich nach einem schrecklichem Unfall an den Ufern eines ihm unbekannten Landes wieder. Schon sehr bald wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr in seiner eigenen Welt befindet. So also macht er sich auf den Weg, die Dr...