Chemische Erkenntnisse

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Ungefähr zur gleichen Zeit auf der Venator:



Micheal stand mit verschränkten Armen allein im großen Frachtaufzug, der die beiden Hangars der Venator miteinander verband und wartete darauf, dass er das Untergeschoss erreichte. Er trug jedoch nicht seinen Atlas, sondern eine tiefblaue Jeans zusammen mit einem schwarzen Rollkragenpullover und hellbraunen Stiefeln, gewöhnliche Zivilbekleidung, so wie auch alle andere Titanen, bis auf Benjamin und Joseph, die als Wache eingeteilt waren. Er hatte das angeordnet, um den Dorfbewohnern aus Lendol, die noch immer auf der Venator untergebracht waren, weniger Angst einzujagen, da sie ohnehin noch traumatisiert von dem blutrünstigen Angriff waren. Außerdem ließ es die Soldaten an sich um einiges menschlicher wirken.

'Alina sollte gerade zusammen mit Trestol damit beschäftigt sein Misa's Augen zu untersuchen. Hoffentlich können sie dem armen Mädchen irgendwie helfen.' dachte der Admiral ruhig, während er sich gedankenverloren am Bart kratzte, den er erst heute Morgen frisch getrimmt hatte.

Die Sache mit Misa war ihm nicht von ungefähr in den Kopf gesprungen, immerhin hatte er die letzten Tage damit verbracht, mit jedem einzelnen der überlebenden Dorfbewohnern zu reden, ihnen neuen Mut zu zusprechen oder aber auch zu trösten, wenn die Trauer sie übermannte. Dabei hatte er sehr viel Zeit mit dem Mädchen verbracht, welches seit dem Angriff praktisch als Waisenkind dastand. Trestol war ihr natürlich nicht von der Seite gewichen, was Micheal überaus berührte. Zu sehen, wie sehr sich ihr Onkel um sie kümmerte war wie ein kleiner Lichtschimmer inmitten der heranschleichenden Dunkelheit. Nichtsdestotrotz schmerzte es ihn auch sehr, Misa so leiden zu sehen.

Der Angriff hatte ihr nicht nur die Familie, sondern auch ihr Augenlicht genommen, weswegen sie darauf angewiesen war, sich an den Wänden tastend oder an der Hand geführt fortzubewegen. All diese Gedanken rückten jedoch wieder in den Hintergrund, als der Aufzug mit einem Ruck stoppte und die Türen langsam aufglitten.

Vor ihm eröffnete sich der Hangar, der nun zwar nicht mehr den Albatross beherbergte, aber dennoch recht voll war. Sie hatten Shads Krankenlager nach hier unten verlegt, um den Dorfbewohnern eine Art Gemeinschaftsraum im oberen Hangar zu bieten. Der rote Drache war jedoch noch immer von vier großen, weißen Sichtschutzvorhängen umgeben, die ihm die bitter nötige Ruhe gewährleisteten, die er zur Genesung benötigte, denn Morgen stand der große Tag bevor, an dem Alina ihn wieder aus dem künstlichen Koma holen wollte. Shads Lager stand an der linken Wand, wenn man aus dem Aufzug trat und war damit einige Meter von den anderen Personen getrennt, die sich ebenfalls den größten Teil des Tages hier unten aufhielten.

Dazu zählte unter anderem Ileakri, die friedlich dösend auf einem kleinen Nest aus Bettmatratzen lag, die Chloe extra für sie aus dem Lager und stellenweise aus ihren Quartieren herangeschafft hatte. Es überraschte ihn nicht wirklich die junge Drachendame schon schlafend anzutreffen, schließlich war es inzwischen recht spät geworden und sie hatte einiges an Aufregung die letzten beiden Tage gehabt. Einerseits von Mimiath und Trestol, die sie eindringlich befragt und ihren Geist durchsucht hatten und andererseits von Amanda. Seine Frau hatte es sich nämlich als eingefleischte Biologin nicht nehmen lassen, als Ileakri grundlegend zu untersuchen. Das Drachenmädchen hatte alles ruhig über sich ergehen lassen und dafür sogar einen kleinen Leckerbissen von Amanda erhalten, in Form einer ganzen Dose ihrer selbstgebackenen Zimtschnecken.

Aber nun schliefen sowohl Amanda in ihrem und Mikes Quartier, als auch das Drachenmädchen hier unten auf den Matratzen. Ein kleines Schmunzeln huschte über seine Lippen, als er darüber nachdachte, wie gut sich die beiden verstanden, obwohl sie sich erst wenige Tage kannten. Er hatte großen Respekt vor Ileakri und war ihr sehr dankbar dafür, dass sie seiner Frau half den Drachenangriff auf Lendol zu verarbeiten. Deswegen hatte es den Titanen auch sehr gefreut zu hören, dass Trestol ihr noch im Laufe der nächsten Tage die Knochen mit Magie heilen wollte, sobald er natürlich genug Zeit und vor allem einen klaren Kopf dafür fand.

Sein Blick huschte vom aquamarinblauen Drachenmädchen hinüber zu Chloe, die zusammen mit Professor Greenes an einem kleinen Labortisch stand, den sie sich für ihre eigenen Nachforschungen aufgestellt hatte. Wie üblich trug sie dabei ihren langen, weißen Laborkittel zusammen mit einer schwarzgrauen Jeans und festen, weißen Sicherheitshalbschuhen und natürlich einer Schutzbrille im Gesicht. Ihre relativ kurzen dunkelbraunen Haare trug sie wie fast immer als Knoten auf ihrem Hinterkopf.

Der Professor neben ihr trug hingegen offensichtlich seinen eigenen Labormantel, der eine sehr hellgraue Farbe besaß zusammen mit einer schwarzen Anzugshose und schwarzen Lederschuhen. Auch er trug eine Sicherheitsbrille, wobei er jedoch seine altertümliche Hornbrille noch zusätzlich auf der Nase hatte. Seine schwarzen Haare standen wie immer wild durcheinander auf dem Kopf umher, was ihm fast das Aussehen von einem der verrückten Wissenschaftler in alten Filmen verlieh.

Es erstaunte Micheal jedes Mal aufs neue, wenn er sich wieder in Gedanken rief, dass der Professor gerade einmal 26 Jahre alt war, denn er wirkte von seinem Gesicht her deutlich älter. 'Ich würde aber wohl auch schon mit Mitte Zwanzig wie über Dreißig aussehen, wenn ich schon mit 17 meinen ersten Doktor- und mit 19 den ersten Professorentitel geholt hätte.' dachte der Admiral beeindruckt, während er ruhigen Schritts auf die beiden zuging.

Aus dem Augenwinkel heraus konnte er Mark an seiner eigenen kleinen Station arbeiten sehen, doch er beschloss erst später bei seinem Bruder nach dem Rechten zu sehen. Zunächst interessierte es ihn vielmehr, was genau Chloe und Karl mit dem improvisierten Chemielabor anstellten.
Schließlich besaß seine Schwester ebenfalls einen Doktortitel, jedoch in Chemie und nicht wie der Professor in Physik und Maschinenbau.

Zahlreiche Kolben, Reagenzgläser und anderer Behältnisse standen überall auf den zwei großen Tischen herum, einige voller Flüssigkeiten, andere wiederum gefüllt mit verschiedenfarbigen Pulvern und Kristallen oder aber auch einige völlig leere. Zudem hatte Chloe einen mittelgroßen Destillationsapparat aufgebaut indem sie einen großen Kolben gefüllt mit einer flüchtig braungelben Flüssigkeit über einem Bunsenbrenner erhitzte. Was als Endergebnis nach der Kühlspirale heraus in ein kleines Reagenzglas tropfte, besaß hingegen eine eher giftgelbe Farbe und wirkte sehr dünnflüssig. Sowohl seine Schwester, als auch Karl musterten das kleine Reagenzglas fasziniert, horchten jedoch auf, als Micheal sich ihnen näherte.

„Ah Mike! Ich hab mich schon gefragt, wann du hier auftauchen würdest. Der Professor und ich haben wirklich einen unglaublichen Durchbruch geschafft. Er ist wirklich ein Genie, ich hätte Wochen dafür gebraucht die richtige Methode herauszufinden." meinte Chloe voller Enthusiasmus und ihre türkisenen Augen schienen geradezu aufzuleuchten, wie die eines Kindes, das gerade sein Weihnachtsgeschenk ausgepackt hatte. „Nein, nein, ich bin mir sicher, dass sie es selbst auch schnell genug herausgefunden hätten Ms. Tempel. Bitte, so ein Lob habe ich nicht verdient, sie sind der Chemiker, nicht ich." wiegelte der Professor schüchtern ab, aber die Titanin ignorierte ihn geflissentlich und schlug ihm stattdessen freundschaftlich auf die Schulter, was dem Wissenschaftler ein schmerzerfülltes Stöhnen entlockte. „Oh Verzeihung, ich vergesse immer noch, dass sie kein Titan sind." entschuldigte sich Chloe daraufhin hastig, während Karl sich mit aufeinander gepressten Kiefern die linke Schulter hob und leise murmelte: „Schon gut, schon gut."

Micheal schüttelte amüsiert den Kopf, als er neben den beiden zum Stehen kam. „Ich sehe schon, ihr seid ein richtig eingespieltes Team. Am besten sie packen nachher ein bisschen Eis darauf Professor. Aber was ist jetzt dieser große Durchbruch Chloe? Du klangst vorhin über Funk ziemlich aufgeregt." meinte der Admiral freundlich und hob fragend eine Augenbraue, als seine Schwester eifrig zu nicken begann. „Du erinnerst dich noch daran, dass Emy und Ally während Shads Operation eine Flüssigkeitsprobe aus einer Drüse in seinem Hals genommen haben?" erwiderte sie voller Elan und Mike nickte knapp. „Schemenhaft, ja. Du wolltest sie untersuchen. Ist das etwa der Durchbruch, von dem du gesprochen hast? Du hast die Eigenschaften der Flüssigkeit enträtselt?" „Nein, das ist natürlich nicht der eigentliche Durchbruch, aber ja, das haben wir als allererstes gemacht. Das Zeug ist wirklich unglaublich." bemerkte sie mit erhobenem Zeigefinger und ergriff vorsichtig ein weiteres mit Gummistopfen verschlossenes Reagenzglas aus einem Ständer, welches bereits zur Hälfte mit der giftgelben Flüssigkeit gefüllt war. Dabei konnte der Titan wieder einmal deutlich ihre stark gepanzerten Finger in vollem Detail sehen.

Chloe besaß an ihren Armen und Beinen das unglaublich starke Exoskelett des Ironclad-Beetles, ihre eigene Modifikation durch das Darwin-Protokoll. Der Panzer besaß eine grau-weißliche Grundfärbung und war übersät mit schwarzen Pünktchen. Er zog sich bis hinauf an ihre Schulter, wo er im Bereich des Schlüsselbeins in normale Haut überging, genauso wie an der Hüfte, wo er auf Höhe des Beckens verschmolz. Dieses Exoskelett war so dick und widerstandsfähig, dass nicht einmal schwere Maschinenkanonen ihn durchdringen konnten und verlieh der Titanin außerdem einen unglaublich harten Schlag. Lediglich die Papillarleisten ihrer Finger bestanden aus einem, zumindest etwas, weicherem Material, um ihr weiterhin einen guten Grip zu gewährleisten.

Aber viel mehr wurde sein Blick jetzt von der gelben Flüssigkeit angezogen, die bedrohlich hin und her schwappte, als Chloe das Reagenzglas etwas schwenkte.
„Das hier ist die Flüssigkeit, die in dieser Drüse produziert wird und ich habe bereits mit deiner Frau darüber geredet, die mir zugestimmt hat diese Drüse von jetzt an 'Feuerdrüse' zu nennen. Dieses Zeug ist brandgefährlich, wenn du mir das Wortspiel erlaubst." erklärte sie eindringlich und erweckte damit Micheals Neugier. „Feuerdrüse? Ist diese Flüssigkeit also der Grund für ihren Feueratem?" wollte er überrascht wissen, woraufhin Tempel breit schmunzelte. „In gewisser Weise, ja. Aber Magie ist auch noch mit im Spiel, da es sich nicht automatisch bei Kontakt mit der Luft entzündet." führte sie ihre Erklärung fort und drehte ihren Kopf kurz hinüber zu Karl, als dieser ernst ergänzte: „Was jedoch nicht bedeutet, dass es ungefährlich ist. Diese Flüssigkeit ist eine starke Säure und nur minimal schwächer als Schwefelsäure, vor allem wenn man bedenkt, dass Drachen eine enorm hohe innere Körpertemperatur besitzen, wenn ich ihre Frau richtig verstanden habe Mr. Forke."

„Ohja, dieses Zeug solltest du nicht in die Augen bekommen, es sei denn du willst unbedingt erblinden." meinte Chloe nickend und sofort Schoss Micheal die junge Misa durch den Kopf. Das war es also gewesen, was ihr das Augenlicht geraubt hatte. Sie musste etwas von diesem Feuerdrüsensekret abbekommen haben. „Eine Säure also, gut, das erklärt so einiges." brummte er leicht missmutig über seine Feststellung und runzelte die Stirn, als Chloe das Reagenzglas wieder zurück in den Halter stellte und stattdessen einen weiteren Bunsenbrenner samt kleinem Metallstab und Tiegelzange aus ihrer Vorratskiste zu ihren Füßen hervorkramte.

„Ja, aber das ist ja noch gar nicht die eigentlich wirklich interessante Eigenschaft, dieser Flüssigkeit. Das hier ist ein Stab aus purem Wolfram, ja? Was meinst du passiert, wenn ich den in die Flamme von einem gewöhnlichen Bunsenbrenner halte?" wollte sie von ihm wissen, während sie den Bunsenbrenner anwarf und den Stab aus Wolfram mit der Tiegelzange packte. Der Admiral verschränkte skeptisch die Arme vor der Brust. „Nicht viel. Er wird vielleicht etwas heiß und fängt an rot zu glühen. Warum?" erwiderte er und Chloe grinste breit, ehe sie den Stab in die hellblaue Flamme des Brenners hielt, nur um genau das gleiche Ergebnis zu erhalten, wie Micheal es prophezeit hatte. „Gut, dann pass mal jetzt gut auf. Professor, wo haben wir noch gleich die Schalen aus Tantalhafniumcarbid hingestellt?" meinte die Titanin und sah fragend hinüber zum Professor, der rasch neben sich auf den Tisch langte und die beiden metallisch-grau, mattglänzenden handflächengroßen Schalen vor Chloe auf den Tisch stellte. Diese nickte dankbar und wies den Professor dann weiter an: „Danke. Dann bitte jetzt in eines das Feuerdrüsensekret geben, am besten die Hälfte aus dem Reagenzglas." Karl tat wie ihm geheißen und trat anschließend einen großen Schritt zurück. Mike schloss sich dieser Entscheidung sicherheitshalber an, ehe seine Schwester nun etwas ernster sagte: „Achtung!"

Mit diesem Wort hielt sie die Flamme des Bunsenbrenners für den Bruchteil einer Sekunde nur in die Nähe der mit gelber Flüssigkeit gefüllten Schale. Im nächsten Moment schoss eine gewaltige rubinrote Stichflamme knappe zwei Meter vor ihm in die Höhe und eine gewaltige Hitzewelle rollte über Micheals Gesicht hinweg, als hätte er den Kopf in einen vollaufgedrehten Backofen gesteckt. Das Gefühl verebbte zum Glück wieder genauso schnell wie die Flamme, die nun jedoch immer noch eine gute handlänge hoch in der Schale loderte. Und dafür, dass er knapp zwei Meter von diesem relativ kleinen Feuer entfernt war, konnte er seine Hitze trotzdem noch gut spüren.

„Ich liebe Stichflammen! Aber jetzt schau hin was mit dem Wolfram passiert!" gluckste Tempel amüsiert und schnippte mit den Fingern, um Mikes Aufmerksamkeit zu erlangen, bevor sie das Wolframstäbchen mit der Tiegelzange ins rote Feuer hielt. Binnen eines Augenblicks glühte das Metall bereits weiß und ein paar Sekunden später musste Chloe den Stab samt Tiegelzange hastig beiseite in die zweite Schale legen, als das Metall begann weich zu werden und insbesondere der Stahl der Zange sogar richtig schmolz. „Das ist heiß, was?" bemerkte die Titanin lächelnd, worauf der Admiral beeindruckt nickte. „Das ist wirklich unglaublich. Den Stahl der Tiegelzange binnen Sekunden geschmolzen und selbst das Wolfram ist weich geworden. Wie heiß ist die Flamme?" fragte er fasziniert und Karl antwortete mit einem angespannten Blick auf das Feuer: „Etwas über 7.000 Grad Celsius, knapp 1.600 Grad heißer als die Oberfläche der Sonne."

Dabei musste er sich die Hand halb vor das Gesicht halten und Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, da die Hitze langsam unerträglich wurde. Selbst Micheal begann es allmählich zu heiß zu werden, aber noch ehe er etwas zu sagen brauchte, erstickte Chloe die Flammen wieder, indem sie eine größere keramische Schale darüberstülpte.

„7.000 Grad? Du hast wohl nicht übertrieben, als du 'brandgefährlich' meintest." murmelte der Admiral immer noch beeindruckt und Tempel nickte abermals zustimmend. „Das Zeug ist echt unglaublich. Es verbrennt heißer als alles, was wir jemals im Labor hinbekommen haben und das unter Idealbedingungen! Und dabei verbraucht es sich nicht einmal schnell. Die 20 Milliliter die der Professor in die Schale gegeben hat, würde locker noch eine halbe Stunde weiter so brennen. Nur macht das selbst eine Schale aus Tantalhafniumcarbid nicht so lange mit. Jetzt stell dir einmal vor, was ein Drache damit anrichten kann, in dessen Drüse sich vielleicht ein ganzer Liter oder mehr davon befindet! Wenn man es wie aus einer Spraydose fein in der Luft verteilt wage ich mir gar nicht vorzustellen, was ein Drache alles mit einem einzigen Atemzug verbrennen könnte, da er dieses Zeug offensichtlich mit Magie im Rachen entzündet. Dagegen sind selbst die überschweren Flammenwerfer am Juggernaut Kinderspielzeug, Micheal." erklärte die Chemikerin eindringlich und besah sich die angeschmolzene Tiegelzange noch einmal genauer.

„Das ist mir klar Chloe. Mit solchen Temperaturen könnte ein Drache selbst noch einen Atlas einäschern, wenn er ihn lange genug bearbeitet." entgegnete Mike ernst und kratzte sich nachdenklich am Kinnbart. „Allerdings. Der Professor und ich haben es vorhin schon einmal geschafft eine meiner anderen Tantalhafniumcarbidschalen komplett zu zerstören." stimmte Chloe zu, woraufhin sich eine weitere Frage in Mikes Kopf schlich. „Aber wie verbrennen sich die Drachen bei solchen Temperaturen nicht selbst den Rachen und das Maul?" fragte er in Richtung seiner Schwester die zu seiner Verwunderung anmerkend den rechten Zeigefinger erhob. „Ah, ja, das ist eigentlich das wirklich faszinierende. Deine Frau hat sich dazu schon mehrere Notizen gemacht." erwiderte sie und langte unter den Tisch, um einen kleinen fünf Liter Eimer hervorzuholen der, soweit Micheal es erkennen konnte, gefüllt mit – Schleim – war. Jedenfalls roch der Inhalt leicht nach verrottendem Fleisch, mit einer Note Zimt und er kam sehr schnell dahinter, worum es sich bei dem Schleim handelte.

Es gab nur eine Substanz die ihm in den Sinn kam.

„Ist das wirklich – Drachenspeichel?" merkte er fragend an und warf dabei der schlafenden Ileakri einen kurzen Blick zu. „Der Geruch macht es offensichtlich, oder?" entgegnete Tempel glucksend, während Karl erklärend hinzufügte: „Der Speichel ist wirklich einzigartig. Wir haben es bis jetzt nicht geschafft ihn synthetisch herzustellen, beziehungsweise überhaupt seine chemische Zusammensetzung herauszufinden. Selbst die Industrienaniten waren nicht in der Lage ihn komplett zu entschlüsseln."

Das brachte den Admiral kurz ins Stutzen.

„Selbst die Industrienaniten nicht? Das ist äußerst ungewöhnlich." Normalerweise waren diese speziellen Nanobots darauf programmiert alles Mögliche analysieren und replizieren zu können. Jedoch besaß Chloe eine passende Antwort. „Das hat glaube ich damit etwas zu tun, dass dieser Speichel auf magische Weise seine Wirkung entfaltet. Und Magie werden die Nanites wohl kaum analysieren können." erklärte die Chemikerin erinnernd, während sie sich den Ärmel ihres rechten Arms hochkrempelte. „Hhm, das wäre natürlich eine Möglichkeit, Ms. Tempel." meinte Professor Greenes nachdenklich und hob skeptisch eine Augenbraue genauso wie Micheal, als Chloe ihren Arm völlig mit dem gesammelten Speichel von Ileakri benetzte. Dabei hatte sie einige Probleme, da die schleimige Flüssigkeit an ihrem harten Exoskelett abzuperlen schien. Daraufhin grunzte sie missmutig, zog den Ärmel ihres Laborkittels wieder herunter und tauchte nun diesen anstatt ihres Arms in den Speichel.

„Was genau hast du jetzt damit bezweckt, außer dass du deinen Kittel wieder einmal reinigen darfst? Mir ist schon klar, dass der Speichel feuerresistent ist, wenn du ihn mir so vor die Nase hältst." hinterfragte Forke kopfschüttelnd und rollte mit den Augen, als sich seine Schwester den zuvor entzündeten Bunsenbrenner schnappte und die Flamme an den eingeschleimten Ärmel hielt. Wie vermutet fing dieser keinerlei Feuer und es schien sogar die Hitze in gewisser Weise abzuwehren, da Tempel ebenfalls verblüfft auf die Flamme und ihren Arm starrte, den sie nicht wegziehen musste.

„Genau deswegen. Äußerst interessant. Feuerfest und hitzeabweisend! Der Speichel verdunstet nicht einmal, obwohl ich gerade eine 1.000 Grad heiße Flamme daran halte, wirklich faszinierend." murmelte sie und fuhr mit dem Brenner rauf und runter an ihrem Ärmel.

„Du und deine Praxistests Chloe. Bis etwas schiefgeht. Das ist wirklich sehr faszinierend, das gebe ich zu, aber was genau davon ist jetzt der Durchbruch, wenn ich fragen darf?" entgegnete Mike tief durchatmend und schreckte Chloe damit aus ihren Gedanken auf, die daraufhin den Bunsenbrenner wieder beiseite stellte und zudrehte, ehe sie ihm antwortete: „Der Durchbruch ist die Tatsache, dass wir, oder besser gesagt Professor Greenes eine Möglichkeit gefunden haben, das Feuerdrüsensekret, oder kurz das FDS, synthetisch herzustellen. Zwar nur in relativ kleinen Mengen, weil der Prozess extrem kompliziert ist und mehrere Schritte benötigt, aber sobald ich ein Programm dafür für die Industrienaniten geschrieben habe, sollte wir es auf Knopfdruck produzieren können." Dabei deutete sie anerkennend auf Karl der abwiegelnd die Hände hob und kleinlaut erwiderte: „Das war nun wirklich nichts großartiges was ich geleistet habe. Nur einige Reaktionsmöglichkeiten theoretisch im Kopf durchgenommen, mehr nicht." „Nicht so bescheiden Professor, ich hätte dafür wohl Wochen gebraucht, bei den tausenden von Möglichkeiten." entgegnete Chloe glucksend und war schon wieder kurz davor dem armen Professor auf die Schulter zu klopfen, doch Micheal konnte ihren Arm noch rechtzeitig festhalten und warf seiner Schwester leicht ermahnend Blick zu, woraufhin diese entschuldigend lächelte und den Arm bei sich behielt.

„Na schön, das ist auf jeden Fall doch eine interessante Entdeckung ihr zwei. Haltet mich auf jeden Fall auf dem laufenden, vor allem was diesen Speichel anbelangt. So einen Schutzmechanismus gegen Feuer zu haben wäre mit Sicherheit nicht schlecht im Kampf gegen die Schwarze Rose und Bralluth's Donner. Aber bleiben sie nicht zu lange auf Professor, sie sehen jetzt schon recht geschlaucht aus. Und du übertreib es bitte nicht Chloe. Du weißt, dass Mark schnell gereizt ist, wenn er konzentriert arbeitet." merkte der Admiral anschließend an und nickte dem Wissenschaftler und Chloe freundlich zu, ehe er sich von ihnen verabschiedete, um hinüber zu Mark zu gehen und die beiden wieder bei ihren Experimenten allein zu lassen.

Der Ingenieur saß währenddessen an seiner eigenen kleinen Werkstation, einem großen Tisch mit allerhand Werkzeug und Geräten darauf, zusammen mit mindestens fünf verschiedenen Lampen, die alle in unterschiedlichen Winkeln angeordnet waren, um alles perfekt ausleuchten zu können. Mark selbst trug seine zu den Ellenbogen hochgekrempelte Militärjacke mit grünem Tarnmuster, eine dazu passende grüne Hose mit schweren, schwarzen Arbeitsstiefeln und auf dem Kopf eine graue Schweißermaske, die gerade vor dem Gesicht heruntergeklappt war. Auch seine schwarzen Schutzhandschuhe und der allzeit gegenwärtige Werkzeuggürtel an der Hüfte durften natürlich nicht fehlen.

Und vor ihm auf dem Tisch lag die bereits fast fertige Beinprothese für Shad parat, oder zumindest der Fuß-Teil davon, da die gesamte Prothese viel zu große für den Tisch gewesen wäre. Die restlichen beiden Teile, der Unterschenkel und der Oberschenkel samt integriertem Hüftgelenk, lagen beiden neben ihm auf dem Boden, wobei der Ingenieur offensichtlich ein braunes Tuch als etwas Schutz untergelegt hatte.

Micheal staunte nicht schlecht als er bemerkte, dass die beiden Teile bereits fertig aussahen und ihnen nur noch der rote Schutzlack fehlte, um sie an Shads Schuppenfarbe anzupassen. Ihre jetzige schwarzgraue Färbung würde ansonsten sehr hervorstechen. Mark hatte die mechanische Beinapparatur penibel von Hand mit zugeschnittenen Schuppen aus irgendeiner speziellen Metalllegierung versehen. Eine äußerst filigrane Arbeit die Duncan offenbar gerade noch am Fuß-Teil durchführte, wie Mike sehr schön beobachten konnte.

Er stellte sich einfach leicht schräg hinter seinen sitzenden Bruder, sodass er über dessen Schulter hinwegsehen konnte. Der mechanische Drachenfuß sah wirklich beeindruckend aus. Die langen, geschwungenen Krallen aus silbrig glänzendem Wolframcarbid saßen perfekt an den feinmodellierten Zehen und gingen scheinbar nahtlos in den Mittelfuß und anschließend ins Fußgelenk über. Die künstlichen Muskeln im Innern, die später das ganze Bein bewegen würden, hatte der Ingenieur mit einer elastischen, aber gleichzeitig äußerst robusten Kunsthaut versehen, die wohl auch metallische Anteile besaß, zumindest ihrem grauen Glanz nach zu urteilen. So konnte der Admiral gut beobachten, wie sein Bruder die Schuppen alle einzeln mit einem Präzisionsschweißgerät an den Stellen anbrachte, die er sich zuvor mit einem schwarzen Marker gekennzeichnet hatte.

Es war wirklich faszinierend mitanzusehen, mit welch einer Präzision und Feingefühl Mark Schuppe um Schuppe anbrachte. Dabei benötigte er für jede einzelne nur knappe zwanzig Sekunden, da er sie mit einer doppelten Naht anschweißte, eine über und eine unter der Schuppe, um besseren Halt zu gewährleisten. Keine Maschine der Welt hätte es in derselben Zeit und vor allem mit derselben Genauigkeit fertiggebracht, wie Duncan, da war sich Micheal sicher. Reihe um Reihe arbeitete er sich vor, wobei er immer wieder den gesamten Fuß drehen musste, bis er schließlich nach einigen Minuten das Schweißgerät abschaltete, es aus der Hand legte und die Schweißermaske nach oben klappte, eher er sich mit ernstem Gesichtsausdruck zum Admiral umdrehte, der sich auf irgendeine Weise ertappt fühlte.

„Was gibt's?" fragte Mark kurzangebunden und sein Ton ließ Mike wissen, dass er eigentlich nicht gestört werden wollte. Micheal schluckte instinktiv und erwiderte hastig: „Nichts, nichts, ich wollte nur wissen, wie es vorangeht. Sieht wirklich gut aus bis jetzt." Der Ingenieur brummte missmutig über die unnötige Störung. „Ja, es geht voran. Ich muss nur noch das Fuß-Teil beschuppen, dann kann ich sie in die Lackieranlage stecken. Wenn alles glatt läuft, könnte Alina sie ihm schon morgen Nachmittag anpassen. Vorausgesetzt ich werde nicht noch einmal unnötig unterbrochen." gab Mark ernst zurück, wobei seine braungrauen Augen praktisch Blitze auf den Admiral schossen, der rasch entschuldigend die Arme hob und sich sofort auf den Weg in Richtung Aufzug machte, noch ehe er erwiderte: „Bin schon weg, gutes Gelingen." Duncan antwortete ihm nur mit einem weiteren Brummen, ehe er sich wieder die Schweißermaske vors Gesicht schob, deren einzige Funktion es nur war die Funken von seiner Haut fernzuhalten, da die Augen der Titanen völlig als Blendschutz ausreichten.

Micheal atmete erleichtert durch, während er wieder zurück in Richtung Aufzug trabte. Sein Bruder war eigentlich ein sehr anständiger Kerl, doch wenn er mitten in der Arbeit steckte hasste er es abgrundtief unterbrochen zu werden. 'Ich frage mich, wie lange es wohl dauert, bis die ersten Schraubendreher in Richtung Chloe fliegen, wenn sie so weitermacht.' überlegte er innerlich seufzend, als sich die Aufzugtüren öffneten und er die geräumige Kabine betrat.

Auf der Fahrt nach oben ging er schon im Kopf durch, was es noch alles zu erledigen galt, ehe er sich ins Bett zu seiner Frau gesellen konnte. 'Jetzt erst einmal zu Trestol, Mimiath, Misa und Ally, mal schauen ob sie etwas für ihre Augen tun konnten. Dann nochmal kurz raus zu Benjamin und Joseph, nach dem Rechten sehen und im Anschluss zurück in den oberen Hangar, um zu schauen ob ich noch jemandem helfen kann. Danach ab in die Koje.' dachte er und rieb sich seine müden Augen, in Begleitung eines ausgiebigen Gähnens. Titanen konnten zwar mehrere Tage problemlos ohne Schlaf auskommen, doch auch für ihn gab es irgendwann eine Obergrenze, die so langsam aber sicher erreicht war.

Darum seufzte er fast schon, als das Funkgerät in seiner Hosentasche sich plötzlich zu Wort meldete und mit lautem Piepen ein einkommendes Signal ankündigte. Sich noch einmal aufraffend zog er das kleine Gerät aus der Hose und sah hinunter auf den Bildschirm.
Seine Müdigkeit schien wie verflogen zu sein, als er die Kennzeichnung seines Vaters auf dem Display entziffern konnte und mit neu gewonnenem Elan nahm er den Funkspruch entgegen.

[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die DrachenreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt