„Ich verstehe euren Zorn, Micheal, glaubt mir. Ich kannte selbst einige der Dorfbewohner, die nicht unter den Geretteten waren, aber projiziert diese Wut nicht auf Eragon. Das würde keinem von euch beiden weiterhelfen." meinte Angela zaghaft, während sie hinter Micheal und Amanda im Licht der Suchscheinwerfer herlief, wobei der Admiral zielgenau eine der großen Vorratskisten ansteuerte.
„Ich hätte es nicht zum Vizeadmiral gebracht, wenn ich nicht gewisse Dinge wegstecken könnte. Aber, wenn jemand ein derartiges Massaker an unschuldigen Zivilisten befiehlt und dabei meine Frau zusammen mit meinem ungeborenen Kind fast von einem Drachen zerfleischt werden, ist bei mir das Maß voll. Keine Sorge, ich verfalle nicht einfach blindlings in eine Wuttirade, aber ich werde vermutlich etwas lauter werden, sollte Eragon mir nicht vollständig Rede und Antwort stehen. Insbesondere im Bezug darauf, wie es sein kann, dass ein Reiterdrache entführt und dann für ein derartiges Massaker missbraucht wird." erwiderte der Titan mit todernster Stimme. Daraufhin antwortete die Kräuterhexe nicht, sondern zog lediglich eine sorgenvolle Grimasse. Micheal nahm dies ebenfalls still zur Kenntnis und half gleichzeitig seiner Frau, sich in einen der Stühle zu setzten, die sie letzte Nacht aufgebaut hatten.
Amanda zitterte immer noch am ganzen Leib was wohl sowohl an den Verletzungen, als auch an der an sich kalten Nacht lag, immerhin trug sie nicht mehr als dünnes Hemd und Unterwäsche. Den Rest hatte Emily entfernen müssen, um ihr die Bandagen anzulegen. „Einen Moment Schatz, ich suche dir sofort eine Decke heraus." sagte er fürsorglich, woraufhin seine Frau dankbar nickte. „Danke, Mike." Ihre Stimme war nur noch ein leises Krächzen. Eiligst riss Micheal den Deckel von der Vorratskiste und stöberte einige Momente darin herum, bevor er eine zusammengefaltete, grün-braun gefleckte Wolldecke herauszog. Diese breitete er schleunigst aus und wickelte danach Amanda vorsichtig darin ein. Dabei war er besonders vorsichtig bei ihren Beinen und Armen. Trotzdem verzog sie schmerzerfüllt das Gesicht, als er ausversehen gegen ihren rechten Arm stieß.
„Tut mir leid, tut mir leid." murmelte er entschuldigend und verzog das Gesicht, als er sie zwanghaft lächeln sah. „Schon in Ordnung, Liebling. Mir geht es gut, es gibt andere, denen es weitaus schlechter ergeht." „Du hast Verbrennungen 2. Grades an beiden Armen und Beinen, dir geht es alles andere als gut. Sobald ich mit dem Gespräch fertig bin, werde ich dich sofort auf die Krankenstation tragen, ich kann sowieso nicht fassen, dass du mich überreden konntest, dich hier zu behalten." widersprach der Admiral angespannt und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. Ihre Haut glühte wie eine heiße Herdplatte und der Geschmack von holzigem Ruß legte sich ihm auf die Zunge.
Hinter ihnen seufzte die Kräuterhexe mitleidig und begann in ihrem Rucksack herumzusuchen, was ein gläsernes und tönernes Klirren mit sich brachte. Schließlich zog sie eine mittelgroße Glasphiole mit eine gelbbraunen Flüssigkeit darin hervor und reichte sie an Mike, der ihr einen skeptischen Blick zuwarf. „Gebt ihr hiervon einen Schluck, es wird ihre Schmerzen lindern und sie von ihnen her wärmen. Jetzt schaut nicht so, es ist ein Extrakt aus verschiedenen Kräutern und Beeren. Es mag vielleicht bitter schmecken, aber es hilft." erklärte Angela.
Misstrauisch nahm der Titan das Fläschchen entgegen, öffnete es und roch daran. Ein leicht bitteres und saures Aroma stieg ihm in die Nase, zusammen mit dem Alkohol, der wohl die Grundlage der Medizin bildete. Er nippte ein wenig und schüttelte sich leicht, als ein bitteres Brennen seinen Hals hinab rann. Zwar verblieb der ekelerregende Geschmack noch einige Momente lang in seinem Mund, aber tatsächlich breitete sich eine wohlige Wärme in seinem inneren aus, so wie die Kräuterheilerin es versprochen hatte. „Hier, nimm einen Schluck, es wird dir gut tun." meinte er an Amanda gewandt und setzte ihr die Phiole vorsichtig an die Lippen. Zaghaft nahm die Frau einen kräftigen Schluck und musste husten, als der beißende Geschmack ihre Zunge fesselte. „Wie sagte meine Großmutter schon einst? Bös muss Bös vertreiben. Habt vielen Dank, Angela." krächzte sie erstickt lachend und neigte leicht den Kopf in Richtung Angela. „Keine Ursache. Aber ich gebe eurem Mann recht, ihr solltet euch nicht hier draußen aufhalten." erwiderte diese und nahm schwach lächelnd das Gläschen von Micheal wieder entgegen.
„Ich – es ging mir dabei um etwas – anderes. Mike kennt mich so gut wie niemand sonst, er weiß, weshalb ich ihn dazu gedrängt habe, mich hier zu behalten." antwortete Amanda und blickte ihren Ehemann an, der erneut etwas in der Vorratskiste suchte. Er hielt in seinen Bemühungen inne und knurrte leise: „Ja und es gefällt mir nicht, dass du dich dermaßen quälst." „Verzeiht, Frau Forke, aber das hilft meinem Verständnis nicht wirklich weiter." entgegnete die Kräuterhexe leicht verwirrt, während sie das die Phiole zurück in den Rucksack steckte. Amanda atmete einmal tief durch und fragte dann: „Diese Drachen, glaubt ihr, sie haben aus freien Stücken gehandelt?" „Was? Nein, ich denke nicht, zumindest nicht Shad. Er wäre niemals zu so etwas in der Lage." „Ich teile eure Meinung, Angela. Nur, ich bin auch nur ein Mensch. In dem Moment, als die Drachen das Dorf angriffen und teilweise meine Arme und Beine in ihrem Feuer verbrannten fühlte ich mich hilflos und schwach. Ich hatte panische Angst, Angst um mein Leben und das meines Kindes. Diese Furcht hat sich zusammen mit den Drachen in meinen Verstand eingebrannt."
„Ah, ich beginne zu verstehen. Ihr wolltet sozusagen eurer Angst ins Gesicht sehen. Das ist überaus mutig von euch." lobte Angela beeindruckt, wurde jedoch jäh vom Admiral unterbrochen, der missmutig grollte: „Es war töricht. Du hast so vor Angst gezittert, wie ich es noch nie zuvor gesehen hab! Sogar deine Brandblasen haben dich nicht davon abgehalten, dich an meinen Arm zu klammern. Du hättest mindestens ein paar Tage warten müssen, um deinem Verstand genug Zeit zu lassen, alles zu verarbeiten." „Es musste sein, Schatz. Ich musste meinem Kopf einfach zeigen, dass diese Wesen nicht das pure Böse sind, sondern auch nur aus Fleisch und Blut bestehen! Ich hoffe nur, dass Alina und Emily ihn erfolgreich operieren, er sah schlimm aus."
Mike öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn jedoch wieder, als er näher darüber nachdachte. 'Ich muss ihr nicht unbedingt sagen, dass Shad ein kleines Kind gefressen hat.'
Stattdessen bemerkte er knapp: „Alina und Emily werden das schon hinkriegen. Und wenn er wieder ansprechbar ist, hoffe ich für ihn, dass er uns alles erklären kann." „Das hoffe ich auch." flüsterte Amanda zustimmend. Die Kräuterhexe verfolgte ihre kleine Unterhaltung stillschweigend, bis der Titan eine große Metallschüssel aus der Kiste zog, den Deckel wieder runter klappte und sie anschließend darauf stellte. „Darauf wird der Traumsicht-Zauber nur schlecht anwendbar sein, Micheal. Eine ebene Oberfläche wäre ideal." erklärte Angela kopfschüttelnd, woraufhin der Admiral den Wassertank von seinem Rücken zog und den Inhalt in die Schüssel füllte, bis diese zum Rand hin gefüllt war. „Sobald die kleinen Wellen weg sind, sollte das genügen, oder?" erwiderte er ernst und befestigte den Tank wieder am Atlas. „Oh! Äh, ja natürlich. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ihr vorhattet Wasser hinein zu füllen. Gebt mir nur einen Moment, bis sich das Wasser komplett beruhigt hat und ich die richtigen Worte wiedergefunden habe." entgegnete die kleine Frau leicht überrumpelt und trat an die Schüssel heran.
Mike nickte zufrieden und hob dann vorsichtig Amanda mitsamt dem Stuhl ebenfalls zu ihnen herüber, damit auch sie am Gespräch teilnehmen konnte. Gleichzeitig warf er einen Blick hinüber zur Hangarluke, wo gerade Kevin und Joseph mit weiteren Brandopfern in den Armen im Inneren der Venator verschwanden. Grimmig wandte er sich erneut Angela und der Wasserschüssel zu. Zu seinem Unmut, benötigte das Wasser noch geschlagene zwei Minuten, bis es endlich eine ruhige Oberfläche bildete.
Ohne weiter Zeit zu vergeuden, begann die Kräuterhexe den Traumsicht-Zauber zu wirken. Allerdings beließ sie es nicht auf dem einfachen ‚Draumr kóppa!' beruhen, sondern spann einige weitere Worte der Alten Sprache daran, welche Micheal nicht kannte. Schließlich beendete sie jedoch die Wortlitanei und die Wasseroberfläche veränderte sich drastisch.
Statt ihres eigenen Spiegelbild konnte er nun in das Innere eines großen Raums blicken, an dessen Wänden etliche Regale mit Bücher, Schriftrollen und anderem Zeugs standen, sowie ein unordentlicher Schreibtisch in der Mitte. An der linken Wand konnte er sogar noch den Ausschnitt einer riesigen Landkarte entdecken. Jedoch schien niemand anwesend zu sein, denn das einzige Licht, das in den Raum fiel stammte von den Suchscheinwerfern, die hinter ihnen aufgestellt waren. „Ich hatte euch gewarnt, selbst Eragon liegt zu solch später Stunde bereits im Bett." bemerkte Angela seufzend, doch der Titan gab nicht so schnell nach. Missmutig betrachtete er den Schreibtisch, der den größten Teil seines Sichtfelds einnahm, genauer. Er entdeckte einige Schriftrollen, zwei erloschene Laternen, aufgeschlagene Bücher, ein Behältnis für Tinte und eine prächtige Schwanenfeder in einem Halter. Allerdings bemerkte er auch einen großen, goldenen Edelstein, der in ein feingearbeitetes Gestell eingelassen war. Der Admiral musste nicht lange überlegen, was er da sah.
'Glaedrs Eldunari, ganz bestimmt. Dann kann Eragon nicht weit sein.'
Schnell fasste er einen Entschluss und fragte die Kräuterheilerin: „Sie können auf der anderen Seite genau hören, was hier vor sich geht?" „Ja, aber was habt ihr vor?" antwortete diese, worauf Mike nur sagte: „Haltet euch die Ohren zu." Er selbst trat hinter seine Frau, um ihr wenn es soweit war, ebenfalls die Ohren zu zuhalten. Danach setzte er sich den Helm auf den Kopf und drehte die ausgehende Lautstärke an ihr Maximum. Er wartete noch, bis Angela sich die Hände an die Ohren presste und er selbst Amanda die Ohren zuhielt, bevor er tief luftholte und so laut er konnte schrie:
„Schattentöter!"
Der Schrei fegte über das gesamte Deck der Venator hinweg und brachte das Wasser in der Schüssel dazu Wellen zu bilden. Selbst die beiden Frauen verzogen schmerzerfüllt das Gesicht, obwohl ihre Ohren so gut es ging beschützt worden waren, wohingegen Micheal selbst, nur seine eigene, nicht verstärkte, Stimme gehört hatte. Der Schrei wäre laut genug gewesen, um selbst noch auf dem größten Schlachtfeld von jedermann die Aufmerksamkeit zu erlangen.
'Eragon schläft nicht, wie normale Menschen. Wenn er sich nicht in einem hermetisch abgeriegelten Raum muss er den Ruf gehört haben. Falls nicht, gibt es immer noch Option B.' dachte er grimmig, während er erneut den Helm vom Kopf nahm und darauf wartete, dass sich das Wasser in der Schüssel wieder beruhigte. „Bei allen Göttern, was für ein Organ! Hätte ich mir nicht die Ohren zugehalten, wäre ich jetzt wohl taub." staunte Angela und bedachte den Titanen mit einem musternden Blick. „Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du das nicht noch einmal tun könntest, Liebling. Meine Arme und Beine schmerzen schon genug, da brauche nicht unbedingt noch mit Gewalt ein gerissenes Trommelfell." murmelte Amanda und blinzelte mehrmals. Beruhigend schüttelte Mike sein Haupt und trat wieder neben die Wasserschüssel, wo die Oberfläche der Flüssigkeit sich mittlerweile beruhigt hatte. Der Raum hatte sich nicht verändert.
In Gedanken begann der Titan bereits von 120 herunter zuzählen. Würde Eragon nicht innerhalb dieser zwei Minuten in das Zimmer gestürmt kommen, bliebe ihm nichts anderes übrig, als Option B zu wählen.
Bei Sekunde 90 hörte er auf zu zählen.
Ein lauter Rumms drang aus dem Wasser zu ihnen empor und wie von Geisterhand begannen die beiden Laternen auf dem Schreibtisch zu brennen. Keine Sekunde später trat ein Mann, bekleidet mit schlichtem Leinenhemd und Hose, in ihr Sichtfeld.
Er wirkte noch recht jung auf den Admiral, vielleicht Ende 20, Anfang 30. Sein Haar war braun und kurzgeschnitten, die Augen ebenfalls braun und ein kurzer Stoppelbart zierte seine Wangen und Kinn. Doch im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Menschen war seine Haut sehr bleich, die Wangenknochen etwas höher liegend und auch die Ohren, welche dank des kurzen Haarschnitts gut sichtbar waren, hatten elfische Züge. Dieser Mann war ohne Zweifel Eragon. Augenblicklich nahm Micheal seine gewohnte Haltung ein, die Brust raus, Hände hinter dem Rücken gefaltet und das Gesicht zu einem ernsten, aber überlegenen Ausdruck verzogen. Seine eigenen grünbraunen Augen fixierten die des Drachenreiters.
In gewisser Weise ähnelten sie einander ein kleinwenig, nur war Mikes Kinnbart stärker ausgeprägt und seine Haare besaßen ein viel dunkleres Braun, als die Eragons. Außerdem war sein gesamtes Gesicht weitaus kantiger und bulliger, nicht so grazil und prinzenhaft, wie das des Halbelfen.
Sie starrten einander einige Momente lang an, bevor der Reiter sein Stirn in Falten legte und die Arme vor der Brust verschränkte. Dann wandte er sich jeweils kurz nach rechts und links, um Amanda und Angela zu betrachten. Seine Falten wurden tiefer, als er die Kräuterhexe erblickte.
„Angela, ich hätte es wissen müssen. Nur du bringst es fertig, mich zu solch später Stunde zu kontaktieren. Und wer seid ihr beide, wenn ich fragen darf? Ihr tragt eine ähnliche Rüstung wie Herr Miller, Fremder, daher gehe ich davon aus, dass es da eine Verbindung gibt." meinte Eragon schließlich einigermaßen höflich, wobei ein genervter Unterton durchaus mitschwang.
„Ich bin Titan 03, Vizeadmiral Micheal Forke und dies ist meine Ehefrau Amanda. Es freut mich auch, euch kennenzulernen, Meister Drachenreiter. Und um mich kurz zu halten: Ja, es gibt eine Verbindung zwischen mir und John. Er ist der Anführer der Titan-Einheit und mein Adoptivvater. Aber das tut jetzt nichts zur Sache, es gibt dringendere Ereignisse, weswegen ich Angela auch bat euch jetzt sofort zu kontaktieren." erwiderte der Admiral und deutete bei ihrer Erwähnung kurz auf seine Frau, die respektvoll das Haupt senkte. „Es ist mir eine Ehre euch kennenzulernen Meister Drachenreiter."
„Wie du siehst, bin ich diesmal nicht die Schuldige. Aber Spaß beiseite, Eragon, Micheal hat recht. Es gibt äußerst dringende Neuigkeiten." fügte die Kräuterheilerin hinzu und nickte mit ernster Miene dem Titanen zu. Die Haltung des Drachenreiters veränderte sich und er kratzte mit der rechten Hand nachdenklich das Kinn. „Wenn es selbst dir ernst ist, muss wirklich etwas Schlimmes geschehen sein, Angela. Tut mir leid, Herr Forke, ich wollte nicht respektlos erscheinen. Bitte, erzählt mir, was vorgefallen ist."
„Das ist schnell erklärt Schattentöter. Sagt euch das Dorf ‚Lendol' etwas?" entgegnete Micheal, woraufhin Eragon langsam nickte. „Selbstverständlich, einer der Reiter besitzt dort Familie. Trestol ist sein Name. Weshalb fragt ihr?" „Nun, um es auf den Punkt zu bringen: Lendol existiert nicht mehr. Es wurde vor knapp einer halben Stunde von fünf Drachen mitsamt Bodentruppenunterstützung niedergebrannt." erklärte der Admiral knallhart und stieß dem Drachenreiter damit komplett vor den Kopf.
„Was?" rief dieser ungläubig aus, doch Mikes Gesichtsmuskeln rührten sich keinen Millimeter.
„Ihr habt mich verstanden. Lendol ist bis auf die Grundmauern niedergebrannt und über die Hälfte der Bewohner kamen in den Flammen um, oder wurden von den Drachen zerfleischt und gefressen. Meine Einheit hat es gerade noch so geschafft die andere Hälfte in Sicherheit zu bringen, wobei auch von ihnen knapp 70 Prozent schwerste Verbrennungen davon getragen haben."
Eragon starrte ihn aus weitaufgerissenen Augen an, als wäre er ein Geist und eine geschlagene Minute lang brachte er kein einziges Wort hervor. Schließlich schloss er niedergeschlagen die Augen und hielt die rechte Hand davor. „Bitte sagt mir, dass das hier lediglich ein Streich oder ein Albtraum ist, Angela." „Tut mir leid, mein Freund. Es ist so, wie Micheal es gesagt hat, ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen." erwiderte Angela bedrückt, woraufhin der Titan grimmig meinte: „Das beste kommt erst noch. Wir konnten drei der Drachen vom Himmel holen, die restlichen beiden flohen zurück aufs Meer und die Soldaten waren ohnehin nur lästige Ratten für uns. Zwei der drei Echsen leben noch und ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr eine davon recht gut kennt. Sein Name ist Shad."
Die Hand des Drachenreiters verkrampfte sich zur Faust und völlig entgeistert verlangte er zu wissen: „Der junge Shad? Er war an diesem Angriff beteiligt? Wie geht es ihm? Erzählt mir alles!"
Micheals Augen verengten sich zu Schlitzen, während er sarkastisch antwortete: „Oh, da liegen also eure Prioritäten. Der Gesundheitszustand des Drachens, der dabei geholfen hat über 30 Männer, Frauen und Kinder abzuschlachten. Gut zu wissen. Und ich dachte schon ihr würdet fragen, wie es den Dorfbewohnern geht, ich Einfallspinsel. Natürlich ist das Leben einer übergroßen Flugechse, die ein kleines Kind bei lebendigem Leib verschlungen hat, mehr wert, als alles andere."
Dabei schlug er sich gespielt vor die eigene Stirn und schüttelte den Kopf.
„Liebling!" warf Amanda, so laut und so energisch wie sie konnte, ein, doch auch sie wirkte erschüttert über das, was ihr Mann gerade gesagt hatte. Selbst die Kräuterhexe wirkte geschockt und brachte kein einziges Wort heraus.
Eragon hingegen suchte den Augenkontakt mit dem Admiral und seufzte einige Momente später, mit beschämt, gesenktem Blick. „Eure Worte sind wie Pfeile, die sich in mein Herz bohren, Herr Forke. Die Menschen von Lendol sind mir natürlich nicht egal und es beschämt mich zutiefst, dass mein Verstand dabei langsamer war, als meine Zunge. Es war mein Instinkt nach Shad zu fragen, da ich schon einige Tage damit beschäftigt war, ihn aufzuspüren, nachdem mir Keno, sein Reiter, von ihrer Entführung berichtete. Verzeiht meine vorlaute Wortwahl. Bitte, erzählt mir alles was geschehen ist und lasst nichts aus, auch nicht die unschönen Dinge."
Die Gesichtszüge des Admirals entspannten sich wieder, zumindest bis zu einem gewissen Grad.
„Gut, zumindest scheint ihr euch eure Fehler eingestehen zu können. Was geschehen ist, ist im Grunde recht simpel erklärt, so makaber es sich auch anhören mag. Laut dem Bericht meines Kameraden Jonas, griffen die fünf Drachen vollkommen ohne Vorwarnung an, während die Bewohner gerade dabei waren, die letzten Bänke und Tische für ein Festmahl im Freien aufzustellen. Sie flogen tief über Lendol hinweg und steckten alles Brennbare mit ihrem Feueratem in Brand. Die ersten beiden Überflüge galten allein der Zerstörung der Häuser. Danach allerdings gingen sie dazu über gezielt Menschen anzugreifen, sei es sie mit ihrem Feuer zu braten oder gleich mit Klauen und Zähnen zu zerfetzten. Und wie ich bereits erwähnte haben sie sogar einige gefressen. Meine Einheit hat versucht, so schnell es geht die Überlebenden aus dem Dorf zu schaffen, doch ihre Waffen waren nicht effektiv genug, um die Drachen davon abzuhalten weitere Angriffe zu fliegen, weshalb schlussendlich nur knapp die Hälfte der Bewohner, den rettenden Wald erreichte. Aber selbst von ihnen hatten die meisten schwerste Verbrennungen davongetragen, oder sogar Gliedmaßen verloren.
Während der Evakuierung gelang es meinen Kameraden einen der Drachen, durch einen Glückstreffer zum landen zu zwingen. Er ging irgendwo am Strand runter und ist mittlerweile tot. Die genauen Umstände dazu kenne ich selbst noch nicht. Jedenfalls erreichten ich und mein Team das Dorf mit Tymdeks Hilfe erst, als Shad sich ein kleines Kind schnappte und vor unseren Augen verschlang. Wir holten ihn danach mit einem gezielten Schuss herunter und schossen einen weiteren Drachen vom Himmel, bevor die beiden verbliebenen in Panik die Flucht ergriffen. Daraufhin war es für uns ein leichtes die letzten verbliebenen Fußsoldaten auszumerzen und Lendol zu sichern, oder zumindest die Ruinen, welche einmal Lendol dargestellt haben.
Und jetzt habe ich vor wenigen Minuten angeordnet alle Überlebenden, sowohl Drachen, als auch Menschen auf unser Schiff zu bringen, um sie medizinisch versorgen zu lassen. So, nun seid ihr auf dem ungefähr gleichen Wissensstand wie ich." erzählte der Titan ernst und legte seiner Frau beruhigend die Hand auf die Schulter, als sie sich schüttelnd an das Grauen erinnerte.
Der Drachenreiter vor ihnen im Wasser, war ebenfalls kreidebleich geworden. Er wandte sich von ihnen ab, blinzelte mehrmals und schob nachdenklich die Hand vor den Mund. Gleichzeitig tat es erneut mehrere Schläge im Hintergrund und wenige Augenblicke später schob sich der massige, blaue Kopf eines riesigen Drachens hinter Eragon ins Bild. Instinktiv schreckte Amanda im Stuhl zurück und stieß ein angsterfülltes Keuchen aus. Selbst Angela zuckte kurz, da alles so plötzlich geschah. Nur Micheal behielt seine respekteinfordernde Haltung bei und musterte den Neuankömmling in Sekundenschnelle. Die tiefblauen Schuppen und die gigantischen Ausmaße ließen nur eine Vermutung zu.
'Saphira.' dachte der Soldat und drehte sich dann besorgt seiner Frau zu, die mittlerweile die Augen geschlossen hatte und angestrengt wirkte.
„Ist alles in Ordnung, Schatz? Ich kann Mathew bitten, dich auf die Krankenstation zu – " „Nein! Nein, ich – ich schaffe das. Gib mir nur einen Moment." unterbrach sie ihn mit halbwegs fester Stimme, griff jedoch zeitgleich seine Hand und drückte sie, trotz ihrer Brandblasen, fest. Er warf ihr einen mitleidigen Blick zu, widersprach ihr jedoch nicht, sondern sah wieder hinunter auf die Wasseroberfläche, wo der Drachenreiter inzwischen auch wieder zu ihnen blickte.
Er wirkte betroffen und die linke Hand hatte er sanft auf Saphiras Schnauze gelegt.
„Es ist – schwer das alles zu verarbeiten, Herr Forke. Es tut mir aufrichtig leid, dass Saphira eure Frau derartig verschreckt hat, sie muss wahrscheinlich bei dem Angriff dabei gewesen sein." begann Eragon mit schwerer Stimme und unterbrach sich selbst, um tief Luft zu holen. „Ein Drache hat ihr stellenweise Arme und Beine verbrannt, ja. Aber sie versucht sich selbst zu beweisen, dass nicht alle Drachen so sind." entgegnete der Admiral beherrscht, worauf der Reiter mit einem Nicken und die blaue Drachendame mit einem schamerfüllten Jaulen antwortete. „Das ist überaus lobenswert, Frau Forke. Ich versichere euch, die meisten Drachen würden niemals freiwillig einem solch blutigen Massaker beiwohnen. Meine Worte können da jedoch nur bedingt helfen. Aber das ist ein Gespräch für eine andere Zeit. Ich und Saphira denken, es wäre das Beste alles der Reihe nach durchzugehen, um diese Gräueltat zumindest im Ansatz zu begreifen. Stimmt ihr mir da zu, Admiral?" meinte Schattentöter relativ gefasst.
Micheal senkte das Kinn etwas, als er trocken erwiderte: „In gewisser Weise, ja. Allerdings solltet ihr eure Worte diesmal mit Bedacht wählen, Meister Drachenreiter. Meine Stimmung ist etwas – gereizt. Ich bin mir sicher, ihr wisst weshalb."
„Natürlich." entgegnete Eragon abermals nickend. „Also der Reihe nach, so schwer es mir auch fällt. Wie viele der Dorfbewohner konntet ihr retten?" „24 um genau zu sein. 16 von ihnen sind schwer verletzt, mit stellenweisen Verbrennungen 3. und sogar 4. Grades, beziehungsweise haben Gliedmaßen und damit Unmengen an Blut verloren. Ich kann nicht sagen, wie viele von ihnen die Nacht überleben werden. Der Rest jedoch, hat wie durch ein Wunder nur kleinere Schrammen abbekommen." erklärte Mike, wobei sich sein Gesichtsausdruck verdüsterte. „Wir mussten unsere beiden besten Ärzte abstellen, um Shad einer Notoperation zu unterziehen, weshalb nur noch ein normaler Feldsanitäter zur Versorgung der Dorfbewohner zu Verfügung steht und dieser ist momentan sogar noch damit beschäftigt, den anderen gefangenen Drachen namens Ileakri zu behandeln."
„Barzul! So viele Tote und Verletzte! Wenn ich könnte, würde ich noch zur Stunde aufbrechen, aber es geht nicht. Aber ich werde nach unserem Gespräch sofort Trestol informieren, damit er euch zu Hilfe eilt. Sagt, Herr Forke, wisst ihr bereits, ob Ortardt überlebt hat? Ich will meinen ehemaligen Schüler nur ungern eine falsche Hoffnung ins Ohr setzen."
Der Titan mahlte mit den Zähnen.
„Ortardt und seine Frau sind tot. Laut den Berichten, die ich erhielt, starb seine Frau bereits im Dorf und er selbst wurde komplett verbrannt, als er versuchte sie aus den Flammen zu ziehen. Wir konnten nichts mehr für ihn tun, die Verbrennungen waren zu stark. Er starb vor etwa sieben Minuten, vor meinen Augen. Aber ihr könnt seinem Bruder sagen, dass Misa überlebt hat. Zwar hat das Feuer ihr das Augenlicht genommen, aber sie wird es überstehen."
Der Reiter schloss für einen Moment die Augen, dann meinte er betrübt: „Ich – verstehe, Admiral. Es wird nicht leicht für ihn sein, diese bittere Wahrheit zu hören, aber dies soll nicht euer Problem sein. Trestol sollte euch mit seinem Drachen in etwa zwei Tagen erreichen. Ich nehme an, euer Schiff liegt in der Nähe des Strands vor Anker?" „So ungefähr, er wird es nicht übersehen, das versichere ich euch." „Gut – es fällt mir schwer dieses Wort zu gebrauchen. Aber es muss sein. Der nächste Punkt: Ihr sagtet, ihr hättet Shad und noch einen Drachen gefangengenommen? Wie war gleich der Name noch einmal?"
„Ileakri. Und ja, sie befinden sich in unserer Obhut." „Ah, Ileakri war es. Ich glaube der Name kommt mir bekannt vor. Aber sagt, wie geht es den beiden? Ihr konntet sie mit Sicherheit nicht einfach überreden sich zu ergeben." „Nein, natürlich nicht. Ihr, geht es relativ gut. Sie hat sich lediglich einen ihrer Flügel und sämtliche Beine gebrochen. Noch dazu wurde ihre Flügelhaut zerfetzt. Es ist jedoch nichts, was nicht wieder heilen würde. Shads Zustand jedoch ist – kritischer." „Wie meint ihr das? Er wird doch nicht etwa sterben?" hakte Eragon angespannt nach, was dem Titanen allerdings nur eine missmutige Grimasse entlockte.
„Mir ist nicht bekannt, welche Verletzungen er genau besitzt. Von dem was ich weiß, kann ich nur sagen, dass er ohne unsere Hilfe schon längst tot wäre. Während wir hier sprechen, behandeln ihn unsere beiden besten Ärzte, doch er wird sich wohl nicht ganz ohne Kratzer aus der Affäre ziehen können, selbst mit unseren Mitteln. Aber seht es positiv, immerhin hat er einen vollen Magen." bemerkte er spitz und konnte nicht umher, das Messer noch tiefer in die Wunde zu stoßen.
Zu sehr schmerzte ihn der Gedanke an diese unaussprechliche Tat.
„Micheal, bitte!" flüsterte Angela flehend, doch er ignorierte sie einfach.
Ein bedrohliches Knurren drang aus der Wasserschale empor und deutlich war zu sehen, wie Saphira ihr großes, blaues Auge verstimmt zu einem Schlitz verengte. Doch mit Micheal war sie damit an den falschen geraten.
„Wollt ihr mir etwa drohen, Drache? Oder noch schlimmer, die Taten eures Artgenossen verteidigen?" fragte der Admiral mit scharfer Stimme, wobei er absichtlich ihren Namen nicht gebrauchte. Schließlich hatte Eragon sie ja nicht vorgestellt.
Bevor die Situation jedoch eskalieren konnte, schritt der Drachenreiter dazwischen. „Stopp! Dieser Streit führt zu nichts! Herr Forke, Saphira wollt euch keines Falls drohen, oder gar Shads Gräueltaten befürworten. Sie war lediglich erbost darüber, dass ihr offensichtlich glaubt, das Küken hätte es von sich aus, ohne Fremdeinwirkung getan. Ich versichere euch, Admiral, Shad wäre dazu niemals im Stande, genauso wenig, wie jeder andere Drache, der noch bei klarem Verstand ist."
„Ja? Ist das so? Das will ich hoffen. Trotzdem werde ich Angela hier bitten, seine Gedanken zu untersuchen. Und wenn sie auch nur den kleinsten Hinweis darauf findet, dass er selbst es war, der diese Entscheidung gefällt hat, ein kleines Mädchen zu fressen, dann Gnade ihm Gott, Reiterdrache hin oder her." hielt der Titan forsch dagegen und veränderte seine Haltung, indem er die Arme vor der Brust verschränkte.
Die Stirn des Drachenreiters legte sich in noch tiefere Falten als zuvor. „Ich versichere euch, Admiral, Gewalt wird nicht notwendig sein. Ich verbürge mich für Shad. Und selbst, falls es durch einen absolut abwegigen Zufall so sein sollte, wie ihr es sagtet, dann bitte ich euch inständig darum Gnade walten zu lassen und zu warten, bis ich bei euch bin. Falls dem der Fall ist, werde ich ihm eine gerechte Strafe auferlegen." „Eine gerechte Strafe? Dann erleuchtet mich mal, was ihr als gerechte Strafe für mehrfachen Mord und Beihilfe zu mehr als einem Dutzend weiteren Morden sehen würdet." blaffte Mike und ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Abermals knurrte Saphira und zeigte diesmal sogar ihre riesenhaften Zähne hinter Eragon, der ebenfalls eine grimmige Miene aufgesetzt hatte.
„Ich müsste das Strafmaß erst mit unserem Ältestenrat besprechen, aber ich versichere euch, dass es keines Falls ein Todesurteil sein wird. Lasst bitte Vernunft walten, Herr Miller." „Vernunft? Oh ja, ich freue mich jetzt schon auf das Gespräch mit der Mutter des Mädchens, welches er gefressen hat. Vor ihren Augen! Ich bin mir sicher, dass sie es verstehen wird. Ich meine, es ist ja nur ein Unfall, dass Shad ihr Kind bei lebendigem Leib verspeist hat." grollte der Titan sarkastisch und bevor der Reiter etwas erwidern konnte donnerte er schon weiter.
Der Tropfen hatte das Fass zum überlaufen gebracht.
„Wisst ihr überhaupt, was das für Gefühle auslöst, wenn man hilflos dabei zusehen muss, wie ein kleines Mädchen im Schlund eines riesigen Drachens verschwindet? Ich erwarte selbst ein kleines Mädchen, Eragon! Wisst ihr, was das in mir auslöst? Wäre Tymdek nicht gewesen, hätte ich Shad ohne zu zögern den Kopf von den Schultern geschlagen, ihm den Bauch aufgeschnitten und versucht das Kind zu retten! Der einzige Grund, weshalb Shad überhaupt noch lebt, ist der, dass ich Vater ansonsten nie wieder in die Augen sehen könnte, wenn ich ihn aus Rache töten würde! Aber bei Gott, sollte ich herausfinden, dass er auch nur eine einzige Tat aus freien Stücken begangen hat, werde ich persönlich dafür sorgen, dass dieser rote Menschenfresser nie wieder auch nur im entferntesten ein Stück Fleisch überhaupt ansieht!" brüllte Micheal außer sich vor Zorn, wobei das Wasser durch die Kraft seiner Stimme leichte Wellen schlug. „Hätte der Angriff auf Lendol stattgefunden, bevor ich auf Tymdek traf, wäre er jetzt tot! Und ich würde nicht mit euch darüber reden wieso! Ihr wüsstet es nicht einmal!"
„Micheal."
„Wären wir einen Tag später in Nidhan angekommen, hätte niemand in Lendol überlebt und der Verrückte, der dafür verantwortlich ist, könnte mit Shad und den anderen Drachen fröhlich weitermorden und Menschen fressen lassen!"
„Micheal!"
„Es widert mich an, wie ihr beide es so gelassen akzeptiert, dass fünf Drachen gerade ein Dorf ausradiert haben! Man könnte fast meinen, ihr würdet Gefallen daran finden!"
„Micheal!" schrie Amanda, so laut sie konnte und packte den linken Arm ihres Mannes. Dieser drehte verdutzt seinen Kopf zu ihr und verstummte augenblicklich. Sie war aufgestanden und hatte die Decke beiseite geworfen, sodass sie nun nur noch ihr verrußtes Hemd, Unterwäsche und die dicken Bandagen an Armen und Beinen am Leib trug. Die enorme Wölbung ihres Bauchs war durch das dünne Gewand deutlich sichtbar.
„Micheal, bitte. Lass deine Wut fallen. Die beiden sind nicht schuld, für das was hier geschehen ist. Du wirfst ihnen Dinge an den Kopf, die weder Hand noch Fuß haben. Erinnere dich an das was Shixin dir beigebracht hat. Tief aus- und einatmen." sagte sie mit flehender Stimme und machte ihm die Übung vor, welche Shix ihm gezeigt hatte.
Die rechte Faust sanft gegen die offen gehaltene linke Hand pressen, die Augen schließen und dabei tief durchatmen.
Der Titan blinzelte mehrmals verwirrt, kam dann jedoch ihrer Aufforderung nach, indem er ein paar Schritte zurück trat und die Übung durchführte. Amanda seufzte erleichtert und trat langsam vor, an die Wasserschale, wo Angela sie bereits sorgenvoll anblickte.
„Fürchte den Zorn des geduldigen Mannes." murmelte die Kräuterhexe mehr zu sich selbst, als zu ihr, was Mrs. Forke bedächtig nickend bejahte. Danach beugte sie sich vorsichtig über die Schüssel und bemerkte, dass Eragon sein Gesicht mit der rechten Hand bedeckte und er mit dem Rücken an der Schnauze seines Drachens lehnte, den er zuvor Saphira genannt hatte. Sie musste unwillkürlich schlucken, als sie die gigantischen Ausmaße der Drachendame realisierte.
Schließlich fasste sie sich trotzdem ein Herz und meinte mit leicht zittriger Stimme: „Ihr – ihr müsst meinen Mann entschuldigen, Meister Eragon. Für gewöhnlich ist er der letzte, der einen derartigen Wutausbruch bekommt, aber in den vergangenen Wochen hat sein Verstand viel ertragen müssen, zu viel. Erst der augenscheinliche Tod seines Vaters, dann der Verrat an ihm und seinen Kameraden und jetzt dieses Massaker hier. Er mag viel wegstecken können, vermutlich mehr, als jeder andere, aber diese ganze Wut verschwindet nicht einfach so, sondern staut sich in ihm an, wenn er nicht meditiert. Und ihr hattet leider das Vergnügen am eigenen Leib zu erfahren, was passiert, wenn es ein Tropfen zu viel wird."
Es brauchte einige Momente, bis der Drachenreiter auf ihre Worte reagierte, die Hand vor dem Gesicht wegnahm und Amanda einen mitgenommenen Blick zuwarf. „Ich verstehe den Zorn eures Gatten, Amanda. Wäre ich in seiner Position, hätte ich vermutlich sogar noch aggressiver reagiert. Es mag zwar auf euch nicht so wirken, aber ich habe größten Respekt vor ihm, dafür, dass er Shad trotz der Umstände nicht getötet hat, sondern ihn sogar in die Obhut seiner besten Heiler übergab. Allein an dieser Tatsache sehe ich, wie er denkt. Seid unbesorgt, ich nehme ihm seine Beleidigungen nicht übel. Vor allem, da ein kleines Quäntchen Wahrheit an ihnen haftet." entgegnete er ihr gequält lächelnd und fügte nach einer kleinen Pause hinzu: „Es tut mir und Saphira im Herzen weh zu sehen, wie eure erste Begegnung mit einem Drachen verlief, Frau Forke. Wir hoffen beide, dass eurem Kind dabei nichts geschehen ist." „Danke für eure Anteilnahme, Meister Drachenreiter. Meinem Kind geht es gut und ich hoffe, dass ich diese eingebrannte Angst gegenüber diesen majestätischen Geschöpfen schon bald beilegen kann." Eragon nickte zustimmend. „Das ist schön zu hören."
„Ihr wisst gar nicht, was für ein Felsbrocken mir von der Brust fiel, als ich sie einigermaßen wohlbehalten in die Arme schloss." unterbrach Micheal den Reiter mit ruhiger Stimme, trat von hinten an seine Frau heran und umschloss sie fürsorglich mit seinen Armen, wobei er ihr gleichzeitig die Decke über die Schultern warf.
„Danke." flüsterte er ihr liebevoll zu und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
Dann richtete er sich wieder auf und sah hinunter auf die Wasseroberfläche, von wo aus ihm der Reiter und Saphira entgegensahen. „Verzeiht mein Verhalten, Meister Eragon, aber es wurde einfach zu viel. Ich hätte auf Angela hören sollen und bis zum Morgen warten müssen. Das hätte uns beiden eine Menge Ärger erspart." merkte der Titan ernst an und neigte respektvoll den Kopf. Die Drachendame knurrte ihm verstimmt zu und ihr Auge fixierte ihn voller Missmut, wohingegen Eragon ebenfalls das Haupt neigte. „Wir haben beide Fehler gemacht, Admiral, lasst es uns einfach dabei beruhen und auf das Wesentliche konzentrieren." „Einverstanden."
„Gut, wo waren wir gleich stehen geblieben? Ach ja, könnt ihr mir noch einmal genauer erklären, was mit Shad vorgefallen ist?" Mike nickte und erklärte ernst: „Nach dem – Vorfall," er vermied es ihn genau zu benennen, „haben wir ihn getroffen und er ging zu Boden. Es war ein Sturz aus vielleicht 100 Metern. Ich habe nicht viel mitbekommen, aber von dem was ich gehört habe, sind anscheinend sämtliche seiner Rippen gebrochen, die Wirbelsäule ebenso und er hat enorm viel Blut verloren. Außerdem meine ich mitbekommen zu haben, dass sein linkes Vorderbein komplett hinüber ist. Aber keine Sorge, wir werden ihn schon wieder hinkriegen, das versichere ich euch."
Saphira stieß ein mitleidiges Jaulen aus, das die Wasseroberfläche leicht vibrieren ließ und auch der Reiter biss sich angespannt auf die Unterlippe. „Das hört sich wirklich schlimm an, Herr Forke. Angela wird euch sicher mit ihrer Magie unterstützten, so gut sie kann." „Selbstverständlich, aber du weißt selbst nur zu gut, dass ich nicht gerade der Überflieger in Sachen Heilmagie bin. Ich werde tun, was ich kann. Allerdings glaube ich, dass die Titanen meiner Magie weit überlegen sind, wenn es darum geht, Shad zu retten." stimmte die Kräuterhexe zu, woraufhin Micheal abermals nickte.
„Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, Meister Drachenreiter. Es wird zwar eine lange Nacht für uns werden, aber morgen sollte Shad sich bereits wieder auf dem Weg der Besserung befinden." „Nun gut, ich vertraue auf euer Wort, Admiral, aber sollte irgendetwas widererwarten schief gehen, so kontaktiert mich bitte. Eventuell kann ich Angela den entsprechenden Zauber erklären, um das Küken zu retten. Du weißt, wie du mich unterwegs erreichen kannst?" meinte der Drachenreiter nachdenklich was Angela mit einem lauten: „Natürlich." beantwortete. „Ausgezeichnet. Ich werde mich mit Saphira und unseren Schülern sofort auf den Weg zu euch machen, sobald sich mir die Zeit dafür bietet. Erwartet uns jedoch frühestens in vier Tagen. Vermutlich werden Trestol und Mimiath aber schon weitaus früher da sein."
'Mimiath muss wohl sein Drache sein.' dachte der Titan und erwiderte laut: „Ich verstehe. Was ich vorhin in meiner Wut vergaß zu erwähnen: Wir konnten ein knappes Dutzend Soldaten dieser Schwarzen Rose, wie sie sich laut Tymdek nennen, gefangen nehmen. Ich hatte vor sie zu vernehmen, um die Drahtzieher dieses Blutbads zu ermitteln." Eragons Gesichtsausdruck verdüsterte sich für einen kurzen Moment, als er sagte: „Die Schwarze Rose also, das habe ich mir bereits gedacht. Diese Männer haben überhaupt keine Moral und würden nicht zögern selbst Kleinkinder oder Schwangere zu töten, um ihre Ziele zu erreichen. Ihr wisst also sicher, wie ihr mit ihnen umzugehen habt. Für gewöhnlich würde ich davon absehen, aber die Bastarde sind einen Schritt zu weit gegangen." Die blaue Drachendame untermalte seine Worte mit einem wütenden Knurren. Micheals Mundwinkel verzogen sich zu einem falschen Lächeln. „Gut, dass ihr das auch so seht, Schattentöter. Ich werde schon dafür sorgen, dass sie auspacken, auf die eine oder andere Weise. Die Titanen befinden sich ab sofort im Krieg mit dieser Terrorgruppe."
„Vielleicht habt ihr ja mehr Glück wie ich und findet den Drahtzieher heraus."
„Seid ihr beide nun fertig damit euch mit zweitrangigen Dingen zu befassen? Ich würde so langsam nämlich hinunter zu den anderen gehen, um bei Shads Behandlung zu helfen." unterbrach die Kräuterheilerin ihre kleine Konversation eher unwirsch woraufhin ihr sowohl der Reiter als auch der Admiral verdutzte Blicke zuwarfen.
Schließlich schüttelte sich Mike kurz und meinte höflich: „Natürlich, Angela. Meister Eragon, ich denke, wir haben das wichtigste besprochen? Wir werden Trestol binnen der nächsten zwei und euch der nächsten vier Tage erwarten. Falls etwas Wichtiges vorfällt, werden mit Hilfe von Angela Kontakt zu euch aufnehmen." „In Ordnung. Dann will ich euch nicht weiteraufhalten. Ich danke noch einmal vielmals, für das was ihr und eure Kameraden getan haben, Herr Forke. Ohne euch, wäre das wohl die schwärzeste Stunde unserer letzten fünfzig Jahre geworden, obwohl dieses Massaker auch so noch grausam genug war. Wacht gut über Shad und mögen die Sterne über euch wachen." entgegnete Eragon zustimmend und führte Mittel- und Zeigefinger seiner rechten Hand zum Mund. „Und auch über euch, Meister Drachenreiter." sagte der Titan und erwiderte die Geste, als er sie aus den Büchern wiedererkannte. Saphira brummte noch einmal zum Abschied, dann verschwamm das Bild auf dem Wasser und wenige Augenblicke später waren bereits wieder ihre eigenen Spiegelbilder zu erkennen.
„Wie war das noch gleich mit 'ich verfalle schon nicht blindlings in eine Wuttirade'? Ich solltet mehr auf mich hören, Micheal, ich besitze da ein feines Näschen für, wenn es darum geht die Gemütslage anderer einzuschätzen." schallt ihn Angela keinen Moment später und der Admiral seufzte leise. „Ihr habt ja recht. Ich dachte, ich hätte mich unter Kontrolle, aber das heute Nacht war schlicht und ergreifend ein Tropen zu viel. Zum Glück bist du hiergeblieben, Schatz, wer weiß wohin mich meine Wut noch getrieben hätte." gab er beschämt zu und drückte seiner Frau erneut einen Kuss auf die Stirn. Diese lächelte schwach und ließ sich ohne Widerworte auf die Arme nehmen, als Micheal sich auf den Weg zu Hangarluke machte. Die Kräuterhexe folgte ihm dicht auf den Versen.
„Hoffentlich konnten sie Shads Blutungen stoppen. Meine Kräuter können zwar die Blutbildung anregen, aber nicht sofort wiederherstellen. Von Magie ganz zu schweigen." murmelte sie besorgt. „Wir besitzen eine Maschine, die das kann. macht euch darüber keine Gedanken." entgegnete der Titan ruhig und trat dann vorsichtig die Stufen hinunter ins Innere der Venator. „Eine Maschine die Blut erschaffen kann? Das glaube ich erst, wenn ich es sehe." grunzte Angela schnippisch, während sie allmählich am Boden des Hangars ankamen, welcher von mehreren Hochleistungsscheinwerfern komplett erhellt wurde. „Wirklich? Seht ihr den Apparat dort neben Robert? Das ist die Maschine." erklärte Mike und nickte mit dem Kopf in Richtung der anderen, die in der Mitte des großen Raumes standen welcher erfüllt war von weißem Licht und dem dröhnendem Brummen zweier Feldgeneratoren.
Genau mittig lag Shad immer noch im Stasisfeld der Repulsortrage und in seinem Hals steckten zwei dicke Schläuche, die jeweils zu einem anderen Apparat führten und offensichtlich Blut transportierten. Seine Augen waren mit einem breiten Tuch abgedeckt. Vor seiner Brust standen und knieten Alina und Emily, deren Arme und Hände von der Atlaspanzerung befreit waren und in durchsichtigen Handschuhen steckten. Die Helme trugen beide auf dem Kopf, um eine bessere Beleuchtung zu gewährleisten und wohl um Zugriff auf Aidans 3D-Grafiken zu haben. Sie schienen wohl gerade dabei zu sein, die Lunge des Drachens zu operieren, während Sarah daneben stand und zwei reich gedeckte Operationsbesteckplatten in Händen hielt. Links neben ihnen stand Robert am ARPB, in dem einer der Schläuche endete. Aufmerksam beobachtete der Pilot ein Display an der schrankgroßen, grauen Maschine, das die genaue Zusammensetzung und Menge des Blutes im Kreislauf angab. Das starke Vibrieren und Summen des Geräts verriet Micheal, dass er bereits dabei war Shads Blut zu reproduzieren.
Von hier aus verfolgte er einen weiteren Schlauch, der den Lebenssaft zum nächsten Apparat beförderte, den er als Herz-Lungen-Maschine erkannte und dessen Funktion streng von Shixin überwacht wurde. Angereichert mit Sauerstoff wurde das Blut danach durch einen Schlauch zurück in den Hals des Drachens gepumpt. Damit war sein Überleben vorerst gesichert.
„Du meine Güte!" flüsterte die Kräuterhexe überwältigt und trat zusammen mit dem Admiral hinüber zu Robert, der kurz aufblickte und ihnen zunickte. „Wie sieht es aus, Rob?" wollte Mike wissen. „Bisher ganz gut. Der ARPB läuft auf Hochtouren und laut Aidan haben wir in etwa zehn Minuten schon wieder die optimale Blutmenge erreicht. Dann schalte ich ihn auf schweren Operationsmodus um, damit er den Pegel konstant hält, während Alina und Emily operieren." antwortete der Major zackig und öffnete eine kleine Tür an der Maschine, um die Vorratsbehälter zu überprüfen. Dabei erhaschte der Admiral einen Blick auf eine relativ kleine Flasche mit dem Aufdruck ‚Schwefeltrioxid'.
Mit skeptischer Miene fragte er: „Schwefeltrioxid? Kommt in Drachenblut wirklich Schwefelsäure vor?" „Du hast keine Ahnung! Das Zeug brennt wie die Hölle! Ich hab vorhin einen Spritzer ins Gesicht bekommen. Hat sich angefühlt, als würde ich meine Backe auf eine heiße Ofenplatte pressen." bemerkte Robert und rieb sich unwillkürlich die linke Wange.
„Das ist also der Apparat, der Blut erschaffen kann? Faszinierend." murmelte Angela neugierig und musterte den ARPB genau, insbesondere die beiden Stellen, an denen das Blut hinein und wieder herausgepumpt wurde. „Wirklich erstaunlich. Wie kann das eigentlich sein? Ich kenne keinen Magier, weder in Alagäsia, noch in Surda oder Nidhan, der dazu in der Lage ist, Blut aus dem Nichts zu erschaffen, das verstößt gegen eines der elementaren Gesetze der Magie." „Ähm – wir erschaffen es auch nicht aus dem Nichts. Der Kerl hier frisst allein so viel Strom, wie einer der Feldgeneratoren liefert und die einzelnen Bestandteile aus denen sich das Blut zusammensetzt befinden sich im Inneren. Einfach gesagt ist es nur ein intelligenter Mixer, der massig Energie frisst. Wir mussten extra einen zweiten Generator für den anderen Krempel herschleppen." erklärte der Pilot etwas überfordert mit ihrer Neugier. Als die Kräuterhexe verwirrt ihre Stirn in Falten legte, sprang Micheal seinem Bruder zu Hilfe. „Das alles ist furchtbar kompliziert, Angela. Seht es einfach als eine Art höhere Magie an, bis wir die Zeit haben, es euch zu erklären. Und Zeit haben wir jetzt gerade bestimmt nicht."
„Nein, in der Tat nicht. Sagt, wie kann ich helfen? Einfach nur rumzustehen und nichts zu tun, während Shad neben mir in Lebensgefahr schwebt, ist nicht unbedingt Traum." stimmte Angela glücklicherweise zu, woraufhin Robert zu Alina, Emily und Sarah deutete. „Die sind sicher froh noch ein Paar Hände mehr zu haben. Lasst euch von Sarah, die mit der braungrünen Rüstung, Handschuhe und einen Mundschutz geben und macht einfach das, was Emily oder Alina euch sagen." meinte er. Die kleinwüchsige Frau nickte anerkennend. „Das klingt schon eher nach Hilfe. Also gut, ich will mein Bestes tun, auch wenn ich vermutlich so gut wie nichts davon verstehen werde." Mit diesen Worten eilte sie hinüber zu den drei Titaninnen, während der Admiral Amanda vorsichtig absetzte und sich suchend umsah.
Von Aidan und Mark fehlte jede Spur.
„Wo sind Mark und Aidan?" wollte er vom Piloten wissen, der eine angespannte Miene aufsetzte. „Im medizinischen Lager. Alina meinte, dass Shads Lunge nicht zu retten sei und jetzt hilft Aidan, Mark dabei eine der künstlichen Lungen auf Drachengröße anzupassen. Sprich, so wie ich Mark kenne, lässt er Aidan übergroße Bauteile im 3D-Drucker anfertigen, die er dann schnell zusammensetzt. Außerdem müssen sie einige Platten und Stangen an Shads Knochenbau anpassen. Insbesondere die Wirbel werden ziemlich knifflig meinte Emily."
„Er wird doch wohl nicht querschnittsgelähmt sein, oder?" fragte Amanda schockiert, doch der Major winkte beruhigend ab. „Nein, nein. Sie müssen lediglich die Nervenenden wieder ordentlich miteinander verbinden und dann alles fixieren. Das allein, wird laut Alina über zwei Stunden in Anspruch nehmen. Das könnte eine lange Nacht werden."
Micheal rückte eine der herumstehenden Vorratskisten näher zu ihnen heran, damit seine Frau sich darauf setzten konnte, bevor er sich wieder neben Rob stellte und meinte: „Ein lange Nacht? Ich kann mich schon gar nicht mehr daran erinnern, wann wir mal eine kurze hatten."
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[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die Drachenreiter
FanfictionDer Soldat John Miller findet sich nach einem schrecklichem Unfall an den Ufern eines ihm unbekannten Landes wieder. Schon sehr bald wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr in seiner eigenen Welt befindet. So also macht er sich auf den Weg, die Dr...