„Und das war so ungefähr das spanneste, was passiert ist. Zumindest habe ich nicht viel mehr mitbekommen, nur das, was Robert mir erzählt hat. Aber das muss nichts heißen, schließlich lag ich über zwei Tage lang nur auf meinem Zimmer, wegen, du weißt schon was." beendete Emily die Erzählung, welche Alex begonnen hatte und steckte sich rasch einen Apfelschnitz in den Mund, damit Feyth ihre nadelartigen Zähne nicht bemerkte, doch das kleine Drachenmädchen war gerade ohnehin von Robert abgelenkt, der ihr spielerisch einzelne Weintrauben zuwarf, die sie gekonnt mit ihrem Maul auffing und gierig verschlang.
„Nein, das stimmt schon. Das war das Wesentliche. Tymdek ist gestern noch zurück zu seiner Familie geflogen, aber auch nur, weil Micheal ihn dazu gedrängt hat." bekräftigte Julia die Aussage ihrer Schwester und warf Steven einen skeptischen Blick zu. Dieser stopfte sich nämlich das nun schon fünften gebratene Hähnchen hinein, zusammen mit vier ganzen Laiben Brot, mehreren Fleischpasteten und einigen Karaffen Met.
John nickte zufrieden. „Das ist gut. Lyath wird sich mit Sicherheit schon Sorgen gemacht haben und einem Angriff wären sie wohl hilflos ausgeliefert gewesen, da sie sich mit Sicherheit noch erholen muss." Er nahm einen Schluck aus dem Becher mit verdünntem Wein, der vor ihm auf dem Tisch stand und blickte dann hinaus auf den großen Hof der Festung. Er hatte Vanir darum gebeten, sie in den gleichen Speisesaal zu führen, in den Alanna ihn an jenem Tag gebracht hatte. Der Elf war dieser Bitte freundlicherweise nachgekommen und war kurz darauf wieder aufgebrochen, um sich zu erkundigen, wann genau sie Keno besuchen konnten. So saßen die sechs Titanen zusammen mit Feyth und Aidan an einem großen Tisch an der Fensterfront und genehmigten sich eine kleine Stärkung, während sie ihrem Vater im Groben erzählten, was vorgefallen war.
„Ohja. Micheal hat Mathew und Shixin mit ihm geschickt, einerseits als Geleitschutz und andererseits, um mit ihnen kommunizieren zu können, da wir die Venator ja ein paar Meilen vor die Küste verlegt haben. Lyath schien gleichermaßen erfreut und verärgert zu sein, dass ihr Gemahl erst nach einigen Tagen wieder auftauchte. Aber ansonsten geht es ihnen gut, sowohl ihr, als auch den Jungen." erklärte Alex und streichelte dem kleinen Drachenmädchen vor ihm zärtlich über den Rücken. Nur um sicher zu gehen, dass seine Pheromone sie nicht verrückt machten, hatte er vorsichtshalber seinen Helm aufbehalten. „Das freut mich sehr zu hören. Aber wie ergeht es Shad und den Dorfbewohnern? Und dieses Drachenweibchen namens Ileakri, von dem ihr mir erzählt habt?" erwiderte der Colonel erleichtert durchatmend und wandte sich wieder Emily zu, die missmutig ihre Lippen geschürzt hatte.
„Soweit ganz gut. Ileakri hat im Grunde nur ein paar gebrochene Knochen, nichts wirklich Wildes und Shads Operation war ein voller Erfolg wie du ja schon mitgekriegt hast. Wir halten ihn momentan noch im künstlichen Koma, da die Schmerzen ansonsten nicht zu ertragen wären. Mark und Chloe basteln gerade an einer Prothese für sein verlorenes Bein, aber das dürfte noch über eine Woche dauern, bis wir die anbringen können. Bei den Dorfbewohnern ist das jedoch eine andere Sache." meinte sie und holte seufzend Luft, bevor sie fortfuhr: „Die meisten von ihnen haben schwerste Verbrennungen erlitten und gut die Hälfte hat mindestens ein Körperteil verloren, sei es ein Arm, Bein, Fuß oder Hand. Das ist jedoch nicht das Problem, eine fehlende Gliedmaße können wir leicht ersetzen. Viel eher macht ihnen der psychische Stress zu schaffen. Du weißt was ich meine, Dad. Viele von ihnen oder besser gesagt praktisch alle, leiden an einer mehr oder minder schweren von Form von PTSD."
Nachdenklich verschränkte John die Arme vor der Brust, wobei er innerlich noch extrem irritiert über das Gefühl der Schuppen an seinen Händen und Unterarmen war und setzte eine ernste Miene auf. „Das ist nicht überraschend, ich hätte mich viel mehr gewundert, wenn es nicht so wäre. Es wird viele Jahre brauchen, bis sie die Erlebnisse gut genug verarbeitet haben. Wie gehen sie jetzt damit um? Ich hoffe doch, ihr haltet sie fern von Mimiath, Shad und Ileakri?" Smith nickte bejahend. „Natürlich. Wir haben sie in den Manschaftsquartieren auf den mittleren Ebenen untergebracht und die Gänge zu den Hangars bewachen Benjamin und Sebastian rund um die Uhr, damit niemand auf die Idee kommt, hineinzuspicken. Die meisten der Kinder sind zum Glück noch zu klein, um genau begreifen zu können was vorgefallen ist und können sich auch nicht daran erinnern. Das hat mich echt wahnsinnig erleichtert. Was die Erwachsenen anbelangt, nun, viele verbringen die meiste Zeit auf ihren Zimmern, oder im Gemeinschaftsraum. Sie sind immer noch in einer Art Schock und sprechen im Grunde nur mit ihren Familienmitgliedern oder engen Freunden. Wie du schon sagtest, es wird einfach Zeit brauchen." antwortete sie und sah hinüber zu ihrem Mann, der Feyth inzwischen auf den Arm genommen hatte und das junge Drachenmädchen liebevoll kraulte, was ihr ein genüssliches Schnurren entlockte. Dieser Anblick erhellte ihres und auch die Gesichter der anderen, welche leicht schmunzeln mussten.
Allerdings blieben Millers Gedanken trotzdem bei den Dorfbewohnern.
Er wusste aus eigener Erfahrung, was diese Menschen gerade durchmachen mussten. Es war eine Tortur, gegen die jegliche Art von Folter ein Kinderspaziergang war. Beziehungsweise war es sogar eine Art Folter, die das eigene Gehirn mit einem betrieb. Warum habe ich überlebt? Wieso hat Gott so etwas zugelassen? Warum bin ich noch hier, wenn mir doch alles genommen wurde? Warum kann ich nicht tot sein? All das waren Fragen, die sie sich in jedem einzelnen Moment gerade selbst stellten.
Es waren Fragen, die er sich damals selbst gestellt hatte und auch heute immer noch in seinem Kopf umherschwirrten.
Doch im Gegensatz zu den Dorfbewohnern, sah er die Antwort direkt vor und neben sich sitzen. Er unterdrückte seine Tränen, als er unweigerlich an Melissa und Sam denken musste und tröstete sich mit dem Gedanken daran, dass sie nun hoch über ihm verweilten und auf ihn und seine neue Familie achtgaben. „Wie würde Shixin es jetzt ausdrücken? Die Zeit vermag es zwar nicht alle Wunden zu heilen, doch sie hilft uns aus der Vergangenheit zu lernen und nach vorn in die Zukunft zu blicken." merkte Julia an, was von Steven mit einem lauten Glucksen kommentiert wurde. „Wenn dem so wäre, hätte es Weltkriege Nummer Zwei, Drei und Vier nicht geben dürfen, Julia. Aber zumindest teilweise hast du recht, man sollte nicht nach hinten, sondern nach vorne schaun." meinte der Sergeant kauend und schluckte anschließend den Bissen hinunter, bevor er nach der nächsten Pastete langte. „Ich gebe Steven nur ungern recht, aber das stimmt. Nur wenige Menschen können wirklich alles hinter sich lassen und nur nach vorne schauen. Und uns zähle ich dazu nicht wirklich, selbst Shixin würde einem Sklavenhändler den Kopf von den Schultern schlagen, wenn er vor ihm steht." stimmte Alex seinem Bruder schief lächelnd zu.
Miller nickte langsam.
Er hatte recht, kaum ein Mensch auf der Welt konnte sich dem Gedanken an Rache entziehen. Seine Kinder und er selbst waren da keine Ausnahme.
„Das stimmt. Es ist natürlich, nach Rache zu streben, doch Stärke, beweist man nur, wenn man dem Verlangen nicht nachgibt." sagte er bestimmt, woraufhin die anderen leise zustimmten. Nur Coule erwiderte schmatzend: „Aber manchmal geht es eben nicht anders. Ich werde garantiert keine Stärke zeigen, indem ich Feyths Mutter in unserem Kampf schone." „Solange du sie nicht lebensgefährlich verletzt, denke ich, dass das auch nicht nötig sein wird. Schließlich wollen wir ja, dass es unserem kleinen Knuddelmonster hier gut geht und sie draußen herumturnen kann, ohne Gefahr zu laufen, von ihrer Mutter verspeist zu werden." meinte Robert lächelnd, während Feyth ihre Schnauze zärtlich an seiner rechten Wange rieb. „Mit nur einer Gehirnerschütterung wird sie nicht davonkommen, darauf kannst du deinen Arsch verwetten!" knurrte der Sergeant zustimmend und nahm einen großen Schluck Met. „Übertreib es aber nicht, Steven. Ich will keine Blutfehde riskieren, wenn du sie ausversehen tötest. Außerdem will Feyth das ebenso wenig. Sie hasst Gewalt." erinnerte John seinen Sohn eindringlich.
Das Drachenmädchen fiepte zustimmend und warf Steven einen abschätzenden Blick zu. *Ich will nicht, dass Mutter stirbt. Sie mag mich zwar verabscheuen, aber für mich ist sie immer noch meine Mutter, ganz gleich, was sie über mich denkt. Und jemanden wegen mir zu töten möchte ich auf keinen Fall!* erklärte sie schüchtern, woraufhin Holsted ihr lobend den Kopf tätschelte und Coule ihr beschwichtigend zu zwinkerte. „Du bist jetzt meine kleine Schwester und ich möchte meine kleine Schwester nicht weinen sehen. Wenn Drachen das überhaupt können. Also, keine Angst. Ich werde deiner Mom, den Allerwertesten aufreißen, aber ich bringe sie auf keinen Fall um." versicherte er ihr grinsend und griff nach einem der Süßgebäcke, die eine der Küchenhilfen ebenfalls gebracht hatte. Feyth stellte aufgeregt die Ohren auf, sprang aus Holsteds Armen und tapste hinüber zu dem Sergeant, sprang ihm auf den Schoß und schleckte ihm mit einem sanften Gurren über die Wange. *Danke, Steven.* entgegnete sie freudig und stibitzte spielerisch einen großen Biss aus dem Gebäckstück, was Robert und Julia amüsiert kichern ließ, während Emily und Alex belustigt schmunzelten.
John lächelte glücklich und war innerlich stolz auf seine Ziehkinder, das Drachenmädchen direkt in ihren engen Kreis mit aufzunehmen. 'Was würde ich dafür geben, dass jeder Moment meines Lebens, aus solchen Augenblicken bestehen könnte?' dachte er gerührt und beobachtete, wie Steven ihr lauthals lachend über den Kopf wuschelte und sich den Rest der Leckerei in den Mund schob. „Also an der Ausführung musst du noch arbeiten Feyth, ich soll es ja eigentlich nicht bemerken, wenn du mir etwas von meinem Essen mopst." gluckste er und spülte den Bissen mit einem großen Schluck Met herunter. *Ich dachte mir, du würdest es nicht merken, schließlich hast du schon so viel gegessen! Davon könnte ja selbst Vater schon satt werden!* antwortete sie unschuldig. Genüsslich schleckte sie sich über die Lippen und schloss dann genießerisch die Augen, als der Titan begann sie zärtlich am Hals zu streicheln.
Allerdings hatte sie einen Punkt angesprochen, der Miller wieder etwas ernster werden ließ und sich seine Haltung leicht versteifte. 'Es gibt nur zwei Gründe, weshalb er in der Regel solche Mengen in sich hineinzwängt. Entweder er hat zwei Tage hintereinander nichts gegessen, oder aber er bereitet seine Reserven vor.' überlegte er.
Stevens Verdauungstrakt funktionierte anders, als der der anderen Titanen. Bei ihm übernahm die Verdauung ausschließlich seine Naniten, was den Vorgang ungemein beschleunigte und es ermöglichte, extrem schnell große Energiereserven im Körper anzulegen. Auch bei den anderen halfen die Naniten bei der Verdauung, allerdings dort nur sehr sporadisch. Coule war hierbei die Ausnahme, da sein Körper aufgrund seiner speziellen Physiologie einen extrem hohen Kalorienverbrauch hatte, der sogar noch ansteigen konnte.
Nachdenklich sagte er dann laut: „Steven? Du weiß, du solltest schwerwiegende Verletzungen vermeiden, wenn du gegen Filia kämpfst, vergiss das nicht." Der Sergeant zuckte jedoch nur beiläufig mit den Schultern und griff bereits nach dem nächsten Brathähnchen. „Keine Sorge Dad, ich werde es nur unter bestimmten Voraussetzungen darauf ankommen lassen. Aber ich muss vorbereitet sein, falls der Fall eintritt, sonst kippe ich danach aus den Latschen, wie du weißt." „Natürlich, ich wollte nur sicher gehen." entgegnete John nüchtern, was seinen Sohn gespielt entnervt mit den Augen rollen ließ. „Du bist echt eine Spaßbremse, wenn du, du bist." „Tut mir Leid, dafür kann ich nichts. Ich würde es auch vorziehen, wenn es anders wäre." merkte der Colonel ruhig an und wandte sich Alex zu, der ebenfalls den Blick auf ihn gerichtet hatte.
„Du hast ja bereits gegen Filia gekämpft, Dad. Wie stark ist sie eigentlich?" wollte sein Sohn neugierig wissen. John antwortete nicht sofort, sondern dachte kurz darüber nach. Er selbst hatte den Kampf nicht direkt geführt sondern ihn praktisch aus der zweiten Reihe nur beobachtet. Deshalb hielt er sich mit Vermutungen größtenteils zurück, als er erwiderte: „Es ist schwierig einzuschätzen. Sie ist in jedem Fall deutlich kleiner, als Dorn oder Saphira, aber immer noch groß genug, um einen Titan im Ganzen verschlingen zu können. Dazu ist sie auch noch überaus flink, für ein Wesen ihrer Größe, sie hat mich mehrfach im letzten Moment davon abgehalten, ihren Reiter zu erledigen. Sie neigt auf jeden Fall dazu, ihren Schwanz als Peitsche einzusetzen, schreckt aber auch nicht davor zurück, kräftig zu zubeißen. Würde Steven seinen Atlas im Kampf tragen können, hätte ich gesagt, dass er sie mit etwas Aufwand besiegen kann, aber ohne Rüstung? Sie könnte ihm sehr großen Schaden zufügen, sowohl mit den langen Stacheln am Schwanzende, ihren Klauen oder ihren Zähnen. Du solltest es also eher vermeiden, getroffen zu werden." Dabei sah er zu Coule hinüber der nur lässig abwinkte. „Ach, auf die paar Kratzer lass ichs ankommen."
„Ich habe diese Filia am Tag meiner Ankunft kurz getroffen und einen groben Scan anfertigen können, Sir. Da ich ebenfalls je einen Ganzkörperscan von Miss Lyath und Miss Mimiath in meinem Speicher besitze, konnte ich ihren Körperbau miteinander vergleichen. Sie sind relativ identisch. Miss Lyath ist die größte der drei, gefolgt von Miss Mimiath, wobei Filia das Schlusslicht bildet. Allerdings besitzt Miss Mimiath die größte Muskelmasse, im Gegensatz zu Filia, die in dieser Kategorie ebenfalls das Schlusslicht bildet und das obwohl Miss Lyath durch die Ereignisse momentan stark abgemagert ist. Jedoch dürfte sie meiner Analyse nach um knapp 23 Prozent beweglicher sein, worauf sie bereits hingewiesen haben, Sir." fügte Aidan erklärend hinzu und ließ kurz drei Abbilder vor ihnen über dem Tisch erscheinen, welche eindeutig die drei Drachenweibchen darstellen.
Schon auf den ersten Blick hin, konnte Miller erkennen, Feyths Mutter deutlich kleiner war als Lyath und auch Mimiath, die er nun zum ersten Mal sah. Es war auf dem blaustichigen Hologramm etwas schwer zu erkennen, doch durch seine Drachenaugen bemerkte er, dass sie weißliche Schuppen besaß. Auch ihr Körper wirkte merklich bulliger als die der anderen beiden, wobei ihm jedoch der auffiel, dass Filias Körper schlanker und daher fließender wirkte, genau wie die KI es bereits erklärt hatte. Auch die anderen Titanen, mit Ausnahme von Steven, der sich weiter an seinem Hähnchen gütlich tat, musterten die Abbildungen interessiert. „Die Stacheln am Schwanz sind wirklich nicht ohne, mindestens einen Meter lang, eher mehr und armdick. Das dürfte selbst dir wehtun, wenn die treffen, Steven." bemerkte Julia ernst, woraufhin Emily zustimmend nickte. „Gefährlicher dürften allerdings die Klauen werden. Schau dir die mal an. Die durchdringen den Unteranzug garantiert, als sei er nur aus Pappe." fügte Robert hinzu und schielte unwillkürlich auf Feyths kleine Pfoten, während das Drachenmädchen die Abbilder neugierig anstarrte.
„Was kommt jetzt gleich noch Captain Obvious? Dass ihre Zähne scharf und spitz sind und sie mich mit einem Biss in der Mitte zerteilen kann? Uuuh, das ist hart! Ehrlich, was macht ihr euch solche Gedanken darüber?" erwiderte der Sergeant augenrollend, während er den Hähnchenschlegel auf den Teller zurücklegte und stattdessen ein großes Stück Brot vom Laib abriss.
„Ich mache mir Gedanken darüber, weil ich diejenige sein werde, die dich danach wieder zusammenflicken darf." knurrte Emily missmutig, wobei sie aufgebracht mit ihren Mandibeln klickte. Steven gluckste amüsiert. „Gut, das stimmt natürlich, du bist entschuldigt."
„Ganz ruhig. Bitte, keinen Streit. Ihr kennt Steven, über solche Dinge mit ihm zu diskutieren ist sinnlos." unterbrach John seine Kinder präventiv und hob beruhigend die Hand, wodurch auch Aidan schlagartig seine Projektion beendete. „Sorry Dad, manchmal hoffe ich halt, dass irgendwas davon durch seinen Dickschädel dringt." entschuldigte sich die Feldärztin halbherzig und warf Coule einen leicht verärgerten Blick zu. „Da fangen vorher wohl Schweine an zu fliegen, bevor Steven auf vernünftige Ratschläge hört." meinte Holsted lachend und drückte seiner Frau einen dicken Schmatzer auf die Wange, was sie etwas zu besänftigen schien. Miller nickte zufrieden und horchte auf, als er Schritte neben ihnen vernahm. Sofort schnellte sein Kopf hinüber zum Eingang des Speisesaals, wo einige Augenblicke später ein lächelnder Vanir auftauchte.
„Ich hoffe doch, unsere Speisen haben euch gemundet, meine Freunde?" fragte er höflich mit seiner melodischen Stimme, als er näher kam. „Ja, vielen Dank Vanir." erwiderte der Colonel nüchtern, wohingegen Steven den Daumen nach oben streckte. „Eins A, Vanir. Zwar nicht ganz auf dem Level von Mrs. Forke, aber nah dran." lobte der Sergeant brummend, woraufhin der Elf ein leichte Verbeugung andeutete. „Ich werde euer Kompliment an den Koch weiterreichen, Steven. Aber wenn es euch genehm ist, würde ich euch jetzt zum jungen Keno führen. Seine Meditationsstunde ist vorbei und er freut sich schon darauf euch wiederzusehen, John." erklärte er, was John mit einem Nicken bestätigte. „Natürlich. Bitte, geht vor." antwortete der Titan und bedeutete den anderen sich zu erheben, während er ebenfalls von seinem Platz aufstand.
Vanir war für elfische Standards bestimmt nicht gerade klein, mit seinen knappen ein Meter 80, doch als die Soldaten vor ihm auf die Beine kamen, wirkte er geradezu winzig im Gegensatz zu den Kolossen, die ihn um über einen Meter überragten. Selbst Emily, die mit ihren zwei Metern 50 ohne Atlas, noch die kleinste Titanin war und auch Miller, welcher überhaupt keinen Anzug trug, überragten ihn noch um einen knappen Meter, wohingegen Robert, Alex und Steven beinahe doppelt so groß waren wie der Elf. Insbesondere Coule war immer noch genauso imposant, wie John ihn in Erinnerung hatte. Selbst jetzt, ohne dass er seinen Atlas trug, ließ er Smith neben sich wie ein Streichholz wirken.
Doch der Sergeant schenkte dem gar keine Beachtung, sondern schnappte sich noch einige Gebäckstücke für unterwegs, während Feyth auf sich um seinen massiven Nacken legte, der beinahe so breit war, wie der Rumpf des Drachenmädchens. Als der Colonel danach wieder hinüber zu Vanir blickte, war er recht erstaunt darüber, wie gut der Elf seine Gefühle verbergen konnte. Seinem Gesicht sah man es nicht an und auch seine Stimme klang normal, als er freundlich sagte: „Sehr gut, dann folgt mir bitte.", doch an seinen leicht verkrampften Händen und seinem recht zügigem Schritt konnte John deutlich erkennen, dass er von ihrer Präsenz eingeschüchtert war. 'Alles andere hätte mich wohl viel mehr überrascht und auch vermutlich misstrauisch werden lassen.' dachte er ernst und folgte dann ihrem Führer aus der Tür hinaus, wobei ihm die anderen auf dem Schritt folgten und Aidan rechts über seiner Schulter Platz nahm. „Keno-Finiarel und die anderen Schüler befinden sich gerade im großen Speisesaal auf der unteren Ebene, um zu Mittag zu essen." merkte Vanir an, während sie eine der großen Treppen hinunterstiegen. „Natürlich." erwiderte ihm Miller ernst, was der Elf mit einem zufriedenen Nicken zu Kenntnis nahm. Es dauerte einige Minuten, bis er sie endlich durch zahlreiche Gänge und sogar den Eingangsbereich wieder hindurchgeführt hatte und sie vor einem großen Durchgang anhielten, aus dem schon einige junge Stimmen zu hören waren.
„Bitte wartet hier kurz, während ich den Jungen hole. Es sollte nur einen Moment dauern." erklärte Vanir, woraufhin John nickte. „In Ordnung." Seine Haltung wurde wieder deutlich lockerer, da sich der Dritte zurückzog, um der väterlichen Seite Platz zu machen, die eher dafür geeignet war, mit Keno zu sprechen. Rasch öffnete der Elf das große Tor einen Spalt breit und huschte hinein. Noch bevor der Colonel etwas aus der Halle erkennen konnte, krachte die Tür vor seiner Nase zu und die Stimmen im Raum verstummten schlagartig.
Nach knapp fünf Minuten stillen Wartens, begann Steven gelangweilt leise eine Melodie zu pfeifen, die Miller sofort als alte Hymne der Marines 'From the Halls of Montezuma' wiedererkannte. Schmunzelnd beobachtete er, wie Feyth auf der Schulter des Sergeants ihre Augen schloss und die Ohren spitzte, um sich besser auf das Lied konzentrieren zu können.
*Das ist aber eine lustige Melodie, Steven. Wie heißt das Lied denn?* wollte sie schließlich neugierig wissen, woraufhin Coule amüsiert grinste. „Das ist die Hymne meines Corps – äh, meiner Einheit, Kleine. Ich kann sie dir gerne mal mit Begleitmusik vorsingen, wenn wir wieder auf unserem Schiff sind." antwortete er.
Keinen Augenblick später fuhren alle ihre Blicke hinüber auf die Tür, als die Klinke heruntergedrückt und der Türflügel aufgestoßen wurde. Ganz kurz konnte John einen Blick ins Innere erhaschen, doch mehr als einige Bank- und Tischreihen mit vielen flammenlosen Laternen als Beleuchtung konnte er nicht erkennen. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Personen, die ihnen entgegenkamen. Vorneweg ging natürlich Vanir, gefolgt von Keno, der ein einfaches, weißes Gewand und eine braune Lederhose trug und ansonsten so aussah, wie er ihn in Erinnerung hatte.
Doch es gab noch zwei weitere Begleiter, was ihn einigermaßen überraschte. Ein junges Mädchen, etwa im selben Alter wie Keno selbst, lief neben ihm her. Sie trug eine edelverzierte grauschwarz gefärbte Lederrüstung, mit einem leichten, hellgrauen Umhang und festen Lederstiefeln. Ihr Haar hatte eine Färbung, die Miller nur grob als silberblond einstufen konnte, und war etwas länger gehalten, sodass es ihr feingekämmt über den Rücken fiel. Erst als er ihr Gesicht genauer betrachtete, bemerkte er, dass es sich um eine Elfe handeln musste. Ihre Haut besaß beinahe eine marmorgleiche Färbung und zusammen mit den hochgezogenen, markanten Wangenknochen und ihren spitzen Ohren waren die Merkmale unumstößlich. Sie war gut einen guten Kopf größer als Keno, wirkte jedoch deutlich eleganter und schlanker, als der Junge, was bei Elfen jedoch nichts zu bedeuten hatte, wie der Titan wusste.
Ein leises Fauchen von Feyth, ließ seine Aufmerksamkeit auf den letzten Begleiter schnellen, wobei seine Stirn sich instinktiv in tiefe Falten legte. Es handelte sich um einen Drachen, der wohl gut und gerne zwei Dritel so groß wie Lyath war. Seine Schuppen besaßen eine matte, dunkelgraue Färbung, wohingegen seine Augen hellgrau, fast schon silbern wirkten. Seine Hörner auf dem Kopf waren ungefähr so lang wie Johns Unterarm, genauso wie die Stacheln an seinem Schwanz. Er machte einen robusten und starken Eindruck, doch dem Titanen kam es fast so vor, als wäre er etwas schlanker gebaut als Tinira, wenn er den Größenunterschied mit einbezog. Was ihn jedoch am meisten beunruhigte, war der undefinierbare Blick, den der Drache seinem kleinen Schützling zuwarf. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, hatte Alex sich seitlich vor Steven geschoben und meinte todernst: „Wag. Es. Nicht." Dabei sprach er so leise, dass John sich schon fast anstrengen musste es zu verstehen, doch ein zusätzliches, tiefes Knurren seitens des goldbraun gepanzerten Titans verdeutlichte seine Aussage zu Genüge.
„Halt! Bitte verzeiht Othreni seine Neugier, er hatte nicht vor dem Küken etwas zu tun, das schwöre ich euch." sprang die junge Elfe erschrocken dazwischen, noch ehe die Situation eskalieren konnte. Ihre Stimme war recht hoch, klang jedoch fest und selbstbestimmt. Miller seufzte innerlich erleichtert und war erstaunt, über den scharfen Verstand des Mädchens. Nicht jeder hätte auf Anhieb bemerkt, dass Alex drauf und dran gewesen war, dem Drachen eine zu verpassen, wenn er sich nicht zurückzog.
Vanir seufzte laut.
„Bitte verzeiht die lange Wartezeit, meine Freunde, aber Liriàrth konnte sich nicht umstimmen lassen, Keno zu begleiten, um euch kennenzulernen. Ihren Seelenpartner, Othreni habt ihr ja schon kennengelernt. Liriàrth? Das hier sind John Miller und seine Kameraden, von denen euch Keno bereits erzählt hat." erklärte der Elf und deutete respektvoll auf die Gruppe Titanen. Allen voran auf den Colonel. Liriàrth neigte leicht den Kopf, als sie höflich meinte: „Es freut mich, endlich eure Bekanntschaft zu machen, Herr Miller. Ich bin Liriàrth aus dem Hause Rílvenar und das ist mein Seelenbruder Othreni." Othreni brummte zurückhaltend und senkte auch leicht das Haupt. „Sehr erfreut." erwiderte John und der Reihe nach stellten sich auch die anderen Titanen vor.
Anschließend führte Vanir Zeige- und Mittelfinger an seine Lippen und sagte ernst: „Ich werde euch nun vorerst alleine lassen, meine Freunde. Ich habe noch einiges vorzubereiten, für den bevorstehenden Kampf. Man wird euch Bescheid geben, wenn es soweit ist. Mögen die Sterne über euch Wachen." Der Colonel nickte verstehend. „Natürlich. Vielen Dank, Vanir." Dann verschwand der Elf raschen Schritts zurück in Richtung Eingangshalle.
„Da scheine ich ja einiges an Hektik verbreitet zu haben." bemerkte Steven grinsend und wandte sich dann interessiert dem mattgrauen Drachen zu, während sein Vater freundschaftlich von Keno umarmt wurde, wobei der Kopf des Jungen ihm gerademal zum Oberbauch reichte. Lächelnd erwiderte der alte Soldat die Umarmung. „Ich bin so froh zu sehen, dass es dir wieder gut geht, John. Ich war krank in Sorge um dich, als mir Meister Eragon von deiner Auseinandersetzung mit Filia erzählte!" meinte der Drachenreiter halbherzig lachend und löste sich wieder von dem Titan. „Ist schon alles in Ordnung, Junge. Ich bin nicht so leicht kleinzukriegen, wie du weißt." entgegnete John schmunzelnd und fügte dann etwas besorgt hinzu: „Aber wie geht es dir? Hoffentlich hat Eragon oder Aidan dir davon erzählt, dass es Shad soweit gut geht!"
Dabei sah er skeptisch über die Schulter zur KI, die grün aufblinkte, ansonsten jedoch stumm blieb.
„Ja, Meister Eragon hat mir davon erzählt. Ich – ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass ihr ihn gerettet habt, obwohl er – er – !" krächzte der Junge und einige Tränen begannen sich in seinen Augen zu sammeln. Anscheinend hatte er es immer noch nicht ganz verkraftet, was geschehen war. Miller hatte das natürlich vermutet, ging in die Hocke, um auf Augenhöhe mit ihm zu sein und nahm den Halbstarken erneut tröstend in die Arme. „Alles gut Keno, ist alles gut. Wir würden Shad niemals etwas antun. Er ist in Sicherheit und ihm wird es schon bald wieder so blendend gehen wie zuvor." flüsterte er leise. „Da – danke John. Es – es ist nicht leicht, das alles zu – zu begreifen. Ich habe lange darüber mit Meisterin Saphira gesprochen. Sie hat versucht es mir zu erklären, warum Shad diese Dinge getan hat, aber es ist schwer, diese Erinnerungen – aus meinem Kopf zu kriegen." schluchzte Keno und versuchte sich schniefend wieder zu beruhigen, während John ihn väterlich festhielt.
Sogar Feyth schien ihren größeren Artgenossen komplett vergessen zu haben und war von Steven Schulter zu ihnen herübergesprungen, wo sie zärtlich ihre Schnauze an der Wange des Reiters rieb und mitfühlend fiepte.
„Hey, Kleiner. Ich weiß, es mag dir vielleicht nicht viel bringen, aber ich war dabei, als wir Shad untersucht haben, nachdem er abgestürzt ist. Dabei fanden wir eine Art Edelstein, der auf seiner Stirn befestigt war und Angela ist sich zu 100 Prozent sicher, dass sie ihn damit kontrolliert haben. Verstehst du? Er hat nichts davon selbst getan, es war alles das Werk der Schwarzen Rose." erklärte Robert mit ruhiger Stimme und ging ebenfalls in die Hocke, um dem Jungen aufmunternd die Hand auf die Schulter zu legen. Keno schniefte stark und wischte sich mit dem Ärmel seines Hemds die Tränen aus den Augen, bevor er fast schon hoffnungsvoll den Piloten anstarrte. „Wi – wirklich?" „Ja, wirklich. Shads hats nichts davon selbst getan. Sehr wahrscheinlich kann er sich nicht einmal mehr daran erinnern. Steven hier erzählte mir, dass Ileakri, das Drachenmädchen welches wir retten konnten, sich ebenfalls an nichts erinnern konnte und absolut schockiert und entsetzt über das war, was sie getan hat." erwiderte Holsted bestimmt und Coule nickte bekräftigend.
„Ha – hast du das gehört Liriàrth? Sie haben ihm nicht seine Persönlichkeit und Erinnerungen genommen! Er ist immer noch er selbst!" jubelte der junge Drachenreiter daraufhin fast schon und ließ John los, um stattdessen stürmisch die Elfe zu umarmen, die die Geste glücklich lächelnd erwiderte. Es war, als hätte Robert einen ganzen Berg von Kenos Rücken gehoben. „Das freut mich so sehr für dich Keno. Endlich brauchst du dir keine Sorgen mehr darüber zu machen." meinte sie aufheiternd und wiegte ihn sacht hin und her. Währenddessen kletterte Feyth auf Johns Schultern, als dieser und Holsted sich wieder aufrichteten und legte angespannt die Ohren an, als Othreni ein tiefes Brummen anstimmte.
Die Titanen und Aidan blieben absolut still, während Keno sich in Liriàrths Armen allmählich beruhigte.
Der Colonel war innerlich unglaublich froh darüber, dass Robert die Ängste des Jungen, eventuell seinen Seelenpartner an die Schwarze Rose verloren zu haben, zerstreuen konnte. Deswegen legte er seinem Sohn auch lobend die Hand auf die Schulter, wohingegen Emily leise mit den Mandibeln klickte und ihm einen dicken Kuss aufdrückte. So ging es noch einige Momente lang weiter, bis der Drachenreiter sich halbwegs beruhigt hatte und kräftig in das Taschentuch schnäuzte, das die Elfe ihm reichte.
Erst jetzt wagte Miller es wieder etwas zu sagen. „Ich bin froh zu sehen, dass es nur das war, was dich noch so sehr bedrückte Keno. Glaub mir, mit der Zeit wirst du es alles verstehen und akzeptieren können. Und in ein paar Tagen wirst du auch wieder mit Shad vereint sein. Das verspreche ich dir." merkte er ruhig an, woraufhin Keno schwach lächelte und nickte. „Das wäre wunderbar, John. Du und deine Einheit – ihr habt so viel für mich und Shad getan, dass ich nicht glaube es euch jemals angemessen danken zu können." „Dein Dank genügt uns vollends, Kleiner, wir brauchen keine extra Entlohnung für unsere Hilfe." brummte Alex gelassen und die anderen Titanen stimmte ohne zu zögern zu. Das Gesicht des Jungen hellte sich noch weiter auf und aus seinem halbgaren Lächeln wurde ein fast vollwertiges.
Dann jedoch fragte John respektvoll: „Verzeiht meine Neugier, Liriàrth, aber wer genau seid ihr? Auf unserer Reise hat euch Keno kein einziges Mal erwähnt und doch scheint ihr euch recht nahezustehen." Der Gedanke schwirrte ihm schon die ganze Zeit im Hinterkopf herum, doch bis jetzt gerade war dafür nicht der richtige Zeitpunkt gewesen. Liriàrth lächelte matt und legte ihren linken Arm auf die Schnauze ihres Drachens, der sein Haupt mittlerweile zu ihnen herabgesenkt hatte. „Ich bin so etwas wie eine große Schwester für ihn. Othreni und ich fanden ihn damals im Keller seines niedergebrannten Hauses und haben ihn hierhergebracht, da ich weiß, wie die Waisenhäuser der Menschen mit solchen Findlingen normalerweise umgehen. Es war schwer, Meister Murtagh dazu zu überreden, ihn hier bei uns aufzunehmen, doch glücklicherweise musste ich das auch nicht, da schon kurz nachdem er hier ankam, Shad bei ihm schlüpfte. Aber die genaue Geschichte ist wohl zu einem anderen Zeitpunkt passender, als hier und jetzt. Jedenfalls danke ich euch vielmals, für das, was ihr getan habt, John-Elda und natürlich auch euch anderen Titanen." antwortete sie im typisch melodischen Singsang der Elfen, wobei sie doch noch halbwegs normal blieb, im Vergleich zu Vanir oder Bloedhgarm.
„Ich verstehe. Vermutlich war er einfach nur zu verwirrt, als das er euch erwähnt hätte. Aber auch ihr braucht uns nicht zu danken, wir helfen gern." erwiderte der Colonel nickend und Steven fügte scherzhaft hinzu: „Genau genommen ist es sogar unser Job." Gleichzeitig löste er Alex's Wasserkanister von dessen Atlas, natürlich mit Nurtons Einverständnis und kippte einige große Schlucke Wasser in sich hinein, bevor er den Tornister wieder zurücksteckte.
„Trotzdem, danke zu sagen ist immerhin das mindeste, das ich tun kann. Falls ihr jemals unsere Hilfe braucht, stehen Othreni und ich gern zu eurer Verfügung, auch wenn er sich nicht traut, direkt mit euch zu sprechen. Er ist recht schüchtern, müsst ihr wissen, obwohl er so furchteinflößend aussieht." entgegnete die Elfe lächelnd, was ihr ein missmutiges Knurren ihres Partners einbrachte.
„Othreni und schüchtern? Ich muss in unseren Trainingseinheiten wohl immer etwas verpassen." ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihnen und ließ sie allesamt herumfahren.
„Ebrithil!" riefen Liriàrth und Keno erschrocken aus und führten rasch die zwei Finger an die Lippen, als sie Murtagh, Eragon und Alanna hinter sich näherkommen sahen. Alle drei wirkten erleichtert und doch angespannt zugleich, wobei die Elfe deutlich blasser aussah, als zuvor. Allerdings schien ihr Lächeln eine gewisse Zufriedenheit zu verstrahlen. „Schon gut, Liriàrth. Also, seid ihr nun bereit Steven? Es wäre alles soweit vorbereitet und jeder der anwesend sein muss, oder will, ist da. Oder habt ihr es euch doch noch einmal anders überlegt?" winkte der rotgerüstete Drachenreiter beschwichtigend ab und wandte sich stattdessen Steven zu, der ein fieses Grinsen aufzog.
„Kneifen? Nachdem ich mich jetzt schon so weit vorbereitet hab? Wohl kaum!" knurrte er lachend.
„Na gut, dann folgt uns bitte nach draußen in den Hof. Keno, Liriàrth, Othreni? Ihr dürft gerne mitkommen um zu zuschauen, da ihr mich sowieso gleich danach gefragt hättet." erklärte Eragon ernst und bedeutete ihnen allen, ihm zu folgen. „Verzeiht, Ebrithil, aber was genau meint ihr? Welchem Ereignis dürfen wir beiwohnen?" wollte Liriàrth leicht verwirrt wissen und auch Keno stand vollkommen perplex da. Anstatt des Drachenreiters, antwortete jedoch Coule. „Ich werde Feyths Mutter jetzt in den Arsch treten, damit sie sie endlich und für alle Zeiten in Ruhe lässt." meinte er, was den beiden jüngeren Reitern die Kinnlade nach unten klappen ließ und dem mattgrauen Drachen ein ungläubiges Schnauben entlockte. „Das werden wir noch abwarten müssen, Steven, aber ja, er wird gegen Filia kämpfen. Und nun kommt, wir wollen es nicht künstlich herauszögern." merkte der Schattentöter eindringlich an, was Widerrufe der Schüler im Keim erstickte.
Doch auch John war es innerlich mulmig zumute.
Er hatte bereits nun schon mehrfach gegen diese gigantischen Flugechsen gekämpft und wusste, welche Macht hinter diesen geschuppten Muskelbergen saß. Am liebsten hätte er den Kampf abgesagt und solange verschoben, bis er ihn bestreiten konnte, damit niemand anderes wegen seines Handelns verletzt wurde. Aber das würde Steven niemals zulassen. Es gab keine Möglichkeit ihn davon abzuhalten, gegen Filia anzutreten.
Wie als würde er wissen, was seinem alten Herrn durch den Kopf schwirrte, trat Alex, auf dessen Schultern sich Feyth wieder zurechtgelegt hatte, neben ihn und legte ihm die rechte Hand auf die Schulter. „Keine Sorge Dad, Steven wird diesmal nicht herumalbern, das weiß ich." versicherte er ihm bestimmt, was Millers Stimmung zumindest etwas hob. Wenn Nurton darauf vertraute, dass sein Bruder keinen Unsinn, wie sonst, anstellen würde, hatte das etwas zu bedeuten. Miller lächelte leicht und klopfte seinem Sohn dankbar auf die Schulter. „Ich hoffe es." murmelte er leise und Feyth schleckte ihm aufmunternd über die Wange. „Glaub mir, er nimmt das wirklich sehr ernst." meinte Alex und setzte sich gemeinsam mit den anderen langsam in Bewegung.
Vorneweg gingen Eragon und Murtagh, dicht gefolgt von Steven und dem Rest der Titanen. Das Schlusslicht bildeten Liriàrth, Keno und Othreni. Alanna hingegen war an Johns Seite gehuscht und wirkte dort weitaus gelassener, als noch zuvor neben ihrem alten Meister. „Ist alles in Ordnung Alanna?" fragte der Colonel mitfühlend, als ihm auffiel, dass ihre Hände leicht zitterten. „J – ja, es ist alles in Ordnung, John. Ich – ich erzähle dir nachher, was genau vorgefallen ist." antwortete sie fahrig und lächelte schwach, was Johns Stirnfalten nur noch tiefer werden ließ. Aber er akzeptierte ihre Entscheidung und hieß sie in gewisser Weise sogar gut, da er den Kopf jetzt gerade ohnehin zu voll hatte.
Der Marsch in Richtung Ausgang dauerte nicht lang und strahlender Sonnenschein, zusammen mit doch recht frischer Mittagsluft, empfing sie, als Eragon die kleine Zusatztür im gewaltigen Eingangstor öffnete. „Mit so viel Publikum hätte ich aber nicht gerechnet." gluckste Steven amüsiert, als sie vorne an der Treppe ankamen und sich der Hof vor ihnen eröffnete.
Miller musste ihm recht geben.
Dort am Rand des komplett freigeräumten Kiesfelds saßen sowohl Drachen, Elfen, als auch Zwerge und sogar zwei Menschen. Von den Drachen erkannte der Colonel natürlich Saphira und Dorn wieder, doch auch Dun'var mit seiner Tochter Tinira saßen dort am Rand und beobachteten sie mit funkelnden Augen. Zusätzlich saßen daneben noch vier weitere Drachen, die John beim besten Willen nicht zuordnen konnte. Einer von ihnen besaß ein felsgraues Schuppenkleid und war ungefähr ein Drittel kleiner, als Schattenklaue. Der zweite war matschbraun und nur knapp größer als Tinira, die neben ihm saß und der dritte war etwas klein als der Graue und besaß kirschrote Schuppen. Der letzte im Bunde hatte ein kupferfarbenes Schuppenkleid und war circa genauso groß Othreni.
Von den Elfen erkannte er auch nur Bloedhgarm und Vanir, doch um sie herum standen noch fünf andere. Die Zwerge hingegen waren da deutlich übersichtlicher vertreten, zum einen mit Orik in seiner gewohnten Tracht und hinter ihm zwei Leibwächter, die jeweils ein verstärktes Kettenhemd und Schwerter am Gürtel trugen. Und zu guter der Letzt betrachtete er die beiden Menschen, die in dem Ganzen kunterbunten WIrrwar fast schon irgendwie fehl am Platz wirkten. Es waren zwei Frauen, wie er unschwer erkennen konnte. Beide trugen Lederrüstungen, von der gleichen Machart wie Eragons und Murtaghs, die jeweils einmal hellgrau und hellrot eingefärbt waren. 'Sehr wahrscheinlich auch Drachenreiter.' dachte John, während sie die Treppen hinabstiegen und wandte dann den Blick auf die Mitte des Platzes.
Instinktiv ballten sich seine Hände zu Fäusten. Dort saß natürlich Filia, in ihrer grünen Tracht und starrte die Gruppe eindringlich an. Von den Verletzungen, die er ihr im Kampf zugefügt hatte, war nichts mehr zu sehen, selbst die Schwanzspitze, die er ihr abgetrennt hatte, saß wieder an ihrem angestammten Platz. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte er, wie Alex Feyth schützend in die Arme nahm, als das kleine Drachenmädchen beim Anblick ihrer Mutter stark zu zittern und wimmern begann. Dafür verabscheute sie Miller noch weitaus mehr, als für den körperlichen Versuch ihre Tochter umzubringen. Wunden konnten heilen, doch die geistige Folter, ständig von der eigenen Mutter gejagt zu werden, würde Feyth ihr ganzes Leben lang nicht vergessen. Auch Steven schien das Ganze nicht zu entgehen, denn sein Blick wurde bitterernst, als er nach hinten zum Drachenmädchen sah und der Colonel wusste, ab jetzt war mit seinem Sohn nicht mehr gut Kirschen essen.
Es dauerte nicht lange, bis sie unten angelangt waren und Eragon sie erst einmal der Reihe nach mit allen bekanntmachte. Die beiden Reiterinnen stellte er als Gerlinde und Artula vor, wobei Gerlinde die rote und Artula die graue Rüstung trug. Die Zwerge übersprang er bis auf einen kleinen Gruß, da die Leibwächter ihre Namen nicht nennen wollten, oder durften und Orik damit als einziger übrig blieb.
Die Elfen hingegen stellten sich alle äußerst ausführlich und persönlich vor, was Miller äußerst langwierig, ja fast schon überheblich fand. Deshalb achtete er nicht großartig darauf und merkte sich lediglich die Vornamen, mit denen sie sich vorstellten. Neben Vanir und Bloedhgarm standen dort also auch noch Yaela, Invidia, Isil, Silad und Berèn.
Als es jedoch zu den Drachen kam, gab es direkt beim ersten schon einen kleinen Zwischenfall.
Denn der kupferfarbene, den Murtagh als Aesdol bekanntmachte, warf Feyth einen derart feindseligen Blick zu, dass Alex ihm instinktiv ein drohendes Knurren, mit voll aufgedrehten Lautsprechern, entgegenwarf, welches den Jungdrachen in sich zusammenzucken ließ und Dun'var, der knapp daneben saß, ein amüsiertes Schnauben entlockte.
Er und Tinira waren als nächste an der Reihe und der mitternachtsblaue Kollos brummte John freundlich zu: *Es ist schön zu sehen, dass es euch wieder besser geht Rotauge. Scheinbar hat euer Körper noch mehr von der Essenz meines Volkes in sich aufgenommen. Das Rot steht euch, gut.* „Es ist auch schön euch wiederzusehen Schattenklaue. Und keine Sorge ganz zum Drachen, werde ich bestimmt nicht." erwiderte er lächelnd , während ihm das gelbe Drachenmädchen große Augen zuwarf. Dun'var knurrte belustigt und neigte respektvoll den Kopf, als sie weitergingen. Als nächstes stellte Eragon ihnen den matschbraunen Drachen vor, der sich Rúmidos nannte und extrem schüchtern wirkte. Ganz im Gegensatz zu dem kirschroten, namens Galgianth und dem felsgrauen, namens Silexin, die sehr neugierig waren, jedoch auf respektvollem Abstand blieben.
Nachdem sie also endlich alle unbekannten Gesichter kennengelernt hatten, gingen sie zurück auf Oriks Höhe, wo sie schlussendlich auch stehenblieben. „In Ordnung, jetzt da wir die Formalitäten erst mal beseitigt haben, bleibt wohl nur noch eine Frage offen. Seid ihr bereit Steven, oder wollt ihr euch zuvor noch in irgendeiner Weise vorbereiten?" meinte Eragon ernst, woraufhin der Titan bestimmt nickte. „Einen kurzen Moment noch." bat er und begann sich seinen schwarzen Unteranzug auszuziehen.
Darunter kamen seine braungebrannten Muskelberge zum Vorschein, die wirklich unnatürlich wirkten. Selbst Miller wirkte neben ihm, wie ein kleiner Schuljunge neben einem aufgepumpten Bodybuilder. Allein sein Unterarm war dicker, als beide Beine des Schattentöters zusammen und John konnte aus dem Augenwinkel heraus sehen, dass Murtagh beeindruckt schlucken musste.
Er war wirklich einzigartig unter den Titanen, denn im Gegensatz zu allen anderen, besaßen seine Naniten kein Darwin-Protokoll!
Stattdessen hatten die Wissenschaftler bei ihm am menschlichen Genom selbst herumexperimentiert. Die sichtbarste Veränderung dabei, war die Ausschaltung seines Myostatin-Gens, das dafür sorgte, dass seine Muskeln praktisch ungehemmt wachsen konnten, wodurch diese extremen Muskelberge überhaupt erst zustande kamen. Doch das allein hatte den Eierköpfen im Labor nicht gereicht, nein. Sie fummelten noch weiter an seinen Genen herum, bis sie es geschafft hatten, seine Muskelfasern mehr als doppelt so stark zu machen, wie bei den anderen Titanen. Das hatte zur Folge, dass seine Muskeln noch einmal an Volumen zunahmen und sie sich im angespannten Zustand härter anfühlten als Stahl.
Außerdem mussten sie sein biologisches Herz durch vier künstliche ersetzten, von denen immer zwei aktiv waren, um seinen Körper überhaupt noch angemessen versorgen zu können. Sein Kalorienverbrauch war selbst ohne körperliche Anstrengung doppelt so hoch, wie bei allen anderen Titanen, weswegen er auch ständig hungrig war und Unmengen in sich hineinstopfte. Was jedoch äußerlich eher nicht zu bemerken war, waren seine Knochen. Sie waren durch eine spezielle Metall-Keramik-Legierung verstärkt, wie bei allen anderen, nur hatten die Wissenschaftler die Dicke dieser Verstärkung ungefähr versechsfachen müssen, damit er sich nicht selbst die Knochen zertrümmerte, genauso wie seine Haut, Blutgefäße, Bänder, Sehnen und Knorpeleinlagen in den Gelenken. Allesamt mussten sie an seine Veränderungen angepasst werden, wodurch sein gesamter Körper unglaublich schwer wurde.
Wohingegen John gerade einmal knapp über 400 Kilo wog, brachte Steven knappe 1.200 Kilo auf die Waage!
Er war körperlich der absolut stärkste Titan, der selbst ohne Atlas über sieben Tonnen tragen konnte und seine bloßen Fausthiebe waren vergleichbar mit der Wucht eines Autounfalls auf dem Highway.
Allerdings gab es auch große Nachteile zu dieser schieren Zerstörungskraft. Er war zwar der stärkste, aber gleichzeitig auch der langsamste und unbeweglichste Titan und das mit Abstand. Emily zum Beispiel konnte regelrecht Kreise um ihn ziehen, während er versuchte sie zu erwischen und selbst Alex, der selbst nicht wirklich agil unterwegs war, konnte seinem Bruder meist mühelos ausweichen. Doch wenn er es einmal schaffte, einen Schlag zu landen, war es meist vorbei. Ob ihm das alles jedoch gegen Filia etwas nutzte, war eine gänzlich andere Sache.
Und John war sich dabei nicht gänzlich sicher.
Jedenfalls gab es nun kein Zurück mehr, als Coule nur noch mit seinen übergroßen, schwarzen Boxershorts dastand, kurz die Arme kreisen ließ und dann barfuß durch den Kies zu Feyths Mutter auf die Mitte des Platzes marschierte. Dadurch zeigte er ihnen unweigerlich seinen massiven Rücken, was den Zuschauern natürlich nicht entging, wie Miller durch leises Murmeln neben sich erfuhr. Er wusste natürlich, worüber sie miteinander tuschelten. Dort auf Stevens Rücken waren senkrecht drei einzelne Buchstaben eintätowiert.
O.M.A.
Deswegen verwunderte es ihn auch nicht, als Eragon neugierig wissen wollte: „Was bedeuten diese Buchstaben auf seinem Rücken, John?" „Oh das. Es ist ein Akronym, eine Art Abkürzung. Ihr müsst wissen, Steven ist unter den einfachen Soldat unserer Heimat, eine noch weitaus größere Legende, als ich es bin. Deswegen haben sie ihm einen Spitznamen gegeben, dessen Initialen er sich auf den Rücken hat tätowieren lassen. O.M.A. steht für One-Man-Army, die Ein-Mann-Armee." erklärte der Colonel ausführlich, woraufhin der Drachenreiter leicht staunen musste und Saphira ihm einen faszinierten Blick zuwarf. Allerdings behielten sie ihre weiteren Gedanken für sich und widmeten sich voll und ganz dem bevorstehenden Kampf, als der Sergeant keine zehn Meter von Filia entfernt zum stehen kam.
Sie waren einige Dutzend Meter von den Zuschauern entfernt, doch selbst jetzt konnte John noch erkennen, das Stevens Gesichtsausdruck todernst war, was ihn nur umso mehr verkrampfen ließ. Es verhieß in der Regel nichts Gutes, wenn Coule seine gewöhnlich scherzhafte Art und seine Kleidung ablegte.
„Ihr seid also Feyths Mutter, Filia?" verlangte er lautstark von ihr zu wissen, doch die Drachendame antwortete ihm nur mit einem grimmigen Knurren. Wenn sie ihm in Gedanken etwas sagte, so hörte Miller es zumindest nicht. Steven ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken und fuhr bitterernst fort: „Bevor wir uns im Zweikampf messen, würde ich gerne von euch persönlich hören, weshalb ihr eure Tochter töten wollt! Erklärt euch, oder könnt ihr es nicht, weil es keinen Grund gibt?" Das Knurren schwang in ein wütendes Brüllen um und Filia fletschte angriffsbereit die Zähne, während der Soldat immer noch halbwegs gelassen vor ihr stand.
„Ihr versteht meine Sprache also nicht? Nun gut, dann – " setzte er grimmig hinterher, als er von Filias erster Attacke unterbrochen wurde.
Sie peitschte ihren Schwanz mit ganzem Körpereinsatz gegen ihn. Jeder andere Titan hätte einem solch plumpen Angriff ohne große Mühe ausweichen, doch nicht Coule. Wie einen unbeweglichen Dummy erfasste ihn die stachelbewehrte Schwanzspitze mit voller Wucht und katapultierte ihn in Richtung des großen Lagerhauses, das etliche Meter entfernt stand. Wie eine Abrissbirne krachte der Soldat mit dem Rücken voran in das Gemäuer und durchschlug es unter lauten Ausrufen des Entsetzens, als bestünde es aus dünnem Holz. Ein großer Teil des Dachs begrub ihn zusammen mit den Resten der Steinwand und den Utensilien, die im Lager selbst aufbewahrt worden waren, während grauweißer Staub aus den Trümmern aufstieg. Alle Zuschauer waren vollkommen entsetzt über den unerwarteten Angriff, selbst die Titanen.
Doch sie waren nicht darüber entsetzt darüber, was Steven zugestoßen war, sondern viel eher darüber, was Filia damit eigentlich angerichtet hatte.
„Ich hätte diesen Kampf niemals zulassen sollen!" knurrte Eragon erschrocken und wollte bereits zu Coule eilen, als alle mit ansehen konnten, wie blaues Blut von einem Schwanzstachel der grünen Drachendame tropfte. Aber Robert hielt ihn mit sanfter Gewalt zurück. „Bleibt hier, wenn euch eure Knochen lieb sind, Schattentöter. Der Kampf ist noch nicht vorbei und Filia hat sich gerade in eine sehr unangenehme Situation gebracht. Denn jetzt, ist Steven angepisst." erklärte er harsch und Saphira schnaubte überrascht, als sich unter den Trümmern tatsächlich etwas zu bewegen schien.
Klar konnte John erkennen, wie der Sergeant sich langsam aufrichtete, wobei kiloschwere Gesteinsbrocken von ihm herunterrollten, als seien es kleine Kiesel. Ein Mauerstein, auf dem er sich abstützte zerbarst einfach unter seinen Fingern, als wäre er aus Styropor und ein tiefes, fast armdickes Loch prangte in seinem Bauch. Ein schwaches Rinnsal blauen Bluts, floss ihm über die Hose und die Beine.
„Filia!" ertönte ein lauter, wütender Ruf, der ohne Zweifel nur von einem kommen konnte.
Steven.
„Scheinbar sprecht ihr nur die Sprache der Gewalt. Ihr habt Glück. Ich spreche sie auch fließend!" brüllte er hinterher und von einer Sekunde auf die andere, begann sich seine Haut bläulich zu färben, während dicke Schweißperlen an ihm herunterflossen, seine Atmung schwerer wurde und eine Art Dampf von ihm aufzusteigen schien.
Miller wusste genau, was gerade geschah.
Coule besaß eine Trumpfkarte, die er eigentlich nur in Notsituationen nutzte, oder aber wenn er wütend genug wurde.
Den sogenannten Overdrive.
Hierbei aktvierte er seine zusätzlichen beiden Herzen durch die unterbewusste Beeinflussung seiner Naniten mithilfe der nerualen Schnittstelle. Dadurch schoss sein Blut ungefähr mit über zweifacher Normalgeschwindigkeit durch seinen Körper, was die blaue Farbe seiner Haut hervorrief. Gleichzeitig stießen die Naniten Unmengen an Adrenalin und Noradrenalin aus, wodurch sein gesamter Körper in eine Art hyperaktiven Zustand verfiel. Seine Wahrnehmung wurde schärfer, seine Reflexe schneller und auch seine Beweglichkeit erreichte das Normalniveau eines Titans. Durch die gesamten Stresshormone wurden sämtliche Energiereserven seines Körpers freigesetzt und mit der beschleunigten Nanitenzirkulation durch die vier Herzen, konnte sein Körper Leistungen vollbringen, zu der er vorher nicht im Stande gewesen wäre.
Seine schon enorme körperliche Stärke wuchs ins fast schon lächerliche an. Nun würde ein Schlag von ihm sich nicht mehr anfühlen, wie ein Kleinauto, das einen mit knapp 100 Kilometern pro Stunde rammte, nein, nun würde sein Fausthieb sich so anfühlen wie ein ganzer SUV der mit 100 Sachen auf einen zuraste! Um diese Kraft jedoch überhaupt nutzen zu können, blockierten die Naniten gleichzeitig sämtliche Schmerzrezeptoren in seinem Körper. Ohne diese Maßnahme würde er sich schon nach seinem ersten Schlag krümmend auf dem Boden wälzen.
Und das, war noch einer der verzeihlichsten Nachteile des Overdrives.
So oder so würde dieser Kampf nun in neun Minuten enden.
John konnte nur zusehen, wie Filia den buchstäblich dampfenden Titanen mit großen Augen anstarrte und dann ihren Körper anspannte, als Coule zu einem Sprint in ihre Richtung ansetzte. Kies spritzte links und rechts neben ihm hoch, während er ihr mit Höchstgeschwindigkeit entgegenkam, den rechten Arm nach hinten zum Schwung ausgeholt. Die Drachendame holte ebenfalls mit ihrer rechten Pranke aus und drosch sie dann mit einem lauten Brüllen auf ihn herab, als er nahe genug gekommen war. Auch Steven hieb mit einem fast schon animalischen Schrei zu, wobei er die gesamte Masse und Energie seines Körpers in die Faust legte, indem er sich auch noch in den Schwinger hineindrehte.
Es tat einen gewaltigen Schlag und das Krachen von Knochen, gefolgt von zerreißendem Fleisch war bis hin zu den Zuschauern zu hören. Feyths Mutter kreischte vor Schmerz und selbst John stockte der Atme, als er sah, was im Zusammenprall geschehen war.
Er hatte zuvor schon gegen die Pranke eines Drachens geschlagen, einmal gegen Tymdek und einmal gegen Saphira und war trotz des Atlas deutlich schlechter dabei weggekommen, als der Drache.
Steven jedoch hatte es mit brachialer Kraft geschafft, seine Faust glatt durch Filias Pfote hindurchzustoßen!
Blut und Knochensplitter bedeckten den blanken Arm des Titanen, in dessen zorniger Miene purer Hass geschrieben stand. Er ließ ihr allerdings keine Zeit, über irgendetwas nachzudenken, sondern packte mit dem blutgetränkten und immer noch in ihrer Pranke steckenden Hand das Bein der Drachendame und umschloss es mit seiner linken Hand von der anderen Seite. Wie ein Schraubstock pressten seine Finger in ihr Fleisch und schon nach wenigen Augenblicken knickte die untere Hälfte ihres Beines einfach in einem unnatürlich Winkel nach vorne weg. Coule hatte ihr ohne mit der Wimper zu zucken den Knochen, der vermutlich schon von der schieren Schockwelle des Schlags zuvor angeknackst worden war, regelrecht zermalmt.
Schmerzbetäubt schlug Filia brüllend um sich, wobei sie den Soldaten gewollt oder ungewollt von ihrer perforierten Pranke löste, ihn mit den Krallen der anderen Pfote erwischte und einige Meter wegschleuderte. Er kam hart auf dem Kiesbett auf und brauchte einige Momente, um sich aufzurappeln.
Nun konnte Miller kurz einsehen, was für Verletzungen dieser Schlagabtausch an seinem Sohn hinterlassen hatte. Die tiefe Wunde in seinem Bauch, war bereits dabei, sich wieder zu schließen, was er der schnelleren Nanitenzirkulation verdankte, doch sein rechter Unterarm war nur so übersät mit tiefen Kratzern, in welchen teilweise sogar noch die zersplitterten Mittelhandknochen des Drachens steckten. Und auch auf seiner Brust prangten vier tiefe Striemen, die zweifelslos von den Klauen der linken Pranke stammten. Wenn er es richtig sah, blitzte unter einem der losen Hautlappen sogar eine der metallischen Rippen des Soldaten hervor, was dieser gekonnt ignorierte.
„Es ist echt Scheiße, wenn man mal jemanden gegen sich hat, der sich wehren kann, was?" spuckte er ihr gehässig entgegen und wich dem darauffolgenden Angriff mit ihrem zuschnappenden Maul einigermaßen flink aus. Dabei schrammte Filia versehentlich selbst über den Kiesboden und wollte die Richtung ihrer weitaufgerissenen Schnauze in seine Richtung ablenken, als dieser beide Hände zur Kugel geformt, mit voller Wucht von oben in ihren, mit Knochen gepanzerten, Oberkiefer hämmerte.
Das Krachen war erneut bis zu ihnen herüber zu hören. Als hätte man mit einem Vorschlaghammer eine zentimeterdicke Betonplatte zertrümmert. So ähnliche wirkte auch der Oberkiefer des Drachenweibchens, als es ihren Kopf benommen anhob. Eine deutliche Einbuchtung war an der Stelle zu sehen, an der Stevens Fausthammer eingeschlagen war und dickes Drachenblut tropfte ihr aus dem Maul auf den ohnehin schon roten Kies.
Doch auch am Sergeant war der Hieb nicht spurlos vorbeigegangen.
Mit knirschenden Zähnen erkannte John, dass die Haut über seinem linken Bizeps stark aufgerissen war und darunter der freiliegende Muskel zu sehen war, genauso wie am Nacken, wo sich der Riss von der rechten Schulter fast bis zu Hälfte seines Halses hinaufzog. Und auch seine Atmung wurde deutlich schwerer, während noch mehr Schweiß und Nanitenblut auf den Boden tropften.
Er konnte Alanna neben sich erschrocken keuchend hören.
Wenn es so weiterging brauchte Filia ihn nicht zu verletzten. Sie musste lediglich seinen Angriffen lange genug standhalten, bis er sich selbst außer Gefecht setze.
Die Frage war nur, ob sie das konnte.
Denn Steven nutzte ihre Benommenheit aus und klatschte ihr mit der flachen rechten Hand brachial gegen den Brustkorb. Eine sichtbare Schockwelle raste durch den vorderen Rumpf der Drachendame und sie hustete Blut, während sie jaulend einen Satz zurück machte. Neben den inneren Schäden des Schlags blieb auch ein deutlicher Abdruck seiner Hand auf ihren Schuppen zu sehen und ihr Gebrüll das darauf folgte wirkte deutlich krächzender und angestrengter. Aber auch Coule war nicht mehr ganz in Topform, selbst wenn er keinerlei Schmerzen spürte, würden die Wunden und der Overdrive bald ihren Tribut fordern. Sein Kopf schnellte nach rechts, als das Drachenweibchen abermals versuchte, ihn mit einem Schwanzhieb aufzuspießen und durch die Gegend zu schleudern. Dafür legte sie ihr gesamtes Gewicht in den Schwung, eine Tatsache, die seine gesteigerte Wahrnehmung instinktiv registrierte.
Wie von allein machte er rasch einen Schritt nach vorn, ergriff blitzschnell das Ende ihres Schwanzes, das er dabei vollkommen zerquetschte, und drehte sich dann laut brüllend in die gleiche Richtung wie die Drachendame. Er machte sich eine der ältesten Kampftechniken zu Nutze, er verwendete Filias Masse und Schwung gegen sie selbst! Der Drache hob einige Meter vom Boden ab und krachte mit der Schulter voran wieder zurück, was ein weiteres schmerzerfülltes Kreischen nach sich zog. Für einen Laien mochte es so aussehen, als habe der Titan gerade einen Drachen mit eigener Körperkraft angehoben, doch dabei hatte sie sich im Grunde selbst geworfen!
Steven hatte lediglich als Hebel fungiert und mit etwas eigener Kraft nachgeholfen, auch wenn er sich dabei einen der Stacheln durch den linken Unterarm gebohrt hatte. Völlig überrumpelt von Coules Handlung, brauchte Filia einige Augenblicke, um zu bemerken, was genau geschehen war, was dem Soldaten genug Zeit ließ, sich seinen Angriffspunkt auszusuchen. Mit etwas Anlauf holte Steven erneut mit voller Wucht aus und drosch dann seine rechte Faust mit brachialer Gewalt gegen ihre linke Hüfte. Abermals erschallte der schon bekannte Klang von zerreißendem Fleisch und zerberstenden Knochen, als seine Faust bis weit über das Handgelenk hinaus in den Hinterleib der Drachendame eindrang und das linke Hüftgelenk komplett zertrümmerte.
Filia brüllte ihren Schmerz ohrenbetäubend heraus und versuchte sich aufzurichten, als der Titan einen großen Schritt zurückmachte, doch da ihr rechtes Vorderbein und ihr hinteres linkes Bein praktisch ausgeschaltet waren, schaffte sie es nicht auf Anhieb.
Aber wie schon zuvor, hatte der Schlag auch erheblichen Schaden am Körper des Sergeants angerichtet. Die Haut auf seiner Hand und dem Unterarm, war komplett durch die scharfkantigen Schuppen abgerieben worden, wodurch rotes Muskelfleisch und im Fall seiner Finger, metallische Knochen und Sehnen zu erkennen waren. Auch die Haut über dem rechten Bizeps, war nun fast vollständig aufgerissen und entblößte den gewaltigen Muskeln in seiner ganzen, teilweise zerrissenen Pracht der Außenwelt. Sein gesamter Körper begann immer wieder zu zucken und bei jeder dieser Zuckungen spritzte blaues Nanitenblut aus den freigelegten Muskeln und Rippenbögen.
Doch ein Ende war in Sicht, denn Filia schaffte es einfach nicht mehr, richtig auf die Beine zu kommen und fiel immer wieder jaulend, ja fast schon heulend, zurück auf den Boden.
Schwer atmend trabte Steven vor, zu ihrem Kopf und starrte sie mit blutunterlaufenen Augen wütend an. Ein letztes Mal versuchte sie den Soldaten anzugreifen, indem sie ihr massiges Haupt praktisch gegen ihn warf. Öffnen konnte sie ihr Maul nicht mehr, da der zertrümmerte Oberkiefer sie daran hinderte. Mit einem linken Schwinger gegen ihren Unterkiefer unterband er den stumpfen Angriff und brach ihr dabei an mehreren Stellen gleichzeitig den Kieferknochen, wobei er inzwischen selbst so neben der Spur war, dass er leicht abrutschte und die Faust samt halben Unterarm an ihren messerscharfen Zähnen aufschlitzte, wodurch ein ganzer Schwall an Nanitenblut kurzzeitig hervorbrach, bis die winzigen Roboter die Wunde zumindest abdichteten. Allerdings riss er ihr dabei zusätzlich einen Zahn aus, was erneut ein Jaulen und Wimmern nach sich zog.
„Gebt – endlich – auf!" brachte der Titan zwischen seinen Atemzügen hervor und knirschte wütend mit den Zähnen, als sie halbgar versucht ihn mit ihrem Schwanz zu erwischen, den er mit einem seitlichen Kick einfach beiseite fegte und dabei vermutlich noch ein, zwei Schwanzwirbel zertrümmerte.
Zornig griff er nach ihrem linken Horn und brach es mit einem lauten Brüllen ab, wohingegen Filia nur noch wimmernd dalag. Er schritt einmal um ihre praktisch regungslose Schnauze herum, sodass er beide Augen und die Stirn einsehen konnte, hob das spitze Ende des knapp armlangen Horns empor und –
Rammte es direkt vor ihrem Auge in den Boden!
„Gebt – endlich – auf – oder – muss – ich – euch – noch – den – Schädel – einschlagen? Feyth – will nicht – deinen – Tod – und ich – auch nicht." keuchte er zwischen seinen schweren Atemzügen, während das Zucken seiner Muskeln, allmählich zu einem anhaltenden Zittern wurde.
Die neun Minuten, waren praktisch um.
Das grüne Drachenweibchen starrte den übel zugerichteten Soldaten einige Augenblicke lang eindringlich an, bis sie schließlich die Augen schloss und ihren Schwanz sinken ließ, den sie bis zuletzt angespannt gehalten hatte.
„Na – also." keuchte der Soldat und schenkte ihr ein halbgares Grinsen, während er siegreich den rechten Arm in die Luft streckte und von ihrem Kopf weg in Richtung John und der anderen stolperte, die im Sprint auf ihn zugelaufen kamen. Doch der Overdrive reichte nicht mehr aus, um sie zu erreichen. Zitternd blieb er stehen, als sich seine beiden zusätzlichen Herzen langsam abschalteten und der Blutdruck wieder ein normales Niveau einnahm.
Sein gesamter Körper fühlte sich an, als hätte man ihn in einen Backofen gesteckt und gleichzeitig mit Dutzenden Messern und Dreschflegeln auf ihn eingeprügelt. Er hatte keinen Krümel Energie mehr übrig, um seine Muskeln auch nur einen Millimeter zu bewegen und sein Mund fühlte sich so trocken an, als hätte er eine Handvoll Staub verschluckt. Wie ein nasser Sack kippte er nach hinten weg und kam krachend auf dem Boden auf, wobei sich unzählige Kiesel in seinen nassgeschwitzten Rücken bohrten und nochmal grad so viele wie Wasser wegspritzten.
Emily kam als erstes bei ihm an und wirkte schockiert, als sie seinen Körper kurz mit ihren sechs schwarzen Augen überflog. Er versuchte zu Grinsen, doch selbst das gelang ihm nicht mehr ganz. „Jetzt – weiß ich wieder – warum ich – das nicht mache. Ich fühle mich – wie ein Stück Scheiße – das man – in der – Hölle – auf den Grill – geworfen hat." presste er scherzhaft hervor, bevor die anderen eintrafen und ihn wie wild umringten.
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[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die Drachenreiter
FanfictionDer Soldat John Miller findet sich nach einem schrecklichem Unfall an den Ufern eines ihm unbekannten Landes wieder. Schon sehr bald wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr in seiner eigenen Welt befindet. So also macht er sich auf den Weg, die Dr...