Die Nacht ging vorüber und mit den ersten Sonnenstrahlen die auf den Boden trafen, kam Tymdek zurück zur Lichtung. John hatte in der Zwischenzeit aus der Decke eine Art Halterung für Keno geschnitten, um ihn halbwegs bequem tragen zu können. Außerdem hatte er den Rest des Gebräus ausgekippt und den Wasserkanister mit frischem Wasser aus der Quelle gefüllt. Feyth dagegen hatte im Wald nach ihrem Frühstück gesucht und war wenig später mit mehreren Zweigen voller roter Beeren zurückgekehrt. Diese verschlang sie genüsslich, während Keno ein Stück Brot mit einer Scheib Wurst hinunterwürgte, welche John im gegeben hatte.
Tymdek beugte seinen Kopf hinunter und blies dem Titanen ins Gesicht. *Es ist schön zu sehen, dass ihr wieder bei Bewusstsein seid Keno.* meinte er und zwinkerte dem Drachenreiter zu, der seine Hand zum Gruß erhoben hatte. „Es ist auch schön euch wiederzusehen Freund, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass unser nächstes Treffen anders verlaufen wäre." entgegnete dieser und der große Drache knurrte leise. *Nicht nur ihr Freund. Wo ist Shad? John hier meinte, er hätte ihn nicht bei den Entführern gesehen. Wisst ihr wer euch das angetan hat?* wollte Tymdek wissen, doch er Junge schüttelte nur traurig den Kopf. „Nein. Die Kerle, die uns überfielen waren komplett in schwarz gekleidet und vermummt. Sie besaßen verzauberte Waffen und waren allesamt Magier. Shad und ich konnten drei von ihnen töten, bevor sie uns überwältigten und mich bewusstlos schlugen. Ich weiß nicht, wo sie Shad hingebracht haben, meine Verbindung zu ihm ist zu schwach, um mit ihm zu sprechen. Es muss an den Drogen liegen, die sie mir verabreicht haben, sie unterdrücken meine Magie und meinen Geist." *Hoffentlich weiß Meister Eragon Rat, sobald ihr beim Orden ankommt. Ich leide mit dir junger Keno, ich weiß was du gerade durchmachst.* sagte Tymdek mitfühlend und wandte sich dann an John.
*Ihr wollt also über die Berge, dann durch die Wüste und schließlich über die große Ebene, habe ich Recht?* Der Soldat nickte. „Ja, es sei denn ihr kennt einen anderen, schnelleren Weg." *Da ich leider gezwungen bin hier zu bleiben und euch dadurch nicht hinfliegen kann, nein. Ich würde es gerne tun, aber meine Pflichten als Vater erlauben es mir nicht.* antwortete der große Drache und John nickte erneut. „Ich verstehe." Da schob sich Feyth an dem Titanen vorbei und berührte die Schnauze ihres Vaters sanft mit ihrem Kopf. *Ich werde mit ihnen gehen Vater.* sagte sie entschlossen und sah ihn abwartend an.
Zu Johns großer Überraschung blickte Tymdek ihn anstatt seiner Tochter an und die blauen Augen schienen sich förmlich in ihn hinein zu brennen. Er war es gewohnt seinen Vorgesetzten die Stirn zu bieten, doch ein Drache war ein völlig anderes Kaliber. Der Soldat zwang sich ruhig zu bleiben und erwiderte den Blick mit der gleichen Intensität. Er wusste nicht, weshalb Tymdek ihn derart anstarrte, er konnte auch nicht spüren ob der Drache gerade seine Gedanken durchforschte, wollte aber zumindest den Eindruck vermitteln, davon nicht eingeschüchtert zu sein. Dann nach einer schieren Ewigkeit schloss der Drache seine Augen für einen kurzen Moment und wandte sich seiner Tochter zu. Falls die beiden miteinander sprachen, konnte John es nicht hören, aber das Tymdek seiner Tochter liebevoll über den Kopf schleckte ließ erahnen, dass er nicht wütend zu sein schien. Zumindest hoffte er das.
Dann dröhnte wieder Tymdeks Bassstimme in seinem Kopf und meinte mit ungewohnter Schärfe: *Ihr werdet gut auf sie Acht geben John. Sollte ihr irgendetwas zustoßen, werde ich euch finden und den Kopf von den Schultern reißen.* Er sah ihm fest in die Augen und der Soldat erwiderte ruhig: „Ich werde sie mit meinem Leben beschützen. Ganz so wie mein Eid es von mir verlangt. Seid unbesorgt Tymdek, eher würde ich mir die Zunge aus dem Hals reißen, als meine Pflicht zu verletzen. Und falls es das Schicksal doch böse mit mir meint, so nehme ich eure Strafe ohne Widerworte hin." Der Drache brummte zufrieden und wandte sich wieder Keno zu, der das Ganze gespannt beobachtete hatte. *Ich hoffe inständig das ihr wieder genest junger Keno und vor allem, dass ihr Shad wiederfindet.* „Danke Tymdek-Elda. Das hoffe ich auch." Tymdek richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf und meinte dann: *Ich will euch nicht länger aufhalten als nötig. Der Weg der vor euch liegt ist lang und beschwerlich, ihr solltet sobald wie möglich aufbrechen. Möge die Sonne immer in eurem Rücken stehen und eure Waffen jedes Ziel treffen.* „Das Gleiche gilt für euch Tymdek. Auf bald!" rief John dem Drachen hinterher, der sich vom Boden abgestoßen und mit einigen starken Flügelschlägen an Höhe gewonnen hatte. Er drehte noch ein paar Kreise über der Lichtung, dann ließ er ein ohrenbetäubendes Brüllen von sich hören und flog davon.
Mit hochgezogenen Augenbrauen warf der Soldat einen Blick auf Feyth, die immer noch neben ihm saß und ihn mit großen, freudestrahlenden Augen ansah. „Warum hat mich dein Vater dermaßen angestarrt, als du es ihm gesagt hast? Diese Entscheidung hast du getroffen, nicht ich." wollte er wissen, doch sie stand nur auf und trottete zurück zu Keno. *Ich weiß nicht.* meinte sie und begann wieder damit ihre Beeren zu fressen.
John stöhnte leise und setzte nach: „Hat er meine Gedanken durchwühlt?" *Vielleicht.* „Und wonach?" *Keine Ahnung.* „Feyth!" *Er hat nach etwas gesucht und offenbar gefunden.* „Was hat er gesucht?" Dieses Mal blieb das Drachenmädchen stumm und er rieb sich genervt die Augen.
Dann sagte er: „Also schön. Zeit, dass wir aufbrechen."
Mit großen Schritten ging John hinüber zu seinem Helm und dem Beutel. Er warf sich die Tasche wieder über die Schulter und begutachtete den Kopfschutz. Ohne ein intaktes Visier war er so gut wie nutzlos, da seine Sicht durch das zersplitterte Panzerglas sehr eingeschränkt war. 'Der General wird mir dafür sicher den Kopf abreißen, aber scheiß drauf.' dachte er sich und setzte den Helm auf. „Protokoll 25b, Abschnitt 3 aktivieren, Zugangscode: 19-3-8-21-20-26" sagte John laut und sofort spuckte der Atlas das kaputte Glas zur Seite hin aus und ersetzte es durch eine unbeschädigte Neue. Mit einem leisen Zischen versiegelte sich der Anzug und meldete ihm auf dem HUD, das alle Systeme einsatzbereit wären. Der Grund weshalb John es hatte vermeiden wollen, war simpel. Es kostete ein halbes Vermögen und mehrere Tage Arbeit das Ersatzglas nachzufüllen, weswegen den Titanen es eigentlich untersagt war diese Funktion leichtfertig zu aktivieren. Aber John hielt es für notwendig und vor allem war es ihm scheiß egal, ob er dafür Ärger bekommen würde, immerhin saß er in einer anderen Dimension fest.
„In deine Rüstung ist Glas eingearbeitet? Ist das nicht etwas zu zerbrechlich?" fragte Keno neugierig und betastete das kaputte Visier vorsichtig. Der Titan nahm es ihm aus der Hand und entgegnete dem Jungen, während er es in den Beutel schob: „Es ist verstärktes Glas." „Oh, mit Magie?" „So ähnlich. Aber genug davon. Leg deine Arme um meinen Hals." John ging in die Knie um den Jungen auf seinen Rücken klettern zu lassen. Nach einigem hin und her hing Keno schließlich auf seinem Rücken. Vorsichtig warf er die zurechtgeschnittene Decke über den Drachenreiter, fädelte dessen Beine durch die Laschen und band sich das improvisierte Tragegeschirr um die Hüfte herum fest und schob seine eigenen Arme durch die Löcher am oberen Ende. Er vergewisserte sich, dass Kenos verletztes Bein auch genug Platz hatte, um nicht gegen den Atlas zu schlagen, während er lief und wollte dann wissen: „Alles in Ordnung? Nicht zu fest?" „Nein, es passt alles." entgegnete der Junge.
John stand auf und blickte über seine Schulter, um nach Keno zu sehen, da er dessen Gewicht auf seinem Rücken kaum spürte. Er bemerkte das das Gesicht des Jungen etwas blass wurde, als er nach unten sah. „Du bist ganz schön groß." merkte der Drachenreiter an und John lächelte. Der Titan machte ein paar Schritte vor und zurück um alles noch einmal zu überprüfen, dann drehte er sich zu Feyth um, die inzwischen aufgestanden war und die beiden aufmerksam beobachtet hatte. *Können wir?* fragte sie fröhlich und der Soldat nickte. *Na dann, auf geht's!*
Während sie also nebeneinander hergingen, wobei Feyth für jeden Schritt von John zwei eigene machen musste, musterte er das Drachenmädchen eindringlich. Es stimmte, was sie ihm letzte Nacht erzählt hatte. Ihre Schulter war nicht viel höher als seine Hüfte, obwohl sie schon zwei Jahre alt war. Soweit er sich erinnerte war Saphira im Buch in diesem Alter schon weitaus größer gewesen als ein Haus. Er wollte sie jedoch nicht darauf ansprechen, da der Schmerz von ihrer Mutter deshalb verstoßen worden zu sein, noch zu tief saß, auch wenn sie es nach außen hin nicht zeigte. John ballte seine Hand zur Faust, als er daran dachte, zwang sich allerdings ruhig zu bleiben.
Stattdessen fragte er sie nach einer anderen Sache, die ihm aufgefallen war: „Sag mal Feyth, sind Drachen keine Jäger die sich von Fleisch ernähren, oder war dein Beerenfrühstück einfach nur eine Ausnahme?" Das Drachenmädchen schnaubte belustigt und meinte: *Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich kein gewöhnlicher Drache bin.* „Dann bist du also ein Vegetarier?" *Ein was?* „Jemand der sich nur von Pflanzen ernährt." *Ja. Mein Magen verträgt es irgendwie nicht, wenn ich Fleisch fresse, davon wird mir jedes Mal spei übel.* „Das ist in der Tat ungewöhnlich. Geht es dir dabei auch gut? Ich meine, fehlt dir dadurch nicht ein wichtiger Teil deiner Nahrung?" *Nun, bis jetzt fühle ich mich sehr gesund.* „Faszinierend." murmelte John.
„Also Shad frisst ausschließlich Fleisch, bis auf wenige Ausnahmen." merkte Keno an und bestärkte den Soldaten nur noch in seinen Überlegungen. 'Was genau hat es mit dir auf sich?' fragte er sich, während ihr zu sah, wie sie, immer wieder kleine Sprünge machend, vor ihm herlief.
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[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die Drachenreiter
FanfictionDer Soldat John Miller findet sich nach einem schrecklichem Unfall an den Ufern eines ihm unbekannten Landes wieder. Schon sehr bald wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr in seiner eigenen Welt befindet. So also macht er sich auf den Weg, die Dr...