Die nächste halbe Stunde nach ihrer Begegnung mit Lord Balvek verging relativ schweigsam, während sich die Sonne langsam aber sicher dem Horizont näherte. Die heraufziehende Dunkelheit machte John jedoch keine großen Sorgen. Vielmehr dachte er über die Dinge nach, welche Galvron und Balvek, Alanna an den Kopf geworfen hatten.
'Die Drachenlose. Also ist ihr Drache wohl irgendwann gestorben, darauf hätte ich schon lange selbst kommen können. Ich mein, was habe ich erwartet? Das ihr Drache sie für mehrere Wochen allein lässt, vor allem wenn sie in Gefangenschaft gerät? Manchmal hat mein Verstand echt Aussetzer. Die Frage ist nur, weshalb nutzen diese Bastarde das als eine Art Hohntitel? Das ist weit unter der Gürtellinie. Alanna schien ja kurz vor einem Weinkrampf zu stehen, wenn ich nicht eingeschritten wäre. Ist die Verbindung zwischen Drache und Reiter etwa doch tiefergehend als ich angenommen hab?' überlegte er angestrengt und musste zwangsläufig an Keno und Shad denken.
Wenn das stimmte, hatte er die Gesamtsituation vollkommen unterschätzt.
Um Gewissheit zu bekommen entschied er sich schließlich dazu die Elfe danach zu Fragen. „Entschuldigt, dass ich dieses Thema noch einmal anspreche, Alanna, doch ich denke immer noch darüber nach, was für eine grauenvolle Beleidigung euch diese Bastarde an den Kopf geworfen haben. Ich werde diesen Titel nicht wiederholen, aber ich hätte da eine Frage, die leider nur ihr oder Keno beantworten könnt." meinte er in respektvollem Ton.
Sofort verwandelte sich das glückliche Schmunzeln auf Alannas Gesicht in einen Ausdruck tiefer Traurigkeit.
„Verzeiht, ich wollte nicht – " versuchte der Titan augenblicklich seinen Fehltritt abzufedern und war erstaunt, als die Elfe ihn mit trauriger, aber dennoch fester Stimme unterbrach. „Es ist in Ordnung, John-Vodhr, ihr braucht euch nicht zu entschuldigen. Ich habe über die Jahre gelernt mit meinem Schmerz umzugehen, auch wenn ich nicht umhin komme jedes Mal einen eisigen Stich im Herz zu verspüren. Stellt eure Frage." Dabei legte sie die linke Hand auf ihre Brust. Genau die Stelle, von der er wusste, dass dort der hellgelbe Edelstein verborgen lag. Unsicher erwiderte er: „Seid ihr sicher?" „Nur zu."
Der Soldat mahlte kurz mit seinen Zähnen, bevor er zögerlich fragte: „Die Verbindung zwischen Drache und Reiter, wie genau kann ich sie mir vorstellen?" Es gefiel ihm nicht jemanden dazu zu zwingen über etwas zu reden, das denjenigen innerlich schmerzte. Schließlich kannte er selbst dieses Gefühl nur zu gut. Deshalb verwunderte es ihn auch nicht, dass Alanna einige Augenblicke brauchte, um zu antworten. Und doch klang sie gefasster, als er erwartet hatte. „Die Verbindung zwischen Drache und Reiter ist etwas Einzigartiges. Es ist – schwer zu beschreiben." begann sie zu erklären. „Zwei Geister verschmelzen praktisch zu einem, werden unzertrennlich. Man versteht einander, ohne zu sprechen, spürt, was der andere fühlt. Es ist die engste Verbindung, die zwei Lebewesen miteinander überhaupt eingehen können. Ein unbeschreiblich, wunderbares Gefühl." Ein schmales Lächeln stahl sich zurück auf ihre Lippen und sie schloss für einen kurzen Moment die Augen, die Hand immer noch auf den versteckten Edelstein gedrückt haltend.
Johns Magen verkrampfte sich leicht und er wandte den Blick beschämt von der Drachenreiterin ab. Alanna hatte offenbar ein ähnliches Schicksal wie er selbst erlitten. Wenn nicht sogar ein Schlimmeres, falls er ihre Erklärung richtig verstand. „Es tut mir leid euch an den Verlust eures Partners erinnert zu haben. Ich hatte nicht gedacht, dass eine derart innige Verbindung zwischen Drache und Reiter besteht." entschuldigte er sich mit Kloß im Hals, während alte Erinnerungen an Sam und Melissa in seinem Kopf nach oben drängten. Er ließ sich davon jedoch nicht überwältigen, sondern folgte Angelas Rat.
'Ihr seid für alle Zeit in meinen Erinnerungen, aber ich habe eine neue Aufgabe. Ich muss jetzt auf Feyth aufpassen und ihr beide helft mir dabei, nicht wahr, Samantha, Melissa?' dachte John, schob die schlimmen Bilder beiseite und ließ nur die fröhlichen Erinnerungen, mit einer grinsenden Samantha und einer lächelnden Melissa durch seine Gedanken fegen. Sekundenbruchteile später schob sich Feyths Bewusstsein vorsichtig in sein eigenes und durchströmte ihn mit ihrem Glücksgefühl. Sie sagte nichts, sondern stand ihm einfach nur stumm bei. 'Danke, Kleine.' schickte er ihr dankbar zu und erhielt als Antwort ein liebevolles Schnurren, das durch seinen ganzen Kopf dröhnte .
Auch die Elfe erwiderte mit sanfter Stimme: „Ihr seid die letzte Person, die sich bei mir für solch eine Frage entschuldigen muss, John-Vodhr, insbesondere, da ich nicht so alleine bin, wie Balvek und Galvron glauben." Skeptisch wandte der Titan seinen Blick wieder Alanna zu. Diese tätschelte sich, immer noch lächelnd, sanft auf die versteckte Brusttasche. Während er darüber nachdachte, was die Drachenreiterin meinen könnte, wurde sein Gesichtsausdruck leer und die Haltung steifer.
Danach begannen seine grauen Zellen wie eine gut geölte Maschine zu arbeiten.
'Sie besitzt einen hellgelben Edelstein von der Größe ihrer Faust in dieser Tasche und ihr Drache ist tot. Lyath sagte, sie könne in einem Kristall überdauern, falls ihr Körper versagt. Alannas Edelstein besitzt Ähnlichkeiten mit einem geschliffenen Diamanten und sie hat eindeutig mit ihm geredet. Auf Grund dessen ist anzunehmen, dass ihr Drache diesen Schritt gegangen ist. Faszinierend.' kombinierte er blitzschnell und entgegnete der Elfe tonlos: „Ich verstehe. Ich dachte mir bereits, dass der Edelstein in eurer Tasche etwas Besonderes ist, so wie ihr ihn vor einigen Tagen im Gebirge behandelt habt." Alannas Augen weiteten sich schockiert. „Woher – wisst ihr –?" stammelte sie überrumpelt und ballte die Hand über der Tasche zur Faust. „Kaum jemand weiß davon, selbst unter den Mitgliedern des Ordens ist es nur wenigen bekannt. Und ich bin mir sicher, dass niemand von ihnen euch davon erzählt hat, John-Vodhr, nicht einmal Angela."
Teilnahmslos zuckte der Soldat mit den Schultern. „Nein, ihr könnt beruhigt sein, es hat mir niemand davon erzählt. Ich habe nur verschiedene Tatsachen miteinander verknüpft. Es ist die einzig logische Schlussfolgerung gewesen." *Wovon redest du John?* fragte Feyth verwirrt dazwischen. Scheinbar hatte sie noch nicht allzu viel mitbekommen. Er wollte ihr gerade antworten, als die Elfe sich um Fassung ringend an die Stirn langte, ihn dann anblickte und mit leiser, aber ernster Stimme sagte: „Bitte senkt eure Stimme etwas, John-Vodhr. Ich möchte nicht, dass der junge Keno dieses Geheimnis erfährt." „Natürlich. Was ist mit Feyth? Darf ich ihr erlauben mit mir in Verbindung zu bleiben?" erwiderte der Titan ruhig, woraufhin Alanna leicht nickte. „Ja. Sie würde es ohnehin irgendwann mitbekommen, während sie in eurem Geist ist. Danke, John-Vodhr." „Damit habt ihr sehr wahrscheinlich recht." meinte John und teilte dem kleinen Drachenmädchen mit: 'Bleibe einfach mit mir in Verbindung, dann wirst du erfahren, wovon ich sprach. Aber bitte unterbreche uns nicht.' *Okay, ich werde mucksmäuschenstill bleiben.* versprach ihm Feyth, wobei er deutlich ihre Neugier heraushören konnte.
Mit der Antwort zufrieden richtete er seine Aufmerksamkeit erneut auf die Drachenreiterin, welche sich inzwischen mehr oder minder gefangen hatte und ihn eindringlich musterte. „Den anderen, unwissenden Drachenreitern fiel über die etlichen Jahrzehnte, die ich mit ihnen verbrachte, nichts auf, doch ihr durchschaut schon nach wenigen Tagen eines meiner größten Geheimnisse. Euer Verstand muss schärfer sein, als die Klinge eines Reiterschwerts, aber das allein würde nicht ausreichen, um zu eurer Schlussfolgerung zu kommen. Sagt, wer hat euch von den Seelenhorten der Drachen erzählt?" sagte sie schließlich. Der Colonel legte den Kopf etwas schräg. „Seelenhorte? Ein interessanter Name. Um eure Frage zu beantworten: Niemand hat mir direkt davon erzählt. Lyath erwähnte in einem unserer Gespräche nur kurz, dass es für sie möglich wäre, den Tod ihres Körpers in einem Kristallgefängnis zu überdauern. Damals wusste ich jedoch nicht, wovon sie sprach und ob es nur auf sie persönlich bezogen war."
„Lyath? Ich – verstehe. Es tut mir so unglaublich leid, was ich getan habe und selbst die Tatsache, dass ich dazu gezwungen wurde, ändert nichts an meiner Schuld. Ich hoffe, sie kann mir jemals verzeihen." „Falls ihr die Wahrheit sprecht und eine angemessene Strafe für eure Verbrechen verbüßt, denke ich, dass dem nichts im Wege steht. Lyath ist eine äußerst gutmütige und kluge Person, sie wird es verstehen. Der Grund für dieses Gespräch ist allerdings ein anderer, lenkt nicht davon ab." „Ihr habt recht, verzeiht." entgegnete Alanna kleinlaut und fuhr nach einer kurzen Pause fort: „So also seid ihr drauf gekommen. Ihr müsst mich vor einigen Nächten beobachtet haben, während ich dachte ihre würdet schlafen, nicht wahr, John-Vodhr?" „Dies ist korrekt. Der eigentliche Ausgangspunkt für meine Überlegung war jedoch euer Kommentar, dass ihr nicht so alleine wärt, wie die anderen glauben." bestätigte John und nickte ernst. „Das bedeutet, ihr habt bis gerade eben nicht einmal daran gedacht, dass ich den Seelenhort meines Drachen bei mir trage? Unmöglich!" meinte die Elfe und hob skeptisch eine Augenbraue. Nüchtern antwortete der Titan: „Ihr seid nicht die einzige Person, die Geheimnisse hat, Alanna. Mehr braucht ihr zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu wissen."
Er konnte in ihrem Blick sehen, wie sie mit sich selbst rang, weitere Fragen zu stellen. Schlussendlich schüttelte sie nur leicht den Kopf und erwiderte: „Wie ihr meint." „Gut. Könntet ihr mir dann sagen, weshalb Feyth oder Keno es noch nicht aufgefallen ist, dass ihr den Seelenhort eures Drachens mit euch führt?" Alanna räusperte sich kurz, bevor sie darauf einging. „Der Name meines Drachens ist Nirlath und die beiden Jünglinge können ihren Seelenhort nicht spüren, da er durch einen mächtigen Zauber verborgen liegt, der nur von einem absoluten Meister der magischen Künste aufgespürt werden kann. Und selbst diesem würde es noch schwer genug fallen." „Euer Drache ist also weiblich?" fragte er kühl und sie nickte. „Ja." „Weshalb spricht sie nicht mit uns? Liegt das auch an dieser Magie?" „Viele Zauber besitzen neben ihren Vorteilen auch Nachteile. Ja, die Abschirmung geht leider in beide Richtungen. Sie wird von niemandem entdeckt, doch dafür kann auch ich sie ihre geistigen Fühler nicht aussenden." antwortet die Elfe seufzend.
„Ich verstehe. Praktisch eine unsichtbare Mauer um sie herum, recht raffiniert." merkte der Titan an und wollte dann wissen: „Diese Abschirmung, erhaltet ihr sie selbst mit eurer eigenen Kraft aufrecht?" „Ja. Es kostet mich ziemlich viel Energie, diese Magie aufrecht zu erhalten, aber nur so kann ich sicher gehen, dass alles stimmt." erklärte sie ernst. 'Das erklärt natürlich, weshalb sie im Kampf gegen die Fanghur und beim Lauf durch die Wüste so schnell außer Atem kam.' analysierte der Soldat und wurde misstrauisch, als ihm ein weiterer Gedanke kam. „Wie kommt es, dass ihr trotz des Magieblockers, den Zauber aufrecht erhalten könnt?" erkundigte er sich mit kühler Stimme. Beruhigend hob Alanna die rechte Hand. „Weil ich ihn dafür ausgelegt habe, John-Vodhr. Keine Angst, Angela hat euch nicht betrogen, die Droge funktioniert genau so, wie sie sollte. Falls ihr mir nicht glaubt, könnt ihr Feyth darum bitten es zu überprüfen, indem sie versucht mit mir zu sprechen."
Das ließ sich der Titan nicht zweimal sagen.
'Feyth, würdest du das bitte überprüfen? Ich will auf Nummer Sicher gehen.' Das Drachenmädchen, das ihrer Unterhaltung bisher stumm verfolgt hatte knurrte zustimmend in seinem Geist und erwiderte einige Augenblicke später: *Ich kann nicht zu ihr durchdringen. Irgendein dichter Nebel versperrt mir den Zugang, genauso wie damals bei Keno, kurz nachdem du ihn aus dem Karren befreit hast.* 'Ich verstehe, danke.' meinte John und wollte sich wieder Alanna zuwenden, als Feyth mit ernster Stimme noch etwas hinzufügte.
*John?*
'Ja?'
*Ich weiß, Alanna hat böse Dinge getan, aber ich glaube kaum, dass sie von sich aus böse ist, sonst hätte Vater sie nicht so einfach ziehen lassen, als er Alanna gesehen hat. Seit sie uns begleitet, hat sie nur geholfen und war sehr freundlich, sie erzählt dir sogar gerade freiwillig ihr größtes Geheimnis! Ich denke, wir sollten anfangen ihr zu vertrauen, genauso wie es Meister Eragon tut oder du könntest zumindest etwas freundlicher mit ihr reden. Von ihr geht keine Gefahr für uns aus und doch klingst du so, als würde sie unseren Tod vorausplanen!*
Ihre Worte waren wie Stiche in sein Herz und er verzog vor Schmerzen das Gesicht.
Er besaß keine Gefühle! Und doch brannte sich jede einzelne ihrer vorwurfsvollen Silben wie ein glühender Nagel durch sein Inneres.
Das was sie sagte ergab Sinn.
*John? Alles in Ordnung? Ich – ich meinte es nicht böse.* fragte das Drachenmädchen verunsichert.
Er antwortete nicht, sondern tat etwas, dass er seit der Aufspaltung seiner Persönlichkeit nicht getan hatte.
Er zog sich aus freien Stücken zurück.
Sofort veränderte sich wieder die Haltung des Soldaten und die Steifheit wich aus seinen Gliedern. Freundlich entgegnete er Feyth: 'Alles okay, Kleine. Ich denke du hast recht.' *Wirklich? Ich meine: Großartig!* erwiderte sie zunächst skeptisch und dann doch fröhlich. John lächelte zufrieden und wandte sich wieder Alanna zu, die ihn ihrerseits fragend ansah. „Und? Was sagt Feyth?" „Das ihr die Wahrheit sagt. Doch es würde ohnehin keinen Unterschied machen. Selbst wenn ihr gerade fähig wärt Magie zu wirken, hättet ihr es schon längst getan, wenn ihr uns Böses wolltet." meinte der Titan, woraufhin die Elfe zustimmend nickte. „Ich würde euch nie etwas antun wollen, John-Vodhr, aber es ist besser, wenn ihr mir jeden Tag dieses Mittel verabreicht, für den Fall, dass der Bann mich dazu zwingt. Ich hoffe nur, dass wir bald in der Feste ankommen, ich vermisse die allzeitige Gegenwart meines Seelenpartners."
„Macht euch keine Sorgen. Jetzt da ihr mich darüber aufgeklärt habt, wie eng die Verbindung zwischen Drache und Reiter wirklich ist, habe ich meinen Plan komplett überarbeitet. Wir müssen Shad unbedingt befreien, bevor Keno die tatsächliche Erkenntnis seines Verlusts trifft. Ich befürchte nämlich, dass seine Schockphase jederzeit vorbei sein kann und dann wird der Junge innerlich zusammenbrechen." erklärte er und amtete schwer ein und aus. „Daher werde ich Dun'var nicht meiden, sondern so auffällig wie möglich laufen. Er sollte groß genug sein uns alle nach Drakenfort fliegen zu können. Dadurch sparen wir unglaublich viel Zeit ein. Denkt ihr, er würde das tun?" Alanna sah ihn leicht überrascht an. „Uns dorthin fliegen? Ich denke schon. Nach seinem eigenen Ehrenkodex steht er in eurer Schuld, von dem her dürfte er euch diesen Wunsch eigentlich nicht abschlagen. Vor allem, da er uns ohnehin begleiten will." „Ausgezeichnet. Habt ihr eine Ahnung wie lange er brauchen wird, um uns einzuholen?"
„Nun, das hängt davon ab, wohin er davor noch wollte. Falls er nur zu seinem Unterschlupf fliegt, könnte er uns theoretisch schon im Morgengrauen eingeholt haben." erklärte die Elfe zuversichtlich.
„Sehr gut – argh!" entgegnete der Colonel und knurrte, als seine gesamte Beinmuskulatur zu brennen begann.
'Fuck! Ich habe es übertrieben. Die Naniten kommen mit dem Abtransport der Milchsäure nicht hinterher.' dachte er mit zusammengebissenen Zähnen und verringerte seine Geschwindigkeit enorm, um keinen Krampf zu bekommen.
„John? Alles in Ordnung" rief Keno vom Rucksack aus, während Feyth ein lautes Winseln in seinem Geist ausstieß, als sie die brennenden Schmerzen spürte. Auch Alanna sah ihn besorgt an. „John-Vodhr?" „Schon gut, ich habe lediglich meine Muskeln etwas übersäuert." erwiderte er laut und blickte in den Himmel, wo gerade die letzten Sonnenstrahlen verschwanden. „Okay, wir werden dort vorne am Wäldchen eine kleine Rast einlegen." beschloss er und nickte nach vorn, wo in etwa hundert Metern Entfernung ein kleines Buchenwäldchen am Wegesrand wuchs. „Einverstanden, lasst mich bitte herunter, John-Vodhr. Ihr lauft ohnehin nur mit normaler Schrittgeschwindigkeit." stimmte die Drachenreiterin zu und der Titan willigte ein. „Natürlich."
Behutsam setzte er sie neben sich ab.
Die Elfe lächelte dankbar und schritt neben dem Soldaten her, der bei jedem Schritt mit den Zähnen knirschte. Feyth versuchte seine Schmerzen etwas zu lindern, indem sie sie mit ihm teilte und liebevoll flüsterte: *Was machst du auch für Sachen.*Das sorgte zumindest für ein leichtes Schmunzeln auf seinem verzerrten Gesicht.
Zum Glück benötigten sie nicht lange, bis sie am Wäldchen ankamen, wo John den Rucksack abnahm, Keno aus dem Sitz befreite und dem kleinen Drachenmädchen zärtlich das Kinn graulte, als es auf seiner Schulter landete. Danach entgrünte er, mit Hilfe seines Messers, einen großen Kreis auf dem Boden, in dessen Mitte er wie schon zuvor in der Wüste Lagerfeuerholz schichtete. Während Keno mit Magie das Feuer entfachte, holte der Titan einen kleinen umgestürzten Baumstamm aus dem Hain und legte ihn neben das Feuer, sodass der Junge zusammen mit Alanna darauf platznehmen konnte. Er selbst angelte sich den Sack Kartoffeln aus dem Ranzen und setzte sich, die Beine links und rechts neben der Feuerstelle ausgestreckt, hin. Feyth legte sich neben ihn, wobei sie ihren Kopf mit geschlossenen Augen in seinem Schoß platzierte. Erleichtert atmete der Soldat auf, als die Schmerzen in seinen Muskeln zu schwinden begannen.
„Ich werde erst einmal geschwind austreten gehen." verkündete der junge Drachenreiter, nachdem die Elfe sich auf der John zugewandten Seite des Baumstamms niedergelassen hatte. „Ist gut, aber pass auf, dass du nichts verschreckst. So ein Wäldchen ist der perfekte Rückzugsort für allerhand Tiere." bemerkte der Colonel noch, dann war Keno bereits zwischen den Bäumen verschwunden.
„Scheinbar ist der Drang der Natur größer, als seine Angst von einem wilden Dachs angefallen zu werden." scherzte Alanna gutmütig und sah ihrem ehemaligen Schüler belustigt hinterher. Währenddessen hatte John seine Hände kurz in den züngelnden Flammen des Lagerfeuers sterilisiert und stelle nun seinen Helm mit der Öffnung nach oben vor sich hin. „Oh, er wird es schon merken, was ihm wichtiger ist." gluckste er und glaubte einige Kartoffeln aus dem Sack, die er dann mitsamt Schale in seine Kopfbedeckung fallen ließ.
Das Geräusch brachte Feyth dazu eines ihrer Augen zu öffnen.
*Hast du etwa vor Kartoffeln in deinem Helm zu braten?* fragte sie verwundert, woraufhin der Titan in sich hineinlachte und erwiderte: „Nicht braten, kochen." Der kleine Drache rümpfte die Nase. *Ich habe einmal Kohleintopf gegessen, als ich mit Vater zu Besuch bei den Drachenreitern war. Seither meide ich gekochte Dinge.* „Ach hab dich nicht so. Gegen ein paar Salzkartoffeln ist doch nichts einzuwenden." meinte er grinsend, nahm den Wassertank von seinem Rücken und kippte die isotonische Lösung in den Helm, bis alle Kartoffeln bedeckt waren. Danach ordnete er die brennenden Holzlatten so an, dass er den improvisierten Topf in die Flammen stellen konnte. „Jetzt heißt es warten." sagte der Titan und trank einen großen Schluck aus dem Tank, bevor er ihn an Alanna weiterreichte, die den Soldaten und den kleinen Drachen schmunzelnd beobachtete. Sie nahm ihn dankend entgegen und nippte mehrmals, bevor sie ihn zurückgab.
Irgendwo in den Bäumen über ihnen schuhute eine Eule.
Es vergingen einige Augenblicke, in denen nur das Knistern des Feuers und das gelegentliche Knarzen der alten Buchen die Stille durchbrachen.
Schließlich räusperte sich John, nachdem er noch einmal an Feyths Worte gedacht hatte. „Wenn Meister Eragon den Bann von euch genommen hat, würde ich euren Drachen gerne einmal kennenlernen. Nirlath war ihr Name, richtig?" Die Elfe nickte. „Sie ist auch schon sehr darauf gespannt mit euch zu sprechen, John-Vodhr. Ich könnte euch ihren Eldunari zwar übergeben, damit ihr miteinander reden könnt, doch es ist besser, wenn ich dabei sein kann, um sie zu bremsen. Nirlath kann manchmal etwas – stürmisch sein." 'Ah, daher kam mir das Wort damals so bekannt vor.' dachte der Colonel, als er sich an das Gespräch mit Keno, nach Larvas Fund, erinnerte. „Das dürfte dann in der Tat besser sein." stimmte er zu und musterte fasziniert das Lagerfeuer vor ihm, dessen Flammen durch seine unterschiedlichen Augen in allen möglichen Rot-Tönen dahin tänzelten.
„John-Vodhr, ich weiß es mag vielleicht respektlos in euren Augen erscheinen, doch mir drängte sich seit damals im Gebirge die Frage auf, ob ihr außer der kleinen Samantha noch weitere Familie habt?" fragte Alanna dann mit höflicher Stimme und warf dem großen Krieger einen mitleidigen Blick zu. Dieser begann unwillkürlich damit Feyths Kopf zu streicheln und starrte weiterhin ins Feuer. Es dauerte einige Momente, bis er ruhig antwortete: „Ja und nein."
Er atmete tief durch und fuhr fort: „Meine Frau und meine Tochter starben in einem Krieg, als unser Feind einen Vergeltungsschlag ausführte. Danach war ich am Boden zerstört und wurde zu dem, was ich heute bin. Jedoch, einige Jahre später, rettete ich mehrere junge Kinder aus den Händen einer Sklavenschieberbande. 19 um genau zu sein und keines von ihnen älter als vier Jahre. Sie klammerten sich an mich, hielten meine Hände, schluchzten und heulten. Sie erinnerten mich an meine kleine Tochter, als sie damals weinend, mitten in der Nacht ans Bett gelaufen kam und ich sie stundenlang im Arm hielt. So also fasste ich einen Entschluss. An diesem Tag wurde ich um 19 Söhne und Töchter reicher."
Er schloss für einen Moment die Augen und lächelte zufrieden, bis Feyth ihm liebevoll über die Wange schleckte. Ihre smaragdgrünen Drachenaugen strahlten ihn förmlich an und er drückte ihre Schnauze zärtlich an seinen Hals.
Keno, der mitten in der Erzählung zu ihnen gestoßen war, saß einfach nur stillschweigend neben Alanna und starrte gedankenverloren ins Feuer. Die Elfe hingegen lächelte ebenfalls und meinte: „Eine einerseits traurige und doch glückliche Geschichte, John-Vodhr. Sagt, was wurde aus euren Kindern?"
Der Soldat gluckste verstohlen. „Sie sind in meine Fußstapfen getreten, auch wenn ich versucht habe sie davon abzubringen. Ich, bin Titan 06, sie, sind die anderen 19." „Eine starke Familie." erwiderte sie den Kopf neigend und Feyth fragte neugierig: *Sind die auch alle so groß und stark wie du?* „Einige sogar noch größer und stärker." entgegnete er und musste an Robert denken, der seine Geschwister alle um mindestens zehn Zentimeter überragte.
*Ich würde sie gerne alle kennenlernen.* flüsterte das Drachenmädchen beeindruckt. John schmunzelte amüsiert. „Oh, du hättest bestimmt deinen Spaß mit Shenmi, sie liebt kleine Drachen. Leider ist es praktisch unmöglich, dass sie hierherkommen." *Sag niemals nie!* konterte sie und begann zu schnurren, als er ihre Ohren kraulte.
„Sag niemals nie." wiederholte er leise und lächelte kopfschüttelnd. 'Ah, ich wäre gerne dabei gewesen, wenn Micheals Kind geboren wird. Er wird bestimmt ein guter Vater.' dachte der Colonel, während er an Feyth vorbeigriff, um mit dem am Gras sauber gewischten Messer im Helm zu rühren.
„Genug jetzt aber von diesen alten Geschichten, sonst verkochen uns noch die Kartoffeln!"
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[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die Drachenreiter
FanfictionDer Soldat John Miller findet sich nach einem schrecklichem Unfall an den Ufern eines ihm unbekannten Landes wieder. Schon sehr bald wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr in seiner eigenen Welt befindet. So also macht er sich auf den Weg, die Dr...