„Ei ei ei ei ei. Da musstet ihr doch schon einiges mitmachen, wehrte Mimiath. Ich zähle weit über zwei Dutzend Pfeilwunden auf eurem Rücken und euren Flanken. Und dabei habe ich die Schusslöcher in euren Flügeln noch gar nicht dazugezählt." meinte Kevin kopfschüttelnd, während er Trestols Platzwunde vorsichtig mit destilliertem Wasser auswusch.
Micheal knirschte leise mit den Zähnen, als er ebenfalls einen genaueren Blick auf die Wunden warf. Mimiaths tiefrotes Blut stach auf den schneeweißen Schuppen so stark hervor, wie ein Haufen Kohle in einer Winterlandschaft. Ein paar solcher Pfeilwunden hätten einem Drachen ihrer Größe wohl kaum etwas ausgemacht, doch gut und gerne 30 Stück? Zusammen mit ihren durchlöcherten Flügelhäuten hatte sie dadurch eine recht stattliche Menge Blut verloren. Was jedoch sogar noch stärker an ihr nagte, war die bloße Erschöpfung durch die rasante Flucht. Sie atmete nach wie vor schwer und hatte dem Admiral bislang noch nicht geantwortet, von einem kurzen, zustimmenden Schnauben mal abgesehen.
Er wollte gerade Pestoun seine Vermutung mitteilen, aber dieser war ihm schon einen Schritt voraus. Vorsichtig legte er den Reiter neben sich ins Gras, wobei er den Kopf auf ein weißes, steriles Tuch bettete und trat nach vorne zum Haupt der weißen Drachendame, wo auch Micheal in der Hocke saß. „Hier. Zerkaut diese so gut ihr könnt und verschluckt sie anschließend. Das wird euch wieder etwas Kraft schenken. Ich denke zehn sollten bei eurer Größe ausreichen." erklärte der Sanitäter ruhig, griff in eine der Taschen an seinem Gürtel und beförderte ein halbes Dutzend getrockneter Früchte zu Tage. Sie hatten eine satte, dunkelblaue Färbung und waren ungefähr so groß wie Erdbeeren. Ein starker, süßlich-fruchtiger Geruch breitete sich sofort in Forkes Nase aus.
Er kannte diese Früchte nur zu gut.
Sie wuchsen zwischen den grashalmartigen Haaren von Kevin!
Insofern dieser sich dazu entschied diese Beeren wachsen zu lassen, was oft nur einmal im Jahr oder sogar noch seltener vorkam. Das besondere an ihnen war jedoch nicht der Geschmack, welcher einer Mischung aus Datteln, Himbeeren und Pflaumen glich, sondern ihre Inhaltsstoffe. Und die hatten es in sich. Jede einzelne dieser relativ kleinen Beeren wies weit über 2.000 Kilokalorien auf und war nur so überfüllt mit Vitaminen und Mineralstoffen. Ausreichend, um den Tagesbedarf eines erwachsenen Mannes zu decken. Eine Tatsache, die Alina schon, mit mehreren Testreihen an freiwilligen Probanden, wissenschaftlich bewiesen hatte. Dafür musste Pestoun jedoch auch dementsprechend Nahrung und Sonnenlicht zu sich nehmen, während die Beeren an seinen Haaren reiften, was gut und gern zwei Monate dauern konnte. Deswegen nutzte Kevin seine eigenen Früchte nur, wenn er die Situation als ernst genug einschätzte, oder aber er die Person, der er sie anbot, einfach nur gut leiden konnte. Hier war es wohl ein bisschen von beidem.
Mimiath beschnüffelte seine Hand kurz skeptisch, öffnete dann jedoch bereitwillig das Maul, wodurch sie ihre messerscharfen Zähne entblößte und mit einem freundlichen Lächeln ließ der Titan seine kleinen Schätze hineinkullern. Ein winziger Teil von Micheals Unterbewusstsein beneidete sie darum, da er selbst den Geschmack der Beeren liebte, aber er verdrängte den Gedanken weit in den Hintergrund und sah stattdessen neugierig zu, wie das Drachenweibchen zumindest versuchte, die kleinen Früchte mit ihren gewaltigen Zähnen zu zerteilen. Anschließend schluckte sie laut hörbar und schleckte sich über die Lippen, worauf ein dankbares Brummen folgte.
*Was sind das für Beeren, Kevin? Sie riechen überaus köstlich, was wohl einiges bedeutet, wenn man bedenkt, dass ich Pflanzen größtenteils verschmähe.* wollte Tymdek wissen, der einige Meter neben Mimiath saß und die ganze Sache mit Argusaugen beobachtete. Der Sanitäter lächelte verschmitzt und erwiderte mit seiner typisch langsamen Art: „Die sind etwas ganz besonderes, Dunkelschwinge und mein kleines Geheimnis. Aber ihr könnt ruhig eine probieren, falls ihr wollt. Noch habe ich genug auf Vorrat." *Später vielleicht. Jetzt sollten wir uns erst einmal um ihre Verletzungen kümmern.* lehnte der schwarze Riese ab und stieß ein leises Knurren aus, während er Mimiaths geschundenen Körper ein weiteres Mal betrachtet. „Tymdek hat recht. Eine Verkostung könnt ihr später auch noch machen. Konzentriere dich lieber auf deine beiden Patienten! " stimmte Shenmi energisch zu. Sie stand direkt neben Julia, die inzwischen neben Trestol in die Hocke gegangen war.
Entschuldigend hob Kevin die Arme.
„Ganz ruhig, Mimiaths Verletzungen sind vielleicht schmerzhaft, aber nicht lebensbedrohlich. Und ihr Reiter braucht nur einen kleinen Verband und eventuell ein Aufputschmittel, um wieder zu Sinnen zu kommen." erklärte er völlig relaxt und holte aus seiner kleinen Notfalltasche das Verbandszeug heraus. „Er hat recht Shenmi, die Verletzungen sind nur halb so wild. Vielmehr würde mich interessieren, wie der Reiter zu seiner Platzwunde kommt. Die Ra'zac haben sie ja mit Pfeilen beschossen, da ist eine Platzwunde wohl das letzte, was ich erwarten würde." stimmte Stearn ihrem Bruder zu und musterte die saubergewischte Wunde an Trestols Schläfe mit ihren Adleraugen. „Mag sein, aber in den letzten Tagen ist so viel passiert, dass ich da kein Risiko eingehen will." verteidigte sich Yang mit verschränkten Armen.
„Hhm, ein Pfeil hat ihn wohl nicht erwischt, aber trotzdem irgendetwas aus Holz. Er hat noch einige kleine Splitter Borke im Haar." merkte Julia kurz darauf an, was Micheal aufhorchen ließ. „Borke im Haar? Das klingt dann wohl mehr nach einem Unfall, als nach einem Angriff. Waffen sind für gewöhnlich nicht naturbelassen. Aber genau werden das wohl nur Mimiath oder Trestol selbst wissen. Meint ihr, ihr könntet uns nun von eurer Flucht berichten?" mutmaßte der Admiral und warf Mimiath einen fragenden Blick zu. Zu seiner Überraschung schien Kevins kleine Geheimwaffe wahre Wunder zu wirken, denn die weiße Drachendame richtete sich wieder halbwegs auf und hob ihre Schnauze direkt zu Trestol hinüber, wobei Shenmi und Julia hastig beiseite sprangen, um nicht umgerempelt zu werden. Nur Pestoun blieb ganz ruhig an Ort und Stelle neben dem Reiter knien und zuckte nicht einmal, als ihr riesiges Haupt direkt vor ihm auftauchte. Sie stieß ein trauriges Gurren aus, während sie ihrem Reiter liebevoll über die Wange schleckte.
Erst danach wandte sie ihr himmelblaues Auge Forke zu und meinte mit leicht misstrauischem Ton: *Ihr scheint zu wissen, wer wir sind und ich bin euch über aus dankbar für die Hilfe, doch bevor ich berichte, was uns zugestoßen, würde ich zunächst gerne die Namen unserer Retter erfahren.* Ihre Stimme klang gleichermaßen sanft und doch ernst und war von der Tonlage her deutlich höher, als die von Lyath und zu seiner Überraschung sogar höher als die Ileakris, wenn auch nur eine Nuance. Gleichzeitig gab er sich innerlich selbst eine Ohrfeige, sich nicht gleich vorgestellt zu haben. „Bitte verzeiht, ich vergaß ganz meine Manieren. Ich bin Titan 03, Vizeadmiral Micheal Forke und das hier sind Titan 14, Captain Julia Stearn," begann er sich höflich vorzustellen und deutete dann der Reihe nach auf seine Geschwister, wobei Julia, im Hunter, den Anfang machte und grüßend mit dem Kopf nickte.
„Sehr erfreut." meinte sie knapp, woraufhin Forke mit der Hand auf Shenmi schwenkte und fortfuhr: „Titan 19, Captain Shenmi Yang," Shenmi hob grüßend den Arm und ihre Stimme zitterte leicht, als Mimiath sie direkt ansah. „Ha-hallo." brachte sie nur hervor, bevor der Admiral weitermachte: „Titan 11, Colonel Kevin Pestoun, " Kevin, der gerade dabei war Trestols Platzwunde zu verbinden, sah nur kurz und mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen zur Drachendame hinüber, deren Kopf keine zwei Meter von ihm entfernt war. „Freut mich sehr, wehrte Mimiath." entgegnete er gelassen, was von ihr mit einem wohlwollendem Brummen beantwortet wurde. „Und schließlich wäre da noch Aidan, unser Navigator. Und nein, er ist kein Geist in eurem Sinne, aber das zu erklären würde jetzt zu lange dauern." beendete Micheal die Vorstellungsrunde und Aidan leuchtete kurz grün auf. „Freut mich, sie kennenzulernen, Miss Mimiath." grüßte er höflich und an ihrem Blick konnte Forke eindeutig erkennen, dass Mimiath die KI sehr suspekt fand. Allerdings sagte sie diesbezüglich nichts, sondern neigte nun ebenfalls respektvoll den Kopf.
*Es ist mir eine Freude euch kennenzulernen, Micheal und noch einmal vielen Dank für eure Hilfe. Insbesondere euch, Adlerauge.* erwiderte sie und zwinkerte explizit Julia zu, die beruhigend abwinkte. „Nichts zu danken, Mimiath. Das war doch selbstverständlich." *Das sehe ich anders. Dunkelschwinge hat mir von euren Taten berichtet. Ich kenne viele Zweibeiner, die eher ihre eigene Haut schützen würden, anstatt sich mit Ra'zac und Lethrblaka anzulegen. Schon gleich gar nicht in der Luft! Aber wo ist euer Kamerad? In Tymdeks Erinnerungen konnte ich nur sehen, wie er sich kühn auf einen der Lethrblaka gestützt hat. Ich hoffe doch, ihm ist nichts geschehen?* hielt die schneeweiße Drachendame dagegen und hob kurz den Kopf, um nach Alex Ausschau zu halten.
„Keine Sorge, Alex wird es schon gut gehen. Wir haben schon jemanden losgeschickt, der ihn sucht. Aber für gewöhnlich ist er ohnehin nicht klein zu kriegen." meinte Micheal ruhig und gesellte sich zu seinen beiden Schwestern, die nun in respektvollen Abstand neben Trestol standen, wobei Shenmi deutlich unruhiger war, als Stearn. Forke wusste natürlich warum, schließlich war es kein großes Geheimnis, dass sie vernarrt in Drachen war und er rechnete es ihr hoch an, dass sie sich dermaßen zurückhalten konnte. „Um Alex braucht ihr euch wirklich keine Sorgen zu machen, Mimiath, der hat schon weit schlimmeres überstanden." stimmte Julia zu, was Mike mit einem Nicken noch einmal bekräftigte. Das Drachenweibchen verengte für einen Moment ihr Auge, während sie die drei Titanen eingehend musterte, nur um dann kurz zu zwinkern und eine Art tiefen Seufzer auszustoßen. *Wenn ihr das sagt, werde ich euren Worten vertrauen müssen. Ich würde mich Zeit meines Lebens schämen, falls jemandem durch meine Unachtsamkeit etwas zugestoßen wäre.* bemerkte sie selbstkritisch und richtete den Blick wieder auf Forke, der mittlerweile wieder seine typische Haltung, die Händen im Rücken und gehobene Schultern, angenommen hatte.
„Unachtsamkeit? Ihr wurdet also von dem Angriff überrascht?" fragte er ernst und Mimiath neigte bejahend ihr gewaltiges Haupt. *In der Tat, Micheal. Mein Reiter und ich, waren bereits auf dem Rückweg nach Du Fell Ilumëo, als uns Eragon-Elda von dem blutigen Angriff auf Trestols Heimatdorf berichtete. Es war niederschmetternd, der Schmerz in unser beider Herzen so groß, als hätte man es mit einer glühenden Lanze durchbohrt. Seine gesamte Blutsfamilie tot, verbrannt, erschlagen und zerfetzt von den madenverseuchten Bastarden der Schwarzen Rose! Ich setzte sofort zu einer Landung auf einer kleinen Waldlichtung an, um meinem Seelenbruder wahrhaftig beistehen zu können, um seine Schmerzen zu lindern, die fast sein gesamtes Wesen überfluteten.*begann die schneeweiße Drachendame zu erzählen, doch die Worte schienen ihr wie im Halse stecken zu bleiben, als sie zur Stelle mit Trestols Verlust kam.
Micheal, Shenmi und Julia senkten mitfühlend den Kopf, als Mimiath ein leises trauriges Jaulen anstimmte und Tymdek ein gedämpftes Brummen vernehmen ließ. Selbst Kevin hielt kurz in seiner Bewegung inne und schloss für einen kleinen Moment die Augen. Jeder Titan wusste, was es hieß seine Familie zu verlieren, schließlich waren sie damals allesamt Waisenkinder gewesen, als John sie gerettet hatte. Viele von ihnen waren damals noch zum Glück, zu jung gewesen um zu 100 Prozent zu begreifen, was mit ihnen geschehen war, doch den ältesten unter ihnen, wie unter anderem Jonas oder Mark, spukten diese Erinnerungen bis heute in den Gedanken umher.
Von John ganz zu schweigen.
„Mein herzliches Beileid, Mimiath. Ich weiß, es muss ein ziemlicher Schock für euch beide gewesen sein. Es mag zwar nur ein kleiner Trost sein, im Anbetracht all dieser Zerstörung, aber Trestols Nichte, Misa, hat den Angriff überlebt. Hat euch Schattentöter, das nicht mitgeteilt?" meinte der Admiral ruhig, nachdem das Drachenweibchen sich ihnen wieder zuwandte. Sie neigte abermals den Kopf. *Es war das einzige, das Trestol davon abhielt vollends den Verstand zu verlieren. Der Gedanke daran, Misa wieder in die Arme schließen zu können war für ihn der einzige Lichtschimmer, der ihn über Wasser hielt. So also verbrachten wir die Nach in gemeinsamer Trauer und beschlossen am nächsten Morgen so früh es ging in Richtung Lendol aufzubrechen, da Eragon-Elda meinte, dass wir dort auf eine Gruppe Krieger stoßen würden, die sich 'Titanen' nennen und denen die Rettung der Dorfbewohner und der beiden Küken zu zuschreiben ist. Scheinbar stehen nun auch wir selbst in eurer Schuld, Micheal.* erwiderte sie und stieß kurz ein schmerzerfülltes Knurren aus, als ein schwaches Zittern ihren Rücken erfasste.
Forke hob abwehrend die Hand und schüttelte sanft den Kopf, während er entgegnete: „Ihr steht in keiner Schuld, Mimiath. Es ist doch nur selbstverständlich, dass wir zu eurer Hilfe kamen. Außerdem trägt Dunkelschwinge einen großen Anteil an eurer Rettung, nicht nur wir." Sein Ausdruck wurde etwas ernster, als er ihre doch recht starken Muskelspasmen und die schmerzverzogene Miene bemerkte. „Kevin? Kannst du ihr nicht wenigstens ein leichtes Schmerzmittel geben, bis Alina mit der Ausrüstung da ist?" bat er seinen Bruder eindringlich, der gerade letzte Hand an Trestols Verband anlegte. Dieser sah hinauf zum Haupt der weißen Drachendame und meinte missmutig: „Ich habe leider nur leichtes Verbandszeug in meinem Beutel."
Allerdings stand er aus der Hocke auf, verstaute rasch das Verbandszeug in der Tasche an seiner Hüfte und begann ruhig die Versiegelungen an seinem rechten Panzerhandschuh zu lösen. „Aber ich habe zum Glück immer eine natürliche Reserve zur Hand." fügte er in seiner gewohnt langsamen, freundlichen Art hinzu und trat zum Hals des Drachenweibchens hinüber. „Danke Kevin. Keine Sorge, Mimiath, die Schmerzen werden gleich nachlassen." bemerkte Mike zufrieden, woraufhin Mimiath die Ohren spitzte und den Blick auf Pestoun richtete, der gerade die letzte Sperre entriegelte und danach den grünen Panzerhandschuh auszog. Darunter kam der typische neoprenartige Unteranzug der Titanen zum Vorschein, der aus speziell bearbeiteter Spinnenseide bestand. Jedoch war dieser Unteranzug bei Kevin zweilagig, um sicherzugehen, dass seine Dornen nicht ausversehen durch eine Schicht hindurch stachen. Das wirklich besondere, waren jedoch die Fingerspitzen seiner Handschuhe, die noch extra durch gehärtete Einlagen aus Kohlenstoffnanoröhrchen verstärkt waren. Der Grund dafür entblößte sich, als der Titan mit einigen sorgfältigen Handgriffen endlich seine Hand davon befreite.
Seine Haut war grasgrün und, wie sie bereits Tymdek erklärt hatten, übersät mit unzähligen kleiner Dornen, die so fein und eng aneinander saßen, dass es fast so wirkte, als hätte er ein sehr dichtes und störrisches Fell. Aber der Schein trügte, denn jede einzelne dieser Dornen war ebenso hart und stabil wie Stahl und mit einem tödlichen Gift benetzt. Doch sie waren nicht der Grund für die Verstärkungen in seinen Handschuhen.
Das waren seine Fingernägel, oder das, was früher einmal Fingernägel gewesen waren.
Denn auch sie hatten sich durch seine Mutation extrem verändert. Jeder einzelne von ihnen bestand aus demselben Material, wie Kevins Dornen und lief nach vorne hin so spitz zu, wie eine Nadel. Sie waren nicht unbedingt lang, gerade einmal anderthalb Zentimeter, mit Ausnahme des Daumennagels, der knapp vier Zentimeter maß. Im Gegensatz zu den Dornen auf seiner Haut, waren sie jedoch nicht mit Gift benetzt! Soweit Micheal wusste, waren alle 'Dornnägel', wie Pestoun sie selbst nannte, einfach nur dazu da, tiefe und schmerzhafte Wunden im Fleisch des Gegners zu hinterlassen. Bis auf den Dornennagel am Daumen. Dieser war, im Unterschied zu den anderen, aufgebaut wie die Kanüle einer Spitze, besaß also einen Hohlraum in seinem Inneren. Und dieser Gang, war verbunden mit einer kleinen Blase, die von mehreren Drüsen gespeist wurde und in Kevins Handballen untergebracht war. Diese Drüsen produzierten eines der stärksten pflanzlichen Schmerzmittel, das ursprünglich vom Kratombaum stammte.
Die Frage war nur, ob die Menge, die der Sanitäter auf einmal produzieren konnte, ausreichend für einen so großen Drachen wie Mimiath war.
„In Ordnung, es wird gleich ein wenig pieken, wehrte Mimiath. Also nicht erschrecken." warnte Kevin sie ruhig und tastete mit der linken Hand nach einer geeigneten Stelle am muskulösen Hals der Drachendame. Sie schnaubte zustimmend und beobachtete ihn genau, als er zufrieden nickte und vorsichtig eine ihrer Schuppen mit dem linken Zeigefinger anhob. „Achtung, jetzt nicht zucken, es sei denn, ihr wollt euch gleichzeitig vergiften!" sagte er knapp und stach dann präzise mit dem Dornennagel durch ihre weiche Unterhaut. Instinktiv musste Mike sich selbst schütteln. Er hatte selbst schon einige Male Bekanntschaft mit Pestouns Nagel gemacht und wusste, wie schmerzhaft eine solche Injektion war. Schließlich war der Umfang des Dorns weitaus dicker, als bei einer gewöhnlichen Nadel, aber im Vergleich mit einer Pfeilwunde, war es doch recht gut erträglich. So stieß auch Mimiath ein scharfes Knurren aus, zuckte jedoch nicht zurück und gab Kevin somit die Möglichkeit das Schmerzmittel zu verabreichen. Das Prozedere dauerte nur einige Augenblicke, dann zog er den Dornennagel wieder heraus und ließ die Schuppe wieder in Position klappen, während er ein freundliches Lächeln aufsetzte.
„Das war es schon. Es wird ein paar Momente dauern, bis die Wirkung einsetzt, aber dann sollten eure Schmerzen fürs erste abschwellen." erklärte er und begann damit seine Handschuhe wieder anzulegen. *Habt vielen Dank, Giftdorn.* entgegnete das schneeweiße Drachenweibchen respektvoll und zwinkerte dem Titanen dankbar zu. Dieser lachte basserfüllt und wollte amüsiert von Tymdek wissen: „Ihr könnt nichts für euch behalten, oder?" *Ich bin mir sicher, Mondschwinge wäre auch ohne mich schon bald auf einen ähnlichen Namen gekommen, Kevin.* verteidigte sich der schwarze Koloss ebenso erheitert. „Ach, das ist schon in Ordnung. Und Mondschwinge ist auch ein überaus schönklingender Name, Mimiath. Er passt perfekt zu eurem wunderschönen Schuppenkleid." meinte der Sanitäter schmunzelnd, was ihm ein wohlwollendes Gurren einbrachte. *Vielen Dank.* bemerkte das Drachenweibchen geschmeichelt, woraufhin Micheal sofort wieder in den Sinn kam, wie sehr Drachen Komplimente bezüglich ihres Aussehens liebten.
Aber für Schmeicheleien war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.
Deswegen erstickte er Shenmis Versuch etwas hinzuzufügen sofort im Keim, indem er höflich anmerkte: „Eure Schuppen sind wirklich überaus hübsch anzusehen, Mimiath, doch es gibt momentan wichtigeres, als sinnlose Komplimente auszutauschen. Ihr sagtet, ihr wolltet gegen Morgen aufbrechen? Ich nehme stark an, dass euch da etwas dazwischen kam, mit dieser Formulierung."
Schlagartig wurde die Stimmung unter ihnen wieder ernster und Mondschwinge stieß ein wütendes Knurren aus. *Da habt ihr recht, Micheal. Es dämmerte gerade, als Trestol sich wieder in den Sattel schwang, um alles für den Flug gut festzuzurren, da bemerkte ich plötzlich einen merkwürdigen Geruch. Die Luft schmeckte faulig, dreckig und instinktiv spannte sich mein Körper an. Ich teilte meinem Seelenbruder gerade mit, dass etwas nicht stimmte, als ich in der Ferne am Himmel diese Ungetüme auf uns zufliegen sah! Ohne näher darüber nachzudenken, sprang ich umher, um eine geeignete Stelle für den Start zu finden und stieß mich ohne weiter zu zögern vom Boden ab. Und dabei – * setzte sie ihre Erzählung fort und blickte beschämt zu Boden.
„Und dabei hat Trestol einen Ast von einem der umher stehenden Bäume an den Kopf bekommen? Das war wohl sehr unglücklich, aber auch nicht eure Schuld. Immerhin musstet ihr so schnell wie möglich abheben." vervollständigte Julia ihren Satz und nickte verstehend.
Mimiath zwinkerte zustimmend und fuhr fort: *Ja. In dem Moment wusste ich nicht genau, was geschehen war, ich konnte durch unsere Verbindung nur spüren, dass ihm nichts weiter fehlte und er nur sein Bewusstsein verloren hatte. Da ich einen Kampf gegen diese Kreaturen nicht riskieren wollte, während Trestol wehrlos auf meinem Rücken saß, konzentrierte ich mich also vollends darauf so schnell ich konnte in Richtung Lendol zu fliehen. Aber, wie ihr selbst festgestellt habt, holten mich diese madenverseuchten Knochenschänder ohne Probleme ein und ihre grässliche Brut beschoss mich mit ihren Pfeilen. Ich war bereits am Ende meiner Kräfte angelangt, als ich Dunkelschwinge und eure beiden Kameraden vor uns bemerkte. Wäret ihr nicht gewesen, weiß ich nicht, was mit uns geschehen wäre.*
„Ihr hättet ihnen sicherlich einen erinnerungswürdigen Kampf geliefert, dessen bin ich mir sicher, Mondschwinge." meinte Shenmi respektvoll und Tymdek stimmte brummend zu. *So ist es. Und nun müsst ihr auch nicht weiter darüber nachdenken, da es nie so geschehen wird.*
„Da stimme ich Tymdek zu. Zerbrecht euch darüber nicht mehr den Kopf. Unfälle geschehen und ihr habt das richtige getan und euren Seelenbruder so gut ihr konntet vor den Ra'zac geschützt." erwiderte Kevin ruhig, während die letzte Versiegelung seines Panzerhandschuhs zischend griff und er mehrmals die Hand schloss und öffnete, um alles zu überprüfen. *Das ist wohl wahr, Giftdorn.* gestand die weiße Drachendame sich ein und ließ einen weiteren lauten Seufzer hören, bevor sie wieder hinunter auf Trestol blickte, der nun mit einem dicken Verband am Kopf, ruhig atmend im Gras lag.
„Nichtsdestotrotz finde ich es überaus seltsam, dass ihr aus heiterem Himmel von solch einer starken Gruppe angegriffen wurdet. Glaubt ihr sie hatten es wirklich auf euch abgesehen, oder waren sie auf dem Weg um etwas anderes zu erledigen?" bemerkte Forke nachdenklich und kratzte sich gewohnheitsmäßig am Kinn. Mimiath schien dieser Gedanke ebenfalls nachdenklich zu stimmen, denn ihre Augen verengten sich leicht, als sie antwortete: *Ich weiß es nicht genau. Im Nachherein sah ihre Flugbahn tatsächlich nicht danach aus, dass sie es auf uns abgesehen hatten. Sie flogen sehr niedrig und machten auch keine Anstalten sich verbergen zu wollen. Selbst ihr Tempo, war eher mäßig, wie auf einem langen Flug, nicht wie auf einer Jagd.*
Julia sah sofort hinüber zu Mike, dessen Stirn sich in tiefe Falten legte. „Du glaubst, sie hatten es auf uns abgesehen?" fragte sie skeptisch, was der Admiral mit einem Nicken bestätigte. „Vergiss nicht, dass sich hier in der Umgebung noch irgendwo diese Gruppe mit dem Magier umhertreibt. Vielleicht haben sie ihre Anführer informiert und die haben ihnen Unterstützung geschickt." „Das könnte natürlich sein. Sobald der Prof den Albatross repariert hat, werden wir diese Gruppe wohl mal ausräuchern gehen." meinte Stearn grimmig. „Wird wohl das Beste sein." stimmte Micheal zu und horchte auf, als sich Jonas plötzlich über Funk meldete.
Er setzte seinen Helm auf und öffnete sofort die Verbindung. „Mike? Hier Jonas, ich bin mit Shix und Alina auf dem Weg zu euch. Ist alles in Ordnung?" fragte Milten angespannt. „Hier Mike, ja es ist alles in Ordnung, keine Sorge. Folge einfach meiner Markierung, wir warten hier auf euch." erwiderte Forke ruhig und die Stimme seines Bruders klang daraufhin deutlich entspannter. „Alles klar, wir sind in ein paar Augenblicken bei euch. Jonas Ende." entgegnete der Colonel und beendete die Funkverbindung wieder. Erleichtert atmete Mike tief durch und zog sich den Helm wieder vom Kopf.
„Sehr gut. Keine Sorge Mimiath, unsere Heilerin wird in ein paar Momenten bei uns sein und sich um euch kümmern. Dann werdet ihr endlich diese grässlichen Pfeile los." erklärte er der Drachendame, die ebenfalls erleichtert schnaubte. *Habt noch einmal vielen Dank, Micheal.* „Nichts zu danken, wir helfen gern." „Dann hoffe ich mal, dass Steven Alex relativ schnell findet, wer weiß, was der alte Beißer sonst wieder anstellt." brummte Julia und setzte sich neben Trestol ins Gras, während sie auf die anderen warteten.
Währenddessen stapfte Coule knapp einen Kilometer entfernt weiter auf die Markierung zu, die laut Aidan Alex's Position beschrieb. 'Hoffentlich ist er diesmal nicht ganz so in seinem Element, wie sonst. Ich habe keine große Lust in zu Besinnung prügeln zu müssen.' dachte der Sergeant angespannt, während er das HUD vor seinem Gesicht eindringlich betrachtete und auf jeden noch so kleinen Hinweis achtete. De Juggernaut war mit allen möglichen Sensoren und sogar einer "dummen" KI ausgestattet, die ihm bei der Zielerfassung half, doch das alles half ihm nur bedingt dabei, seinen Bruder zu finden, da er nur unglaublich langsam vorankam. Zwar immer noch schneller, als die normale Schrittgeschwindigkeit eines Menschen, doch 20 Kilometer pro Stunde waren im Vergleich zum normalen Atlas langsam. Selbst für ihn, der an sich schon der langsamste Titan war.
So also war er einigermaßen froh, als er in der Ferne typische Kampfgeräusche ausmachen konnte und, was ihn leicht erschauern ließ, ein lautes Gebrüll, das unverwechselbar zu Nurton gehörte. Er bahnte sich seinen Weg durch eine schmale Baumreihe und blieb dann wie angewurzelt stehen.
Vor ihm auf der Lichtung offenbarte sich ein wahres Massaker.
Die geflügelte Kreatur, die Micheal als Lehtrblaka bezeichnet hatte, lag vollkommen zerfetzt und mit unnatürlich verrenkten Gliedmaßen mitten auf der Lichtung . Blut floss ihr aus mehreren großen Wunden, die Steven mit knirschenden Zähnen als Bissspuren wiedererkannte. Selbst der Kopf, der in einer schnabelartigen Schnauze endete, wies einige frische Bisse auf. Bisse, die perfekt zu Alex passten. Dieser stand einige Meter von dem Kadaver des Lethtrblaka entfernt da und war gerade dabei den in schwarze Kleider gehüllten Ra'zac auseinanderzunehmen, während dieser panisch um sein Leben kreischte.
Jetzt sah Coule auch, was er schon zuvor befürchtet hatte.
Nurton musste während des Sturzes seinen Helm vom Kopf gerissen haben, denn er schlug gerade seine mächtigen Zähne in den linken Arm seines Widersachers. Ein ekelerregendes Knirschen und Knacken ertönte, als seine gewaltigen Kiefermuskeln die Extremität einfach zermalmten und blaugrünes Blut spritzte über seine goldbraunen Schuppen. Doch damit war der Kampf noch nicht zu Ende. Der Ra'zac versuchte sich von dem Titanen zu lösen und hieb mit seinem Schwert auf ihn ein. Er traf ihn jedoch nur an der Schulter, was der Atlas ohne einen Kratzer wegsteckte. Im Gegenzug packte Nurton mit der rechten Hand das linke Bein seines Gegner und riss es ihm mit brachialer Kraft ab, als wäre der Ra'zac nur eine Puppe. Der Unhold kreischte ohrenbetäubend, doch Alex konterte, indem er seinerseits ein mächtiges Brüllen erschallen ließ. Erneut riss er sein Maul mit den rasiermesserscharfen Zähnen auf und stürzte sich diesmal direkt auf den Kopf seines Widersachers, während er gleichzeitig das Bein in seiner Hand achtlos wegwarf und stattdessen mit einem schraubstockartigen Griff seine Hüfte ergriff. Das Kreischen des Unholds verstummte, als die mächtigen Kiefer seinen Kopf regelrecht zerrissen.
Der Kampf war vorbei, doch Alex scherte sich nicht darum, ob sein Gegenüber reglos in seinem Maul baumelte. Immer wieder schlug er die Zähne in das harte Exoskellet des Ra'zacs und biss riesige Stücke aus dem Angreifer heraus. Die meisten spuckte er direkt wieder aus, doch missmutig bemerkte Steven, wie er auch einige Innereien gierig verschlang.
'Genug ist genug!' dachte er sich und stellte die Lautsprecher auf maximale Stärke. „Alex! Komm mal wieder zu dir!" rief er seinem Bruder zu, der ihm daraufhin schlagartig das blutverschmierte Gesicht zuwandte. Seine Augen verengten sich und er nahm instinktiv eine Abwehrhaltung ein, während er Coule bedrohlich anfauchte. „Hey! Nun komm mal wieder runter! Ich bins! Steven!" fuhr der Sergeant unbeeindruckt fort und öffnete die Einstiegsluke des Juggernauts so weit, dass Alex sein Gesicht sehen konnte.
Fast schlagartig schien sich Nurtons Haltung zu entspannen. Er blinzelte mehrmals und schüttelte kurz wie benommen den Kopf. „Steven?" murmelte er ungläubig und warf dann angewidert den Leichnam aus der Hand, als er bemerkte, was er eigentlich gerade tat.
„Na wenigstens ging es diesmal direkt auf Anhieb. Das letzte Mal, musste ich dich erst bewusstlos prügeln, bis du wieder du selbst warst." gluckste Steven und schloss die Luke wieder. „Ich habe doch hoffentlich niemanden verletzt?" erkundigte sich Nurton leise, während er langsam den Wassertank von seinem Rücken nahm und begann, sich ausgiebig den Kopf zu waschen. „Nein, nein. Du hast nur die beiden Ra'zacs da regelrecht zerfleischt, oder das Flugding heißt glaub ich Lehtrblaka. Ansonsten ist alles okay, die anderen kümmern sich gerade schon um Trestol und Mimiath." versicherte ihm Coule wahrheitsgemäß und kam nun etwas näher, um die beiden Leichen genauer zu betrachten.
„Dann ist ja gut. Ich hatte nicht bedacht, dass ich noch zu nah an Tymdek war, als ich den Helm abgenommen hab. Sein Geruch hat mich echt komplett ausrasten lassen. Zum Glück hatte ich keine Möglichkeit zu ihm zu gelangen, sonst wäre ich ihm an die Gurgel gegangen. Fuck! Dieser Geruch schlägt mir echt direkt ins Gesicht. Wie wohl andere männliche Drachen darauf reagieren würden?" erklärte der Captain, was geschehen war und wusch sich gurgelnd den Mund aus. Steven pfiff beeindruckt, als er die Bissspuren am Lethrblaka musterte. „Das sehe ich. Hast ja ganz schön zugeschlagen. Da brauchst du wohl vorerst nichts zum Essen, was?" „Das ist echt nicht lustig, Steven. Das Zeug liegt mir wie ein Stein im Magen und dieser faulige Geschmack liegt mir immer noch auf der Zunge. Auf der Venator werde ich wohl erst einmal mit etwas hochprozentigem Gurgeln." brummte Alex und schüttelte sich soweit es ging trocken, bevor er den Tank wieder auf dem Rücken verstaute und eiligst den Helm aufsetzte.
„Selbst schuld, kein Mitleid. Lass doch halt einfach mal den Helm bei solchen Aktionen auf dem Schädel. Oder schnall dir vorher nen Maulkorb um." erwiderte der Sergeant schadenfroh. „Ja ja, schon klar. Auf jetzt, die anderen warten sicher schon. Durchsuchen können wir die später noch." knurrte sein Bruder missmutig und gemeinsam verließen sie die kleine Lichtung, während Coule lachend meinte: „Falls du da noch was zum Durchsuchen übriggelassen hast!"
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[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die Drachenreiter
FanfictionDer Soldat John Miller findet sich nach einem schrecklichem Unfall an den Ufern eines ihm unbekannten Landes wieder. Schon sehr bald wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr in seiner eigenen Welt befindet. So also macht er sich auf den Weg, die Dr...