Alte Wunden

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„Alex! Emily! Stopp! Wir wollen die Situation nicht eskalieren lassen!" rief John streng und eilte den beiden gemeinsam mit Robert, Aidan und Murtagh hinterher, wobei der Pilot ihnen weit voraus war und seine Frau bereits an einem ihrer linken Handgelenke ergriff. Emily drehte sich halb zu ihm um und fauchte aufgebracht, blieb jedoch stehen, im Gegensatz zu Alex, der stur weiter auf die Gruppe aus Drachen, Elfen und Menschen zu stapfte. Sein Aufmarsch blieb natürlich nicht unbemerkt, weswegen sich ihm zwei der Elfen, die Miller als Yaela und Berèn identifizierte, und zwei der Drachen, Saphira und Aesdol zuwandten. Der Titan machte allerdings keine Anstalten langsamer zu werden, oder gar freiwillig anzuhalten.

„Was soll das Robert? Alex hat recht, wir müssen diese Sache ein für allemal klären, bevor dieser ganze Unsinn von neuem beginnt! Überleg doch mal was passieren würde, wenn Feyth einmal nicht in unserer Begleitung ist? Irgendeine dieser feuerspeienden Eidechsen würde sie auf der Stelle töten!" zischte Smith ihrem Ehemann zornig entgegen, während dieser besorgt seinem Bruder hinterher starrte. „Gewalt ist dafür nicht die Lösung, Emily." erwiderte John ernst anstatt des Piloten, als er Aidan und Murtagh einige Augenblicke später auf ihrer Höhe anlangten. Auch Dorn hatte einige Schritte in ihre Richtung gemacht, wobei das für ihn praktisch keine Distanz war.

Erneut erhob der Colonel die Stimme, ohne auf eine Antwort seiner Tochter zu warten.

„Alex, bleib sofort stehen! Wir werden diese Angelegenheit regeln, aber nicht mit den Fäusten!" „Gewalt ist aber die einzige Sprache die diese Kerle richtig verstehen Dad! Das hat Eragon selbst gesagt." entgegnete der goldbraungepanzerte Titan laut knurrend und unterstrich seinen Punkt, indem er so heftig auf den mit Kies bedeckten Boden trat, dass die kleinen Steine um seinen rechten Fuß herum aufstoben wie das Wasser einer Pfütze. Johns Gesichtsausdruck wurde noch ernster.

Mit Worten, würde er seinen Sohn diesmal nicht so schnell von dieser Dummheit abhalten können.

'Bleiben nur zwei Möglichkeiten.' überlegte er rasch und entschied sich für Option Nummer Eins. „Aidan, sperr sofort alle Gelenke in seinem Atlas! Er muss stehen bleiben!" befahl er der KI eindringlich, die sofort gelb aufleuchtete. „Verstanden Sir, greife auf Systeme des Atlas von Titan 08 zu. Übernehme Kontrolle." erwiderte Aidan, leuchtete kurz grün auf, bevor er zurück auf sein gewöhnliches Blau wechselte und einen Augenblick später hinzufügte: „Übernahme erfolgreich, initiiere Sperrsequenz." Keinen Moment später erstarrte Alex vor ihnen mitten im Schritt, woraufhin der Titan einen wütenden Fluch ausstieß und die anderen endlich zu ihm aufschließen konnten. Lediglich Robert blieb mit Emily etwas zurück, um sie noch weiter zu beruhigen. „Gut gemacht, Aidan." meinte Miller zufrieden, als er zusammen mit der KI, Murtagh und Dorn neben seinem Sohn zum stehen kam.

„Was soll das? Lass mich los Aidan! Ich werde diesem arroganten Pack lediglich Manieren ins Kleinhirn prügeln." knurrte Nurton aufgebracht wobei seine Stimme nichts mehr von seiner gewohnt rauchigen Art hatte, sondern stattdessen einer Mischung aus Fauchen und Brüllen ähnelte. Genau das, was John befürchtet hatte. Seine eigene aggressive Persönlichkeit war teilweise nur schwer wieder zu beruhigen, doch im Vergleich zum Wutanfall des goldbraun gepanzerten Titans, war er ein Chihuahua und Alex ein American Pitbull. Eine Eigenschaft, die er mit Emily gemeinsam hatte und Folge der Phase 1 des Darwin-Protokolls war. Ihre gesteigerte Aggressivität und sehr geringe Reizschwelle mochten zwar in Kampfsituation von enormem Vorteil sein, doch in Situationen wie dieser hier konnte es dadurch zu extremen Problemen kommen.
Insbesondere wenn man in Betracht zog, dass die beiden zu den stärksten Titanen zählten.

„Tut mir Leid, Sir. Sie verfügen nicht über den nötigen Rang, die Befehle von Colonel Miller aufzuheben." erwiderte Aidan ernst und leuchtete kurz lila auf. „Scheiß auf meinen Rang!" entgegnete Nurton aufgebracht, aber es half nichts, er saß fest, gefangen in seinem eigenen Anzug.

Schnell zog sich Johns logische Persönlichkeit zurück, um der väterlichen Platz zu machen, denn nur sie konnte es schaffen ihren Sohn halbwegs zu beruhigen. Sofort veränderte sich seine Haltung und Miene, während er vor Alex trat und ruhig erklärte: „Bitte beruhige dich Alex. Ich weiß, wie du dich fühlst, glaub mir, ich würde diesen arroganten Bastarden genauso gern wie du die Leviten lesen, aber das ist keine Lösung! Es würde nur ihre Wut schüren und sehr wahrscheinlich andere Drachen auf ihre Seite ziehen!" Dabei legte er fürsorglich die rechte Hand auf Nurtons linke Schulter.

„Und was willst du stattdessen machen? Mit ihnen darüber reden? Funktioniert ja recht gut, wenn ich mich an Steven und Filias Gespräch zurückerinnere! Nein, diese Kerle verstehen nur eine Sprache, Dad! Ich will sie ja nicht umbringen, sondern ihnen nur diese kranken Vorstellungen aus der Seele prügeln." widersprach der bullige Titan knurrend, woraufhin Dorn hinter ihnen ein lautes Schnauben von sich gab. *Ich verstehe eure Gefühle, Alex und stimme euch sogar in gewissem Maße zu. Doch euer Vater hat recht, in dieser Situation würde ein Angriff die Lage nur noch weiter verschlimmern. Ohne Zweifel würden es euch die Spitzohren niemals verzeihen, wenn ihr Aesdol oder Silexin ohne Provokation verletzt, nicht zu vergessen, dass Silexin zum Orden gehört und daher unter unserem Schutz steht.* bemerkte der rote Gigant streng, was Murtagh mit einem Nicken bestätigte. „Dem kann ich nur zustimmen. Es wäre töricht euer Vorhaben umzusetzen!"

„Glaubt ihr wirklich es schert mich, ob es töricht ist?" gab Alex fauchend zurück, bevor ein kurzer Ruck durch seinen Atlas zu gehen schien. „Warnung! Atlas von Titan 08 wurde manuell in den EMP-Modus versetzt, Gelenksperren nicht mehr aktiv!" rief Aidan energisch aus, während Nurton einen wuchtigen Schritt nach vorn machte. „Oh verdammt! Alex, bitte, lass es bleiben!" fluchte Miller und packte seinen Sohn am linken Arm, um ihn aufzuhalten. Doch selbst jetzt, mit abgeschalteten Servomotoren, war der Captain immer noch um einiges stärker als sein Vater. Er schaffte es ihn abzubremsen, aber gänzlich aufhalten war jenseits seiner Grenzen. Allerdings konnte er deutlich spüren, dass Alex Bemühungen zur anderen Gruppe zu gelangen weitaus weniger rabiat waren, als zuvor, denn er versuchte John nicht zu verletzten.

Jedoch kam er nicht allzu weit und erstarrte schon nach wenigen Schritten erneut zu einer Salzsäule, nachdem Murtagh missmutig „Letta!" murmelte.

Miller atmete erleichtert auf. Nurton mochte sich vielleicht aus Aidans Kontrolle befreien können, aber bezweifelte stark, dass er sich gegen die Magie eines Drachenreiters samt Drache durchsetzen konnte. „Danke." meinte er an den rotgerüsteten Reiter gewandt, der zustimmend nickte. „Fuck! Was soll das? Warum kann ich mich nicht bewegen?" knurrte Alex keuchend, doch obwohl er sich laut hörbar anstrengte, bewegte er sich nicht einmal einen Millimeter.

„So sehr ich eure Absichten unterstützte, ist es trotzdem meine Pflicht, für die Sicherheit meines Ordens zu sorgen. Ich habe euch mit einem Zauber gefesselt, sodass ihr nichts Dummes anstellen könnt. Versucht erst gar nicht ihn zu brechen und hört stattdessen endlich auf euren Vater! Es gibt Mittel und Wege, diese Situation anders zu lösen." erklärte Murtagh ruhig und verschränkte die Arme vor der Brust, während Blutschwinge hinter ihm bestimmt brummte.

John indessen, trat direkt vor seinen Sohn, legte ihm väterlich beide Hände auf die Schultern und sah ihm durch den Visor hindurch direkt in die Augen. „Alex, erinner dich an das, was ich dir beigebracht habe, was wir trainiert haben. Schließ die Augen und atme tief ein und aus. Ein und aus. Ein und aus." bat er Nurton einem fürsorglichen Ton und tat selbst das, was er ihm gesagt hatte. Er schloss die Augen und atmete tief durch. So verharrten die beiden fast eine geschlagene Minute lang, wobei Murtagh und Dorn ebenfalls so gut es ging stumm blieben, bis Alex schließlich leise seufzte und dann entschuldigend murmelte: „Es – ist wieder in Ordnung, danke Dad."

Zufrieden öffnete der Colonel wieder beide Augen und lächelte erleichtert, bevor die Hände von den Schultern nahm und einen Schritt zurücktrat. „Ihr könnt den Zauber wieder aufheben Murtagh. Er hat sich wieder ausreichend beruhigt." meinte er zum rotgerüsteten Reiter, der zustimmend den Kopf neigte und etwas murmelte, das John nicht verstehen konnte. Jedoch stolperte Nurton einen Moment später einige Schritte nach vorn und konnte sich gerade noch fangen, sodass er nicht zu Boden fiel. Anschließend richtete der goldbraun gerüstete Titan sich wieder auf und blickte leicht entschuldigend zu Boden. Ein kurzer Ruck das Atlas verriet Miller, dass er seinen Anzug wieder in Betrieb genommen hatte.

„Tut mir Leid, Dad. Aber du weißt, manchmal geht es eben mit mir durch. Ich bin einfach nur so unglaublich wütend, dass diese übergroßen Salamander meinen, sie könnten Feyth behandeln, als wäre sie ein Stück minderwertiges Fleisch!" brummte der Captain erzürnt und ballte die Hände zu Fäusten, hob allerdings fast augenblicklich entschuldigend die rechte Hand und fügte an den roten Giganten gerichtet hinzu: „Nichts für ungut, Blutschwinge." Der Drache schnaubte belustigt, während John selbst betroffen seufzte. „Das versteh ich nur zu gut, wenn ich könnte, würde ich diesen arroganten Säcken selbst die Ärsche aufreißen. Aber das letzte was wir jetzt brauchen können, ist ein Konflikt mit dem Reiterorden oder den wilden Drachen. Wir müssen zusammenarbeiten, um der Schwarzen Rose das Handwerk zu legen. Das Risiko mit dem Kampf gegen Filia war schon groß genug." erwiderte und musste unwillkürlich daran denken, dass die Elfen nicht unbedingt gut auf Stevens Werk zu sprechen waren.

Wenn Alex jetzt in seinem Wutanfall einen weiteren Drachen attackiert hätte, wäre das Chaos wohl perfekt gewesen.

„Darin kann ich euch nur zustimmen, John. Und ich verspreche euch, dass ich alle in meiner Macht stehende tun werde, um einen weiteren solchen Angriff auf Feyth zu verhindern. Etwas, dass mein Halbbruder schon längst hätte tun sollen. Ich denke, darüber werde ich noch einmal unter vier Augen mit ihm sprechen müssen." entgegnete Murtagh ernst, woraufhin Nurton ihm ein dankbares Nicken schenkte und Miller erwiderte: „Dafür wäre ich euch sehr dankbar, Murtagh."

Sie alle zuckten jedoch erschrocken mit den Köpfen hin zu Robert, als dieser energisch rief: „Achtung! Dad, Alex, haltet sie auf, bevor ein Unglück passiert!"

Wie in Zeitlupe bemerkte der Colonel, wie Holsted auf seinem Allerwertesten im Kies lag, in der linken Hand Emilys Helm hielt und mit der rechten Hand ausgestreckt in ihre Richtung zeigte. Das Gesicht voller Panik. Im nächsten Moment huschte etwas Schwarzweißes in seinem Augenwinkel rasend schnell vorbei und sein Verstand begriff erst ein paar Millisekunden später, was geschehen war. ‚Emily!' dachte er nur noch entsetzt, während Alex zwar etwas schneller reagierte und sogar nach seiner Schwester griff, doch sie war dermaßen schnell und beweglich, dass er nicht einmal davon träumen konnte, sie zu fangen. Johns Mund öffnete sich, um Aidan und Murtagh zu zurufen, sie aufzuhalten, doch in diesen zwei Sekunden, die sein Verstand brauchte die Situation in Worte zu fassen, war die spinnenartige Titanin bereits auf zehn Meter an die andere Gruppe herangestürmt. Erst jetzt, kamen Miller die Worte brüllend aus dem Mund geflogen: „Haltet sie auf, sonst – !" , doch es war bereits viel zu spät dafür.

Ihre Bewegungen waren derart schnell, dass selbst der Colonel mit seinen verbesserten Augen Schwierigkeiten hatte, ihr zu folgen, weswegen er ihre Silhouette auch nur leicht verschwommen wahrnahm. Nichtsdestotrotz, konnte er deutlich erkennen, wie sie aus dem mörderischen Sprint zu einem anfallenden Sprung ansetzte, der direkt auf den jungen Aesdol gerichtet war. Dieser hatte gerade erst den Kopf in Richtung der heranschnellenden Emily gedreht und konnte nur noch sein Maul halb weit aufreißen, bevor sie auf seinem Nacken landete. Die Elfen, Drachen und Reiter starrten die Titanin fassungslos an und wichen sogar teilweise ein Stück zurück. Ganz im Gegensatz zu Eragon, der zwar eine ebenso schockierte Miene aufwies, allerdings von Filias Seite her aufsprang und eiligst zum jungen, kupferfarbenen Drachen eilte, der inzwischen den Kopf nach hinten geschwenkt hatte und zu Eis erstarrte, als er Smith erblickte, die ihn mit gebleckten Zähnen und biss bereiten Mandibeln anfauchte.

John, Alex, Murtagh und Dorn rannten so schnell sie jeweils konnten zu der anderen Gruppe, wobei Nurton bei weitem schneller war, als der Drachenreiter, oder sein Vater, der immer noch mit seinen neuen Beinen und Füße zu kämpfen hatte. Aidan hatte dagegen direkt eigenmächtig entschieden direkt dem Schnellsten zu folgen, weswegen er rot leuchtend neben Alex flog.

'Verfluchte Scheiße! Ihr Hormonspiegel ist wegen der Häutung noch vollkommen im roten Bereich! Ein falsches Wort und dieser Aesdol wird am eigenen Leib erleben, wie es sich anfühlt mit Spinnengift vollgepumpt zu werden!' fluchte Miller innerlich und rief dem Schattentöter und den anderen Umstehenden lauthals zu: „Sagt nichts Unüberlegtes! Ein falsches Wort und es kommt zur Katastrophe!" Gerade noch rechtzeitig, denn ein paar der Elfen hatten bereits nach ihren Schwertern gegriffen, die nun jedoch vorsichtshalber stecken ließen. Hätten sie sie gezogen, wäre es um den Drachen geschehen gewesen, da war sich zu 100 Prozent sicher.

Emily besaß genug Gift, um den jungen Drachen über ein dutzendmal zu töten, wenn sie es darauf anlegte.

Während Aesdol sich also keinen Millimeter rührte, fletschten die anderen Drachen um ihn herum die Zähne und stießen jeweils ein drohendes Knurren aus, selbst Saphira schien die Sache nicht wirklich zu gefallen. Einzig allein Filia stimmte nicht in diese Drohgebärde mit ein, wobei dies wohl eher daran lag, dass Eragon ihren Kiefer noch nicht gerichtet hatte, denn ihre Augen sprachen Bände, als sie die Titanin vom Boden aus anstarrte.

Alex, der als erster aus ihrer Gruppe ankam, plusterte sich sofort zu seiner vollen Größe auf, wodurch zwar die Elfen und Reiter neben ihm wie Zwerge erschienen, doch gegen solche Giganten wie Silexin oder Galgianth wirkte selbst er schmächtig. Allerdings reichte es, um sich ein wenig Freiraum zu schaffen, da die Drachenreiter und die Spitzohren dann doch ein paar Schritte respektvollen Abstand einnahmen, wobei sie die Augen jedoch kaum von Emily abließen, die nach wie vor angriffslustig in Aesdols Nacken hockte. John, Murtagh, Dorn und auch Robert, der ihnen hastig hinterher gesprintet war, kamen wenige Augenblicke später an.

Der Großmeister sprang sofort zu ihnen und fragte bitterernst: „John! Was ist geschehen? Was soll dieses Verhalten von Emily?" Bevor der Colonel jedoch antworten konnte, erklärte Holsted die Situation um seine Frau. „Ich bitte tausendfach um Entschuldigung, Meister Drachenreiter. Es ist meiner Schuld. Ich hätte sie nicht so lässig festhalten dürfen, obwohl ich wusste, wie instabil sie zurzeit ist. Sie hat sich erst vor wenigen Tagen gehäutet, weswegen ihr Körper noch vollkommen auf 180 ist. Sie hat starke Stimmungsschwankungen und ist extrem leicht zu reizen." erwiderte der Pilot schnell und verbeugte sich tief vor dem Reiter, nur um dann direkt wieder emporzuschnellen und besorgt zu seiner Frau zu sehen.

„Was immer ihr auch tut, provoziert sie unter keinen Umständen! In ihrer jetzigen Verfassung hat sie keinen klaren Verstand und verhält sich eher wie ein in die Ecke getriebenes Tier, als ein Mensch. Ein falsches Wort, oder eine falsche Bewegung und Aesdol wird ihr Gift zu spüren bekommen. Ich versichere euch, dass wird er nicht überleben." setzte Miller energisch hinterher, was Eragons ernste Miene noch weiter vertiefte. Mit einem Mal verstummte das drohende Knurren der sie umringenden Drachen und die Riesen traten sogar ein oder zwei Schritte zurück. Scheinbar hatte der Schattentöter ihnen in Gedanken übermittelt, die Titanin auf keinen Fall zu reizen.

Murtagh, der direkt neben dem Colonel stand, runzelte ebenfalls angestrengt die Stirn und fixierte Smith mit seinem Blick. Allerdings verzog er keinen Moment später missmutig das Gesicht und flüsterte angespannt: „Ich kann nicht zu ihr durchdringen, ihr Verstand ist wirklich derart chaotisch, dass ich keinen Ansatz finde um einzudringen." „Barzûln!" fluchte der Großmeister leise und wandte sich nun ebenfalls wieder Emily zu, die inzwischen näher mit ihrem Kopf an Aesdols Hals gerückt war. Ihre Mandibeln klickten bedrohlich. „Aidan? Kannst du auch ihren Anzug sperren?" wollte John daraufhin von der KI wissen, wobei er extrem leise flüsterte, um nicht die Aufmerksamkeit seiner Tochter zu erregen. „Möglich wäre es Sir, doch im Gegensatz zu Mr. Nurton, sind Mrs. Smith's Sinne auf höchster Alarmbereitschaft. Sie würde es sofort bemerken, wenn ich mich in die Systeme ihres Anzugs hacke. Das wollen sie mit Sicherheit nicht riskieren, falls der Drache namens Aesdol überleben soll, Sir." entgegnete Aidan analytisch und machte damit Millers Plan direkt zunichte.

„Keine Sorge Dad, ich werde das regeln. Bisher hat sie immer auf mein Gesicht und meine Stimme gehört in solchen Situationen!" erwiderte Robert, bevor John etwas sagen konnte. Zudem setzte er an Eragon gewandt noch hinzu: „Sobald ihr seht, dass ich sie weit genug abgelenkt habe, haltet sie am besten mit Magie fest." Er wartet erst gar nicht auf eine Antwort von dem Drachenreiter, der ihm verstehend zunickte, und trat stattdessen an die Flanke des kupferfarbenen Drachens. „Ich hoffe, euer Sohn weiß was er tut, John. Es klingt aber machbar. Falls ich jedoch den Eindruck habe, es läuft schief, werde ich ein letztes Mittel anwenden, um Emily aufzuhalten, allerdings ist das Risiko eines Fehlers dabei sehr hoch. Ich denke das versteht ihr?" murmelte der Großmeister Miller zu, der zustimmend den Kopf neigte. „Natürlich. Ich will ebenso, dass beiden nichts geschieht."

Dann wandte er seinen Blick wieder auf Robert, der nun kurz das Wort an Aesdol richtete. „Was immer sie auch tun mag, mach keine hastigen Bewegungen! Und seh ihr nicht in die Augen, am besten du schließt sie einfach ganz. Es kann passieren, dass sie dich verletzt, aber versuch ruhig zu bleiben, wenn sie denkt, du willst ihr entkommen, schlägt sie so schnell mit ihren Giftklauen zu, dass nicht einmal Meister Eragon dich noch retten kann." erklärte er dem Drachen ruhig, der nichts erwiderte und nicht einmal mit der Wimper zuckte. Lediglich seine Augen schloss er nach einigen Augenblicken, doch ansonsten verblieb er in seiner Schockstarre, wie bisher.

Und das war auch gut so, denn schon im nächsten Moment zuckte Emily vor, setzte die Mandibeln gefährlich nah an seinen Halsansatz und grub zwei ihrer klauenartigen Hände schmerzhaft in sein Fleisch, wobei seine Schuppen den modifizierten Handschuhen ihres speziellen Atlas nichts entgegenzusetzen hatten. Ihr zorniges Fauchen ging selbst John noch durch Mark und Bein. Aesdol begann leise zu wimmern und sein gesamter Körper begann zu zucken, während er versuchte willentlich ruhig zu bleiben, was die Titanin offensichtlich nur noch mehr anstachelte, da sie eine weitere Hand in seinen Nacken schlug.

„Emily! Schatz! Ich weiß du kannst mich sehen und hören! Was soll das? Geht man so mit seinen freundlichen Gastgebern um? Bitte, lass den jungen Aesdol in Ruhe und komm zu mir herunter." begann der Pilot daraufhin eiligst, wobei er äußerst ruhig und liebevoll klang, fast schon so, wie ein Vater, der sein Kleinkind ansprach. Seiner Frau schien seine Wortwahl allerdings nicht zu gefallen, denn sie fauchte wild und klickte wütend mit ihren Mandibeln. Die Giftklauen verfehlten den Hals des Drachens dabei nur knapp.

Entschuldigend hob Robert die Hände.

„Okay, okay, dann eben nicht freundlich. Aber deswegen müssen wir ihn trotzdem nicht gleich angreifen. Ich bin mir sicher, er wird uns zuhören, wenn wir mit ihm reden." Abermals zischte Emily wütend und verstärkte den Druck auf die Wunden, wodurch das Blut begann kleine Rinnsale zu bilden.

„Lügner! – Mörder – werde nicht – noch eine – verlieren!" gab sie zornig zurück, wobei sie ihren Satz immer wieder mit lautem Klicken unterbrach. Auch ihre Stimme klang weitaus animalischer und kratziger als sonst.

Millers Kiefer verkrampften sich leicht, als er begriff, was genau sie gerade angesprochen hatte und auch ihr Mann schien es genau zu wissen. Roberts Hände ballten sich instinktiv zu Fäusten, die sacht zitterten und seine Miene wurde schlagartig von tiefer Traurigkeit durchzogen.

„Emi – ich – wir – wir werden Feyth nicht verlieren, das verspreche ich dir. Bi – bitte. Aesdol wird ihr nichts tun." erwiderte der Pilot zittrig, wobei ihm deutlich anzusehen war, wie sehr es ihn innerlich quälte darüber zu sprechen.

Noch dazu mit Emily.

„Lügner!" schrie ihm die Titanin daraufhin kreischend entgegen und ihre Mandibeln legten sich bissbereit an Aesdols Schuppen. „Er – will sie fressen! – Genau wie er – und sie!" spie sie ihrem Mann fauchend und klickend entgegen und zeigte mit einem ihrer linken Arme zunächst auf den kupferfarbenen Drachen unter ihr, bevor sie kurz auf Silexin deutete und schließlich auf Filia hängen blieb. Die grüne Drachendame stieß ein schwaches Jaulen aus, wagte es jedoch nicht, direkt mit der Titanin zu reden, was sie ihrem Ausdruck nach gerne wollte.

Robert blickte beschämt zu Boden und murmelte leise: „Ja und dafür hasse ich sie." Dann blickte er wieder auf, wobei seine Miene so wirkte, als hätte er neuen Mut gefasst, und fügte energisch hinzu: „Aber deswegen bringe ich sie nicht gleich um! Ich stehe über dem was sie tun! Und das tust du auch! Oder willst du dich auf ihr Niveau herablassen? Aesdol ist noch recht jung, auch er hat eine Mutter. Wer weiß, vielleicht ist Saphira seine Mutter, oder Lyath, oder Mimiath, wir wissen es nicht! Willst du ihnen wirklich ihren Sohn nehmen, nur weil er etwas Dummes gesagt hat, oder an eine dumme Sache glaubt? Sowas tun wir nicht, du schon gleich dreimal nicht Emi!"

Dieser Ausruf schien endlich zu fruchten. Zum ersten Mal, kam kein wütendes Fauchen von Smith zurück. Stattdessen zogen sich ihre Mandibeln leicht von den Schuppen zurück und auch ihr wütender Gesichtsausdruck vermischte sich leicht mit ein wenig Zurückhaltung.
„Aber – sie werden – töten – " versuchte sie dagegenzuhalten, wobei es eher fast schon nach einer schlechten Ausrede klang. Allerdings war ihr Körper immer noch in Angriffsposition und eine falsche oder blöde Bemerkung, würde die Waage wieder in die andere Richtung kippen. Holsted nickte langsam. „Ja, das werden sie sicherlich versuchen, aber wir werden da sein, Emi. Wir werden Feyth beschützen! Das verspreche ich dir!" entgegnete er bestimmt, woraufhin Emily ihre Mandibeln zögerlich noch ein paar Zentimeter zurückzog und sich sogar wieder etwas aufrichtete.

Dann richtete sie jedoch fast schon panisch den Blick auf irgendetwas über ihrem Mann und nur einen Moment später konnte jeder auf dem Platz hören, wer oder was es war.

*Tante Emily! Bitte tu ihm nichts! Bitte! Er ist nur gemein, aber nicht böse! Bitte hör auf ihm meinetwegen wehzutun, bitte, bitte!* kreischte eine schluchzende Stimme durch ihre Köpfe, die Miller sofort erkannte.

Feyth.

Der kleine Drache kam im Sturzflug über Roberts Kopf auf die Titanin zugeschossen und prallte einen Augenblick später mit ihr zusammen, wobei Emily sie instinktiv auffing. Aesdol schien die Feldärztin schon beinahe vergessen zu haben. „Jetzt!" rief Holsted hastig Alex zu, der die ganze Zeit stumm neben ihm gestanden hatte. Jetzt allerdings packte er seinen Bruder und warf ihn mit voller Wucht hoch in Richtung Smith, die vollkommen abgelenkt von der sich windenden Feyth in ihren Armen war.

Binnen einer Sekunde war der ganze Spuk vorbei.

Wie eine Bowlingkugel räumte Robert seine Frau mitsamt dem kleinen Drachenmädchen von Aesdols Rücken, wobei er extrem darauf achtete keinem der beiden wehzutun, und landete dann mit dem Rücken voran etwas abseits der ganzen Gruppe im Kies, da Nurton es mit dem Schwung ein klein wenig übertrieben hatte. Nichtsdestotrotz atmete der Pilot erleichtert durch und sah dann hinunter zu Emily, die inzwischen all ihre Arme um Feyth gelegt hatte und den grünen Drachen liebevoll an ihre Brust drückte, während sie ihren Kopf an den der Kleinen hielt. Mitfühlend bemerkte Robert die dicken Tränen, die aus allen ihren sechs Augen liefen, genauso wie die schweren Schluchzer, die ihren ganzen Körper erzittern ließen.

„Ich werde dich niemals loslassen Feyth, ich werde dich niemals verlieren!" schniefte sie heulend und vergrub ihr weichgepanzertes Gesicht in den Hals des kleinen Drachenmädchens.

[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die DrachenreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt