'15 Stiche sollten reichen. Am besten ich reibe es mit Wundsalbe ein und versiegele es mit dem Fibrinkleber.' dachte sich Alina, während sie gerade den letzten Knoten in den resorbierbaren Faden machte und damit den Schnitt im Magen wieder vollständig verschloss. Vorsichtig zog sie sich wieder aus dem Bauchraum zurück, legte Nadel und Faden zurück auf das Tablett und griff stattdessen nach der Wundsalbe und der Dose mit dem Fibrinkleber. Gleichzeitig warf sie rasch einen Blick nach oben, wo sie Aidan dabei beobachten konnte, wie er mit seinem Scanner die gewünschte Rückenpartie des Drachens abscannte.
'Das könnte ziemlich knifflig werden. Aidan sagte es wäre ein Bruch der Wirbelsäule auf Höhe des 12. Wirbels. Das bedeutet vermutlich, dass sein Rückenmark an dieser Stelle durchtrennt, oder zumindest verletzt ist. Die Wirbel und Bandscheiben an sich zu ersetzen ist kein Problem, aber um das Rückenmark zusammen mit den Nerven wieder voll funktionstüchtig zusammenzunähen werde ich mindestens zehn Stunden brauchen. Eher mehr. Es sei denn – nein das würde keinen Unterschied machen. Ob ich jetzt die Nervenfasern an sich wieder zusammennähe, oder sie mit einem Stück der superleitenden Fasern flicke kommt auf die gleiche Arbeit hinaus.' überlegte die Ärztin angestrengt und trug derweil eine dicke Schicht der antiseptischen Wundsalbe auf die frische Naht im Magen. Danach sprühte sie eine deckende Lage des Fibrinklebers darüber, um alles ordentlich zu versiegeln und kontrollierte den Schnitt noch einmal sorgfältig. Es schien alles richtig zu sein.
„Zumindest das Kapitel hätten wir dann endlich abgeschlossen." murmelte sie sich selbst zu und zog sich erneut aus dem Bauch zurück, damit sie dazu übergehen konnte den Öffnungsschnitt in der Bauchdecke zu nähen. Es war im Grunde die gleiche Naht, wie sie sie schon bei Lyaths Kaiserschnitt hatte anwenden müssen, weshalb sie ohne groß darüber nachzudenken Salbe und Kleber beiseite stellte und wieder Nadel und Faden in die Hände nahm. Das überragende Gedächtnis der Titanen hatte schließlich auch seine Vorteile. So kümmerte sie sich fast schon routinemäßig darum die verschiedenen Muskel-, Bindegewebs- und Hautschichten wieder zusammenzunähen, während sie gleichzeitig im Kopf schon die nächsten Schritte plante.
'Ich brauche auf jeden Fall das Endoskop, um mir ein vergrößertes Bild auf das HUD legen zu lassen. Dann den 0,1 Millimeter Faden und die Mikropräzisionswerkzeuge um überhaupt am Rückenmark arbeiten zu können. Passende Titanschienen kann Aidan mit dem Drucker herstellen, während ich arbeite. Die Wirbel- und Bandscheibenprothesen haben sie ja eigentlich bereits in Rohform angefertigt und selbst wenn nicht, werde ich derart lang brauchen, dass das kein Problem darstellen sollte. Ich muss nur Emily Bescheid geben, dass sie sich um die anderen Verletzungen kümmern muss. Was war es noch gleich alles?
Sein linkes Vorderbein muss ab, genau, da sollte sie am besten gleich ein künstliches Schultergelenk einpassen, damit wir später eine passende Prothese für Shad anfertigen können. Dann war da noch das mit den ausgerenkten Halswirbeln, das ist relativ schnell und unproblematisch erledigt, am besten machen wir das noch geschwind, bevor ich mit der Rückenmarks-OP beginne. Gut, dann natürlich sein linker Flügel. Nach Aidans Aussage sind sämtliche Knochen darin gebrochen und ich nehme einfach mal an, dass auch die Flügelhaut irgendwo eingerissen sein wird. Sollte kein Problem darstellen die Knochen zu richten und zu fixieren und auch die Flügelhaut dürfte leicht zu flicken sein. Aber damit muss sie sowieso warten, bis ich mit dem Eingriff am Rücken fertig bin, ansonsten kommen wir uns da noch gegenseitig in die Quere.
Passt.
Dann muss sie noch Shads Schädel mit Titanplatten fixieren und den Kiefer richten. Auch nur ein Routineeingriff. Das einzige was mir noch etwas Sorge bereitet neben dem Rückenmark ist die Schusswunde im Hals.' diskutierte Alina mit sich selbst und verzog nachdenklich das Gesicht.
Tatsächlich war die Wunde Hals zwar nicht unbedingt lebensbedrohlich, aber sehr großflächig. Das 20 Millimeter Geschoss aus Julias Gaußgewehr hatte ein mehr als faustgroßes Loch im Hals des Drachens hinterlassen, was bei der Faust eines Titanen bedeutete, dass ein normaler Mensch wohl knapp beide Fäuste hätte hindurch stecken können. Selbst mit Hilfe des bioneutralen Wundgewebes würde es mehrere Monate brauchen, bis dieses Loch vollständig verschlossen war und bis dahin blieb es ein wahres Paradies für Entzündungen und Krankheitserreger. 'Vielleicht kennt die Kräuterhexe einen passenden Zauber, um die Wunde zu versorgen. Es ist schließlich nichts Kompliziertes, lediglich einige Muskeln, Sehnen und Haut.' hoffte die Ärztin innerlich, während sie mit leichten Schwierigkeiten dazu überging die Nähnadel durch einzelne Schuppen zu drücken, um die äußerste Hautschicht zusammenzunähen.
Glücklicherweise musste sie sie nur eine einfache Naht setzten, so, dass eben die beiden Hautlappen wieder aneinander saßen. Den Rest würde der Klammerer übernehmen. Sie fluchte leise, als sie am letzten Einstichpunkt mit der Nadel an der glatten Oberfläche einer Drachenschuppe abrutschte und das Metall komplett verbog. Missmutig löste sie den Faden von der nun unbrauchbaren Nadel und knüpfte einen Knoten, um wenigstens die bisherige Naht ordentlich abzuschließen. Danach langte sie nach dem Klammerer und setzte diesen an den Beginn der grob zugenähten Wundstelle an. Wie schon zuvor bei Lyaths Kaiserschnitt führte sie das Gerät langsam über die lose zusammengenähte Wunde, wobei der Klammerer in kurzen Abständen spezielle Metallklammern durch die Schuppen ins Fleisch schoss und somit beide Schnittkanten fest beieinander hielt. Auf den letzten paar Zentimetern musste sie vorsichtig die schuppige Haut von Hand zusammenhalten, während sie mit dem Gerät darüber fuhr. Anschließend legte sie den Klammerer wieder beiseite und griff stattdessen nach der antiseptischen Wundsalbe, von der sie eine dicke Schicht auf die nun geschlossene Schnittstelle auftrug. Dann nahm sie das schon bereitgelegte Verbandsmaterial und befestigte es mit Hilfe des Spezialklebebands über die frische Naht.
„Gut, das hätten wir dann soweit." murmelte die Titanin in ihren nicht vorhandenen Bart und zog die schmutzigen Handschuhe, an denen Blut und Überreste des Bioschaums klebten, aus. Sie vergewisserte sich noch einmal, dass der Verband auch wirklich hielt, bevor sie die Handschuhe zu den anderen Sachen legte und dann mit beiden Tabletts nach vorne zu den anderen lief.
Direkt bemerkte sie den riesigen, weißen Verband der praktisch die gesamte Brust von Shad bedeckte und ebenfalls mithilfe des speziellen Klebebands befestigt worden war. Emily, Sarah und Angela standen daneben beim medizinischen Equipment und legten offenbar schon alles für die Rückenmarksoperation zurecht. Ein Blick zur Seite verriet ihr, dass Mark zum 3-D-Drucker zurückgekehrt war und an der Eingabekonsole herumfummelte.
„Ah, du bist bereits fertig mit dem Bauch? Das ging schneller als ich dachte, wir sind gerade erst dabei die nötigen Sachen bereitzulegen." meinte Smith leicht überrascht, als sie den Kopf Alina zuwandte. Wegen ihrer Spaltsinnesorgane war es praktisch unmöglich, sich an sie heranzuschleichen.
„Ja, die Leberruptur war im Grunde die einzige ernstzunehmende Wunde im Bauchraum. Der Rest sind alle nur kleinere Hämatome, dafür reichen die Wirkstoffe im Bioschaum locker aus. Gute Arbeit mit der Brust, lief alles glatt?" antwortete die Ärztin herunterspielend, wobei sie jedoch die Sache mit dem Kind absichtlich für sich behielt. „Hhm, dann hat Aidan wohl wiedermal leicht übertrieben, naja egal Hauptsache es ist alles in Ordnung jetzt. Das mit der Naht war etwas nervenaufreibend. Mir sind zwei Nadeln verbogen, während ich durch die Schuppen stechen wollte. Die Dinger sind echt härter als Eisen könnte man meinen. Jedenfalls sollte alles funktionieren, sobald wir bereit sind, die Herz-Lungen-Maschine abzuschalten." erwiderte die Feldärztin nickend und reichte ihrer Schwester ein frisches Paar Handschuhe, nachdem diese ihre Tabletts weggelegt hatte.
„Angela hat uns übrigens auf etwas aufmerksam gemacht, an das wir nicht direkt gedacht haben." fügte sie hinzu, woraufhin Kensac hinter ihrem Visor die Stirn runzelte. „Was ist euch aufgefallen Kräuterheilerin?" Angela, die gerade noch neugierig den Behältern mit der antiseptischen Wundsalbe betrachtet hatte fuhr erschrocken auf, wie ein Kind, das man bei etwas Verbotenem ertappte. „Huch, entschuldigt, ich war gerade gedanklich woanders. Was wolltet ihr doch gleich wissen?" entgegnete sie hastig, woraufhin Alina ihre Frage wiederholte. „Was euch aufgefallen ist, habe ich gefragt." „Ah ja. Eure Maschine, die Shads Lunge ersetzt, wächst sie mit ihm mit?" antwortete die Kräuterhexe mit ihrer eigenen Frage und schlug damit der Ärztin leicht vor den Kopf. Sie hatten in der Not der Situation nicht bedacht, dass Shad ein relativ junger Drache war und noch einiges wachsen würde. Und irgendwann würde das momentane 'Luftsieb' nicht mehr ausreichen, um den Körper ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen, trotz seiner enormen Leistung.
„Nun, nein, das kann sie nicht. Wir werden sie wohl immer wieder ersetzten müssen wenn er 'herausgewachsen' ist. Eine Unannehmlichkeit die er wohl den Rest seines Lebens ertragen muss." erklärte die Titanin nach kurzem Nachdenken und Emily fügte hinzu: „Es sei denn, er findet einen Magier, der ihm wieder eine organische Lunge geben kann. Fürst die nächsten paar Jahre, sollte es aber mit der jetzigen gehen, immerhin ist sie dreimal so effektiv wie seine alte." „Oh. Ihr meint also, dass ihr diese Prozedur immer wieder durchführen müsst? Ach herrjemine." murmelte die Kräuterheilerin schockiert und sah besorgt hinüber zu Shads Brust.
„Keine Sorge, die Streben, die die Lunge an seinen Rippen befestigen sind dehnbar. Selbst wenn er jetzt plötzlich einen Wachstumsschub bekommt macht das nichts aus. Außerdem hat Emily ja vielleicht recht und ein anderer Magier kann ihm eine neue Lunge geben. Anderweitig gäbe es nur einen anderen Ausweg, wie er künftige Operationen entgehen kann, oder zumindest die Anzahl verringern könnte, aber diese Methode würde ich nur ungern und vor allem nur mit seiner eigenen Zustimmung durchführen." versuchte Kensac sie zu beruhigen, erntete dafür jedoch gleich einen skeptischen Blick mit hochgezogener Augenbraue. „Von was für einer Methode sprecht ihr da?" wollte Angela wissen, was Alina dazu veranlasste kurz aufgebend zu seufzen, bevor sie erklärte: „Wir besitzen die Möglichkeiten einen kompletten Wachstumsstopp einzuleiten, sprich sein Körper würde nicht mehr größer werden.
Bevor ihr etwas sagt, lasst mich aussprechen.
Das wäre nur vorrübergehend. Denn das gleiche funktioniert auch umgekehrt. Wir könnten sein Wachstum gezielt beschleunigen, sodass er nicht auf ewig so 'klein' bleiben muss. Der Vorteil daran wäre, dass wir uns auf den Eingriff vorbereiten könnten. Aber wie gesagt, das ist vollkommen seine eigene Entscheidung und wenn wir Glück haben und es solch einen Zauber wirklich gibt, dürfte es auch gar nicht vonnöten sein."
„Barzul! Und ihr seid euch sicher, dass ihr keine Magier seid? Ich kenne mich bestens mit allen möglichen Kräutern und Wurzeln aus, aber Tinktur, die das Wachstum auf Wunsch beschleunigt oder gar ganz anhält? Und da soll noch einer sagen, ich wäre unverständlich!" rief die kleine Frau theatralisch aus und warf ungläubig die Hände über dem Kopf zusammen. Alina schüttelte perplex den Kopf, wohingegen Sarah leicht amüsiert sagte: „Arthur C. Clarke hatte wohl doch recht."
Die Ärztin brauchte einen Moment, bis sie verstand was ihre Schwester meinte. 'Jede hinreichend fortgeschrittene Technologie ist von Magie nicht mehr zu unterscheiden. Stimmt wohl, wenn ich so darüber nachdenke, unsere Techniken entsprechen hierzulande Magie.' dachte sie und zog währenddessen die neuen Handschuhe an. „Nein, wir sind gewiss keine Magier, Angela und unsere Methoden beruhen auch nicht auf Wurzeln oder Kräuter. Aber das können wir alles in Ruhe besprechen, sobald die Operation vollständig abgeschlossen ist. Vor allem da jetzt der wohl schwerste Teil bevorsteht." bemerkte Smith, was Angela erneut aufhorchen ließ. „Noch schwerer, als einem Drachen den Brustkorb aufzuschneiden, seine Lunge herauszuholen und diese durch eine Maschine zu ersetzen?"
„Der nächste Teil wird darüber entscheiden, ob Shad jemals wieder fliegen oder laufen wird." erwiderte Alina todernst.
Ihr Tonfall allein genügte, um sämtliche Farbe aus dem Gesicht der rüstigen Kräuterhexe weichen zu lassen. „Seine Wirbelsäule ist auf Höhe des 12. Rückenwirbels gebrochen. Selbst ihr solltet wissen, was das bedeutet." Angela nickte angespannt. „Ich habe bereits Männer behandelt, deren Rückgrat von Speeren oder Lanzen durchstoßen worden war. Ihre Schmerzen konnte ich lindern, doch nicht einmal mit meinen ausgefeiltesten Mitteln vermochte ich es ihnen das Gespür in ihren Beinen wiederzugeben. Nur die Glücklichen, die von einem anwesenden Elfenmagier behandelt wurden, konnten nach einigen Tagen wieder gehen, aber selbst dann auch nur mit einem Gehstock." erzählte die Kräuterheilerin schwermütig, woraufhin die Ärztin verstehend nickte.
„Das Rückenmark ist überaus empfindlich und komplex aufgebaut. Selbst ich mit meinen Fähigkeiten musste es knapp sieben Jahre lang studieren, bis ich das nötige Verständnis hatte daran zu operieren. Und hierzulande habt ihr wohl kaum die Möglichkeiten den genauen Aufbau des Rückenmarks zu bestimmen. Kein Wunder, dass selbst euere besten Heiler daran scheitern, es vollständig zu reparieren." „Und ihr besitzt dieses Wissen?" „Ich habe 50 Jahre meines Lebens damit zugebracht sämtliche Aspekte der Medizin zu lernen, die es überhaupt zu lernen gibt. Die Operation wird zwar etliche Stunden dauern, aber wenn keine Komplikationen auftauchen, kann Shad nach seiner Genesung wieder unbeschwert laufen und fliegen." erklärte Kensac, nahm sich das spezielle Endoskop von der Ablage und überprüfte es geschwind auf seine Funktionalität.
Es bestand aus einem beweglichen, fingerdicken, schwarzen Schlauch, an dessen Ende eine ultrahochauflösende Minikamera und ein kleiner, aber effektiver Scheinwerfer eingebaut waren. Das Gerät funktionierte praktisch wie jedes andere medizinische Endoskop, mit der Ausnahme, dass die Kamera eine starke Zoomfunktion besaß, um die zierlichen Nervenfasern perfekt einfangen zu können. Sie betätigte rasch zwei Schalter, womit sie das Endoskop mit ihrem HUD verband und aktivierte kurz die Bildübertragung. Wie gewünscht füllte sich ihr HUD mit dem vergrößerten Bild der Minikamera, wodurch sie ein stark vergrößertes Bild der durchsichtigen Kunststoffhandschuhe vor Augen hatte. Zufrieden schaltete sie die Verbindung wieder ab.
„50 Jahre, du meine Güte und ich dachte immer meine Lehrzeit wäre lang gewesen. Dann hoffe ich, dass ihr recht behaltet Alina. Es wäre wirklich ein schwerer Schlag für den jungen Shad, wenn er bereits in diesem Alter zu einem halben Krüppel wird, nur weil irgendwelche Bastarde ihn für ihre dreckigen Machenschaften missbraucht haben." entgegnete Angela mit leicht aufgebrachter Stimme und ballte die rechte Hand zur Faust. „Ich wünschte nur, ich könnte ihm besser helfen. Noch nie zuvor kam ich mir dermaßen nutzlos vor. Nun ja, vielleicht doch, aber es ist trotzdem kein schönes Gefühl." Beruhigend legte Sarah ihr die Hand auf die Schulter. „Ich verstehe nur zu gut, was ihr meint. Ich bin auch oft nur zum zusehen verdammt."
„Können wir diese Diskussion bitte auf später verschieben? Ich möchte möglichst rasch fortfahren, der Eingriff am Rückenmark wird mindestens zehn Stunden dauern, eher mehr. Und davor muss ich mit Emily noch die weitere Vorgehensweise besprechen, da ich mich danach vollkommen konzentrieren muss." Unterbrach sie Alina relativ rüde und wandte sich direkt danach an Emily, die sie ihrerseits erwartungsvoll anblickte. Sarah und Angela verstummten augenblicklich.
„Danke. Gut. Also Emily, wie gesagt, ich werde gleich den Eingriff am Wirbelbruch vornehmen. Davor werden wir noch geschwind die ausgerenkten Halswirbel wieder einrenken, das sollte nur ein paar Minuten dauern. Danach widme ich mich dem Rückenmark und du versorgst voll die anderen Verletzungen. Sprich die Amputation des linken Vorderbeins, die Fixierung der Schädel- und Kieferfraktur mit Titanplatten und Streben, das linke Hüftgelenk durch ein Künstliches ersetzen und dann schließlich noch die Halswunde verschließen. Bis auf die Schusswunde alles nur Routineeingriffe." zählte Kensac die einzelnen Verletzungen auf und Smith nickte zustimmend. „Was ist mit der Flügelfraktur? Damit warten wir wohl, bis du mit deinem Eingriff fertig bist, sonst kommen wir uns gegenseitig in die Quere, oder?" „Ja. Bei der Amputation weißt du ja, die Nerven soweit es geht intakt halten, damit wir später eine voll funktionsfähige Prothese anbringen können." „Ist klar. Nur die Schusswunde macht mir etwas sorgen." meinte die Feldärztin und rief ein kleines Schema auf ihrem HUD auf, das die Wunde am Hals als 3-D Grafik zeigte. Sie musste unwillkürlich die Lippen schürzen, als sie noch einmal genau sah, wie großräumig sie wirklich war.
„Die Kugel hat extrem viel weiches Gewebe herausgerissen, selbst wenn ich versuche alles absolut steril zu halten und die Wunde mit dem bioneutralen Gewebe auffülle, werden wir es alle fünf Stunden überprüfen und reinigen müssen. Sonst ist die Möglichkeit einer Blutvergiftung, die er in seinem Zustand kaum überstehen wird, zu hoch." „Daran habe ich auch schon gedacht." erwiderte Alina nachdenklich und drehte den Kopf zur Kräuterhexe hin, die sie sichtlich überrascht ansah. „Angela, ich weiß ihr meintet, eure magischen Fähigkeiten seien begrenzt, aber, kennt ihr vielleicht einen Zauber, mit dem ihr die Wunde an Shads Hals heilen könntet? Das würde uns enorm weiterhelfen." fragte sie ernst, woraufhin die kleine Frau ihre Stirn in Falten legte und gedankenverloren am Haarnetz zupfte, welches ihre braunen Locken mehr oder minder gut unter Verschluss hielt.
„Ein Zauber nicht, nein. Meine Heilkünste beruhen hauptsächlich auf Tränken und Kräutern. Aber wenn ich mir die Wunde genauer ansehe, könnte ich euch mehr sagen. Unter Umständen hätte ich vielleicht einen passenden Heiltrank dabei, je nachdem was genau verletzt wurde." antwortete Angela mit erhobenem Zeigefingern, woraufhin Alina und Emily beiden zustimmend den Kopf neigten. „Ich verstehe. Es sind hauptsächlich nur Muskeln und Sehnen die beschädigt wurden, vermag das euer Trank zu heilen?" wollte Smith von ihr wissen, worauf die Kräuterheilerin mit einem andächtigen Nicken antwortete. „Falls es sich wirklich nur um Muskeln, Sehen und Haut handelt, sollte mein Trank seine volle Wirkung entfalten können. Nur wird zwar eine recht unschöne Narbe zurückbleiben, aber ich denke das ist immer noch besser als ein riesiges Loch im Hals zu haben."
„In der Tat. Perfekt. Dann lasst uns noch kurz alles zusammenlegen, was ich für den Eingriff am Rückenmark brauche, bevor wir loslegen. Sarah, wärst du so freundlich mir gleich bei der OP zu assistieren?" erwiderte Kensac sachlich und wandte sich kurz an Sarah, die brummend antwortete: „Klar."
„Perfekt." meinte die Ärztin zufrieden und klatschte erwartungsvoll in die Hände. Routiniert fuhr sie damit fort die notwendigen Instrumente auf die Tabletts zu legen. Den Großteil hatten die beiden anderen zum Glück bereits zurechtgelegt, es fehlten lediglich der Spezialfaden, ein Spanner und mehrere ultra-feiner Pinzetten mit Feststellfunktion, um die einzelnen Nervenfasern zu fassen zu kriegen. Diese waren immer paarweise vorhanden und besaßen farbliche Markierungen, um damit zusammenhängende Stränge markieren zu können. Alles andere befand sich schon auf den Ablagen, sogar die metallische Wirbelprothese, die beiden künstlichen Bandscheiben und mehrere Schrauben und Titanstreben, damit sie den operierten Abschnitt der Wirbelsäule nach dem Eingriff stabilisieren konnte, um eine saubere Abheilung zu gewährleisten. Nachdem sie alles zurechtgelegt hatte, reichte sie die beladenen Tabletts an Parker weiter und bedeutete allen ihr zu folgen.
Gemeinsam traten sie hinüber an Shads Hals, der nach wie vor in einer leichten Kurve im Stasisfeld lag. „Soweit so gut. Aidan? Kannst du das Stasisfeld im Halsbereich etwas herunterfahren, damit wir die Wirbel einrenken können?" rief sie der KI zu, die nachwievor über dem Rücken des Drachens schwebte und mit seinen Scannern die besagte Stelle an der Wirbelsäule abtastete. „Zu Befehl Major, verringere Stasisfeld in Quadrant Alpha 1-4." bestätigte Aidan, ging jedoch währenddessen weiterhin seiner Aufgabe nach. Optisch veränderte sich auch rein gar nichts, Shad schwebte nach wie vor starr im Stasisfeld. Erst, als Alina vorsichtig den Hals packte und anfing ihn gerade hinzulegen konnte man erkennen, dass die KI die Stärke des Felds angepasst hatte, ansonsten wäre es schier unmöglich gewesen den Körper auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Das gleiche hatte der Roboter auch schon zuvor im Brustbereich getan.
„Hilf mir mal Emily." bat die Ärztin ihre Schwester, welche ihr sofort zur Hand ging. Gemeinsam bugsierten sie Hals und Kopf so hin, dass sie eine halbwegs gerade Linie bildeten, damit sie ordentlich arbeiten konnten. Nur, wegen seinem schieren Umfang, war es von außen praktisch unmöglich zu erkennen, wo genau sich die ausgerenkten Halswirbel befanden. Stattdessen jedoch konnte man die gewaltige Schusswunde perfekt einsehen. „Genau, seht euch die Wunde ruhig an, während wir die Wirbel wieder einrenken. Ihr habt die Handschuhe noch an, also keine Angst, ihr könnt sie auch wenn nötig abtasten." schlug Smith und deutete auf die Verletzung, die Angela bereits neugierig betrachtete. „Das werde ich tun." entgegnete die Kräuterhexe nickend und trat ein paar Schritte nach rechts, um sich die Wunde genauer anzusehen.
Währenddessen rief Alina in ihrem HUD, Aidans Schema bezüglich der Verletzungen auf und prägte sich die herausgesprungenen Wirbel genau ein. „In Ordnung, der sechste und der achte Halswirbel sind die beiden Übeltäter, circa einen halben Meter weiter rechts. Laut Aidans Schema ist an ihnen jeweils ein Stachel angewachsen. Ah da, siehst dus?" murmelte Alina angestrengt und deutete an ihrer Schwester vorbei auf Shads Rückenkamm, der aus mehreren mittelgroßer Stacheln bestand „Ah ja ja, ich sehs. Die beiden tanzen aus der Reihe." erwiderte die Feldärztin und langte behutsam nach einem der angesprochenen Stacheln. Sie waren so dick wie vier ihrer Finger zusammen und fast kerzengerade. Und tatsächlich standen die beiden leicht schräg und nicht so gerade, wie ihre Nachbarn. Ein deutliches Zeichen dafür, dass ihre "Wurzel", ein Halswirbel, nicht am richtigen Fleck saß. Gleichzeitig half ihnen der Rückenkamm dabei zu sehen, ob alles wieder im Lot war, oder nicht.
Ein kurzer, aber kraftvoller Ruck von Emily und wie von selbst sprang der Stachel mitsamt seinem dazugehörigen Wirbel wieder in seine ursprüngliche Position. Keine Minute später hatte sie auch den zweiten Stacheln gepackt und in seine Ausgangsposition zurück gezogen. Gezielt rüttelte sie sachte an mehreren der spitzen Knochenauswüchse, um festzustellen, ob sich alle gleich anfühlten. Sie taten es. „Das war unerwartet leicht. Ein Glück, dass Drachen diese Stacheln an der Rückseite ihres Halses besitzen, sonst wäre das wohl etwas komplizierter geworden." brummte Smith, woraufhin Kensac sagte: „Wir können ja auch einmal Glück haben."
Just in diesem Moment beendete Aidan seinen Scanvorgang, leuchtete kurz grün auf und schwebte dann direkt zu ihnen herunter, wo er auf Kopfhöhe in der Luft stehen blieb. „Präzisionsscan abgeschlossen, Major. Ich lade die Schemata gerade in die Speichermatrix ihres Atlas hoch." meldete er in seiner typischen, analytischen Art und fixierte Alina abwartend mit seinem gelben Auge. „Sehr gut. Dann überprüfe bitte kurz, ob mit den Halswirbeln wieder alles in Ordnung ist und ob das Rückenmark irgendwelche Schäden davongetragen hat." forderte diese daraufhin und die KI zwitscherte: „Wie sie wünschen Ma'am." Wie befohlen begann Aidan sofort damit den gewünschten Abschnitt des Halses mit seinen Scannern abzutasten. Im Gegensatz zu seinem vorigen Scan benötigte er nur wenige Sekunden, bis er abermals grün aufleuchtete und vermeldete: „Scan abgeschlossen, Major. Bestätige, Halswirbel sitzen wieder in ursprünglichen Positionen, keine Schäden am Rückenmark zu erkennen."
„Ausgezeichnet. Nun gut. Sarah, Aidan, ihr kommt mit mir. Emily, du weißt was zu tun ist. Ich werde vermutlich noch mitten Eingriff sein, wenn du bereits mit allem fertig bist." entgegnete die Ärztin und Emily neigte leicht den Kopf. „Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Erfolg und vor allem ruhige Hände." „Danke, die kann ich wirklich gut gebrauchen." gluckste Kensac hob zum Abschied die Hand und ging dann mit Sarah und Aidan im Schlepptau einmal um Shads Kopf herum, wobei sie auch an Angela vorbeikamen, die die Schusswunde hochkonzentriert inspizierte.
Alinas Ziel war jedoch der Rücken des Drachens, weshalb sie nicht groß anhielt, sonder schnurstracks weiterging. Unterwegs nahm sie eine der großen, metallischen Vorratskisten mit, indem sie sie mit ihren Füßen vor sich herschob. Die Hände, beziehungsweise ihre frischen Handschuhe wollte sie nicht unbedingt verdrecken. „Hier ist die Stelle, Ma'am." teilte die KI ihr mit, als sie auf der Höhe des Flügelansatzes waren. Die beiden Flügel an sich waren zum Glück nicht im Weg, da der Rechte halb über den Bauch gefaltet lag, wohingegen der Linke zertrümmert unter Shad lagerte. Somit hatte sie freie Bahn, wenn man von den relativ spitzen Stacheln absah, die wie auch schon zuvor am Hals entlang des gesamten Rückens aufgereiht standen. Nur eine mittelgroße Kuhle, exakt passend für einen Sattel, besaß nicht diese spitzen Verlängerungen der Wirbel.
Leicht angespannt schob sie mit ihren Beinen die Kiste so zurecht, dass sie sicher darauf stehen konnte, um besser an die recht hochgelegen Wirbelsäule zu gelangen. Die Kiste war eine Spezialanfertigung extra für die Titaneinheit und hielt ohne Probleme dem enormen Gewicht des Atlas stand. So brauchte sie sich keine Gedanken um ihren Halt zu machen, während Aidan ihr die passende Einschnittsstelle mit seinem Laserpointer markierte. Die routinierte Ärztin wusste was zu tun war. Das Rückenmark und die Wirbelsäule waren weitaus empfindlicher was äußere Einflüsse anging, als zum Beispiel der Bauch, weswegen sie nur einen minimal-invasiven Eingriff vornehmen durfte.
„Zeige mir den Scan, den du vorher angefertigt hast." verlangte sie jedoch von dem Roboter, bevor sie zum Skalpell griff. Wie gewünscht erschien eine detaillierte 3-D Grafik von Shads gebrochener Wirbelsäule auf ihrem HUD. Deutlich konnte sie den zertrümmerten Wirbelknochen, die verschobenen Bandscheiben und natürlich auch das durchtrennte Rückenmark sehen. 'Sieht nach einer glatten Abtrennung aus, der Knochen muss es wie eine Guillotine zerteilt haben. Perfekt, das ist viel leichter zu beheben, als eine zerfetzte Trennkante.' stellte sie einigermaßen überrascht fest und prägte sich die exakte Position aller Komponenten ein. Erst danach schob sie das Bild beiseite und nahm sich eine Pinzette vom Tablett, welches Sarah ihr hinhielt.
Behutsam zupfte sie die Schuppe, auf die Aidan zielte, heraus, legte die Pinzette mitsamt der Hornplatte zurück und nahm stattdessen das Diamantskalpell in die Hand. Vorsichtig zog sie einen geraden, fünf Zentimeter langen Schnitt parallel zur darunter liegenden Wirbelsäule, nachdem sie die Stelle mit Desinfektionsspray behandelt hatte. Wie zuvor durchtrennte die chirurgische Diamantklinge Shads Schuppen wie Butter und schon wenige Augenblicke später war der Schnitt so tief, wie sie ihn haben wollte. Sachte setzte sie einen Miniaturspanner ein, um die Wunde offenzuhalten und griff dann nach dem Endoskop, nachdem sie das Skalpell wieder beiseitegelegt hatte. Extrem langsam schob sie es mit dem Kameraende voran in den kleinen Schlitz, denn sie kreiert hatte und verband ihr HUD mit dem Gerät. Zusätzlich aktivierte sie den Mini-Scheinwerfer, um überhaupt etwas sehen zu können.
Zunächst sah sie nur das stark vergrößerte, schleimige Innenleben des Drachens und sie benötigte fast geschlagene fünf Minuten, bis sie endlich das Objekt ihrer Begierde vor die Linse bekam. Den gebrochenen Wirbel mitsamt den Bandscheiben. „Da bist du ja, du Dreckstück." murmelte sie gedankenverloren und befestigte das Endoskop am Spanner, damit es nicht mehr verrutschen konnte. Gleichzeitig nahm sie sich eine der ultra-feinen Pinzetten zusammen mit einem winzigen Haken, der an einem dünnen Metallstab saß vom Tablett.
Ihr erster Schritt, jetzt, da sie die Stelle freigelegt und im Blick hatte, war, die einzelnen Bruchstücke des Wirbelkörpers herauszuholen, ohne dabei das Rückenmark zu beschädigen. Danach würden die beiden angeschlagenen Bandscheiben folgen, bevor sie überhaupt daran denken konnte, die beiden Enden des Rückenmarks wieder zu verbinden. Es hatte sprichwörtlich etwas vom Spiel Doktor Bibber, dass sie früher als Kind gerne gespielt hatte, nur, dass der Einsatz hierbei deutlich höher war, als ein Biep-Ton und das aufleuchten einer roten Nase. Mit äußerster Präzision lockerte sie zunächst die einzelnen Knochenstücke mit dem speziellen Haken, nur um sie dann mit der Pinzette zu packen und vorsichtig nach draußen zu befördern. Stück um Stück, Splitter um Splitter beförderte sie ans Licht, wobei ihre Kiefer vor lauter Konzentration hermetisch aufeinander gepresst waren. Sie hatte keine Ahnung, dass sie knapp zwei Stunden benötigte, um sämtliche Wirbelstücke zu entfernen.
Für sie gab es gerade keine Zeit, Minuten, verrannen wie Sekunden.
Sie überprüfte mehrmals mit Hilfe des Endoskops, ob sie auch wirklich alle Knochenreste erwischt hatte und erst als sie sich dessen sicher war, fischte sie nacheinander die beiden beschädigten Bandscheiben hervor. Immer darauf bedacht ja nicht das mittlerweile freiliegende und in eine weißliche Membran gehüllte Rückenmark zu berühren. Danach gönnte sie sich eine kurze Beruhigungspause, nicht etwa, um sich auszuruhen, sondern um sich besser auf den nächsten Abschnitt konzentrieren zu können. Der schwerste Teil, stand ihr nämlich nun bevor. Sie holte noch einmal tief Luft, dann stellte sie die Kamera des Endoskop auf maximale Vergrößerung.
Denn nun, nun war es an der Zeit die verschiedenen Nervenfasern zu identifizieren und dementsprechend zusammenzunähen. Ein einziger, winziger Fehler hierbei und Shad würde vielleicht kein Gefühl mehr in seinen Hinterbeinen haben, wenn er wieder aufwachte. 'Lasst mich jetzt bloß nicht im Stich Cosmas und Damian.' schickte sie ein kurzes Stoßgebet an die Schutzpatrone aller Ärzte, während sie sich anschickte die erste einzelne Nervenfaser mit einer der Spezialpinzetten zu markieren.
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[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die Drachenreiter
ФанфикDer Soldat John Miller findet sich nach einem schrecklichem Unfall an den Ufern eines ihm unbekannten Landes wieder. Schon sehr bald wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr in seiner eigenen Welt befindet. So also macht er sich auf den Weg, die Dr...