„Ihr versteht es nicht! Ihr könnt es nicht wissen." meinte John leise murmelnd, als Angela zum dritten Mal versuchte ihn vorsichtig nach dem Problem zu fragen. Er rappelte sich mühsam auf und packte die Kräuterhexe vorsichtig an den Schultern.
„ Ich bin überhaupt erst Schuld an Feyths Zustand! Ich bin nicht ihr Erretter, sondern der Zerstörer!" brüllte der Titan ihr entgegen und starrte die Frau voller Verbitterung an. Immer noch rannen Tränen über seine Wangen. Er wollte es einfach nicht wahrhaben. Erst Samantha vor all diesen Jahren und nun Feyth. Er hatte Tymdek ein Versprechen gegeben, das schon gebrochen war, bevor er es überhaupt aussprach. Angela legte ihre Hand sanft auf seine Wange und blickte ihn tröstend an. Leise entgegnete sie: „Du glaubt also, dass es deine Schuld ist?" „Ich weiß, dass es meine Schuld ist!" „Dann akzeptiere deinen Fehler einfach, es nutzt niemanden, wenn du dich jetzt in Selbstmitleid suhlst."
John stockte der Atem. Er hatte mit vielem gerechnet, einer wütenden Beschimpfung, Verabscheuung, aber nicht damit. Mit fester Stimme fuhr Angela fort: „Es mag vielleicht sein, dass du schuld daran bist, aber du hast es, hoffentlich, nicht absichtlich getan! Deine Stimme klang damals aufgeregt, ja fast panisch, als du gerufen hast dieses etwas zu schließen. Du hast versucht es zu verhindern! Nur hatte das Schicksal eben andere Pläne. Es bringt nichts, ständig an der Vergangenheit festzuhalten. Was geschehen ist mag tragisch sein und ich maße mir nicht an zu wissen, was mit Samantha vorgefallen ist, aber solltest du nicht lieber versuchen, deine Fehler wieder gutzumachen, anstatt an etwas zu zerbrechen, das man nicht ändern kann?"
Der Titan schwieg, ließ aber ihre Schultern wieder los und dachte mit leerem Blick über die Worte nach. In ihnen steckte zwar viel Wahrheit, aber den Schmerz in seiner Brust konnte er nicht einfach übergehen. Sein Verstand sagte ihm, er solle Angela vertrauen und sich seiner neuen Aufgabe widmen, doch sein Herz erinnerte ihn qualvoll an das gebrochene Versprechen.
Das Versprechen sie zu beschützen.
Damals vor über zweihundert Jahren.
Vor seinem inneren Auge spielte sich das ganze Grauen von neuem ab und dieses Mal konnte er die Erinnerung nicht verdrängen.
„Und wann wirst du wieder zurückkommen Daddy?" fragte seine kleine Tochter, während sie auf seinen Schultern saß und mit großen Augen den tanzenden Drachen am Himmel beobachtete, den er mit der Leine steuerte. „Ich weiß es nicht Samantha. Bald hoffe ich, dieser Krieg ging schon lange genug." meinte John seufzend und begann langsam damit die Schnur aufzuwickeln, was den Tanz des Fluggeräts noch wilder werden ließ. „Warum bekriegen die sich überhaupt?" wollte sie nun wissen. Abermals seufzte er. „Weil irgendwelche Pappnasen in ihren Bürostühlen gedacht haben, man bräuchte ein bisschen mehr vom Kuchen." „Das ist doch doof! Wenn sich den alle teilen würden, hätte jeder was davon und du müsstest nicht mehr weg. Ich will nicht das du wegen so etwas in Gefahr bist Dad." „Das kann ich leider nicht ändern Schätzchen. Dafür sind diese Machtmenschen einfach viel zu gierig." „Dürfte ich dein Boss sein, würde ich alle Soldaten sofort nach Hause schicken, damit jede Familie wieder zusammen sein kann an Weihnachten." meinte sie bestimmt, während er den Drachen nun vollends einholte und ins Gras ablegte, um seine Tochter herunterzuheben.
„Das wäre schön. Allez Hopp!"
Mit einem Satz war sie von seinen Schultern und rannte laut kichernd auf ihre Mutter zu, die ihnen von der Veranda aus zugesehen hatte. Ihre hellbraunen, schulterlangen Haare wehten im kühlen Herbstwind hin und her. Ein warmes Lächeln blitzte zu ihm herüber und er lächelte zurück. Er las den Drachen vom Boden auf und trottete gemütlich hinter Samantha her, die inzwischen im Schoß ihrer am Rollstuhl gefesselten Mutter saß und ihm fröhlich zu winkte.
John wünschte sich es könnte für immer so ruhig und schön bleiben, aber dieser verfluchte Krieg drohte all das zu vernichten. Noch heute, würde ein Wagen kommen, um ihn von seinem Fronturlaub abzuholen und zurück in die Hölle zu schicken.
„Na mein großer Bär? Wurde sie dir zu schwer, oder das Drachensteigen zu langweilig?" wollte seine Frau neckisch wissen, woraufhin er ihr ein schelmisches Grinsen schenkte. „Ich dachte nur es wäre unfair, wenn ich den ganzen Spaß für mich alleine hätte." entgegnete er und gab ihr einen liebevollen Kuss. „Es wird hier wieder sehr einsam werden ohne dich." meinte Melissa niedergeschlagen, als ihre Lippen sich wieder voneinander lösten. Geistesabwesend strich sie Samantha sanft durchs nussbraune Haar. „Keine Sorge, ich bin im nu wieder hier. Bevor ich dort weg bin, haben sie den Angriff auf Moskau befohlen. Der Krieg wird hoffentlich nicht mehr lange dauern." versuchte er sie zu trösten und fügte mit einem Knuff gegen seine Tochter hinzu: „Und solange ich fort bin, hast du doch noch unsere angehende Krankenschwester bei dir." „Dad!" „Das ist wahr." stimmte seine Frau lächelnd zu.
In der Ferne konnte er bereits den heranrauschenden Jeep hören, weshalb er runter in die Hocke ging und seine Tochter fest an sich drückte. „Ich will nicht, dass du weggehst!" meinte Sam, während sie ihr Gesicht in seine Brust drückte. Leise flüsternd sagte sie dann: „Ich habe Angst Dad. Die haben im Fernsehen gezeigt wie die bösen Kerle eine Stadt zerstört haben, hier bei uns. Wird unsere Stadt auch zerstört werden?" Er sah ihr tief in die Augen und fuhr ihr mit der Hand über die Wange. „Nein wird sie nicht meine Kleine. Da bin ich mir sicher." „Versprich es mir!" verlangte sie flüsternd.
„Ich verspreche dir, dass ich immer auf dich und deine Mutter aufpassen werde, Sam. Ich werde es niemals zulassen, dass euch beiden etwas zustößt." versicherte er seiner Tochter lächelnd und drückte ihr einen feuchten Kuss auf die Stirn.
Quietschende Reifen und das Zuschlagen einer Autotür, läuteten jedoch nur Augenblicke später schon das Ende ihrer trauten Dreisamkeit ein. „Es wird wohl Zeit." seufzte John und löste sich schwerfällig von seinem Mädchen. Ein Mann in grüngefleckter Tarnuniform und Schildmütze kam um die Hausecke auf die Veranda geeilt und salutierte stramm, als er den ranghöheren Offizier erblickte. „Sir! Corporal Hungrove. Man hat mir befohlen sie hier abzuholen Captain." „Stehen sie bequem Corporal. Wir können gleich aufbrechen. Tragen sie schon einmal meine Tasche zum Wagen, ich komme sofort nach." entgegnete John und erwiderte den Salut. „Wie sie wünschen Sir! Ma'am." meinte Hungrove und fasste sich kurz an die Mütze, um Melissa zu grüßen. Dann griff er sich die große Tasche, welche an der Balkontür lehnte und stapfte mit ihr zurück zum Wagen.
Er selbst drehte sich nun noch einmal zu seiner kleinen Familie um, gab seiner Frau einen innigen Kuss und sanfte Umarmung und drückte auch Samantha ein letztes Mal. „Ich werde bald zurück sein. Und dann werden wir auch endlich das Baumhaus zusammen bauen, dass du dir schon so lange wünschst. Hör immer auf deine Mutter und stell bitte nichts Dummes an Samantha, versprochen?" „Versprochen." schniefte diese und umklammerte fest Melissas Hand. „Bitte pass auf dich auf John." sagte seine Frau ernst und er schenkte ihr ein Lächeln. „Du kennst mich, ich bin immer vorsichtig." Er winkte ihnen ein letztes Mal zu, mit den Worten: „Du wirst sehen, deinen nächsten Geburtstag feiern wir alle gemeinsam! Macht es gut und grüßt Oma und Opa für mich!" Dann drehte er sich um und schritt langsam dem Corporal hinterher.
Er wagte es nicht noch einmal zurück zu Blicken.
Schweigend öffnete er die Tür des grünen Army-Jeeps und stieg hinein. „Alles in Ordnung Sir?" fragte Hungrove vorsichtig. „Alles in Ordnung Corporal, sie können losfahren." entgegnete John tonlos. „Sofort Sir." Er spürte, wie der Motor des Wagens ansprang und dieser sich langsam in Bewegung setzte. Damals wusste er noch nicht, dass er seine Familie niemals wiedersehen würde.
Nur fünf Monate später schlugen die Raketen ein und zerstörten alles wofür er selbst gekämpft hatte.
„John? Geht es dir gut? Ah, du kommst wieder zu dir. Tut mir leid wegen der Ohrfeige, aber du schienst wie weggetreten und ich hatte schon befürchtet, dass dein Verstand vollends in den Wahnsinn abgedriftet wäre." Blinzelnd nahm John langsam aber sicher seine Umgebung wahr und bemerkte, dass Angela direkt vor ihm kniete und seinen Kopf mit beiden Händen stützte.
Außerdem pochte seine rechte Wange.
„Entschuldigt, es war nur eine alte Erinnerung. Ich muss wohl ziemlich lächerlich auf euch wirken, ein Elitesoldat, der mir nichts dir nichts in Tränen ausbricht." murmelte er beschämt und rappelte sich auf. „Ich habe schon einige Lachnummern in meinem Leben gesehen John, aber ich denke nicht, dass das was dich bedrückt zum Lachen ist. Willst du mir vielleicht erzählen, was passiert ist? Eventuell kann ich dir sogar dabei helfen es zu verarbeiten." bot die Kräuterhexe höflich an, während sie sich ebenfalls zurück in ihren Sessel fallen ließ, die Hände zu einer Art Pyramide gefaltet. Der Titan seufzte leise und setzte sich zurück auf den Stuhl. „Ihr habt vermutlich recht. Ich kann nicht ewig vor dem davonrennen, was damals geschah, auch wenn ich es eine lange, lange Zeit versucht habe. All diese Emotionen haben sich nur deshalb aufgestaut. Ich werde euch erzählen, was mich dermaßen niedergeschlagen hat, als ich Feyths Geschichte erfuhr." Dankbar nahm er den Stofflumpen entgegen, dem Angela ihm herüberreichte, wischte sich die Tränen von der Wange und schnäuzte ausgiebig.
Dann fuhr er fort: „Ich denke es ist keine Überraschung für euch, wenn ich sage, dass ich aus einer gänzlich anderen Welt als der euren stamme. Nun, in meiner Welt gab es in den letzten dreihundert Jahren zwei große Kriege, wir nennen sie den 3. und den 4. Weltkrieg. Es waren gewaltige Massaker, ganze Nationenverbände kämpften mit- und gegeneinander um die Herrschaft unserer Welt. Und mitten darin, ich, als junger Offizier. Ich hatte eine kleine, wunderbare Familie, meine Frau und meine kleine Tochter. Als der erste dieser beiden Kriege ausbrach, wurde ich an einer unserer zahlreichen Fronten eingesetzt, während sie zuhause hilflos auf ein Lebenszeichen von mir warteten. Ich schrieb ihnen Briefe, jede Woche einen, aber das ist nur ein geringer Trost.
Schließlich, nach vier Jahren immerwährender Kämpfe wurde meinem Gesuch eines Fronturlaubs stattgegeben. Überglücklich reiste ich nach Hause und verbrachte zwei wundervolle Wochen mit meiner Familie. Doch diese Hochstimmung blieb nicht ewig. Schlussendlich endete mein Urlaub und ich wurde zurück in den Kampf beordert. Bevor ich ging, versprach ich meiner verängstigten Tochter, dass ich es niemals zulassen würde, dass ihr oder ihrer Mutter etwas zustoßen würde, dass ich sie beschützen würde."
Er schloss für einen kurzen Moment sein Auge und ballte die Hände zu Fäusten. „Leider machte mir das Schicksal einen Strich durch die Rechnung, denn vor dem, was nun kommen sollte, konnte sie nicht einmal Gott höchstpersönlich schützen. Kurz nachdem ich zurück an der Front war, vermehrten sich die Gerüchte, dass wir kurz vor einem endgültigen Sieg standen. Aber man sollte niemals einen in die Ecke gedrängten, verwundeten Bären unterschätzen. Anstatt einfach zu kapitulieren, startete unser Feind einen radikalen Gegenschlag, eine Art Vergeltung, um uns zu demoralisieren. Dafür verwendeten sie Waffen jenseits eurer Vorstellungskraft, Angela. Eine einzige von ihnen, würde wohl ausreichen um Halb-Nidhan in eine rauchende Aschewüste zu verwandeln.
Und mit hunderten dieser Waffen, beschossen sie meine Heimat. Die gesamte östliche Hälfte eines ganzen Kontinents wurde binnen weniger Minuten in eine brennende Wüste verwandelt. Niemand, der sich dort aufhielt überlebte, auch nicht meine Familie. Ich konnte sie nicht beschützen, mein Versprechen war ebenso zerbrochen, wie mein Herz. Wir gewannen zwar den Krieg, aber um welchen Preis und wofür? Alles was ich besaß, alles was mir lieb und teuer gewesen war, zerstört. Und immer wieder schwirrte mir die Frage durch den Kopf: War es meine Schuld gewesen? Hätte ich sie weg, in Sicherheit schicken sollen? Klar war nur: Ich hatte meiner Tochter ein Versprechen gegeben, über dessen Einhaltung nicht ich, sondern der Zufall entschied. Vielleicht versteht ihr nun, weshalb ich mich selbst dafür hasse, was mit Feyth geschehen ist."
Eine betrübte Stille breitete sich zwischen dem Soldat und der Kräuterhexe aus, während er versuchte seine Gefühle im Zaum zu halten und sie über seine Worte nachdachte.
Ihre Miene wurde ernster, als sie schließlich mit fester Stimme sagte: „Im Krieg gibt es keinen Gewinner, oder Verlierer, nur den Überlebenden. Mein aufrichtiges Beileid für das Schicksal deiner Familie. Ich kann mir nicht einmal entfernt vorstellen, welche Qualen du damals durchlitten hast, niemand sollte sein eigenes Kind zu Grabe tragen müssen. Auch verstehe ich nun, weshalb dir das Schicksal der jungen Feyth derart zu schaffen macht. Du bist nun bereits zum zweiten Mal indirekt am großen Leid eines kleinen Mädchens beteiligt. Aber es gibt einen Unterschied! Die Tode deiner Tochter und deiner Frau liegen schon lange zurück, sie sind Vergangenheit. Feyth jedoch ist noch am Leben, hier und jetzt! Du hast die Chance, deinen Fehler wieder gut zu machen! Tagein, tagaus wird dieses arme Drachenmädchen von jedermann verachtet und verspottet. Es gibt nur wenige, die sie so akzeptieren, wie sie ist. Das Schicksal mag grausam zu dir gewesen sein, ohne Zweifel. Aber nun gibt es dir die Möglichkeit all das hinter dir zu lassen. Du kannst ihr helfen ein halbwegs normales Leben zu führen. Sei ihr Partner, beschütze sie, behüte sie. Werde Feyths persönlicher Drachenritter und all dein Hass und der Schmerz wird von ihr hinfortgeweht werden, wie Blätter in einem Herbststurm!"
Nachdenklich blickte John zu Boden. „Ihr sagt also, ich sollte den Tod meiner Familie vergessen? Das ist nicht so leicht wie ihr euch das vorstellt."
Angela schüttelte abweisend den Kopf und erwiderte eindringlich: „Nein! Um Gottes Willen, behalte sie für immer in Erinnerung und ehre ihr Andenken! Aber belasse es dabei. Lass sie eine wunderschöne Erinnerung an bessere Tage sein und widme dich nun der Gegenwart."
„Eine Erinnerung." wiederholte der Titan leise und lächelte. Eine einzelne Träne rann ihm über die Wange, als er das erste Familienbild vor seinem inneren Auge betrachtete und sich an das glückliche Grinsen auf seinem eigenen Gesicht erinnerte, während er Melissa und Samantha in Armen hielt.
Angela hatte recht.
Es war besser sie so in Erinnerung zu behalten, anstatt ständig ihren Tod und Schmerz vor Augen zu haben. Vor allem gab es jetzt ein kleines Mädchen, das seine Hilfe brauchte!
Johns Gesicht wurde ernst und er richtete sich wieder auf. Monoton meinte er: „Ich bin euch zu großem Dank verpflichtet Angela. Ihr habt es geschafft meiner anderen Persönlichkeit endlich die Augen zu öffnen und loszulassen. Etwas, das mir selbst nie geglückt ist. Er wird es zwar wohl nie gänzlich aus dem Kopf kriegen, aber nun endlich damit umgehen können."
Die Kräuterhexe lächelte fröhlich und es war ihr deutlich anzusehen, dass eine große Last von ihr Abfiel. „Das ist schön zu hören mein Freund." „Ihr wirkt nicht sonderlich überrascht, dass ich mehrere Persönlichkeiten habe." entgegnete er fragend. Angela zuckte schuldbewusst mit den Schultern. „Solembum und Lyath haben mir davon erzählt." „Und ihr findet es nicht befremdlich, dass ich noch vor wenigen Augenblicken weinend dasaß und nun vollkommen gefühlslos bin?" „Oh durchaus nicht. Ich teile die Meinung meines pelzigen Begleiters. Du bist äußerst faszinierend, in mehrerlei Hinsicht. Es würde hervorragend zu der kleinen Feyth passen – vorausgesetzt, du akzeptierst deine Rolle."
Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu, doch John winkte ab. „Seid unbesorgt. Meine Prioritäten haben sich geändert. Ich werde nichtmehr hauptsächlich nach einer Möglichkeit suchen, zurück in meine Welt zu kommen, sondern Feyth helfen ein richtiges Leben zu führen. Das ist das Mindeste was ich tun kann, nachdem wir mit unserer Maschine schuld an ihrem Schicksal sind. Außerdem dürfte es ohnehin ziemlich unmöglich sein, mich zurückzuschicken, wenn ich Karls Aufzeichnung richtig im Kopf habe. Dennoch würde ich meinen Freunden auf der anderen Seite gerne eine Nachricht zukommen lassen, aber das wird sich nebenher irgendwann erledigen lassen. Sie halten mich dort mit großer Wahrscheinlichkeit sowieso für tot, also hat es keine Eile. Es gibt nur wenige die mich betrauern würden." erklärte er ruhig und griff nach Larva, das bei seinem Zusammenbruch auf den Boden gefallen war.
Freudig klatschte die Kräuterhexe in die Hände. „Wunderbar! Bitte nicht falsch verstehen, aber ich freue mich riesig für die kleine Feyth. Endlich bekommt auch ihr Leben einen Schubs in die richtige Richtung, darauf musste sie solange warten." „Es wird für uns beide von Vorteil sein. Sie bekommt einen Beschützer und ich wieder eine richtige Aufgabe." stimmte er trocken zu. Vorsichtig versuchte er sein linkes Auge zu öffnen, doch die Muskeln wollten nicht reagieren. Offensichtlich hatten die Naniten sie betäubt, um ohne Probleme arbeiten zu können.
„Hach es gibt mir immer ein gutes Gefühl Leuten helfen zu können und dieses Mal sogar direkt zwei auf einen Streich! Feyth wird wohl Freudensprünge machen, wenn du es ihr erzählst. Sie wartet schon so lange auf dich." meinte Angela fröhlich. John warf ihr einen skeptischen Blick zu. „Sie wusste von all dem? Gut, das würde zumindest erklären, weshalb sie mir damals wirklich geholfen hat." „Nicht alles, nein." erwiderte sie kopfschüttelnd. „Sie wusste nur, dass eines Tages jemand kommen würde, der ihr Partner sein wird. Und richtigerweise, hat sie dich dafür gehalten." „Hhm, ich verstehe. Wo befindet sie sich denn momentan? Immer noch bei ihrem Vater?" wollte er wissen und Angela nickte. „Ja, aber darüber brauchst du dir nicht den Kopf zerbrechen. Sie werden morgen am Anfang der Wüste auf dich warten. Zumindest hatte ich es so mit Tymdek abgesprochen." „Dann war also alles schon so geplant, von Anfang an? Ihr seid äußerst selbstsicher, das muss ich euch lassen."
„Nun, ich kann nicht behaupten, dass ich erwartet habe, dich derart schnell davon zu Überzeugen. Um ehrlich zu sein, hatte ich zunächst nicht einmal vorgehabt, dir alles zu erzählen, sondern sich alles von alleine entfalten zu lassen, aber ich habe etwas in dir gespürt, das ich nicht beschreiben kann. Als hättest du unbewusst nach Hilfe geschrien und glücklicherweise konnte ich helfen, diesen Schmerz zu überwinden." gestand die Kräuterhexe und nahm einen Schluck von ihrem Tee. „Das war in der Tat äußerst hilfreich. Schon seit weit über hundert Jahren, muss ich mit einem andauernden Schmerz in meiner Brust leben, da mein emotionales Ich, nicht über den Tod unserer Familie hinwegkam. Ich habe es logisch verarbeitet und der dritte im Bunde wird jedes Mal wütend, wenn jemand einen der beiden erwähnt, hat es aber ansonsten im Griff. Vermutlich hat schlussendlich die Sache mit Feyth den Ausschlag gegeben. Ich bin euch wirklich zu großem Dank verpflichtet." meinte John nickend.
„Also hatte Solembum tatsächlich recht. Der liebende Vater, der seelenlose Soldat und der rachsüchtige Mörder. Ich nehme an, dass ich gerade mit dem Soldaten rede, oder?" wollte sie plötzlich neugierig wissen und der Titan nickte. „Wenn ihr es so nennen wollt, ja." „Faszinierend, obwohl ich meinem pelzigen Freund durchaus widersprechen muss. Du bist keineswegs seelenlos, sondern einfach nur gefühlsleer." stellte die Kräuterhexe klar und er nickte abermals. „Das ist korrekt." Dann räusperte er sich und fügte hinzu: „Aber wir kommen vom eigentlichen Thema ab. Ich habe noch einige Fragen, auf die ihr hoffentlich die Antwort wisst."
Für ihn war die Sache mit Feyth und seinen Persönlichkeiten abgeklärt. Nun gab es noch einiges Anderes, das eventuell später nützlich werden würde, insbesondere wie er seinen Geist vor fremden Einflüssen schützen konnte.
Als Angela zustimmend mit den Augen klimperte, fuhr er fort: „Ihr erwähntet vorhin eine Möglichkeit meinen Verstand vor feindlichem Eindringen schützen zu können, erklärt mir wie." Sie schmunzelte leicht, während sie antwortete: „Du bist ohne Zweifel ein Soldat, durch und durch. Sehr gut, ja keine Zeit mit unnötigen Themen verplempern. Man könnte dich glatt mit Hammerfaust verwechseln. Der Kerl hatte auch keinen Sinn für Plaudereien. Um deine Frage zu beantworten: Ja es gibt eine Möglichkeit. Das Ganze ist sogar recht simpel, das einzige was du tun musst, ist dich darauf zu konzentrieren."
„Sprecht bitte nicht in Rätseln, auf was muss man sich konzentrieren?"
„Na darauf, dass du niemandem in deinem Kopf haben willst! Denke einfach an eine Mauer, eine Platte aus Stahl, oder sag immer wieder einen leicht zu merkenden Spruch auf. Dein Feind wird dann mental an genau dem abprallen, an das du denkst." „Das ist alles?" fragte der Titan skeptisch, doch Angela nickte bestätigend. „Hat es irgendwelche Vor- oder Nachteile bestimmte Dinge zu wählen?" wollte er daraufhin wissen. „Nun, euer Gegenüber wird vor seinem inneren Auge genau das sehen, auf das ihr euch konzentriert. Ein bisschen Einschüchterung ist sicherlich hilfreich." „Ich verstehe." „Gut, dann bereite dich kurz vor und gib mir Bescheid, sobald du bereit bist. Ich werde anschließend versuchen in deinen Geist einzudringen. Einverstanden?" meinte sie dann.
„Einverstanden. Ihr könnt es sofort versuchen, ich bin bereit." entgegnete John nüchtern.
Er hatte bereits gewählt, was er verwenden würde.
„Also schön, aber sei nicht enttäuscht, wenn es das erste Mal nicht funktioniert. Normalerweise braucht es dafür monatelanges Training. Als gut gemeinter Ratschlag: Es ist leichter, wenn man die Augen dabei schließt und seine Umgebung ausblendet." erwiderte die Kräuterhexe freundlich und schloss selbst nach einem kurzen Moment die Augen, als der Titan ihrem Rat nicht nachkam, sondern sie weiterhin ausdruckslos anstarrte. Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, bis Angela einen spitzen Schrei ausstieß, die Augen weit aufriss und zusammenzuckte.
„Barzûl! John! Woher hast du solch eine grässliche Erinnerung? Ich hatte vielleicht mit einer Waffe, oder einer Rüstung gerechnet, aber nicht mit dem aufgerissenen Maul eines Drachens!" rief sie aufgeregt und sah den Soldaten an, als hätte sie gerade dem Tod selbst ins Angesicht geblickt.
Monoton meinte dieser: „Ich habe bereits gegen drei Drachen gekämpft, seit ich in eurer Welt bin. Zwei dieser Kämpfe endeten im Maul meines Widersachers, es war nicht schwer an dieses Bild zu kommen. Und wie ich richtig vermutet habe, dürfte es ziemlich abschreckend wirken auf die Bewohner Nidhans und Alagäsias." „Oh, ja! Das hab ich gemerkt. Himmel, wie kannst du dich nur auf so etwas konzentrieren? Vor allem mit was für Details? Ich konnte selbst noch die Speichelfäden an den Zähnen erkennen!" „Das zu erklären dürfte schwierig sein, da ihr bei weitem nicht auf dem technischen Stand meiner Welt seid. Ich will es jedoch so simpel wie möglichen erläutern, wenn ihr unbedingt darauf besteht." „Dann lass es lieber bleiben. Wenn ich es ohnehin nicht verstehen kann nützt es mir wenig, wenn du es nur versuchst." „Wie ihr wollt. Um euren Verstand dennoch etwas zu beruhigen, könnt ihr euch einfach vorstellen, dass ich ein außerordentlich gutes, und vor allem großes Gedächtnis habe." erklärte er ohne eine Miene zu verziehen.
Angela pustete eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und setzte sich wieder richtig in den Sessel, bevor sie entgegnete: „Na schön. Versuchen wir es noch einmal, aber bitte nutz dieses Mal etwas Ordinäres, damit ich deinen eigentlichen Schutzwall prüfen kann und nicht schon einen Herzkasper bekomme, wenn ich ihn sehe." „Natürlich, wie ihr wünscht." In Windeseile durchforstete er sein Gedächtnis nach einem geeigneten Gegenstand, bis er schließlich bei einem simplen Felsbrocken hängen blieb. „Ich wäre soweit." meinte John nüchtern und bemerkte nur wenige Augenblicke später einen angestrengten Gesichtsausdruck bei der Kräuterhexe.
„Das ist –ungewöhnlich."
„Stimmt etwas nicht?"
„Nein, das ist es ja gerade. Dein Schutzwall ist perfekt, zu perfekt." erwiderte sie und öffnete ihre Augen, um ihn nachdenklich anzusehen. „Und du bist sicher, dass du noch nie in deinem Leben in dieser Kunst unterrichtet wurdest?" Er schüttelte langsam den Kopf. „Nein, ich wurde nur trainiert jeglicher Art von Folter widerstehen zu können, das gibt mir vielleicht einen Vorteil. Aber es ist so wie ihr sagtet, nicht wirklich schwer." „Das mag sein, aber auf Anhieb einen perfekten Schutzwall zu schaffen und dabei sogar mit mir reden zu können, ist eigentlich unmöglich. Ohne mich selbst loben zu wollen, aber ich bin eine der stärksten Gedankenleser die es in Alagäsia oder Nidhan gibt. Und du trotzt meinen Attacken, ohne auch nur eine Miene zu verziehen! Selbst erfahrene Drachenreiter wie Eragon oder Arya hätten Probleme sich mir zu widersetzten, doch du, du könntest vermutlich noch nebenher ein Liedchen trällern, während ich versuche in deinen Geist einzudringen!" meinte die Kräuterhexe und klang dabei sogar leicht aufgebracht.
Dann schien irgendetwas in ihrem Verstand 'Klick' zu machen, noch bevor der Titan etwas antworten konnte.
„Das ist keine Schauspielerei. Du bist wirklich leer!" murmelte sie leise, woraufhin John nickte.
„Ich besitze keine Emotionen, das einzige was ich fühlen kann sind Schmerzen. Mein Verstand besteht aus purer Logik, weswegen es mir nicht schwerfällt mich nebenher auf etwas zu konzentrieren, ohne abgelenkt zu werden. Um jedoch nicht ganz so überheblich zu klingen: Meine beiden anderen Persönlichkeiten, dürften es weitaus schwerer haben diesen Schutz zu erlernen." merkte er an und betastete vorsichtig sein linkes Auge, welches allmählich einen ziehenden Schmerz verursachte. „Das erklärt natürlich einiges." rief Angela seufzend aus. „Kein Wunder, dass ich keinen Ansatzpunkt finden konnte, es gibt ihn einfach nicht. Das macht dich zu einem überaus mächtigen Gegner John, abgesehen von deiner puren körperlichen Stärke. Solange du diesen Schutzwall aufrecht erhalten kannst, können andere Magier oder Telepathen nicht ausschließen, dass du ebenfalls magiebegabt bist und werden dementsprechend vorsichtig mit ihren Kräften umgehen. Insbesondere unerfahrene Magier wirst du damit leicht in Schach halten können."
'Das ermöglicht mir vollkommen neue Wege solche Personen auszuschalten, allerdings nur, wenn es die anderen beiden ebenfalls beherrschen. Ansonsten könnte es bei einem Wechsel mitten im Kampf zu ernsthaften Problemen kommen.' dachte der Titan und horchte auf, als die Kräuterhexe mahnend den Zeigefinger erhob.
„Wenn dein Gegenüber sich trotzdem dazu entscheiden sollte, seine Zauberkünste einzusetzen und merkt, dass du dich nicht wehrst, ist es vorbei mit dieser Farce. Magie ist leider eines der wenigen Dinge, die man nicht durch bloßes Training erlangen kann. Du wirst dauerhaft einen Nachteil im Kampf gegen einen fähigen Magier haben, behalte das immer in Erinnerung!" „Damit habt ihr mir bereits meine nächste Frage beantwortet, danke. Ich werde an diese Mahnung denken." entgegnete er ernst. Es überraschte ihn nicht, dass es ihm nicht möglich sein würde Magie zu erlernen, dennoch gefiel ihm der Gedanke nicht, solch einer unsichtbaren Macht hilflos ausgeliefert sein zu müssen.
„Außerdem solltest du beachten, dass niemand mit dir in Kontakt treten kann, solange du den Schutzwall aufrecht erhältst, es sei denn derjenige ist bereits in deinem Geist. Das bedeutet, dass zum Beispiel Feyth nur mit dir reden kann, solange du es zulässt." fügte Angela eindringlich hinzu und nahm wieder ihre Tasse vom Tisch, um sich einen Schluck Tee zu genehmigen. „Ich verstehe."
'Quasi eine Firewall für meinen Kopf.' stellte er fest.
Allerdings wurde er mittlerweile skeptisch was Angela betraf. Sie nahm das alles ohne groß nachzufragen hin und auch ihre zwischenzeitliche Neugier oder Verblüffung schien binnen Sekunden wieder zu verfliegen. Wusste sie schon alles im Voraus und spielte nur mit ihm, oder war es doch etwas gänzlich anderes? Zumindest war sie ihm freundlich gesinnt und hilfsbereit, dessen war er sich sicher. Vor allem, nachdem sie ihm geholfen hatte ein Jahrhunderte altes Problem in einer knappen Stunde zu lösen, wie auch immer sie es vollbracht hatte. Etwas Mysteriöses ging von ihr aus, das er sich beim besten Willen nicht erklären konnte. Also blieb ihn nichts anderes übrig, als es hinzunehmen und mit dem klarzukommen, dass sie ihm anbot, beziehungsweise bereit war ihm mitzuteilen.
„Nun, das war eine freudige Überraschung. Du bist wirklich mein talentiertester Schüler John, davon abgesehen, dass ich bisher nie einen hatte. Ich habe wirklich nicht erwartet, dass du derart gut kooperieren würdest. Da bleibt uns sogar noch ein bisschen Zeit für ein paar mehr Fragen, bis wir zum Festmahl gerufen werden. Also nur zu, frag mich, was immer du wissen willst. Ich werde nach bestem Wissen und Gewissen antworten." meinte die Kräuterhexe fröhlich und klatschte in die Hände.
John überlegte kurz.
Was war momentan am wichtigsten? Die Schwarze Rose, Alanna oder Larva, das Schwert welches noch immer in seinem Schoß lag. Schließlich entschied er sich für die Waffe.
„Dieses Schwert hier, Larva wie ihr es genannt habt, weshalb spricht es nur zu mir? Ich verstehe mittlerweile, dass es auf Grund seines Ursprungs ein Eigenleben hat und andere Leute beeinflussen kann, aber niemand außer mir scheint seine Stimme hören zu können." Angela lächelte verschmitzt und tippte im Vorbeugen auf die mit Tuch verdeckte Klinge. „Es hat dich als seinen Meister anerkannt und dient einzig und allein dir. Larva muss gespürt haben, dass du derjenige bist, auf den er und Feyth seit zwei Jahren warten. Aber weshalb einzig und allein nur du ihn hören kannst, kann ich nicht erklären. Vielleicht sieht er alle anderen als unwürdig an und mit seiner 'Zwillingsschwester' konnte er von Beginn an nicht reden, ob gewollt oder ungewollt."
„Also ist es auch für euch ein Rätsel. Interessant, ich will mich jedoch nicht beschweren, immerhin hat er mich bisher vor jedem Angriff gewarnt, der mich ansonsten kalt erwischt hätte. Er scheint einen großen Radius um seine eigene Position jederzeit einsehen zu können." entgegnete der Titan analysierend. „Ja, Larva ist und bleibt ein Rätsel. Er schafft es schließlich auch, seine Präsenz so gut zu verbergen, dass ihn nicht einmal die mächtigsten Magier finden würden, wenn sie nicht wüssten wo er ist. Vielleicht gelingt es dir, ihm irgendwann seine Geheimnisse zu entlocken. Falls ja, lass es mich wissen."
„Gibt es sonst etwas, das ich über ihn wissen sollte? Vielleicht über das Schwert an sich? Ihr meintet ja, es wäre eine umgeschmiedete Drachenreiterklinge." „Das stimmt." bestätigte die Kräuterhexe nickend. „Das bringt einige Vorteile mit sich. Die Klinge ist so gut wie unzerstörbar, Rüstungen oder Schilde stellen kein Problem dar, die Schnittkanten werden niemals stumpf und du kannst damit sogar bis zu einem gewissen Grad Schutzzauber durchdringen." „Unzerstörbar?" fragte er skeptisch und wog die Waffe abwägend in der Hand. „Nun ja, fast. Ich bin mir sicher, dass man eines dieser Schwerter mit genügend zerstörerischer Energie zerbrechen könnte, aber das habe ich noch nie erlebt. Sie trotzen selbst Drachenfeuer, in dem für gewöhnlich alles vergeht. Frag mich nicht wie Rhunön es anstellt, nur sie alleine kennt den kompletten Herstellungsprozess." erwiderte Angela. „Ich verstehe. Dann werde ich wohl von Grund auf eine neue Waffe erlenen müssen, mein Fechttraining wird dabei leider nur bedingt helfen." „Wir müssen alle ab und zu Neuland betreten, nicht wahr?" meinte sie und zwinkerte ihm neckisch zu.
„Das mag sein, aber ich werde immer besser mit einer Schusswaffe, als mit einer Klingenwaffe umgehen können. Aus dem simplen Grund, dass ich über zweihundert Jahre Übung mit ihnen habe." widersprach John nüchtern. „Du meinst Pfeil und Bogen?" „Die Waffen die ich meine, gibt es bei euch nicht. Zumindest nicht in dieser Form. Ein Bogen wäre zwar ein brauchbarer Ersatz, aber vorläufig genügen mein Kampfmesser und Larva vollkommen." „Da hast du wohl recht. Es sind beides hervorragende Waffen und dein 'Messer' ist ohnehin fast so groß wie ein Kurzschwert. Hat es auch einen Namen?" stimmte sie grinsend zu und deutete auf das Kampfmesser an seiner Hüfte. „Ich gebe meinen Waffen für gewöhnlich keine Namen, Angela. Es sind Tötungswerkzeuge und keine Personen, Larva ausgenommen." „Ach wie fantasielos. Wie wäre es mit Hasenschlitzer oder Meisensense? Oder vielleicht doch eher Schafbeißer?"
„Ihr werdet mir keine Ruhe lassen, bis ich einen Namen gewählt habe, oder?" fragte er kühl und mit nach oben gezogener Augenbraue. „Nein." antwortete die Kräuterhexe lächelnd.
John atmete tief durch.
„Dann nennt es meinetwegen Bärenpikser oder dergleichen. Das hat zumindest etwas mit seiner eigentlichen Bezeichnung gemein." „Ah schade, und ich dachte, ich hätte dich schon von Schafbeißer überzeugt. Irgendwann werde ich schon noch jemanden finden, der willig ist sein Schwert so zu nennen. Na schön, dann eben Bärenpikser."
'Ich werde mich hüten diesen Namen zu verwenden. Hauptsache sie ist zufrieden, denn eine Diskussion über Namen ist nicht gerade das, wofür ich meine Zeit verschwenden will.' dachte sich der Titan.
Er wollte gerade anfangen Angela bezüglich Alanna zu befragen, als sein Blick auf einige Heilkräuter im Schrank hinter der Frau fiel. Es gab doch noch etwas, was er über Feyth wissen wollte.
„Angela? Wisst ihr etwas über Feyths heilende Fähigkeiten? Ich habe gesehen, wie sie Kenos Fieber gesenkt und eine Stichwunde an Dekris Flanke geheilt hat, aber sie selbst scheint es selbst gar nicht zu bemerken. Wie eine Art Instinkt. Ist das auch Magie?"
Schlagartig verschwand das Lächeln aus dem Gesicht der Kräuterhexe und ihre Miene wurde ernst. „Sie besitzt heilende Kräfte?"
Es war offensichtlich, dass sie dieses Mal wirklich keine Ahnung davon zu haben schien und nicht nur so tat als ob.
„Ja, wie ich bereits sagte, sie hat sie schon mehrfach eingesetzt, aber offenbar jedes Mal unbewusst." meinte John trocken. Angela kratzte sich nachdenklich am Kopf und sagte nach einigen Momenten: „Das ist neu für mich. Sie hatte diese Fähigkeiten noch nicht, als ich sie das vorletzte Mal gesehen habe." „Habt ihr eine Erklärung dafür? Schließlich können Drachen normalerweise keine Magie wirken, soweit mir bekannt ist." „Nicht willentlich, nein. Das ist äußerst merkwürdig. Von so etwas habe ich noch nie zuvor gehört. Sie setzt es unbewusst ein, meintest du?" Er nickte.
„Es sieht zumindest danach aus. Auf jeden Fall sind ihre Kräfte äußerst beschränkt, denn Dekris gebrochene Beine konnte sie nicht heilen, nur den kleinen Stich." „Das bedeutet, sie sind wahrscheinlich noch am wachsen. Höchst interessant." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und legte die Stirn in Falten. „Meine einzige Vermutung ist, dass ihr Körper versucht die Lücke zu füllen, welche Larva hinterlassen hat. Du hast ja sicher selbst schon gesehen, dass sie kein Feuer speien kann und nicht einmal annähern so groß ist, wie andere Drachen ihres Alters." „Das könnte sein." stimmte John nüchtern zu.
Er wusste, dass die Natur zu gewissen Kompensationen in der Lage war, wie zum Beispiel ein verbessertes Gehör bei Blindheit. Auch die Wissenschaftler, damals am Anfang des Titan-Projekts, wollten sich die Anpassungsfähigkeit mancher Tierarten zu Nutze machen und programmierten das sogenannte "Darwin-Protokoll" in die Naniten ein. Die kleinen Maschinen sollten körperfremde DNA auf Verbesserungen analysieren und anschließend in das körpereigene Erbgut übertragen. Nach einigen Test, die John selbst über sich hatte ergehen lassen müssen, wurde das Programm allerdings schon wieder deaktiviert, da es in wenigen Fällen zu ungewünschten Mutationen führte. Ein unwillkürliches Kribbeln kroch über seine Arme, als er sich daran erinnerte.
Bevor die beiden jedoch ihr Gespräch fortsetzten konnten, klopfte es laut an der Tür. „Herein!" rief Angela höflich und legte dann geschwind den Zeigefinger auf den geschlossenen Mund. Der Titan verstand und nickte kurz. Die schwere Holzpforte wurde aufgestoßen und eine gehörnte Urgalfrau trat in den flackernden Schein der kerzenlosen Laternen. Sie bedachte Angela und ihn jeweils mit einem Kopfrecken und sagte dann mit rauer Stimme: „Das Festmahl ist bereitet Uluthrek, Eisenfaust. Der Mond steht bereits hoch über unseren Köpfen und wartet nur darauf begrüßt zu werden." „Ach herrje! Es ist bereits so viel Zeit vergangen? Ich befürchte wir müssen den Rest unseres Pläuschchens auf ein andermal verschieben John." meinte sie und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Natürlich." entgegnete John. Er wusste, dass er spätestens morgen noch einmal mit der Kräuterhexe reden würde, zumindest sollte sie ihm das Fläschchen mit dem Magieunterdrücker und eine Gebrauchsanweisung geben, bevor sich ihre Wege erneut trennten.
Zusammen mit Angela erhob er sich von seinem Platz, schulterte Larva und folgte den beiden Frauen aus der Wohnhöhle hinaus ins fahle Mondlicht. Dabei fiel sein Blick auf die kleinen Blutspritzer an seinen Beinen und Armen, die ihm bisher egal gewesen waren. Für das Festmahl dürfte es allerdings ziemlich unappetitlich anzusehen sein. So blieb er stehen und fragte laut: „Entschuldigt, aber ich denke es wäre angebracht, dass ich mich vor der Feier noch kurz wasche. Gibt es hier eine Art Waschraum? Etwas Wasser würde schon reichen." Die beiden Frauen drehten sich um und die Urgalfrau antwortete nach einem kurzen prüfenden Blick. „Natürlich Eisenfaust. Geht einfach geradeaus an der Felswand entlang weiter und nehmt die zweite Abzweigung nach links in den Berg hinein. Dort werdet ihr einen kleinen Wasserfall mit Becken vorfinden, an dem ihr euch waschen könnt. Wenn ihr fertig seid, kommt einfach zurück zum Dorfplatz, den ihr vorhin gesehen habt. Wir werden dort auf euch warten." „Habt Dank." Er deutete ein Verneigen an und schritt dann an den beiden vorbei, in die Richtung, die sie ihm genannt hatte. „Viel Erfolg." rief ihm Angela belustigt hinterher, was der Titan geflissentlich ignorierte.
Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis er die Höhlendurchgänge erreichte. Der erste führte auf einer nur spärlich beleuchteten Treppe nach unten in den Berg, dort wo laut der Kräuterhexe der Kerker lag. Der zweite Durchgang jedoch führte nur geradeaus tiefer hinein und helle Fackeln warfen ihr warmes Licht auf die Felswände. Ohne zu zögern betrat er den zweiten Gang und fand sich nach wenigen Metern in einer riesigen Grotte wieder, an deren Rand tatsächlich ein Wasserfall mitsamt Becken war. 'Ein Glück ist der Atlas selbstreinigend. Ansonsten würde ich wohl etliche Stunden mit Schrubben verbringen.' dachte John und trat mit ein paar Schritten direkt unter den Wasserfall, nachdem er Larva beiseitegelegt hatte.
Das Wasser war eiskalt, vermutlich Schmelzwasser eines Gletschers, aber das störte ihn nicht. Er fuhr sich durch sein kurzes, hellbraunes Haar, um auch dort etwaige Reste toten Fanghurs zu entfernen, während der Lotus-Effekt seine Panzerung säuberte. Einige Minuten lang blieb er unter dem kühlen Nass stehen, bis er sich sicher war, dass sämtlicher Schmutz weggespült worden war. Dann trat er unter dem Wasserfall hervor und heraus aus dem ihm bis zur Hüfte gehenden Teich. Ein leichtes Ziehen in seinem linken Auge, ließ ihn kurz innehalten.
Vorsichtig versuchte er seine Lider anzuheben und siehe da, es funktionierte! Die Naniten hatten die Reparatur abgeschlossen und das Betäubungsmittel aus seinen Muskeln entfernt. Langsam öffnete er sein Auge und stutzte.
Sein gesamtes linkes Blickfeld wirkte um ein vielfaches schärfer als das rechte und die grüne Tarnfarbe seines Atlas hatte einen starken Rotstich. Ebenso das Licht der Fackeln, welches nun Orange anstatt gelb leuchtete und das Rot im inneren der Flamme war so stark, dass er das Gefühl hatte es würde ihm gleich entgegenspringen. Allerdings nur in der Hälfte seiner Sicht!
„Was zum Henker?" murmelte John verwirrt und hielt sich das linke Auge zu. Sofort war alles wieder wie normal. Er nahm die Hand wieder weg und alles was auch nur im entferntesten Rot in sich hatte, stach ihm im linken Blickfeld förmlich ins Auge, wohingegen andere Farben blasser erschienen.
Das ergab keinen Sinn.
'Die Naniten können keinen Fehler eingebaut haben, sie arbeiten genau nach dem Bauplan meiner DNA.'
Skeptisch kniete er sich an den Rand des Teichs und blickte sein Spiegelbild an. Was er sah, versetzte ihn in mehr als nur Erstaunen.
Sein linkes Auge, war nicht das, was es eigentlich sein sollte.
Stattdessen starrte ihn ein rotes, reptilienhaftes Auge, inklusive schlitzartiger Pupille an!
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[Eragon Fan-Fiction] Der Titan und die Drachenreiter
FanfictionDer Soldat John Miller findet sich nach einem schrecklichem Unfall an den Ufern eines ihm unbekannten Landes wieder. Schon sehr bald wird ihm bewusst, dass er sich nicht mehr in seiner eigenen Welt befindet. So also macht er sich auf den Weg, die Dr...