Prolog

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Es war tiefste Nacht. Die Dunkelheit war allgegenwärtig und jeder vernünftige Mensch war schon seit geraumer Zeit nicht mehr auf den Beinen.

Deshalb bemerkte auch niemand die verhüllte Person, die auf ein Backsteingebäude zuhastete, das im matten Licht der Straßenlaterne fahl und unheimlich aussah. In den Armen hielt die Person zwei Bündel, dessen Inhalt man in der Schwärze nur erahnen konnte. Erst als die Gestalt eines der Bündel und einen Umschlag auf die Treppe des Hauses legte, war ein leises Wimmern zu vernehmen, dass in der Stille unnatürlich laut erschien. Die Gestalt stockte in ihrer Bewegung und schaute sich um. Dadurch wurde ihr Gesicht von einer weiteren Laterne erhellt und man konnte die Züge einer jungen, blassen Frau erkennen. Sie murmelte einige Worte und sofort war das Baby still. Dann erhob sie sich und verschwand mit dem anderem Bündel in einem lautem Knall, der sämtliche Einwohner aus dem Schlaf schreckte.


Unterdessen tauchte die gleiche Frau mit einem erneutem Knall an einem gänzlich anderem Ort wieder auf. Es war ein älteres Haus, das auf einem dicht bewachsenen Hügel stand - und somit sicher vor neugierigen Blicken war. Die Frau eilte zu der Tür und legte das andere Bündel davor. Sie prüfte noch, ob das Baby gut eingewickelt war und küsste es dann auf die Stirn. Ein aufmerksamer Beobachter hätte bestimmt gesehen, dass eine Träne über die Wange der Frau kullerte. Als sie sich von dem Baby gelöst hatte, holte sie einen merkwürdigen kurzen Stab aus Holz hervor und murmelte ein fremdartig klingendes Wort, woraufhin einige rote Funken hervorschossen und ein helles Licht verursachten. Die Bewohner des Hauses schreckten aus dem Schlaf und und der Mann zückte einen ähnlichen Stab, wie die junge Frau und hastete mit harter Miene zum Fenster. Er murmelte ein Wort, woraufhin ein Blitz auf die Frau zuzuckte und sie zurückwich. Ein kleines Kind im Zimmer fing an zu weinen. Der Mann blickte aus dem Fenster, um zu sehen, was passiert war, doch im diesem Moment war die mysteriöse Frau erneut mit einem Knall entschwunden, diesmal ohne einen Brief zurückzulassen. Trotzdem hatte sie im letztem Moment noch hastig etwas gemurmelt und mit dem kurzen Stab herumgewedelt, woraufhin sich wie von Geisterhand einzelne Buchstaben in der Luft gebildet hatten, die nun ein Wort formten.


Erneut erschien die Frau an einem anderen Ort, doch dieser wirkte bedrohlich: Grabsteine ragten wie krumme Gliedmaßen aus dem staubigen Boden und verzerrte Schatten tauchten den Friedhof in ein unheimliches, düsteres Licht. Die Brust der Frau hob und senkte sich rasch. Dann ein kaum wahrnehmbares Seufzen, als würde sie tief Luft holen. Sie zückte erneut den hölzernen Stab und begann in der gleichen fremdartigen Sprache zu murmeln, als die roten Funken erschienen waren. Einige der Worte hörten sich ein wenig wie Latein an, aber jeder Professor, der diese tote Sprache studiert hatte, würde wissen, dass auch andere Fragmente in diesem merkwürdigen Monolog eingebunden waren. Die Stimme der Frau wurde immer schneller und hektischer, bis die Worte einen Sprechgesang bildeten. Ein grelles Licht blitzte aus dem Stab und erlosch kurz darauf wieder. Aber die Frau fing an zu lächeln, als hätte sie etwas Großartiges geleistet. Doch dann wurden ihre Gesichtszüge wieder ernst und sie entfernte sich vom Friedhof.
Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubendes Geräusch und die Frau zuckte zusammen und packte den Stab fester, als würde sie ihn als Schutz benutzen. ,,Was willst du von mir?!", schrie sie dann in die Dunkelheit.

Eine kapuzenvermummte Gestalt kam hinter einem knochenweißen Grabstein hervor und stellte sich der Frau in dem Weg. Dann streifte die Gestalt die Kapuze ab und zum Vorschein kam eine Fratze, die kaum mehr menschlich zu nennen war; rot glühende Augen, weiße Haut und eine Nase, die kaum mehr als solche zu erkennen war ...

Die Frau schien dieses Etwas wohl zu kennen und offenbar auch zu fürchten, denn sie wich zurück und ihre Hand, die den Stab umklammerte, fing an zu zittern. ,,Du findest sie nie", meinte sie, offenbar im Versuch Tapferkeit zu heucheln, aber das Zittern in ihrer Stimme strafte ihre Worte Lügen. Die andere Person neigte nur den Kopf zur Seite. ,,Warum bist du nur so naiv und glaubst es?" Sie hätte belustigt geklungen, hätte nicht diese offensichtliche Kälte an ihren Worten gehaftet.

Die Frau schluckte merklich, dann verhärteten sich ihre Züge. ,,Spürst du noch ihre Präsenzen? Nein? Das liegt daran, dass ich einen kleinen Zauber gesprochen habe. Sie existieren nicht mehr!"

Der Mann mit den roten Augen schwieg, aber es hatte den Eindruck, als sei er zornig. ,,Dann werde ich ihren Aufenthaltsort eben aus dir heraus foltern!"

Die Frau erblasste, als der Mann drohend näher kam und wich zurück. Dann schien sie eine Entscheidung zu treffen. Sie richtete den Stab auf ihre Brust und schrie: ,,Avada Kedavra!" 

Ein grüner Blitz schoss heraus und traf sie direkt über dem Herzen. Sie sackte zusammen, alle Kraft ihren Körper verlassend. Als wären die Strippen einer Marionette gekappt worden. Sie lag da, in einer seltsam friedlichen Haltung und bewegte sich nicht mehr. Der Mann ging zu der Leiche der Frau und nahm nach kurzer Überlegung den hölzernen Stab an sich. Dann erhob er sich wieder und blickte teilnahmslos auf die tote Frau hinab. Er würde die Kinder finden, das schwor er sich, aber zuerst musste er in Godricks Hollow das Potter-Balg töten, das laut der Prophezeiung in der Lage wäre, ihn umzubringen. Dabei war niemand, wirklich niemand in der Lage, ihn, Lord Voldemort umzubringen!

Der dunkelste schwarze Magier Großbritanniens hatte seinen Einschluss gefasst. Mit einem lautem Knall verschwand er.

An diesem Tag - beziehungsweise in dieser Nacht - starben Lily und James Potter, als Lord Voldemort versuchte ihren Sohn zu töten. Doch der tödliche Fluch prallte ab und Voldemort verschwand, während Harry Potter seit jenem Zeitpunkt nur noch ,Der Junge, der überlebt', genannt wurde.

Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf ...


Seine Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt