JaimeWurmschwanz schwenkte die geöffnetete Phiole mit meinem Blut über den brodelnden Kessel. Er hielt einen Moment lang inne. Zögerte. Überdachte sein Vorhaben. Dann sah er auf seinen Stumpf herab und sein Schluchzen wurde etwas leiser.
Er drehte das Handgelenk und ein paar Tropfen meines Blutes landeten im Kessel.
Augenblicklich verfärbte sich der Inhalt pechschwarz. Etwas entstand daraus. Zuerst schien es nur ein farbloser Klumpen zu sein, doch dann bildeten sich Arme und Beine, beides merkwürdig dünn und bleich, wie die Glieder einer Spinne ... Der Rumpf war ganz knochig und mager ...
Dann bildete sich der Kopf und eine Welle des Grauens und des Abscheus durchflutete mich. Der Kopf war der eines Toten; Die Wangen waren eingefallen, die Nase im Grunde nur zwei Schlitze, die blutroten Augen lagen tief in den Höhlen ... Es war ein Gesicht, das mir bisher nur aus Alpträumen bekannt war.
Lord Voldemort war zurück.Pettigrew reichte ihm mit letzter Kraft einen dunklen Umhang, dann zog er sich weinend neben den Kessel zurück. Voldemort beachtete ihn gar nicht, sondern war viel zu sehr mit der Inspektion seines Körpers beschäftigt. Er betrachtete seine Arme, bewegte seine dürren Finger, fuhr mit den blassen Händen über seinen Schädel ...
Dann lachte er leise, dieses kalte, grausame Lachen, nur hörte es sich jetzt noch bestimmt zehn Mal schlimmer an als zuvor.
Die Schlange wand sich um seine Fußknöchel und er strich ihr mit den Kuppen seiner Finger über den Kopf. ,,Nagini", zischte er auf Parsel. Die Schlange schloss ihre bernsteinfarbenen Augen. Erst jetzt drehte sich Voldemort zu Harry um. ,,Harry Potter", meinte er genüsslich. ,,Endlich."
Harry sagte nichts darauf, was sollte er auch antworten? Aber ich bemerkte sein Zittern, seine Angst. Ich spürte eine seltsame Verbundenheit zu ihm.
,,So oft schon hast du es geschafft zu überleben und doch ist da nichts besonderes an dir ... nur diese Narbe. Es ist eigentlich banal, findest du nicht auch?" Voldemort ging einen gemächlichen Schritt näher zu Harry, der sich verzweifelt gegen die Fesseln stemmte.
,,Deine jämmerliche Schlammblut-Mutter starb um dich zu retten und wirkte so einen simplen Zauber. Nur so konntest du mir all die Jahre entfliehen. Es waren keine besonderen Kräfte ... Nur ein kleiner Zauber, der durch deine Adern fließt." Voldemort blieb vor Harry stehen und sah ihn höhnisch an. Harry schaute trotzig zurück.
,,Derselbe Zauber, der jetzt auch mich schützt, dank der paar Tropfen deines Blutes. Das heißt also ... Ich kann dich jetzt berühren." Voldemort streckte einen knochigen Finger aus und berührte Harrys blitzförmige Narbe. Dieser schrie schmerzerfüllt auf. Doch Voldemort lachte nur. Er schien Harrys Qualen förmlich zu genießen. Endlich nahm er die Hand weg. Harry hing schlaff in seinen Fesseln.
,,Wie nützlich sich selbst deine Schlammblut-Mutter im Tod gemacht hat ... genauso wie mein Vater. Er war ein Muggel und ein unglaublicher Narr. Doch auch er hat einen nicht belanglosen Teil zu meiner Auferstehung beigetragen ... wie auch unser anderer Gast hier."
Wurmschwanz hob hoffnungsvoll den Kopf. Voldemort gab ihm einen Tritt. ,,Nicht du, Wurmschwanz. Jeder meiner Diener hätte deinen Platz einnehmen können. Jeder wäre nützlicher als du gewesen."
Wurmschwanz wimmerte und umklammerte weiterhin seinen Arm. ,,Herr", schluchzte er, ,,Ihr ... habt mir ... versprochen ..."
In einer fast schon nicht mehr wahrzunehmenden Bewegung hob Voldemort seinen Zauberstab. ,,Crucio!"
Pettigrew brüllte voller Qual, als der unverzeihliche Fluch ihn traf. Er weinte und flehte um Gnade, aber Voldemort war unerbittlich.
Ich schloss die Augen, aber ich konnte die schrecklichen Schreie nicht ausblenden. Sie brannten sich förmlich in mir ein, warfen ein Echo und hallten in meinen Kopf wieder. Als würde nicht nur eine Stimme schreien, sondern hunderte. Tausende.
Endlich hörte Pettigrew auf zu schreien und ich öffnete die Augen einen Spalt breit. Wurmschwanz lag zusammengekrümmt auf der trockenen Erde. Er atmete flach.
Voldemort bedachte ihn mit einem angewiederten Blick und stieg über seinen Körper hinweg. Er kam direkt auf mich zu. Entsetzen machte sich in mir breit und ich versuchte verzweifelt mich irgendwie von den Fesseln zu befreien. Aber ich wusste bereits, dass es ausweglos war. Nicht einmal Wurmschwanz würde so ein Fehler unterlaufen.
Voldemort hob seinen Zauberstab. Er war nun fast bei mir. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Was würde jetzt geschehen? Meine Hände waren schweißnass. Voldemort machte einen lässigen Schlenker mit seinem weißen Zauberstab, der dem meinen so sehr ähnelte. Der Unsichtbarkeits-Zauber fiel von mir ab.
Ich drückte mich enger an den Grabstein, tiefer in den Schatten. Weiter weg von Voldemort.
Ich betete, dass Harry mich nicht sehen konnte. Er würde mich nur noch mehr verabscheuen. Alle würde mich verabscheuen, wenn sie die Wahrheit herausfinden würden.
Glücklicherweise stand Voldemort so, dass Harry allerhöchstens meine Schuhe sehen konnte. Sein schwarzer Umhang verdeckte beinahe meinen gesamten Körper. Trotzdem würde es für Harry vielleicht möglich sein, anhand des fast nicht wahrzunehmenden Schattens, den meine Gestalt warf, meine Größe zu erraten ... Vielleicht auch meine Statur ...
Voldemort stand nun direkt vor mir und sah mich an. Seine roten Augen bohrten sich in die meinen. Ich spürte Nagini, die sich um meine Beine schlängelte.
Ich wollte Voldemort nicht ansehen. Ich wollte nicht in diese grauenvolle Fratze blicken, mit dem Wissen, wer er war. Wer ich war.
Dieser ... Mensch hatte Cedrics Tod angeordnet, hatte dutzende Zauberer und Muggel umgebracht und würde noch viel mehr umbringen. Und er war der Mann, der meine Mutter gefoltert hatte.
Ich drehte den Kopf zur Seite und stierte zu dem Trimagischen Pokal, der unweit von mir auf dem Boden glimmerte.
,,Sieh mich an." Seine Stimme war eiskalt und etwas unzweifelhaft bedrohliches haftete an ihr.
Ich schluckte und sah weiter stur zum Portschlüssel. Bleiche Finger legten sich unsanft um meinen Kiefer und rissen so meinen Kopf mit einem schmerzhaften Ruck herum. Mein Unterkiefer knackte kurz. Voldemort hielt mein Kinn nun zwischen Daumen und Zeigefinger und zwar so fest, dass ich meinen Kopf unmöglich bewegen konnte. Ich war gezwungen ihn anzusehen. Seine Miene war ausdruckslos, aber seine leeren roten Augen wanderten musternd über mein bleiches Gesicht. Es war beängstigend.
Ich versuchte irgendwelche Ähnlichkeiten zu dem Bild des Schülers Tom Riddle in seinem Gesicht zu finden, aber es gab keine. Tom Riddle hatte graue Augen gehabt, keine roten Schlitze. Er hatte schwarze Haare gehabt und ein bleiches Gesicht, nicht aber den Kopf eines Toten. Tom Riddle existierte in dieser Form nicht mehr. Nur Voldemort.
,,Wenn du meinen Befehlen noch einmal nicht gehorchst, wird es dir wie Wurmschwanz ergehen." Seine Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in meine Haut. Ich zwang mich zu einem Nicken. Er ließ mich los. ,,Mein Vater hat hier gelebt. Genau in diesem Haus, was du in einiger Entfernung siehst ... ich habe ihn getötet, weißt du."
Wie konnte man nur seinen eigenen Vater töten ... Was für ein Monster musste man sein, um sein eigen Fleisch und Blut umzubringen?! Abscheu und Wut durchzuckten mich. Gemischt mit qualvoller Angst. Wenn er sogar seinen eigenen Vater getötet hatte ... Was hinderte ihn dann mich zu töten? Ich zitterte am ganzen Körper.
,,Genau wie seine Muggel-Eltern ... ich habe mich an ihm gerächt, dafür, dass er mir seinen Namen gegeben hat ... Tom Riddle."
Das war es also. Die Vernichtung meiner allerletzten Zweifel. Tom Riddle war Lord Voldemort und somit mein Vater. ,,Was für eine Ironie, nicht wahr?", sprach Voldemort weiter, ,,Mein Vater ist durch meine Hand gestorben und ich fange durch ihn wieder an zu leben ... und auch ich habe dir vor Jahren das Leben gegeben und mit deiner Hilfe konnte ich heute wieder in meinen Körper zurückkehren und wahrhaftig anfangen zu leben ..."
Und es würde meine Schuld sein.
Etwas schien Voldemorts Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es war mein Zauberstab, der ein paar Schritte neben mir im Gras lag. Voldemort streckte den Arm aus und der Zauberstab landete in seiner Hand. Seine Finger strichen darüber und seine roten Augen blitzten. Dann schwang er ihn einmal. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Werde ich jetzt durch meinen eigenen Zauberstab sterben?
Doch das einzige, was passierte, war, dass sich meine Fesseln lösten. Beinahe wäre ich ohne den fehlenden Halt zu Boden gefallen.
Nun stand ich also vor ihm. Ganz ohne Fesseln. Unbewaffnet. Wehrlos. Voller Furcht vor dem, was nun kommen würde. Vielleicht könnte ich mich hinter einem Grabstein verstecken ... Mein Herz schlug unregelmäßig, viel zu schnell. Er müsste es doch bestimmt hören ...
Voldemort sah mich an. Musterte mich. Prägte sich meine Gesichtszüge ein. Mein Zauberstab noch immer in seiner Hand. ,,Ich freue mich bereits auf unser nächstes Treffen. Vielleicht wird" - er flüsterte die folgenden Worte jetzt, was sie aber trotzdem nicht weniger bedrohlich wirken ließ - ,,deine Schwester auch dabei sein." Mir wurde eiskalt vor Furcht bei dem Gedanken. Aber es bedeutete, dass ich heute nicht sterben würde. Noch nicht.
Voldemort lachte grausam. Er machte eine winzige Geste mit dem Zauberstab. Über Harrys Kopf bröckelte etwas ab. Es war die Inschrift des Namens Tom Riddle. Der Brocken flog zu Voldemort und schwebte zwischen ihm und mir. Voldemort tippte mit dem Zauberstab darauf und murmelte etwas. Die Beschwörungsformel für einen Portschlüssel. Er deutete auf den Grabstein, in dem der Name Tom Riddle eingeritzt war. ,,Ein kleines ... Andenken." Voldemort legte meinen Zauberstab sorgfältig, ohne ihn zu berühren auf den Grabstein. ,,Heute wird nicht dein Tod sein ... aber wenn du dich mir in den Weg stellst, wirst du Qualen erleiden, die du dir nicht einmal vorstellen kannst."
Ich schluckte mühsam und griff nach dem Zauberstab. Gleichzeitig berührten meine Finger den Portschlüssel. Die Welt löste sich in grelle Farben auf.Mein Körper knallte in Gestrüpp. Der Grabstein kullerte einen kleinen Abhang hinunter. Es war mir recht. Ich wollte nicht daran erinnert werden, was gerade geschehen war. Langsam richtete ich mich auf und versuchte die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken. Cedric war tot. Harry würde es vermutlich bald sein. Voldemort war mein Va- nein, ich wollte dieses Wort nicht mit ihm in Verbindung bringen. Für mich würde er immer Lord Voldemort bleiben, nichts anderes. Aber das hinderte nicht zu wissen, was er wirklich war.
Ich ließ mich gegen einen Baum sinken und vergrub den Kopf in den Armen. Manche Erlebnisse sind einfach zu schrecklich, um sie zu ertragen. Vielleicht gab es Menschen, die damit klarkommen, ich jedenfalls tat es micht. All diese neuen Erkenntnisse zogen mich förmlich zu Boden. Erinnerungsfetzen zogen an meinem inneren Auge vorbei. Ein grüner Blitz. Wurmschwanz tötet Cedric ... Voldemort ersteht auf ... Wurmschwanz schreit, als er gefoltert wird und unfasst seinen blutigen Stumpf ... Lord Voldemort ist Tom Riddle ... Lord Voldemort ist Tom Riddle. Diese Worte spuken in meinem Kopf herum, lassen mich nicht mehr los, tönen in verstärkter Lautstärke in meinen Gedanken. Es ist zum Verrücktwerden!In der Ferne hörte ich plötzlich Trompeten und schreckte hoch. Aber es war eine willkommene Ablenkumg.
Wo war ich hier? Ich kämpfte mich durch das Gestrüpp und folgte dem Geräusch. Dornen kratzten meine Klamotten auf. Ich stolperte über Wurzeln und Steine. Überall waren Bäume.
Endlich blitzte etwas hinter den Baumkronen auf. Ein Gebäude mit hohen Türmen und Zinnen, ganz aus Stein erbaut.
Hogwarts.
Ich musste zu Allana. Ich musste bei ihr sein. Ich musste ihr sagen, was passiert war. Was mit Cedric passiert war. Sie sollte es nicht von jemand anderem erfahren. Es würde alles nur noch schlimmer machen.Ich drängte mich durch das dichte Gebüsch und stolperte in die Richtung des Quidditch-Feldes.
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Seine Kinder (1)
FanfictionLord Voldemort. Dunkelster schwarzer Magier seit Grindelwald. Jaime Gaunt. Im Waisenhaus aufgewachsen. Seine Eltern kennt er nicht, er weiß nichts über sie. Aber eines Tages erhält er einen Brief zu einer mysteriösen Schule namens Hogwarts. Allana...