Was haben wir getan?!

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Allana

Ich hatte mir die letzten Tage lang ausgemalt, dass ich nun endlich ein wenig inneren Frieden finden würde, jetzt wo Cedrics Tod gerächt war.
Aber jetzt, wo ich auf die leere Hülle starrte, die einmal Barty Crouch Jr. gewesen war, empfand ich nicht das geringste Hochgefühl. Ganz im Gegenteil: Ich ekelte mich vor mir selbst. Was wir gerade getan hatten ... Wir waren genauso kalt und grausam wie der Todesser. Wie Voldemort.
Meine Beine drohten unter mir nachzugeben. Ich ließ mich zu Boden sinken. Dann übergab ich mich. Zurück blieb ein widerwärtiger Geschmack in meinem Mund und ein rebellierender Magen. Ich wischte mir über den Mund.
Barty Crouch Schreie, kurz bevor der Dementor ihm ... seine Seele genommen hatte ... Ich hatte nicht gewusst, dass ein Mensch jemals so schreien könnte ... so voller Grauen.
Das hatte ich nicht gewollt. Ich meine ... ich hatte ihm wehtun wollen, aber doch nicht so!
Ich hatte nicht erwartet, dass es von so einem Ausmaß sein würde.
Verteidige dich nicht, für das, was du getan hast. Du wusstest ganz genau, was passieren würde! Du wusstest genau, welche Qualen Crouch Jr. durchstehen würde, welche Qualen er noch immer erleidet, aber es war dir egal. Du wolltest einfach nur Rache für Cedric, ganz gleich, ob du dafür ein anderes Leben zerstören müsstest.
Die Stimme in meinem Inneren hatte Recht: Ich hatte Rache für Cedric gewollt, ganz egal in welcher Art und Weise. In meiner Wut hatte ich mir den Erstbesten als Schuldigen gesucht, obwohl es doch Voldemort war, dessen Plan es gewesen war. Der das alles in die Wege geleitet hatte. Der Pettigrew zu dem Mord an Cedric angestiftet hatte. Es war alles wegen Voldemort geschehen.
Und so saß ich da, mitten in meinem eigenen Erbrochenen auf dem kalten Boden, und weinte hemmungslos.

Jaime

Ein Teil von mir konnte es immer noch nicht fassen. Was wir getan hatten. Was ich getan hatte. Das hier war mein Werk gewesen. Ich hatte den Zauber gewirkt. Allana hatte mir zwar geholfen, aber letztendlich hatte ich - in der Muggelsprache gesagt - den Abzug gedrückt. Ich hätte nicht auf Allana hören, ich hätte ihr widersprechen sollen! Wir hätten schon irgendwie sein Schweigen erlangt. Vielleicht mit einem Gedächtniszauber ... Oder wir hätten ihn befreit und dann irgendwo weit entfernt ausgesetzt und dort gelassen. Dort hätte ihn niemand gefunden. Niemand könnte die Wahrheit erfahren. Und jetzt ... Wir hatten ihn Strafe auferlegt, die schlimmer als der Tod war. Einfach nur um uns zu retten.
Allana war neben mir zusammengesunken und schluchzte immer wieder.
Ich versuchte aufzustehen. Es gelang mir erst beim zweiten Anlauf, denn meine Beine waren auf einmal bleischwer geworden. Ich kämpfte mich zu meiner Schwester. Ein Schritt. Und noch ein Schritt. Ich legte ihr die Hand auf die Schulter. ,,Komm jetzt." Meine Stimme war nur ein Krächzen. ,,Wir müssen hier weg."
Sie schaute rot umrandeten Augen zu Crouch' Körper. Schon allein sie so zu sehen war schon eine Qual für mich. Ganz abgesehen von dieser gigantischen Welle an Schmerz und Selbsthass, die mich bei dem Anblick des Todessers überrollte.
Wir sind genauso wie Voldemort.
Dieser Gedanke brachte das Fass der Emotionen in mir zum Überlaufen.
Aber es stimmte. Wir hatten einem Menschen Grauenvolles angetan. Das Schlimmste, das nur passieren könnte. Vermutlich noch schlimmer als der Cruciatus-Fluch ...
Meine Sicht verschwamm. Ich stolperte ein paar Schritte zurück und übergab mich ebenso wie meine Schwester eben.
,,Ratzeputz", hustete ich kraftlos. Wir durften keinerlei Beweise zurücklassen.
Ich brauchte für diesen einfachen Zauber mehrere Anläufe, so sehr zitterten meine Hände. Anschließend deutete ich auf Allanas Erbrochenes. Dann zog ich sie hoch.
Keine Emotionen, redete ich mir ein. Denk nach, Jaime! Für Trauer und Schuld hast du jetzt keine Zeit, ihr müsst hier so schnell wie möglich verschwinden! Meine Gedanken liefen plötzlich auf Hochtouren. Zu viel könnte jetzt noch passieren ... Jeden Moment könnte ein Auror durch diese Tür kommen.
,,Wir müssen hier weg", wiederholte ich mit all der Kraft, die ich aufbringen konnte. ,,Niemand darf uns sehen." Ich beugte mich zu ihr und richtete mit immer noch bebenden Fingern ihre Kleidung. Sie sah einfach nur ausdruckslos gegen die Wand.
,,Okay..." Ich musste mich erst einmal sammeln. Zu viel war geschehen ... Ich schüttelte mich. ,,Niemand darf erfahren, was hier vorgefallen ist. Niemals.", erklärte ich meiner Schwester so eindringlich wie möglich. Sie nickte schwach. Ihre Augen waren merkwürdig geweitet und ihre Pupillen ganz dunkel ... ,,Versuche dich zu beruhigen ... sonst wird man Verdacht schöpfen ... einfach tief durchatmen."
Sie schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Das Geräusch übte eine gewisse Beruhigung auf mich aus. Ich spürte, wie sich mein rasendes Herz ein wenig verlangsamte.
Ich nahm meine Schwester an der Hand und führte sie langsam zur Tür.
Gleich haben wir es geschafft ...
Im Flur befand sich niemand. Dumbledore hatte die Schüler ermahnt sich von diesem Gang fernzuhalten, schließlich stellte der Todesser eine potentielle Bedrohung dar. Ich schloss für einen Moment lang die Augen, als sich die Szenarie von eben gewaltsam ihren Weg in meinem Kopf bahnte.
Jetzt ist er keine Bedrohung mehr.
Eine erneute Welle der Übelkeit durchflutete mich und mir stiegen die Tränen in die Augen. Ich biss mir kräftig auf die Lippe und spürte einen schmerzhaften Stich. Doch die körperlichen Schmerzen ließen mich für eine kurze Zeit die inneren Schmerzen vergessen.
Ich zog meine Schwester weiter. Wir mussten jetzt so normal wie möglich wirken. Jeden Augenblick könnte ein Schüler - oder noch schlimmer - ein Lehrer kommen. Wenn sie dann hörten, was mit Barty Crouch Jr. passiert war, würde es nicht schwer sein, sich den Rest zusammenzureimen. Erst recht, wenn man Allanas verweintes Gesicht sah.
,,Du sollst jetzt nicht zum Gryffindorturm gehen. Man wird dir zu viele Fragen stellen ... kennst du einen Ort, an dem du einige Zeit lang in Ruhe sein kannst?"
Allana nickte langsam und schniefte. ,,Ich kann ins Klo der maulenden Myrte gehen ... ihr wird bestimmt nichts auffallen."
Das war eine gute Idee. Trotzdem wollte ich sie nicht gerne alleinlassen ... sie brauchte mich jetzt mehr denn je ... aber ich durfte jetzt keinesfalls verdächtig wirken. Ich durfte mich jetzt nicht verstecken. Das würde auffallen.
Ich sollte am besten in den Gemeinschaftsraum der Slytherins gehen, sonst würde sich Dumbledore vielleicht fragen, wo ich war ... bestimmt hatte er mich ohnehin schon im Verdacht.
Ich umarmte Allana kurz und spürte, dass sie noch immer zitterte. Oder war ich das? ,,Wir sehen uns heute Abend in der großen Halle, Einverstanden?"
Ihre Reaktion bestand aus einem Nicken.
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Er betrachtete nachdenklich den leblosen Körper des Todessers. Eine tiefe Furche hatte sich in seine Stirn gegraben. Soeben hatte ihm eine vollkommen aufgelöste Minerva McGonagall berichtet, dass es hier zu einem schrecklichen Unfall gekommen war: Der Dementor, der Barty Crouch Jr. eigentlich bewachen sollte, hatte ihm mit einem todbringenden Kuss die Seele genommen. Aber ... irgendwie konnte er das nicht richtig nachvollziehen. Es kam ihm seltsam vor. Nicht schlüssig.
Mehr aus einem Instinkt heraus, als aus einem tatsächlichen Plan, ließ er seinen Zauberstab durch die Luft wirbeln und murmelte einen kraftvollen Zauber. Dieser ermöglichte es ihm jegliche Magie in den letzten Stunden zu erfassen. Beinahe hoffte er, dass der Zauber fehlschlagen würde. Ein simpler Unfall wäre weit weniger verheerend, als wenn das alles wirklich geplant gewesen war.
Ein seltsames Flackern bildete sich plötzlich in der Luft. Seine Schultern sackten mutlos hinab und auf einmal fühlte er das gesamte Gewicht seiner Jahre auf sich liegen. Er hatte sich nicht getäuscht. Hier war Magie benutzt worden. Er spürte den Nachhall eines starken Zaubers. Möglicherweise ein Patronus-Zauber?
Er konnte es nicht genau sagen. Fest stand nur, dass jemand Barty Crouch Jr. ein für alle Mal zum Schweigen gebracht hatte. Er hatte also etwas gewusst, was er bislang verschwiegen hatte. Etwas, weswegen jemand einen Dementor auf ihn losgelassen hatte. Oder war es alles nur ein simpler Akt der Rache gewesen?
Er konnte es nicht genau sagen.
Aber er machte sich Sorgen.
Und wenn Albus Dumbledore, Schulleiter von Hogwarts, sich Sorgen machte, sollte man dies nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Sorry, dass die letzten Kapitel eher etwas später kamen, aber die Schule hält mich gerade ziemlich auf Trab ... Trotzdem danke, danke, danke für mehr als 100k reads! Das hätte ich wirklich nie für möglich gehalten.

Seine Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt