Der Trank

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Jaime

Allana und ich gingen tiefer in die Kerker hinein und gelangten schließlich zu Snapes Büro.
,,Du klopfst!", meinte Allana sofort und hielt Abstand zur Tür.
,,Warum immer ich?", maulte ich gespielt traurig und Allana grinste.
,,Du bist ein böser Slytherin und Snape ist auch ein böser Slytherin. Ich hingegen bin eine tapfere, mutige und intelligente Gryffindor. Und Snape hasst alle Gryffindors. "
,,Du hast bei ihm Nachhilfe!"
,,Das ist etwas anderes", widersprach Allana sofort und ich verdrehte die Augen. Dann klopfte ich.
,,Herein! ", meinte die schnarrende Stimme von Professor Snape und ich trat ein und zog Allana am Umhang mit mir.
Snape korrigierte wohl gerade die Arbeiten unserer Klasse und ich konnte erkennen, dass er unter dem Aufsatz von Harry Potter einen Kringel kritzelte, der verdächtig nach einer Sechs aussah.
,,Allana und ich wollten einen Trank brauen und brauchen dafür ihre Erlaubnis, um das Klassenzimmer zu benutzen", ratterte ich geübt hinunter.
,,Welchen Trank wollt ihr denn brauen?" Auf diese Frage war ich jetzt nicht gefasst gewesen. ,,Ich, uhm..."
Ich piekte Allana in die Rippen. Konnte sie mir nicht mal helfen?!
Doch Allana schien genauso fieberhaft nach einer Antwort zu suchen, wie ich.
,, Äh, einen Stärkungstrank", meinte Allana dann auf gut Glück. Snapes kohlschwarze Augen zuckten zu ihr und er musterte sie aus verengten Augen. Allana schluckte und ich spürte ihre steigende Nervosität.
,,Gut...", meinte Snape dann langsam und ließ uns dabei nicht aus den Augen. ,,Ich erwarte, dass der Raum nach Ihrem Experiment noch im gleichem Zustand ist, wie vorher. Ansonsten sehe ich mich dazu gezwungen unangenehme Maßnahmen zu ergreifen. "
Ich war inzwischen auch so nervös, dass ich herumzappelte. Pokerface, dachte ich.
Wir beide nickten gehorsam und Allana hatte sogar ihren Ich-bin-eine-brave-Schülerin-Blick aufgesetzt, den Snape ihr aber natürlich keineswegs abkaufte.
Endlich wandte er sich wieder den Arbeiten zu, was für uns ein klares Zeichen war, dass wir uns verziehen sollten.
Leise schlossen wir die Tür hinter uns und waren wieder im Korridor.
,,Vor Snape habe ich immer noch eine Heidenangst", meinte Allana und schüttelte sich, wie ein nasser Hund.
Gemeinsam gingen wir in das leere Klassenzimmer und ich suchte die Zutaten zusammen.
,,Hast du alles?", fragte Allana mich gefühlt alle zehn Sekunden und ich grummelte etwas. Ich wusste, dass sie genauso neugierig und zum Teil auch ängstlich war wie ich, aber trotzdem nervte mich ihr Gezappel.
,,Ich habe alles", meinte ich schließlich und hielt die letzte Zutat in die Höhe.
,,Gut", antwortete Allana und vertiefte sich in Das Handbuch für Zaubertränke. ,,Der Trank dauert etwa eine halbe Stunde und zum Schluss müssen wir einige Tropfen unseres Blutes hinzugeben. Das ist eklig."
Gemeinsam schnibbelten wir die Zutaten und überprüften immer wieder die Anweisungen im Handbuch.
,,Hey, wir beide sind echt ein tolles Team!", grinste Allana und patschte mir auf die Schulter.
Nun hatte die Flüssigkeit die korrekte Farbe angenommen und ich schaute Allana in die Augen. ,,Jetzt kommt das Blut und dann wissen wir es."
Allana holte tief Luft. Ob es die Angst vor dem Schnitt, oder vor der Wahrheit war, vermochte ich nicht zu sagen. Fest stand, dass sie auf jeden Fall ziemlich furchtsam schaute. Ihre Augen nahmen den gleichen sorgenvollen Ausdruck an, der auch gerade auf meinem Gesicht lag.
,,Ich zuerst", sagte ich und nahm mir ein kleines silbernes Messer. Damit schlitzte ich mir leicht den Daumen auf und ließ ein paar Tropfen in den Kessel fallen. Er wurde schwarz wie Kohle und zischte unheilvoll.
Allana schloss kurz die Augen. Ihr Gesicht war bleich. ,,Jetzt ich."
Quälend langsam ritzte sie über ihre Handfläche und ballte die Hände zur Faust. Ein roter Tropfen Blut platschte in den Kessel. Unwillkürlich fühlte ich mich an den alten Film Winnetou erinnert, wo die Blutsbruderschaft vollzogen wurde.
Der Sud zischte und kochte. Ich ging einen Schritt zurück. Und der Trank wechselte seine Farbe. Erst wurde er giftgrün, nahm dann einen grellen orangenen Ton an und schließlich... wurde er rot. Rot wie Blut.
Allana und ich schauten uns an. ,,Rot steht für Geschwister", murmelte Allana. Ich sagte nichts, unfähig auch nur einen Ton über die Lippen zu bringen. Ich konnte nicht mal nicken. Allana war meine Schwester.
Ich hatte es zwar vermutet und es sogar ein wenig gehofft, aber diese Hoffnung bestätigt zu sehen, war etwas ganz anderes. Aber der Trank log nicht. Mein Gesicht wurde ganz bleich und mein Körper fühlte sich tonnenschwer an. Ich holte zitternd Luft.
Aber etwas ging mir nicht aus dem Sinn:
,, Warum hat man uns getrennt? "
Diese Frage beschäftigte mich schon eine ganze Weile und jetzt hatte ich es endlich ausgesprochen.
,,I-Ich weiß es nicht", stotterte Allana und ihr Gesicht war ganz bleich. Sie hatte mit dieser besonderen Offenbarung genauso wenig gerechnet, wie ich.
Ich setzte mich neben sie auf den Boden und legte ihr sachte eine Hand auf den Rücken. Diese Geste fühlte sich fremd an, aber es war ein gutes Gefühl, jemanden zu trösten. Es war einfach richtig.
Meine Schwester - das hörte sich ziemlich komisch an - schniefte kurz und lehnte sich leicht an mich. Jetzt saßen wir also da. Allana legte den Kopf auf meine Schulter und rückte näher an mich. Diese eigentümliche Geste hatte etwas vertrautes, etwas geborgenes.
Langsam entspannte ich mich und schloss die Augen.
Wir saßen entweder eine ganze Weile so da, oder nur wenige Minuten. Auf jedem Fall war ich danach ausgeruhter als vorher und mein rechtes Bein war eingeschlafen.
,,Sollen wir es den anderen erzählen? ", fragte Allana mich plötzlich.
Ich überlegte kurz. ,,Das wäre vermutlich keine gute Idee. Mal abgesehen davon, dass uns niemand glauben würde, habe ich das Gefühl, dass es jetzt einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt ist. Außerdem: Was würde deine Familie dazu sagen? Was würden Harry, Ron, Hermine oder Draco, Blaise und Theo dazu sagen?"
Allana nickte unmerklich. ,,Da hast du wohl recht. "
Sie schaute mir in die Augen und ihr Gesicht war sorgenvoll und etwas ängstlich. ,,Was sollen wir denn jetzt machen?"
Ich musste ein wenig lächeln. ,,Wir werden uns auf keinen Fall Sorgen machen. Irgendwann werden wir es den anderen erzählen, aber bis dahin ist noch genug Zeit. "

Seine Kinder (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt